Mittwoch, 4. Februar 2009

The Wave Pictures, Laetitia Sheriff, The Fishermen Three, u.v.a., Saint Ouen, 31.01.09


Konzert: Mo'Fo' Festival. Mit: Malcolm Middleton, The Wave Pictures, Laetitia Sheriff, Damon & Naomi, Jason Edwards, Arrigton de Dionyso, The Fishermen Three, Bob Robot

Ort: Mais d'Oeuvres, Saint Ouen bei Paris
Datum: 31.01.2009
Zuschauer: so einige, verteilt auf zwei Konzerträume



Eigentlich hatte ich nicht vorgesehen, auch beim zweiten Tag des feinen Mo' Fo Festivals in Saint Ouen, vor den Toren von Paris, mit dabei zu sein. Zu kräftezehrend sind nämlich solche Events für Konzertblogger, weil man dann Informationen über ein halbes Dutzend Bands zusammentragen und auswerten muß. Und darüber hinaus halte ich mir eigentlich gerne den Samstag für andere Dinge frei.

Das heutige Programm war dann aber doch zu verlockend und letztlich sollte ich mein Erscheinen keineswegs bereuen, im Gegenteil!

Ich kam sehr pünktlich an, schon zur ersten Band, den Franzosen Bob Robot, die einen melodiösen Powerpop boten. Es waren noch nicht sehr viele Zuschauer da und so hielt sich auch die Stimmung noch in Grenzen. Ich sah mir ein wenig den Vortrag an, war aber noch nicht richtig aufnahmefähig und wollte zudem ein wenig Kraft und Aufmerksamkeit für meine Lieblinge des Abends, Malcolm Middleton und The Wave Pictures, aufheben.

Ein wenig planlos schlenderte ich durch die weiträumigen Flure des Musikzentrums und beschloß, erst einmal etwas zu mampfen. Erstaunlicherweise war für Verpflegung gesorgt, eigentlich eine Seltenheit bei französischen Festivals, da die Fast Food - Kultur im Mutterland der guten Küche nach wie vor verpönt ist. Man ißt am Tisch oder gar nicht, so in etwa lautet die Devise der meisten Franzosen auch noch heute. Fresserei zwischen den Hauptmahlzeiten gilt als verpönt und unkultiviert. Oft schon haben sich Franzosen in meiner Umgebung über die deutsche Unsitte, auf der Straße Brat- oder Currywürste in sich reinzustopfen, belustigt. Wenn die Froschfresser dann aber mal im Kastanienalle-Viertel in Berlin sind, gehen sie auch gerne mal zu Konopke. Die sollen sich also mal gar nicht so aufspielen!

Mit gestärktem Magen ging ich zum nächsten Konzert über. Wobei ich mich im Falle von Arrington de Dionyso mit dem Ausdruck Konzert schwer tue. Was der schnauzbärtige Ami da auf der Bühne zeigte, hatte irgendwie mit einer stark improvisierten Performance- Kunst zu tun. Es war teilweise nicht alles andere als gruselig zu nennen, was der Bursche da so alles abzog! In einer besonders seltsamen Szene kniete er sich mitsamt einem Tambourin in der Hand auf den Boden und greinte sein Instrument an. Die Laute, die er dabei ausstieß, hatten etwas Schamanisches. Betrieb er da etwa eine Teufelsasusreibung, oder irgend etwas in der Art? Als hätte er Zahnschmerzen, greinte, stöhnte und ächzte er und ich bekam es fast mit der Angst zu tun! In einem anderen seltsamen Moment stieß er hingegen Laute hervor, die man so ähnlich von einem Muezzin in islamischen Ländern kennt. "Allah Ekber", ihr kennt das ja, wenn ihr schon einmal in Marokko, oder der Türkei wart...

Kraß, das Ganze!

Wer so etwas spannend findet, bekommt in Deutschland schon sehr bald die Gelegenheit, Arrington de Dinoysos Spektakel live zu sehen. Er spielt am 23.02. bei Madame Claude in Berlin, am 24.02. ist er in der Friese in Bremen, 25.02. irgendwo im hessischen Wetzlar und am 26.02. in der Ottinger Villa in Darmstadt. Viel Spaß und gute Nerven wünsche ich allen Zusehern!

