Konzert: Haldern Pop Festival 2024
Ort: Rees-Haldern Reitplatz
Datum: 09.-11.08.2024
Dauer: 3 Tage
Zuschauer: fast ausverkauft
"Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen; Und jeder geht zufrieden aus dem Haus."
Zum 41. Mal präsentiert das kleine Dorf am Niederrhein nun schon sein "Haldern Pop Festival". Die letzten Jahre waren eher durch die Umstände als die Vorfreude geprägt: Corona, große Hitze und Dauerregen waren die Themen und betrafen nicht nur die Besucher, sondern vor allem auch die Veranstalter, aufgrund nicht planbarer Einnahmen und Ausgaben.
Und so wird dieses Jahr für alle ein Festival der Erleichterung bleiben, bei dem genug Platz war für die "Romantik, Wucht und Sinnlichkeit", die sich auch Stefan Reichmann im Vorfeld gewünscht hatte.
Starten wir also ausnahmsweise mit dem Fazit.
Es bleibt festzuhalten: Das Haldern Pop ist nach wie vor kein zum Selbstzweck verkommenes Festival geworden. Die Wundertüte ist und bleibt prall gefüllt und breit gestreut. Von klassischer Musik am Morgen in der Kirche bis zu wüsten Post-Punk am Abend im Spiegelzelt bleibt alles möglich. Das ist gut so.
Es gilt "[...] nicht ein Festival zu machen, um Tickets zu verkaufen, sondern Tickets zu verkaufen, um ein Festival zu gestalten." (S. Reichmann) Ein Festival, bei dem die Stimmung der Besuchenden nicht von den Namen im Line-Up abhängt und ein unausgesprochenes Gespür dafür herrscht, dass an diesem Tag Bands wie Dog Race oder Fat Dog den entscheidenden Funken überspringen lassen werden.
Die das Gefühl transportieren, welches hier alle so schätzen.
Eine Romantik ohne Verklärung; einen Moment mit anderen, der so schön ist, wie es romantische Komödien immer sein wollen.
In Haldern kommen nicht Fans zusammen, die sich auf die gleiche Musik einigen können, sondern Menschen, die andere Menschen mögen.
Und nun zur Musik:
Leider kann ein kleiner Virus die große Lust auf drei Tage Camping sehr schnell verfliegen lassen, daher kann ich in diesem Jahr nicht über Alles im Detail berichten. Es gibt einen Mix aus erlebtem und zugetragenem. Aber die Quellen waren gut und die Gespräche lang.
Allein der Mix im Spiegelzelt am Donnerstag kann begeistern, auch wenn die kurzfristige Absage von Endless Wellness schmerzt. Wohlfühlpop von Go-Jo mit seinem Riesenhit "Mrs. Hollywood", verspielter Folk mit einem seltenen Auftritt von BC Camplight, und der erste Abriß der Jugend beim Auftritt von The Silhouettes Project sind ein toller Start.
Ein ausführlicher Bericht zum Headliner Duo Berq und Faber folgt noch in den nächsten Tagen.
Hier zeigt sich der Vorteil der (nicht immer möglichen) aber gewollten Strategie, an einzelenen Festivaltagen thematische Geschichten zu erzählen. Der Donnerstag gehörte den angesagten deutschsprachigen Acts, während am Freitag und Samstag die Iren mit Folk, Rock und Melancholie den Schwerpunkt setzten.
Das Jugendheim von Haldern und der Marktplatz blieben in diesem Jahr bühnentechnisch leer. Mehr als gut gefüllt ging es daher beim erwartet guten Auftritt von Tramhaus in der Pop Bar zu. Die Band aus Rotterdam könnte natürlich auch locker die Hauptbühne bespielen.
Mary in the Junkyard folgen mit ihrem Übersong "Tuesday" wirken aber ansonsten etwas verhuscht und lassen vermuten, das die Songs des noch nicht erschienenen Debut Albums noch etwas Feinschliff benötigen.
Danach senkt sich die Sonne zum zweiten Mal über das Gelände und die Schlange vor dem Spiegelzelt wirft lange Schatten. Fast bis zum Reitplatz reicht sie dieses eine Mal, ansonsten war der Einlaß dort recht enspannt.
Aber Haldern wäre nicht Haldern wenn sich daraus nicht ein typischer Festivalmoment für die Ewigkeit ergeben würde. Sobald der brachiale Elektropunk aus den Boxen der Leinwand vor dem Zelt schallt, entwickelt sich erstmals in der Geschichte ein Moshpit im Biergarten. Der Swiftie Moment des Olympiabergs in Dorfgröße.
Ja. Es war trotz der fast zu hohen Erwartungen sehr gut. Am Anfang noch etwas leise und auch im Mix schon sehr glatt auf die anderen Riesenauftritte hin abgemischt, konnte es den gewaltigen Songs wenig anhaben. Hit auf Hit fegt über den Platz. Fehlender Kontakt zum Publikum ist hier keine Arroganz oder gespielte Langeweile sondern Normalität. Dafür gibt es andere Acts.
Nach diesem dynamischen Duo muss man sich am Sonntag bei einigen Stücken köstlichem Pflaumenkuchen erstmal sammeln. Gerade sind die Synapsen wieder auf normal "0", da kommt die nächste große Kunst um die Ecke. Nichtseattle packt mich jedes mal wieder, ob mit Band oder ohne. Hier war es eine Mischung, da der Schlagzeuger kurzfristig abreisen musste.
Alles, was auf der Bühne geschieht ist eigentlich mit einem Festival nicht kompatibel. Lauter Songs jenseits der sieben Minuten. Nur wenige, minimale Anschläge auf der Gitarre, keine Schauwerte. Aber Songs, die man nicht vergisst. Wer einmal Zeuge war, kommt wieder. "Frau sein", wird allen gewidmet. Viele weinen ohne sich zu schämen. Katharina dringt in die Seele und kann gerne dort bleiben. Hört auf diese Liedermacherin.
Bleiben noch zwei neue und nicht mehr ganz so neue Highlights: Dog Race spielen ihre erstes Konzert ever auf dem Festland und werden wie alte Bekannte gefeiert, obwohl im kleinen Niederrheinzelt eigentlich gar kein Platz zum Feiern ist.
Ach ja, das Fazit hatten wir ja schon weiter oben. Mögen euch "Romantik, Wucht und Sinnlichkeit" auch weiter erhalten bleiben. Bis zum nächsten Jahr. Spread the word.
Fotos: Denis Schinner