Dienstag, 13. August 2024

Haldern Pop Festival - Rees Haldern - 09.-11.08.2024

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Konzert: Haldern Pop Festival 2024
Ort: Rees-Haldern Reitplatz
Datum: 09.-11.08.2024
Dauer: 3 Tage
Zuschauer: fast ausverkauft


"Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen; Und jeder geht zufrieden aus dem Haus." 

Zum 41. Mal präsentiert das kleine Dorf am Niederrhein nun schon sein "Haldern Pop Festival". Die letzten Jahre waren eher durch die Umstände als die Vorfreude geprägt: Corona, große Hitze und Dauerregen waren die Themen und betrafen nicht nur die Besucher, sondern vor allem auch die Veranstalter, aufgrund nicht planbarer Einnahmen und Ausgaben. 

Und so wird dieses Jahr für alle ein Festival der Erleichterung bleiben, bei dem genug Platz war für die "Romantik, Wucht und Sinnlichkeit", die sich auch Stefan Reichmann im Vorfeld gewünscht hatte. 

Starten wir also ausnahmsweise mit dem Fazit.

Es bleibt festzuhalten: Das Haldern Pop ist nach wie vor kein zum Selbstzweck verkommenes Festival geworden. Die Wundertüte ist und bleibt prall gefüllt und breit gestreut. Von klassischer Musik am Morgen in der Kirche bis zu wüsten Post-Punk am Abend im Spiegelzelt bleibt alles möglich. Das ist gut so. 



Es gilt "[...] nicht ein Festival zu machen, um Tickets zu verkaufen, sondern Tickets zu verkaufen, um ein Festival zu gestalten." (S. Reichmann) Ein Festival, bei dem die Stimmung der Besuchenden nicht von den Namen im Line-Up abhängt und 
ein unausgesprochenes Gespür dafür herrscht, dass an diesem Tag Bands wie Dog Race oder Fat Dog den entscheidenden Funken überspringen lassen werden. 

Die das Gefühl transportieren, welches hier alle so schätzen. Eine Romantik ohne Verklärung; einen Moment mit anderen, der so schön ist, wie es romantische Komödien immer sein wollen. 

In Haldern kommen nicht Fans zusammen, die sich auf die gleiche Musik einigen können, sondern Menschen, die andere Menschen mögen. 


Und nun zur Musik: 

Leider kann ein kleiner Virus die große Lust auf drei Tage Camping sehr schnell verfliegen lassen, daher kann ich in diesem Jahr nicht über Alles im Detail berichten. Es gibt einen Mix aus erlebtem und zugetragenem. Aber die Quellen waren gut und die Gespräche lang. 

Allein der Mix im Spiegelzelt am Donnerstag kann begeistern, auch wenn die kurzfristige Absage von Endless Wellness schmerzt. Wohlfühlpop von Go-Jo mit seinem Riesenhit "Mrs. Hollywood", verspielter Folk mit einem seltenen Auftritt von BC Camplight, und der erste Abriß der Jugend beim Auftritt von The Silhouettes Project sind ein toller Start. 


Dazwischen spielen Yard Act einen existentiellen und unendlich treibenden Jam, der die Hauptbühne schon früh und in der prallen Sonne vollkommen mitreißt. 

Ein ausführlicher Bericht zum Headliner Duo Berq und Faber folgt noch in den nächsten Tagen. 


Hier zeigt sich der Vorteil der (nicht immer möglichen) aber gewollten Strategie, an einzelenen Festivaltagen thematische Geschichten zu erzählen. Der Donnerstag gehörte den angesagten deutschsprachigen Acts, während am Freitag und Samstag die Iren mit Folk, Rock und Melancholie den Schwerpunkt setzten. 

Das Jugendheim von Haldern und der Marktplatz blieben in diesem Jahr bühnentechnisch leer. Mehr als gut gefüllt ging es daher beim erwartet guten Auftritt von Tramhaus in der Pop Bar zu. Die Band aus Rotterdam könnte natürlich auch locker die Hauptbühne bespielen. 


Aber auch hier ist das Haldern Pop ein Ort der Geduld und viele Bands sieht man ja in den nächsten Jahren noch einmal in anderem Rahmen wieder. Das gleiche gilt für die im Spiegelzelt startenden Sharktank und Picture Parlour. Auch eher an die Jugend gerichtete Musik, wobei Picture Parlour als interessante Alternative zu den völlig durch die Decke startenden The Last Dinner Party gezählt werden könnten. 


