Konzert: Devon Sproule, John & Jehn (Adrian Crowley)
Ort: La Flèche d'or, Paris
Datum: 09.09.2008
Zuschauer: am Anfang wenige, zu John & Jehn dann aber wieder recht viele
An einem Tag an dem die breite Masse zu Coldplay nach Bercy stapfte, hatte Paris musikalisch noch viel mehr zu bieten als die hohen Falsettgesänge eines Chris Martin.
Vor allem: man konnte gute Musik auch billiger bekommen. Wer Glück hatte (ich natürlich nicht!) gewann Freikarten für die Maroquinerie, wo Sun Kil Moon (Mark Kozelek) auftraten, oder aber man stand auf der Gästeliste von Herman Dune, der im Point Ephémère sein neues Album Next Year In Zion vorstellte und zu diesem Anlass auch die süße Engländerin This Is The Kit eingeladen hatte.
Schliesslich gab es noch die Möglichkeit, in die Flèche d'or zu gehen und zwei Folk-Künstlern zu lauschen, die demnächst bei dem wundervoll besetzten Festival The End Of The Road im englischen Dorset auftreten werden. Als Sahnehäubchen gab es dazu noch das enorm stylishe junge Pariser Duo John & Jehn zu bestaunen, die inzwischen in London wohnen und schon mehrfach im NME lobende (aber auch tadelnde) Erwähnung fanden.
Der erste End Of The Road Festival-Teilnehmer, der in den Ring stieg, war der Ire Adrian Crowley, der zusammen mit seinem Violinisten Vincent wunderschöne, hochmelancholische Stücke darbot. Ich fühlte mich aufgrund seines tiefen Sprechgesangs sofort an Bill Callahan (Smog) erinnert. Die meisten Lieder stammten von dem 2007 er Album Long Distance Swimmer, das 2007 bei Tin Angel Records erschienen ist und auf dem auch das bekannteste Lied Bless Our Tiny Hearts zu finden ist. Besonders angetan war ich aber von dem Titeltrack Long Distance Swimmer (hier im Livevideo), das ähnlich knisternd ist wie das tieftraurige Electric Eels, das man sich auf der MySpace Seite des bärtigen Künstlers, der auch schon mit Yames Yorkston zusammengearbeitet hat, in Ruhe anhören kann.*
Die Ruhe, sich konzentriert diese vorzügliche Musik anzuhören, hatten aber leider nicht alle in der Flèche d'or, es wurde überall unhöflich rumgeplappert, eine Unsitte! Leider!
Auch die witzige Amerikanerin Devon Sproule hatte in der Folge darunter zu leiden. Während das zierliche Persönchen amüsante Geschichten über ihre Heimat Virginia, ihre Hochzeit und ihren Hund erzählte, schwatzten ein paar Leute ungeniert über ihre privaten Dinge und störten damit gewaltig. Devon liess sich aber nichts anmerken und spielte ihre countrylastigen Songs, die fast immer von ihrer Heimat Virginia handelten. Ich glaube mich erinnern zu können, dass Old Virginia Block und Keep Your Silver Shined zur Setlist gehörten, ganz sicher bin ich mir aber nicht, weil ich die Sängerin heute erst kennenlernte. Drei Songs performte sie auch zusammen mit dem Geiger Vincent, der vorher schon Adrian Crowley unterstützt hatte und diese Lieder gehörten zu den Höhepunkten des unterhaltsamen Auftritts. Bei Youtube gibt es einige Livevideos von Devon Sproule zu hören und zu sehen, hier spielt sie beispielsweise vor herrlicher Kulisse auf dem Lewes Castle und hier tritt sie zusammen mit ihrem Mann Paul Curreri auf.
Danach war mit John & Jehn die stürmische Jugend an der Reihe.
