Donnerstag, 23. April 2009

Pollyanna, Paris, 13.04.09


Konzert: Pollyanna

Ort: Le Baron, Paris
Datum: 13.04.2009
Zuschauer: während des Konzertes etwa vierzig, danch bestimmt 200 und mehr
Konzertdauer: ca. 35-40 Minuten



Wenn natürliche, bescheidene und geerdete Personen wie Isabelle und David von der Pariser Band Pollyanna in einem Schickimicki Club der französischen Metropole spielen, dann enstehen spannende Kontraste zwischen den beiden Künstlern und dem aufgestylten Publikum. Das Baron entspricht so gar nicht den Locations, wo Pollyanna bisher aufgetreten sind. Bis dato waren sie eher in Indiekellern und kleinen und mittleren Clubs unterwegs und da passen sie auch besser hin, als in diesen puffähnlichen Laden unweit der Champs-Elysées!

Und dennoch: Isabelle fühlte sich am Ende doch sehr wohl und suchte selbst Erklärungen dafür. "Seien wir doch einmal ehrlich, letztlich ist Indierock doch etwas für gebildete und besserverdienende Kreise, Farbige und Leute aus der Banlieue verirren sich doch eher selten auf unsere Konzerte", meinte sie wohlwissend, daß eine schwarze Freundin von ihr heute da war, der sie das Gleiche erzählt hatte. Ich nickte zustimmend und erzählte ihr, daß ich mal in einem Konzertbericht über Billy Bragg Ähnliches geschrieben hatte. Der liebenswürdige Engländer hatte wieder einmal über Rassismus sinnniert, obwohl alle im Publikum eigentlich käseweiß waren, während draußen im Viertel jede Menge Leute aus ehenmaligen Kolonien Frankreichs leben, die von Billy Bragg noch nie etwas gehört haben, weil ihre Helden 50 Cent oder Kanye West heißen.

Mit Isabelle waren wir uns einig, daß Bobos (Linksintellektuelle) und Yuppies doch letztlich der gleiche Menschenschlag seien, weil sie in der Regel aus gebildeten und begüterten Kreisen kämen. Und diese Leute würde ihr Publikum darstellen, wobei heute im Baron natürlich ganz klar eine Überzahl an Yuppies und Tussis aus den reichen Vierteln da waren.

Aber im Grunde genommen war für mich am Wichtigsten, ob Pollyanna denn neue Hörer und potentielle CD Käufer hinzugewinnen konnten. Und da habe ich leider gewisse Zweifel, weil während des recht kurzen Konzertes kaum Leute anwesend waren und diejenigen, die da waren, nicht unbedingt auf die Bühne schauten, wo die Musik spielte, sondern sich stattdessen lieber unterhielten. Tja, es ist wirklich nicht leicht für junge Alternativbands nach oben zu kommen! Obwohl jung nicht 100 % ig passt, weil Isabelle schon seit Anfang der 2000 er Jahre Musik macht, bevor David, der, obwohl man ihm es nicht ansieht, schon 36 ist, hinzustieß.

Die beiden harmonierten hervorragend zusammen und spielten ein hochkarätiges Set, welches vor allem auf Stücken vom letzten Output On Concrete basierte, aber auch mit älteren Songs bestückt wurde. Sehr früh schon wurden die eingängisten und ohrwurmigsten Lieder Chocolate Jesus und In The Cornfields geschmettert und ich hatte fast das Gefühl, daß Isabelle extra etwas lauter auf ihrer Gitarre rumschrammelte, um die Leute ein wenig aufzuwecken. Leider gelang dies aber nur bedingt. Egal, ich jedenfalls hatte meine Freude und genoß zart melancholische Lieder wie das wundervolle Tristan oder auch Friends, das längste und komplexeste Lied der Band. Am Ende wird es nach sehr verhaltenem Start fast postrockig, was beweißt, daß das Duo nicht nur reinen Folk macht. Sie liegen vielmehr musikalisch zwischen Folk und Indierock amerikanischer Prägung, vermischt mit jeder Menge französischer Poesie und Schwermut. Man findet eine ähnliche Tristesse wie bei der Sängerin Françoiz Breut, für die Isabelle sogar den Song Departures geschrieben hat. Departures findet man bei Pollyanna auf der EP Cowboys, die ich sehr empfehlen kann. Ich liebe Isabelles wunderschöne Stimme, sie entspricht ihrem Naturell. Ein sensibles, intelligentes, herzensgutes Mädchen mit wachen, hellblauen Augen, einem Sinn für gute Texte und Melodien und ganz viel Gefühl. Und David unterstützt Isabelle auf das Beste, er spielte nicht nur Schlagzeug, sondern auch Gitarre, Melodica, Glockenspiel und Ukulele. Die beiden sind super, sie haben viele aufmerksame Hörer verdient!