Zu Anna Ternheim findet ihr ja auf unserer Seite schon genug Content (auch von der gerade stattfindenden Tournee), daher bleibe ich im Spiegelzelt und erlebe Puma Blue zum zweiten Mal, nach seinem fantastischen Auftritt in der Reeperbahn Kirche St. Pauli im letztes Jahr. Dunkelheit hätte auch den diesjährigen Auftritt noch intensiver gestaltet, aber auch hier enfaltet sich die Mischung aus Jazz, Indie und tiefen Emotionen hervorragend. Das Tenor-Saxophon drückt in die Schwüle des Zelts und weckt tiefe Gefühle. 

Mary in the Junkyard folgen mit ihrem Übersong "Tuesday" wirken aber ansonsten etwas verhuscht und lassen vermuten, das die Songs des noch nicht erschienenen Debut Albums noch etwas Feinschliff benötigen. Danach senkt sich die Sonne zum zweiten Mal über das Gelände und die Schlange vor dem Spiegelzelt wirft lange Schatten. Fast bis zum Reitplatz reicht sie dieses eine Mal, ansonsten war der Einlaß dort recht enspannt. 


Fat Dog kündigen sich an, und während auf der Hauptbühne "Mein Name ist Chilly Con-Zales" seine wilde Mischung aus klassischem Piano und Deutsch-Rap zum Besten gibt, wird klar. Alle werden es nicht ins Zelt schaffen. 

Aber Haldern wäre nicht Haldern wenn sich daraus nicht ein typischer Festivalmoment für die Ewigkeit ergeben würde. Sobald der brachiale Elektropunk aus den Boxen der Leinwand vor dem Zelt schallt, entwickelt sich erstmals in der Geschichte ein Moshpit im Biergarten. Der Swiftie Moment des Olympiabergs in Dorfgröße. 


Und wenn es eigentlich nicht mehr besser werden kann, kommt der Moment, den alle sehnsüchtig erwartet haben. Nach Glastonbury, und vor anderen Riesenfestivals im August und im nächsten Jahr spielen die Fontaines D.C. noch einmal in Haldern. Ein Coup mit wirklich seltener Ausnahme im heutigen Festivalgeschäft. War es gut ?

Ja. Es war trotz der fast zu hohen Erwartungen sehr gut. Am Anfang noch etwas leise und auch im Mix schon sehr glatt auf die anderen Riesenauftritte hin abgemischt, konnte es den gewaltigen Songs wenig anhaben. Hit auf Hit fegt über den Platz. Fehlender Kontakt zum Publikum ist hier keine Arroganz oder gespielte Langeweile sondern Normalität. Dafür gibt es andere Acts. 


Die Band nach ihrem Spiegelzelt Auftritt von 2019 in ihrer jetzigen Entwicklung noch einmal in so intimen Rahmen sehen zu dürfen, war ein Genuß. Die neue Platte wird die Band in noch unbekanntere Höhen katapultieren. "Romance" erscheint am 23.08.2024. 

Nach diesem dynamischen Duo muss man sich am Sonntag bei einigen Stücken köstlichem Pflaumenkuchen erstmal sammeln. Gerade sind die Synapsen wieder auf normal "0", da kommt die nächste große Kunst um die Ecke. Nichtseattle packt mich jedes mal wieder, ob mit Band oder ohne. Hier war es eine Mischung, da der Schlagzeuger kurzfristig abreisen musste. 


Alles, was auf der Bühne geschieht ist eigentlich mit einem Festival nicht kompatibel. Lauter Songs jenseits der sieben Minuten. Nur wenige, minimale Anschläge auf der Gitarre, keine Schauwerte. Aber Songs, die man nicht vergisst. Wer einmal Zeuge war, kommt wieder. "Frau sein", wird allen gewidmet. Viele weinen ohne sich zu schämen. Katharina dringt in die Seele und kann gerne dort bleiben. Hört auf diese Liedermacherin. 


Im Spiegelzelt wechseln sich derweil harter Tobak von Chalk und Yard mit energischem Indie von Deadletter und purem Jazz des Michael Wollny Trios ab, bevor die Lanterns on the Lake mit ihren elegischen Klangwänden das musikalische Programm dort beenden. 