Schließlich ging es aber wieder mit "richtiger" Musik weiter. Jason Edwards und seine mehrköpfige Begleitband waren an der Reihe. Und was der Amerikaner mit Wohnsitz Paris bot, war wirklich gut und hochklassig! Er selbst spielte Gitarre, aber seine Gruppe sorgte für eine abwechslungsreiche und originelle Instrumentierung. Es gab phasenweise zwei Saxophone gleichzeitig, dann ab und zu eine Querflöte, einen Kontrabaß und eine Backgroundsängerin, die mit ihrer lieblichen Stimme einen interessanten Kontrast zu der rauchigen und tiefen Stimme von Jason bildete. Auch die gespielten Songs waren gut, an ihnen klebte jede Menge heißer, trockener Wüstensand und man fühlte sich ziemlich bald nicht mehr in der Näge von Paris, sondern war irgendwo im Mittleren Westen der Vereinigten Staaten. Musikalische Ähnlichkeiten sah ich zu Künstlern und Gruppen wie Tom Waits, Bob Dylan Devotchka, Moriarty, Beirut und John Shannon. Obwohl ich vorher kein einziges Lied kannte, war ich von dem bluesigen und phasenweise psychedelischen Sound keine Sekunde gelangweilt. Eine wahre Entdeckung also. Ich habe mir fest vorgenommen, mich einmal näher mit dem Werk des Künstlers auseinanderzusetzen.

Das Gleiche gilt auch bezüglich der auf der anderen Bühne startenden Amerikaner The Fishermen Three. Das Trio, bestehend aus Simon Beins, Raphi Gottesman und Jack Lewis, bezeichnet seinen Stil schlicht als Country. Ganz so rustikal klingen sie aber freilich nicht, was vielleicht damit zu tun hat, daß sie auch Morrissey als Einfluss nennen. Eine richtige feine Band mit guten Songs sind diese Fishermen Three, erstaunlich, daß sie so dermaßen unbekannt sind! Aber das scheint sich schon dieses Jahr zu ändern, denn die drei Kerle touren in England mit den Cribs und das dürfte ihnen doch deutlich Auftrieb verleihen. Auch in Paris kamen sie ziemlich gut an, was auch daran lag, daß sie immer für einen Joke zu haben waren und bereitwillig Anekdötchen von ihrem Touralltag erzählten. Auffällig vor allem der Bassist: Der sah irgendwie wie Dave Grohl aus, trug aber keine engen Jeans, sondern eine Bermuda-Short und dazu ein Hawaii- Hemd.

Beschäftigt euch ruhig mal mit ihnen, es könnte sich als lohnend herausstellen!

Mit sehr sanften und harmonischen Klängen ging es weiter im Programm. Sie stammten von dem gemischten amerikanischen Duo Damon & Naomi, die früher auch einmal bei der Band Galaxy 500 aktiv waren. Er spielte damals Schlagzeug, sie Baß. Dies hat sich mit ihrem eigenen Projekt geändert, denn Damon ist nun Akustikgitarrist und Naomi Keyboarderin. Und noch etwas hat sich verändert. Waren sie früher von (Post)- Punk Bands wie Velvet Undeground, Joy Division und The Clash beeinflußt, sind sie im Laufe der Jahre immer folkiger geworden. Nicht weiter verwunderlich also, daß sie mit einer Coverversion von Tim Buckley in ihr Set starteten.

