Konzert: Marianne Dissard als Support von Flip Grater
Ort: Laboratorium in Stuttgart
Datum: 25. September 2014
Dauer: 40 min
Zuschauer: 50-60
Marianne Dissard ist eine zwischen den Welten wandernde. Sie ist sowohl in Frankreich als auch in Tucson zu Hause. Man könnte wohl auch sagen: An beiden Stellen der Welt gleich ruhelos. Sie erschafft Welten mit Bildern, mit Worten (in verschiedenen Sprachen) und mit Musik und steht damit auch künstlerisch in verschiedenen Universen.
Als sie mich im Juli anschrieb für kleine Konzerte um das Erscheinungsdatum ihrer neusten Platte Ende August herum, hatte ich sofort Lust, diese Person kennenzulernen und zusammen etwas auf die Beine zu stellen. Den Namen kannte ich vorher aus dem Calexico-Umfeld (die Zusammenarbeit mit Musikern aus Tucson datiert sogar noch weiter zurück auf Giant Sand bzw. Howe Gelb Zeiten). Die Nachrichten zwischen uns zwei unbekannten waren gleich sehr herzlich und wir verstanden uns ohne viel zu sagen. Leider klappte es bei den drei Augustterminen nicht mit einem persönlichen Treffen, aber als sie (angefeuert durch den Spaß, den sie gehabt hatten) nun im September noch einmal Köln, Stuttgart und Dortmund ansteuerten, wollte ich wenigstens Stuttgart möglich machen, auch wenn es "nur" ein Supportslot war, der wohl eher kurz ausfallen würde.
Für diese Sondierungsauftritte hatte sie ihre Band auf ein Trio umgebaut und kam mit dem bemerkenswerten Pariser Gitarristen Yan Péchin und der amerikanischen Sängerin Allyson Ezell auf die deutschen Bühnen. Allyson ist auch so ein bunter Vogel zwischen den USA und Europa zerissen oder gespannt (je nachdem wie man das sehen will). Und es erwies sich als sehr interessante Besetzung, die einen mitreißenden Auftritt hinlegte. Marianne hat eine sehr rauchige Stimme und eine sehr extrovertierte Art zu singen, Allyson hat eher ein Folk/Country-timbre und eine viel zurückhaltendere Art und Yan Péchin schuf ganz in sich versunken dazu einen wilden Soundteppich. Ein bisschen strange war es, dass das aufgebaute Set von Flip Grater mit einem Baustellenband abgesperrt war. Aber selbst das wurde in die Show von Marianne souverän eingebaut.
Nun ist das Laboratorium in Stuttgart wahrscheinlich sowieso ein Ort, der traditionell sehr engagiertes Publikum hat. So schien es mir Liebe auf den ersten Blick zu sein zwischen Band und Zuschauern. Marianne machte auf der Bühne klar, dass sie volle Kanne geht und auch vom Dialog mit dem Publikum künstlerisch lebt - und das Publikum stieg ein, weil das genau das ist, was es an einem Abend im Laboratorium sucht. Es wurde nicht mit anfeuernden Zwischenrufen, Applaus und Gejohle gespart. Der Auftritt war aber auch danach. Marianne verausgabte sich musikalisch - der Mikroständer hatte Gymnastikstunde beim ständigen neu justieren und Marianne lieferte eine reichliche halbe Stunde ab, die erstaunlich vielseitig war. Rockig, rotzfrech und laut, aber auch chansonhaft und nachdenklich, aber eigentlich nie so recht vergleichbar zu anderen Künstlerinnen oder Künstlern.
Etwa in der Hälfte des Sets nahm sie einen Murmelbeutel als Rhythmusinstrument und rief damit doch das eine oder andere Lächeln hervor. Funktionierte aber gut als Tamburinersatz. Einfach draufklatschen und es klickerte schön laut. Als sie aber mit dem letzten Akkord, die Packung jäh zerriss und alle Murmeln krachend auf den Boden verstreute, das hatte schon eine hohe Dramatik und einen echten Überraschungsmoment. Allen blieb einen Moment die Puste weg, bevor wir laut lachen mussten.
Marianne fragte im abgehen, wo es in Stuttgart einen Ein-Euro-Shop gäbe, wo sie einen neuen Murmelbeutel kaufen kann. Daraufhin erboten sich Leute in der ersten Reihe, doch fix die Murmeln einzusammeln.
Eigentlich gehört es zu den ungeschriebenen Gesetzen, dass der Support keine Zugabe hat. Das wollte aber keiner an diesem Abend einhalten. Wir klatschten wie wild. Marianne entschuldigte sich bei Flip Grater und handelte noch aus, ob wir sie solo oder mit Gitarre lieber hätten. Und dann bekamen wir das wohl intensivste (wenn auch leiseste) Stück des Abends in dem Marianne in spontan zurecht übersetztem Englisch singend schilderte, wie sie im Liebesakt versunken eine ganze Nacht nichts um sie herum mitbekommen, egal was passiert. Und so, wie sie mit Worten und ihrer Art zu singen für uns ausmalte, war es das schönste, was man sich vorstellen konnte.
Zum Glück kommt Marianne Dissard zum Ende des Winters für eine lange Tour mit Band nach Deutschland zurück.
Tourdaten:
26.9. Support: James Cruickshank
Theater Dortmund 20:00 Uhr
27.9. Support: Allyson Ezell
Frankfurt Neglected Grassland (ex- Le Bar) 21:00 Uhr
Weiterführende links:
Interview mit Ullrich Maurer im Sommer 2014
Alle Infos zum Album
3 Kommentare :
Schöner Bericht! Wir haben Marianne am Tag drauf in Dortmund gesehen - wirklich großartig! Ich habe ein paar hübsche Videos gedreht; falls Marianne ihr Okay gibt, werde ich die Links hier nachliefern.
Videos fänd ich sehr spannend - und Danke für das Lob!
Die sind aber auch gut geworden. Ich habe mal die Playlist in meinen Bericht eingebunden!
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