Bleiben noch zwei neue und nicht mehr ganz so neue Highlights: Dog Race spielen ihre erstes Konzert ever auf dem Festland und werden wie alte Bekannte gefeiert, obwohl im kleinen Niederrheinzelt eigentlich gar kein Platz zum Feiern ist. 


Und die von mir sehr geschätzten King Hannah spielen zwar eigentlich relativ "normalen" Indierock; Ich mag die Arrangements und den Mix aus kühlem Vortrag und wuchtigen Gitarren aber seit den ersten Singles sehr. 

Ach ja, das Fazit hatten wir ja schon weiter oben. Mögen euch "Romantik, Wucht und Sinnlichkeit" auch weiter erhalten bleiben. Bis zum nächsten Jahr. Spread the word. 

Fotos: Denis Schinner 



Montag, 12. August 2024

LIve /s Live Festival - Antwerpen

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Konzert: Live /s Live Festival Antwerpen
Ort: City of Antwerp
Datum: 28.-30.06.2024
Dauer: 3 Tage
Zuschauer: ca. 20.000/Tag


Ein Bericht unserer Gastautorin Sonja: 

Für mein erstes Festival in diesem Jahr, reise ich nach Antwerpen. Das Line- Up und die „anfängliche“ Wetterprognose sieht vielversprechend aus. Am Freitag verpasse ich die wunderbare Bess Atwell und auch Alvvays, da ich erst am späteren Nachmittag anreise. So startet die Erkundungstour des Geländes zu den entfernten Klängen von Ben Howard. 

Das Gelände ist sehr großzügig und liebevoll hergerichtet. Überall auf dem Gelände sind überdachte Sitzgelegenheiten verteilt und auch Bars sowie Food Trucks sind ausreichend vorhanden. Da es sich bei dem Festival Gelände um einen Park in der Stadt handelt gibt es vor Ort kein Camping. Aber Antwerpen bietet zahlreiche Hotels um sich hier ein komfortables Festival Wochenende zu gestalten. 


Für den ersten Abend habe ich nur The National auf dem Plan, die als Headliner für diesen Abend mit leichter Verspätung dafür aber gut gelaunt die Bühne betreten. Das Set ist eine gelungene Mischung für ein Festival-Gig. Alle „All Time Favourites“ wie Bloodbuzz Ohio, I Need My Girl, Conversation 16, Light Years, Fake Empire uvm. sind dabei. Aber auch die neuen Songs wie Eucalyptus und Tropic Morning News fehlen nicht. Mein persönliches Highlight war der wundervolle Track „England“ vom Album „High Violet“.


In einem Bericht habe ich mal den Kommentar gelesen: „Matt Berningers Bariton ist ein Geschenk der Götter, völlig gleich ob er schmachtet, kratzt oder bricht“. Wenn dazu noch die Gitarren von Aaron und Bryce Dessner jauchzen und das Schlagzeug sowie der Bass von den Devendorf-Brüdern Bryan und Scott ihre angetraute Schlagzahl gefunden haben ist das „The National Feeling“ da. 


Eine umarmende Melancholie, die einen emotional tief berührt, aufgewühlt und gleichzeitig auch hoffnungsvoll zufrieden zurücklässt. Und genau all dies durfte man an diesem Abend erleben. Es ist das das dritte Mal das ich diese wunderbare Band live sehen durfte und es war bestimmt nicht das letzte Mal. 


Der Samstag hält tolle Namen parat, auf meiner Liste stehen Lord Huron, Paolo Nutini und Editors. Lord Huron stehen bereits um 15:00 Uhr bei strahlendem Sonnenschein auf der Bühne. Sie starten ihr Set mit „Meet me in the Woods“ dessen Rhythmus gut zum gute Laune Wetter passt. Alle bekannten Songs wie z.B. „Dead Man ́s Hand“, „Ends of the Earth“ sind dabei. Das wunderbare „I lied“ fehlt leider und auch wenn sie Ihren Auftritt mit ihrem größten Hit „The Night We Met“ beenden, will der Funke bei mir nicht überspringen. Vielleicht liegt es an dem guten Wetter und dem Auftritt im Sonnenschein, was bei mir leider dazu führt, dass die emotionale schwere der Songs, die ich so mag, nicht bei mir ankommt. 