Und da das heute mit der Aufmerksamkeit der Zuhörer etwas haperte, habe ich sie zu einer Oliver Peel Session in unser heimisches Wohnzimmer eingeladen! Sie haben zugesagt! Ich freue mich riesig und werde den genauen Termin rechtzeitig bekanntgeben!!



Setlist Pollyanna, Le Baron, Paris:

01: A Landscape
02: Chocolate Jesus
03: In The Cornfields
04: Take
05: Tristan
06: Friends
07: Brand New Life (Young Marble Giants Cover)
08: Departures
09: Folk Song
10: Railroad Boy

Pour nos lecteurs francais:

Le duo mixte Pollyanna, composé de la chanteuse guitariste Isabelle et du multinstrumentaliste David ont, devant un public tres branchoulliard, donné un concert sublime et beau, plein de grace et bien maîtrisé. Leur musique se balade entre le folk et le rock indé americain avec des groupes comme Calexico ou Giant Sand comme référence. Mais chez eux il y a aussi une melancholie tres française qu'on trouve aussi par exemple chez la fabuleuse Francoiz Breut pour laquelle Isabelle avait écrit le morceau Departures. Leur songwriting est tres mûr et intelligent et ils ont l'art de faire des belles melodies qui glissent dans des morceaux parfois très complexes (comme le fabuleux Friends) ou plus directs comme l'accrocheur Chocolate Jesus. Pour moi c'est un de meilleurs groupes indés en France en ce moment et ils méritent beaucoup plus que 40 spectateurs qui regardent/écoutent à peine leur concert. Mais avec leur très bon album actuel On Concrete, savamment produit par Pokett , je ne me fais pas de soucis pour leur notoriété, du moins dans les cercles indés.

Ecoutez Pollyanna, allez voir leurs concerts, c'est tellement bien!

Concerts à venir:

31. mai: Journées annuelles de David & Jonathan, Nouan le Fuzelier
20. juin: (solo) Chapelle Saint-Jean, Mulhouse
21. juin: (solo) Chapelle Saint-Jean, Mulhouse
30. juin: Sentier des Halles (avec Blébar & Baden Baden), Paris
10. September: Pop In, Paris
26.nov: L'Emile Vache, Metz

- Mehr Fotos von Pollyanna und den gestylten Leuten aus dem Baron hier






7 Kommentare :

E. hat gesagt…

mein gott, die mädels auf dem ersten bild..., da dreht sich mir der magen um. weniger des ästhetischen wegen als der armut, des mangels an selbstwertgefühl und der niederlage, die die gesellschaft jeden zeit aufs neue zelebriert.
pollyanna kannst du mal nach deutschland schicken, oliver! ansonsten erwarten ich eine privateinladung zur peel-session auf büttenpapier!

Christina hat gesagt…

Oh je...jetzt weiß ich wieder, warum mir der Gedanke, ein Konzert in Paris zu besuchen, vorher so große Angst machte. Wahrscheinlich hatte ich genau solche Bilder und einen solchen Club vor Augen (zum Glück war die Maroquinerie und ihr Publikum ja das genaue Gegenteil).

Ähm, eine Privateinladung zur Peel Session hätte ich natürlich auch gerne :)

Oliver Peel hat gesagt…

An einem Termin für die Session wird mit Isabelle und David gerade heftig gearbeitet. Es ist gar nicht so leicht, einen Tag zu finden, an dem beide können. Eventuell spielt Isabelle solo. Auch schön!

Aber ihr müßt sehr spontan sein, Christina und Eike. Der Terminkalender der Künstler hat Vorrang. Die haben gut zu tun und zwar auf "richtigen" Konzertbühnen...

E. hat gesagt…

"jeden tag" sollte das bei mir heißen.
spontanität hatte ich mir eigentlich abgewöhnt. aber ab 01.05. werde ich hundebesitzer sein und dieser umstand wird mein bisheriges verhalten vollkommen umkrempeln. ich erwarte das fest.

Christina hat gesagt…

Meine Spontanität ist leider sehr geknüpft an Thalys Sondertarife ;) Bis wieviele Tage vorher gibt es die?

Oliver Peel hat gesagt…

@ Eike: Ein Hund? Was passiert dann mit der Katze Carla? Gibt das keinen Krieg?

@ Christina: Das kommt immer drauf an. Am besten 2 Wochen vorher

So, muß jetzt weg, halte euch auf dem Laufenden!

E. hat gesagt…

carla und higgins werden ein traumpaar. der bursche ist eh mehr katze denn hund. schließlich brauche ich keinen kampfköter sondern einen bruder im geiste!
christina, dich würde ich nun ja auch mal gerne kennenlernen, da könnte man einige klappen zücken, um fliegen zu jagen. gegen sondertarife habe ich auch nichts...

 

Konzerttagebuch © 2010

Blogger Templates by Splashy Templates