Alles klang fein und ausgewogen und die beiden strahlten eine unglaubliche Ruhe aus, die auch in ihrer Musik zum Ausdruck kam. Das Pärchen aus New York scheint keinen besondern Moden zu folgen und vielleicht werden sie auch deshalb von den Medien nicht wirklich wahrgenommen, auch ich persönlich hörte heute zum ersten Mal von ihnen. Dabei sind sie schon seit 1992 aktiv und haben mehr als ein halbes Dutzend Alben hervorgebracht, darunter auch ein Werk, welches sie zusammen mit der japanischen Band Ghost gemacht haben. Auch davon stammte ein Titel des heutigen Abends. Den Song New York City haben sie geschrieben, weil sie - wenn ich das richtig verstanden habe - in Boston leben und oft Sehnsucht nach ihrer alten Stadt haben. Es geht da auch um die Gefühle, die sie überkommen, wenn sie die Autofahrt von Boston nach New York antreten. Gute Musiker diese beiden Ostkünstler, aber - und hier kommt eine kleine Kritik - trotz der Wohlklänge, die sie verbreiten, eine Spur eintönig. Manchmal fehlte mir einfach ein wenig Feuer, ein Ausbrechen aus der Ruhe und Sanftheit. Deshalb wurde es mir irgendwann auch ein wenig zäh.

Dennoch: Damon & Naomi hätten durchaus mehr Aufmerksamkeit verdient!

Gleiches gilt auch für die jetzt antretenden The Wave Pictures. Die sind nämlich trotz ihres knabenhaften Aussehens schon eine routinierte und langgediente Band, was auch durch die Tatsache belegt wird, daß sie bereits 2002 beim Mo' Fo Festivals in Saint Ouen bei Paris angetreten waren. "Hey, uns gibt es schon länger als die Beatles!", rief dann auch treffenderweise der semmelblonde Sänger und Gitarrist David Tattersall aus. Und der Kerl hat recht, die Wave Pictures gibt es seit 1998 (damals nannten sie sich allerdings noch Blind Summit) und somit seit 11 Jahren, die legendären Beatles bestanden nur ganze 10 Jahre! David Tattersall amüsierte sich ohnehin köstlich darüber, daß seine Band in dem Programmheft als "Hoffnung und Geheimtip" für das Musikjahr 2009 bezeichnet wurde. "Ja haben wir denn die ganzen Jahre vorher etwa nichts gemacht?", wunderte er sich grinsend.

Nun, das natürlich nicht, aber vielleicht haben sie einfach mit dem aktuellen Werk Instant Coffe Baby ihr bisher bestes Album vorgelegt. Wie auch immer, Fakt ist, daß das Trio (neben David spielt der pausbäckige Franic Baß und Jonny Schlagzeug)) starke Lieder zu bieten hat! Strange Fruit For David z.B., das schon sehr früh kam, ist ein Hammer, den auch die musikalisch vergleichbaren The Coral nicht besser hinbekommen hätten! Auch der Text dazu ist ziemlich cool, Sätze wie "a scuplture is a sculpture/ marmelade is marmelade and a sculpture of marmelade is a scuplture but not marmelade", muß man sich erst einmal ausdenken!

Ihr unverschämter Retro-Charme und ihre Nonchalance kamen auf jeden Fall beim Pariser Publikum, darunter ihr Freund und Wegbegleiter David-Ivar aka Yaya Düne, der auch Schirmherr dieses Festivals ist, blendend an. Man nahm es ihnen auch nicht übel, daß Drummer Jonny Helm schon nach dem ersten Lied nichts besseres einfiel, als darauf hinzuweisen, daß man im Obergeschoß CDs verkaufe. Sänger David rettete die Situation, in dem er seinen Schlagzeuger anpflaumte: Hey why are you talking about money now? You have to charme the audience first and then you can talk about the business!"

Jonny rehabilierte sich ohnehin dadurch, daß er in der Mitte des Programms wie ein schüchterner Schuljunge, Now You Are Pregnant vortrug, nachdem er erläuternd vorausgeschickt hatte, daß es inhaltlich darum ginge, daß man sich in ein Mädchen verknallt habe und dann feststellen muß, daß sie von einem anderen schwanger ist. Tja, scheiße gelaufen!

Aber für die Wave Pictures selbst läuft es ja blendend, schließlich haben sie Hitsongs wie Kiss Me oder I Love You Like A Madman im Gepäck und somit endgültig das Potential, den Durchbruch zu schaffen. Zu wünschen wäre es ihnen, denn neben ihrer natürlich- sympathischen Art, begeisterten sie mit einem Sound im Stile eines Jonathan Richman und verblüfften das Publikum auch immer wieder mit ihren überraschenden Tempowechseln.