Der schottische Sänger Paolo Nutini mit seiner unfassbar berührenden und intensiven Soulstimme braucht nicht viel Show auf der Bühne. Er steht lässig mit T-Shirt und Jeans auf der Bühne und überzeugt durch die abwechslungsreichen Tracks. Sei es von den Songs der vorigen Alben wie „New Shoes“, „Candy“ bis hin zu den aktuellen „Afterneath“ und „Acid Eyes“ von Last Night In The Bittersweet. Auch der Stil reicht hin von rockigen Nummern bis zu den richtig gefühlvollen Einlagen. Wenn er beispielsweise bei „Through The Echoes“ das Publikum mit einbezieht und mitsingen lässt. Zum Abschied gibt es dann einen gute Laune Song zum Wohlfühlen. Mit „Shine a Light“ verabschiedet er sich und es bleibt das Gefühl: "Da war mehr drin".


Auf Editors freue ich mich heute besonders.  Die musikalische Entwicklung der Band gefällt mir mal mehr und mal weniger. Der charismatische ​ Bariton von Tom Smith fesselt mich aber immer. Trotzdem ist die Hoffnung groß, dass die Setlist an diesem Abend möglichst viele Songs von den ersten beiden Alben The Back Room und An End Has a Start beinhaltet. Die Show startet mit „Strawberry Lemonade“ direkt gefolgt von „An End Has a Start“ und die düstere Stimme von Smith hat mich in diesem Moment schon abgeholt. Die Abwechslung zwischen New Wave und Indie-Rock präsentiert die Band in dunkler Kleidung und auf der Bühne gibt es Pyrotechnik und Stobogewitter bei Songs wie „The Racing Rats“ und „Picturesque“. Aber nicht mehr soviel und übertieben wie auf den letzten Tourneen. Das Songmaterial hat Vorfahrt.

Zum Ende des Sets spielt Tom Smith das Intro zu „Smokers Outside the Hospital Doors“ als Akustik-Version und trifft mich mitten ins Herz, als die Band einsetzt und diesen berührenden Song mit viel Kraft unterstützt ist für mich klar, emotionaler wird es heute nicht mehr. Als Zugabe gibt es noch den absolut unter die Haut gehenden Song „No Sound but the Wind“, der von Smith selbst am Klavier begleitet wird und der Editor Klassiker „Papillon“ darf natürlich auch nicht fehlen und beendet ein für mich perfektes Konzert. Editors können immer noch Headliner, auch wenn sie dazu nur noch in Benelux und England Gelegenheit bekommen.


Alle guten Dinge sind drei, oder nicht? Der dritte Tag hält auch bekannte und vielversprechende Namen bereit. Für mich gibt es heute Mogwai, Interpol und The Smashing Pumpkins. Ein klein wenig 90er Nostalgie..... Mogwai sind dafür bekannt, keinen konventionellen Songstrukturen zu folgen und kommen auch fast immer ohne Lyrics aus. Die Band betritt wenig spektakulär die Bühne und beginnt ohne große Worte ihr Set mit „Yes! I Am a Long Way From Home“ direkt gefolgt von „I ́m Jim Morrision,I ́m Dead“. Der langsame Aufbau und die instrumentale Vielschichtigkeit begeistert mich. Bei den weiteren Songs wie „Kids will Be Skeletons“ und „Mogwai Fear Satan“ erlebt man wahre Klanglandschaften die eine düstere melancholische Atmosphäre zaubern. Ein super Live Erlebnis auch wenn ich sie lieber bei Nacht gesehen hätte. 


Interpol Touren ja bereits seit ein paar Wochen durch Europa und kommen wie gewohnt relaxed und komplett in schwarz gekleidet auf die Bühne. Den Auftakt macht C ́mere gefolgt von Narc. Leider ist der Gesang von Paul Banks sehr leise und "matschig" abgemischt. Ob es an der beanspruchten Stimme oder dem Techniker lag kann ich nicht beurteilen. Auch bei den weiteren Songs wie „My Desire“ oder „Into the Night“ ist der Sound nicht richtig gut. Bei „Evil“ und „Not Even Jail“ konnte man kurz erahnen das Interpol auch Live zu überzeugen wissen. 

Zum Finale des Abends und zum Ende des Wochenendes verabschiedet sich das gute Wetter, nun regnet es in Strömen. Also ab unter den Regenponcho und vor die Bühne. Smashing Pumpkins Sänger Billy Corgan gilt im Allgemeinen als schlecht gelaunt, sollte also zum Wetter passen. Bei diesem Konzert war dann alles anders und zudem noch erstaunlich gut.