"John & Jehn, wer is'n das jetzt schon wieder?", werden sich einige fragen. Ging mir vorher genauso. Nie gehört! Trendige Engländer sind weiter, sie haben das hippe gemischte französische Duo schon mehrfach auf Londoner Bühnen gesehen. Auch beim Talentfestival The Great Escape in Brighton waren sie bereits dabei und so verwundert es nicht, dass man in den einschlägigen englischen Zeitschriften - vor allem im NME - ständig von den jungen Franzosen, die bereits British Sea Power supportet haben, liest. In der Online-Ausgabe des NME habe ich einen Verriss gelesen (hier), aber viele Engländer sind von den explosiven Liveshows begeistert.
Wie würden John & Jehn mir persönlich live gefallen? Ich war gespannt, genau wie etliche andere Pariser Konzertgänger, Journalisten und Fotografen, die inzwischen die Flèche d'or gefüllt hatten.
Endlich ging der rote Vorhang auf und die beiden Hauptdarsteller traten in Erscheinung. Jehn, das dunkelhaarige Girl, trug ein schwarz-weiß gestreiftes Kleid, keine Schuhe und wirbelte hinter der Orgel. John, der coole Boy, erschien mit lässigem Jacket, trendigem Shirt und an den Knien zerschlissenen Jeans. Dazu trug er hellbraune Stiefel. Die beiden waren höchst stylish und bildhübsch, keine Frage! Die neuen Bonnie & Clyde!
Ihre Bühnenshow kann man nicht anders als sexy bezeichnen, Jehn räkelte sich lasziv und warf ihre Haare nach hinten, John ließ den Coolen raushängen und trug um das zu unterstreichen auch manchmal eine dunkle Sonnenbrille. Hinsichtlich der Performance haben sie sich einiges von den Kills abgeschaut, die sie im Palais de Tokyo zu Paris konsequenterweise auch schon supporteten (hier gibt es dazu ein Livevideo). Zwei junge Poser, die mit vielen Klischees spielen, aber dabei unglaublich erfrischend und aufregend rüberkommen. Den beiden gehört die Zukunft (das heißt derzeit ein Zeitraum von maximal 2 Jahren, danach muss man weitersehen), davon bin ich überzeugt.
Musikalisch bieten sie einen dunklen Garagenrock mit wavigen Einschlägen. Wenn Jehn nicht Keyboard (Orgel) spielt, greift sie sich den Bass und gesellt sich zu John, der die Gitarre in der Band hält. Als Referenzen werden genannt: The Velvet Underground, The Fall, Joy Division, Sonic Youth, The Kills und einige andere. Ich habe allerdings erfreulicherweise viele eigene Ideen gesehen und auch Hits haben die Jungspunde schon im Programm. Das herrlich vor sich hin pluckernde 20 L 07 (hier im Originalclip) zum Beispiel ist so cool und lässig, das es eine Wonne ist. Der Song würde auch perfekt zum Film Pulp Fiction passen. Ebenfalls gelungen: Fear Fear Fear (hier der Clip) das es schon als Single gibt und Sister Radio Edit (hier live zu sehen), das irgend etwas von Orange Juice hat.
John & Jehn haben also bereits etliche brauchbare Lieder zu bieten, so dass sie jetzt schon ein selbstbetiteltes Album zum Verkauf anbieten konnten (offizieller Release: Mitte Oktober), das originellerweise auf zwei CDs aufgeteilt wurde. Es gibt eine CD mit 5 Liedern von John (side John) und eine entsprechende mit einer handvoll Songs von Jehn (Jehn's Side). Die beiden legen übrigens auch da auf die Optik wert, alles ist ganz elegant in schwarz und weiss gehalten.
Ob sie auch einmal so groß wie Coldplay werden? Warum nicht!
* andere Stücke die Teil der kurzen Setlist von Adrian Crowley waren:Dark Anvil Skies, Walk On Part und Photographing Lightning Strikes
1 Kommentare :
ein irres package! die lad ich mir allesamt mal aufs dorf ein!
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