Ein klasse Auftritt war das! Daumen hoch für die Wave Pictures!

Es war schon weit nach Mitternacht, als die rassige Bassistin und Sängerin Laetitia Sheriff zusammen mit ihren beiden männlichen Kollegen an Gitarre und Schlagzeug auf der kleineren der beiden Bühnen an den Start ging. Einige Zuschauer hatten schon die Heimreise angetreten und so befand ich mich schließlich in Gesellschaft von richtigen Fans und Nachteulen. Das Konzert von Laetitia war ohnehin ein besonderer Bonus, denn es war ursprünglich nicht für diesen Samstag, sondern bereits für den Donnerstag vorgesehen. Da aber an jenem Donnerstag der ganze Festivaltag wegen der unsäglichen Streiks der Verkehrsbetriebe abgesagt wurde, kam man neben dem ursprünglichen Line-Up noch in den Genuß von Laetitia Sheriff, deren Konzert nachgeholt wurde. Wenigstens ein positiver Nebeneffekt der blöden Streikerei also!

Leatitia selbst war ohnehin alles andere als zum Streiken zu Mute, sie steckte ihre ganze Energie vielmehr in etwas Sinnvolles und Positives: In ihre höllisch rockende, düstere Musik nämlich! Nicht umsonst wurde sie schon des öfteren mit PJ Harvey verglichen und selbst wenn der Schatten der großartigen Engländerin noch viel zu lang sein dürfte, kann man die Französin, die in Paris und Lille aufgewachsen ist, getrost als eine der ganz großen Hoffnungen des französischen Indierocks bezeichnen! Würde sie ihr Akzent nicht ab und zu verraten, man könnte ihre Kompositionen für amerikanisch oder englisch halten. Hier wird nicht auf Teufel komm raus versucht, einen Hit für die Mainstreamcharts zu landen, sondern man geht bewußt den steinigen Weg, mit den Songs Leute aus der Indieszene für sich zu begeistern und über Mundpropaganda und gute Liveautritte bekannter zu werden. Nicht umsonst ist Laetitia bei dem feinen Pariser Label Fargo gesignt, das ansonsten eigentlich Größtenteils amerikanische Folkmusiker wie z. B. Alela Diane beherbergt. Zwei Alben stehen auf dem Guthabenkonto, darunter das aktuelle Games Over (2008), das von Kritikern besonders gelobt wurde. Hiervon stammten dann logischerweise auch die meisten Titel des circa. einstündigen, explosiven Sets. Highlights darunter hervorzuheben fällt mir nicht leicht, sicherlich gehörte aber Hullabaloo mit seinem markanten Baßlauf zu den auffälligsten Tracks. Auch Let's Party wirbelte Staub auf und brachte das wild abrockende Publikum zum Kochen. Mir war sowieso heiß, weil ich die glutäugige Sängerin enorm hübsch und attraktiv fand. Ich war anscheinend nicht der Einzige dem es so erging, denn mehrfach gab es von den Männern im Raume anerkennende Pfiffe, die die Umgarnte witzig und schlagfertig konterte, indem sie neckische Blicke in die Runde warf, ansonsten aber nicht weiter auf die Anmache reagierte, sondern anmerkte, daß dafür heute keine Zeit sei.

Ich werde Laetitia nicht nur wegen ihres attraktiven Äußeren im Auge behalten!

Setlist Laetitia Sheriff, Mo' Fo Festival Saint Ouen:

01: The Story Won't Persist
02: Solitary Play
03: Roses
04: Aquarius
05: Let's Party
06: Black Dog
07: Memento, Put Her In The Picture
08; Hullabaloo
09: Codification
10: Lockless

11: The Evil Eye

Anmerkung: Das Konzert des ebenfalls spielenden Malcolm Middleton werde ich ausgliedern und gesondert beleuchten, Malcey hat das verdient!

Links:

- Charmante Session von Le Cargo.org:

Laetitia Sheriff - Let's Party
Laetitia Sheriff -
Hullabaloo




 

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