In einem wallenden Mantel/Kleid in schwarz-weiß kommt er auf die Bühne, Gitarrist James Iha und Drummer Jimmy Chamberlin sind wieder mit dabei, was mich sehr freut. Das Set startet wie erwartet ohne große Worte mit „The Everlasting Gaze“ gefolgt von „Doomsday Clock“ man merkt schnell, Corgan hat trotz des Regens heute gute Laune. Jubelt mit den Fans, macht Ansagen, immer wieder sieht man ihn lachen und tanzend die volle Breite der Bühne nutzen. 



Zeitweise spielt er mit Handtuch auf dem Kopf und schaut dann aus wie ein ägyptischer Pharao, der im Regen steht. Das Licht der Scheinwerfer wird durch den Regen ganz speziell reflektiert, eine Leinwand gibt es keine. Gut so.

Auch wenn meine Schuhe und Hose mittlerweile komplett durchfässt sind, klingt die Band so gut. Befreit, heavy, schön, laut, gar nicht wie auf Platte, aber trotzdem erkennt man die Songs schon ab Note eins. „Disarm“, „Today“, „1979“, „Zero“ und The World is an Vampire... „Bullet with Butterfly Wings“ – alle Hits sind dabei. Zugegeben für mich war viel Nostalgie bei diesem Konzert im Spiel. Allerdings, wenn schon Nostalgie, dann so souverän, freudvoll und frisch wie von den Smashing Pumpkins an diesem Abend. 


Auch wenn die Wetterprognose nicht bis zum Ende durchgehalten hat, so hat das Line-Up gehalten was es versprochen hat. Viele einmalige Momente mit großartigen Künstlern in einem wunderbaren Ambiente von Antwerpen.


Dienstag, 6. August 2024

Heimspiel Knyphausen Festival - Eltville - 26.07.-28.07.24

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Konzert: Heimspiel Knyphausen Festival
Ort: Eltville
Datum: 26.07.-28.07.24
Dauer: 3 Tage
Zuschauer: ausverkauft


Gisbert lädt ein. Frederik öffnet die Pforten, Benjamin und Anna kuratieren und produzieren. Ein tolles Team bringt alles aufs Gelände. Auf ein Neues in 2024. Das Weingut Baron Knyphausen, direkt am Rhein gelegen mit dem feinen Sinn für musikalischen Geschmack und nicht nur für guten Riesling, begrüßt einmal im Jahr eine treue Fangemeinde zu gutem Essen, besten Weinen und hervorragendem Lineup. 

Newcomer, gestandene Singer-Songwriter, Hamburger Schule und immer wieder überraschende Topacts, über die sich alle freuen, aber die irgendwie nie jemand auf dem Zettel hat. Brockhoff, Dekker, Die Sterne, Gisbert himself oder Emilíana Torrini. Auch so geht LineUp.


Anreise am Donnerstag. Base auf der Obstwiese. In diesem Jahr gänzlich Familien vorbehalten, alle anderen können erstmals ein zweites Camp auf dem Sportplatz bevölkern. Erster Überblick und einmal "Hallo" im Headquarter I (der Vinothek) und im Headquarter II (dem Produktionsbüro). Völlig neu ab diesem Jahr ein Graben vor der Bühne. Ich feiere ihn. Und mit Doro kommt eine Fulltime Stagemanagerin.

Zwei Neuerungen, die auf den immer professionelleren Impact dieses außergewöhnlichen Liebhaberfestivals hinweisen. Freitagmorgen und es regnet. Gehört ja dazu. Dennoch startet alles entspannt. Frühstück, Hardware einrichten, ein Glas Wein… 16:00 Uhr Einlass. 

Brockhoff als Opener. Beim OBS wetterbedingt noch aus der Ferne vom FOH gehört und fotografiert, nun erstmals im neuen Festivalgraben. Die Hamburgerin zieht schnell die Aufmerksamkeit auf sich. Mit 23 Jahren das Heimspiel so souverän zu eröffnen, spricht für sich und ihr Potential. Ihre Songs musikalisch ausgereift, stimmlich ginge bestimmt noch etwas.


