Konzert: Sufjan Stevens
Ort: Essen
Datum: 19.09.2015
Dauer: 125 min.
Zuschauer: 2.000
Sufjan Stevens Welt scheint ein Paralleluniversum zu sein. Einer der Geister im Showbiz, die einfach unberechenbar bleiben und nicht für den schnellen Erfolg komponieren oder spielen. Vieles was er bisher veröffentlicht hat war mutig, vieles schräg, nicht alles war gut. Doch gerade das macht ihn aus.
Ein Künstler im wahren Sinne des Wortes. Stevens füllt nun zum zweiten Mal das Collosseum in Essen bis auf den letzten Platz. Eine wirklich schöne, umgebaute Fabrikhalle die immerhin 2.000 Leuten Platz bietet. Die letzte Show war ein wilder, bunter Ritt der alle begeisterte. Doch die Fans wissen das Stevens, wie vielleicht sonst nur noch die Eels, seinen Liedern bei jeder Tour immer wieder neues abverlangt.
Nicht umsonst wird die Halle sonst eher für Musicalabende gebucht. Ein Drama soll heute hier aufgeführt werden und es wird eine große Oper. Dazu sind Hipster aller Länder zusammengekommen, schöne Menschen und besonders viele Spanier und Niederländer sind zu hören. Die aktuelle Tour durch Europa ist kurz und vielen ist wohl ein Konzert zu wenig.
Dann geht es endlich los. Und es startet wie ein leiser Rausch, wie eine Ouvertüre. Drei ganz ruhige Songs eröffnen den Zyklus, darunter das unsagbar schöne "Should have known better" der aktuellen Platte. Die Lichtshow ist gewaltig, die Spots kreisen durch das Auditorium wie sonst nur bei Stadionkonzerten, allerdings nur über den Musikern. Auf der in Streben geteilten Leinwand laufen dazu parallel Videos und geben das Motto des Abends vor. Einzeln Bruchstücke, ergeben sie zusammen doch ein klares Bild. Genauso wie Stevens seine Kindheit und die Beziehung der Eltern auf seiner neuen CD umschreibt.
Im weiteren folgen immer mehr neue Songs, fast alle bekommen gegen Ende ein elektronisches Gewand. Tanzbar wirken sie, aber immer ist nur ein Ansatz erkennbar. Die Band spielt weitestgehend im Dunkeln, ist für die Zuschauer leider kaum zu erkennen, aber sie leistet perfekte Arbeit. Unzählige Instrumente werden gespielt und getauscht, Stevens spielt abwechselnd am Piano, Keyboard oder der Gitarre. Dazu seine etwas kindliche, aber glasklare Stimme. Überhaupt der Sound, öfter wünschte man sich hier Konzerte.
Es gibt keine Ansagen, keine Unterbrechungen in diesen ersten 95 Minuten. Das ist anstrengend, es erfordert höchste Aufmerksamkeit denn man möchte ja nichts verpassen. Ein normales Konzert ist es nicht. Einzelne ältere Lieder werden eingestreut, kaum auszumachen in des Königs neuen Kleidern. Immer öfter bricht sich jetzt die Elektronik Bahn und übernimmt den Rhythmus. Die Versionen werden länger, das Licht wieder dunkler und die Stimmung düster. "Vesuvius" und "I want to be well" deuten das Ende an, das Publikum gefesselt während der Lieder möchte jetzt gerne mehr teilhaben an der Show, etwas "echtes" von ihrem Künstler hören oder sehen. Die Perfektion wird kurzzeitig zum Fluch.
"Blue Bucket of Gold" bildet den Schlussakkord, und er dauert zu lange. 15 Minuten quält sich der Song in einer Mischung aus gekonnter Sigur Ros Emotionalität und zutiefst nervigem Krautrock. Stevens geht hier zu weit, überschätzt sein Publikum oder fordert es extra heraus. Wer kann es wissen. Natürlich ist der Applaus trotzdem riesig, als das Licht zum ersten Mal den Saal erleuchtet. Zu gut waren die ersten 80 Minuten.
Erst jetzt wirkt Stevens gelöst, lacht und winkt ins Publikum. Ein toller Twist dann bei den Zugaben. Hier spielt die Band in gleißendem, weißen Licht sonst sperrige Songs im einfachen Gewand des Folk. Die genaue Umkehrung des ersten Sets. Das ist fabelhaft und bietet Raum für abendliche Songwechsel. Heute spielt er unter anderem "The Dress looks nice on you" und "Chicago".
Stevens kündigt seine famose Band an und bezeichnet sich und die anderen als "..hardest working Band in Showbiz". Er sagt es als Witz, doch die Kunst dahinter wird genauso aussehen.
Natürlich ist es leichter jedes Jahr Hauptstadtfestivals mit seiner Best of..Show zu beglücken. Echte Kunst kommt von können und oft auch von zwanghaftem müssen. Sufjan Stevens Show ist live nichts anderes als echte Kunst. Vielleicht wird er deshalb als Musiker auch nie ein Weltstar. Die Zuschauer heute wissen aber, er hat ein Kunstwerk für sie geschaffen. Auch wenn es nur für einen Abend war.
Aus unserem Archiv:
Sufjan Stevens, Barcelona, 26.05.11
Sufjan Stevens, Berlin, 07.05.11
Sufjan Stevens, Köln, 10.11.06
Sufjan Stevens, Paris, 09.11.06
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