Ganz anders Dekker. Der fotoscheue amerikanische Singer-/ Songwriter Brookln Dekker zeigt sich von seiner fast besten Seite. Üblicherweise mit seiner Ehefrau Rue Royals unterwegs, seit 2020 mit Erscheinen des Debütalbums „Slow Reveal: Chapter One“ auch Solo. Ein wenig genervt wirkend spielte er sein Set routiniert durch. Und dennoch sind alle hin und weg. Kein Wunder, der zelebrierte Indie-Folk findet den Takt zum Publikum. Dies ist eben ihre Insel.


Gisbert Knyphausen & Band sind der Headliner am ersten Tag. Wenn eine Band nach Jahren wieder zusammenkommt, das Publikum nicht weiß, ob es Regen oder Tränen im Gesicht sind, dann braucht es keinen Text mehr. Der Abend verklingt dabei ganz wunderbar. 

Samstagmorgen und es regnet schon wieder. Warum auch nicht? Dennoch, Haare und Hardware richten und ab zur Reederei Robert Stolz, am Anleger Eltville unterhalb der Burg Kratz. Wahl-Düsseldorfer Rob Godwin spielt sein neustes Projekt, abseits von The Slow Show. Irgendwie, aber zunächst alles verzögert. Rob hatte die Ruhe weg und der Regen ließ nach. Als das Set startete war dann doch irgendwie alles wie immer. Stimmlich ließ Rob nichts vermissen. 


Dabei klangen die Songs noch einen Tick dunkler und tiefer als sonst. Wenn das überhaupt noch möglich sein konnte. Aber ohne Graben und Bühne, dicht davor konnte es schnell, ganz intensiv werden. Konzerte auf dem Heimliner sind eben auch ganz besondere Konzerte.

KaBi & Kuchen mit Anna und Jana, sowie Wein & Käse mit Stefan und Katharina im Rahmenprogramm des Heimspiels. Zwei grossartige Weinproben mit viel Hintergrundwissen und besten Weinen aus dem Rheingau, feinstem Backwerk aus dem Geisenheimer Plattenstübchen und klar, Käse aus dem Eltviller Käseladen. KaBi steht übrigens für Riesling Kabinet und passt tatsächlich besser zum Kuchen als Kaffee. Das Ende vom Lied war jedoch, dass ich mich derart verspätete, dass Soft Loft diesmal ohne mich zurechtkommen mussten. 

Susan O‘Neil; Für mich im nun schon dritten Konzert wächst die irische Songwriterin immer mehr über sich hinaus. Tiefgründig und stimmgewaltig zieht sie die geneigte Hörerschaft in ihren Bann. Es ist begeisternd.


Die Sterne vertreten in diesem Jahr, die zur Zeit heiß diskutierte Hamburger Schule und Frank Spilker macht kurzen Prozess mit der musikalischen Zeitreise durchs Wirken und nichts Müssen. 

Timber Timbre gab es für mich nur aus der Ferne zu verfolgen. Die engen Vorgaben der Band um Taylor Kirk wollten keine Fotografen im Graben. Sei’s drum. Die erste Reihe wird es gefreut haben, bot sich doch nun von Beginn an ungestörter Folkblues mit reichhaltigen musikalischen Facetten. Mal düster, fast morbide, dann wieder poppig daherkommend. Ein eindrucksvolles Rundumsorglospaket. 

Wer wie ich Calexico noch nie live erlebt hat, war erstmal beeindruckt. Eine souveräne Kapelle, die mexikanischen Mariachi, Folk-, Tex-Mex, Country Rock und Latin Jazz vereint. Das musst du erstmal so machen und damit so erfolgreich eine Vielzahl von Festivalbühnen bespielen. Wenn am Ende des Konzertes sowohl Susan O’Neill als auch Festivalmacher Gisbert zu Knyphausen auf die Bühne zu gemeinsamer Performance gebeten werden, dann ist ein musikalisches Erlebnis perfekt, und ein großartiger Abschluss eines dichtbepackten und verregneten Festivalsamstags gelungen.


Am Sonntag schaut dann endlich die Sonne vorbei und traditionell früh, nach Yoga mit Nina und dem Wellness-Frühstück startet mit Willow Parlo die erste Band des Tages. Die Hamburger stehen für verträumten Indie-Pop, und Frontfrau Noemi Bunk bietet dazu stimmlich etwas an, was tatsächlich nachklingt. Meine persönliche Überraschung an diesem Wochenende. 

Der Songwriter Enno Bunger vertont bedeutsame Meilensteine seines Lebens im Piano Pop Style. Tiefsinnig und melancholisch. Nicht selten traurig und tränenrührend. Um der Schwere auch mal die Last zu nehmen, kommt schon mal das Applausometer zum Einsatz und das Publikum darf abstimmen, ob der nächste Song von Depressionen handeln oder die Klimakrise besingen soll. 

Aber ein wenig Selbstironie ist bei dieser Tragik wohl notwendig und hilft nebenher auch dem geneigten Festivalbesucher nicht den Glauben an "… am Ende wird alles gut…" zu verlieren.


Zum grandiosen Abschluss des diesjährigen Heimspiels lässt Emilíana Torrini Miss Flower über Freundschaft, Liebe, Begehren und letztendlich doch beständige Unabhängigkeit erzählen. Das Ganze wird eingerahmt mit Songs aus ihrer jetzt schon langen Bühnenkarriere. Ein ganz ein feiner Abschluss. 


Und dann war es das auch schon wieder. So schnell wie sich am Freitag die Wiese mit Picknickdecken und Familien gefüllt hatte, so schnell leerte sie sich auch wieder. Jeder hatte die wunderbaren Festivalweingläser und den Festivalriesling in der limitierten Edition im Gepäck. Eine großartige Tradition des Heimspiels. Aufräumen, Aftershow und ab nach Hause. 

Sämtliche Spenden, und auch das hat Tradition, ob in bar oder als Pfandspende, gingen in diesem Jahr übrigens an die Eltviller Tafel. 


Am 01.08.2024 startet schon der VVK für das Heimspiel Knyphausen vom 25.-27.07.2025. Schnell sein lohnt sich, das Festival ist seit Jahren stets ausverkauft und wir freuen uns jetzt auf die nächste Ausgabe.

Text und Fotos: Denis Schinner

Sonntag, 4. August 2024

Anna Ternheim, Würzburg, 03.08.24

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Konzert: Anna Ternheim
Ort: Alter Hafen, Würzburg (Würzburger Hafensommer)
Datum: 03.04.2024
Dauer: knapp 55 min
Zuschauer: fast ausverkauft



"So they are telling us, we have to stop?"
Ein Abbruch hing seit einer Weile in den Gewitterwolken über Würzburg, nach zehn Lieder musste der Veranstalter ihn dann erklären. Der Deutsche Wetterdienst hatte eine Unwetterwarnung herausgegeben. Anna Ternheims Band hatte gerade die letzten Takte von A French love gespielt, als der Leiter des Kulturamts auf die Bühne kam. 
Kurz bevor es um 20 Uhr losgehen sollte, hatte ein heftiger Starkregenguss für eine Verschiebung gesorgt. Das Wetterradar sage in zwanzig Minuten ein anderthalbstündiges Fenster ohne Regen voraus, man fange also nach dem Schauer an. Open-Air-Konzerte in Zeiten des Klimawandels. Wer weiß, wie lange so etwas überhaupt noch möglich ist.


Obwohl ich Anna Ternheim sehr oft gesehen habe, liegt mein letztes Konzert bereits fünf Jahre zurück. Damals hatte die Schwedin in der Elbphilharmonie gespielt. Auch wenn wir oft über ihre Auftritte geschrieben haben, war es immer spannend, in welcher Konstellation Anna spielen würde. Mal waren es Solokonzerte, mal mit Band, mal mit Chor, keine Tour war wie die vorherige. Ich wusste nicht, wie es diesmal sein würde und ließ mich überraschen.

Als der erste Regen vorbei war, kam die Sängerin mit einem Keyboarder, einem Gitarristen und einem Schlagzeuger auf die schwimmende Bühne im alten Würzburger Hafen. Instrumen
tierung und ihre Leder-Motorradjacke waren schon ein Hinweis, dass es eher rockig als akustisch werden würde. Aber das gute Rockig ohne fiese Gitarrensoli. Es erinnerte mich an meine ersten Konzerte von ihr 2006 oder 2007 und war toll!

Das Gelände des Würzburger Konzertsommers ist wunderschön! Die Bühne befindet sich auf einer Metallplattform im Hafen, verbunden durch eine kleine Brücke. Dahinter bilden Betonstufen eine Art Amphitheater, dahinter wiederum eine bestuhlte Tribüne, die von einem spektakulären Dach überdeckt wird. Hinter dem Gelände befindet sich ein Heizkraftwerk, neben der Bühne ein riesiger Verladekram, ein wirklich spannender Ort für Konzerte. Einziger Nachteil: die Distanz zur Bühne ist groß, sicherlich ein Grund dafür, dass alle saßen - obwohl es ja vorher in Strömen geschüttet hatte. Erst gegen Ende des Konzerts tanzte eine Handvoll Menschen. 


Anna Ternheims
letztes Album A space for lost time ist 2019 erschienen, das Konzert war also ein Best-of aus allen Phasen der Karriere, also auch viele alte Lieblinge. Es begann mit dem tollen Girl laying down von der ersten Platte Separation Road. Spannend wurde es danach. Ich mochte die Lieder von Leaving on a mayday auf der damaligen Tour nicht so sehr. Mir war das viel zu soulig, es gab Chöre. Besonders mit Summer rain tat ich mich sehr schwer. In der aktuellen Version war es großartig! 


Apropos Versionen... Anna spielte wie so oft mehrere Cover, I'm on fire von Bruce Springsteen und Show me the meaning of being lonely von den Backstreet Boys. "Meine Schwester mochte die Backstreet Boys, ich war auf einem ganz anderen Pfad. Aber das Lied musste ich für mich kapern und ruinieren." Wie viele andere Cover, die sie spielt, sind es wirklich eigene Stücke, gekapert und viel besser gemacht. Bei Show me... ging Anna irgendwann der Text aus. "Ihr müsst mir helfen, wenn Ihr mir den Text nicht nennen könnt, muss ich es abbrechen." Sie erinnerte sich und spielte es zu Ende.  

Das fremde Lied, auf das ich seit Jahren hoffe (Elegi von Lars Winnerbäck), hatte sie im Frühling in der Haldern Pop-Bar gespielt, in Würzburg nicht. Irgendwann...!


Besonders gefreut hat mich Walking aimlessly vom Nashville-Album The night visitor. Was für ein tolles Lied, das ich vergessen hatte. The night visitor und Somebody outside verkaufte Anna übrigens am Merch-Stand auf Kassette. 


Als der Veranstalter auf die Bühne kam, ging es plötzlich ganz schnell. Wie klug der Abbruch war, zeigte sich fünf Minuten später, als ich gerade im Auto sass und sich alle Dämme öffneten. Mit Summer rain hatte das gar nichts zu tun, wir müssen uns aber leider wohl auf solche Starkregen einstellen. 


Auch trotz des Regens waren Konzert und Rahmen wundervoll. Leider ist der Hafensommer jetzt beendet, die Veranstaltung gibt es aber seit 2007, also bitte nächstes Jahr ausprobieren!

Setlist Anna Ternheim, Würzburger Hafensommer:

01: Girl laying down
02: Black sunday afternoon
03: Everytime we fall
04: I say no
05: The longer the waiting (the sweeter the kiss)
06: Walking aimlessly
07: When you were mine
08: Show me the meaning of being lonely (Backstreet Boys Cover)
09: Better be
10: I'm on fire (Bruce Springsteen Cover)
11: Summer rain
12: A French love
- Unwetterabbruch -

Links: 

- unser Ternheim-Verzeichnis:
- Anna Ternheim, Hamburg, 20.09.19
Anna Ternheim, Stuttgart, 18.11.17
- Anna Ternheim, Frankfurt, 10.04.16
- Anna Ternheim, Freiburg, 21.02.12
- Anna Ternheim, Frankfurt, 19.02.12
- Anna Ternheim, Köln, 11.02.12
- Anna Ternheim, Berlin, 03.11.11
- Anna Ternheim, Nyköping, 24.11.09
- Anna Ternheim, Paris, 23.09.09
- Anna Ternheim, Fribourg, 20.09.09
- Anna Ternheim, Köln, 13.09.09
- Anna Ternheim, Haldern, 14.08.09
- Anna Ternheim, Paris, 29.04.09
- Anna Ternheim, Frankfurt, 28.04.09
- Anna Ternheim, Nijmegen, 24.04.09
- Anna Ternheim, Stockholm, 08.12.08
- Anna Ternheim, Paris, 01.10.07
- Anna Ternheim, Köln, 26.09.07
- Anna Ternheim, Heidelberg, 25.09.07
- Anna Ternheim, Paris, 31.05.07
- Anna Ternheim, Köln, 12.03.07
- Anna Ternheim, Paris, 12.12.06





 

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