Konzert: Heimspiel Knyphausen Festival
Ort: Eltville
Datum: 26.07.-28.07.24
Dauer: 3 Tage
Zuschauer: ausverkauft
Newcomer, gestandene Singer-Songwriter, Hamburger Schule und immer wieder überraschende Topacts, über die sich alle freuen, aber die irgendwie nie jemand auf dem Zettel hat. Brockhoff, Dekker, Die Sterne, Gisbert himself oder Emilíana Torrini. Auch so geht LineUp.
Anreise am Donnerstag. Base auf der Obstwiese. In diesem Jahr gänzlich Familien vorbehalten, alle anderen können erstmals ein zweites Camp auf dem Sportplatz bevölkern. Erster Überblick und einmal "Hallo" im Headquarter I (der Vinothek) und im Headquarter II (dem Produktionsbüro). Völlig neu ab diesem Jahr ein Graben vor der Bühne. Ich feiere ihn. Und mit Doro kommt eine Fulltime Stagemanagerin.
Zwei Neuerungen, die auf den immer professionelleren Impact dieses außergewöhnlichen Liebhaberfestivals hinweisen. Freitagmorgen und es regnet. Gehört ja dazu. Dennoch startet alles entspannt. Frühstück, Hardware einrichten, ein Glas Wein… 16:00 Uhr Einlass.
Brockhoff als Opener. Beim OBS wetterbedingt noch aus der Ferne vom FOH gehört und fotografiert, nun erstmals im neuen Festivalgraben. Die Hamburgerin zieht schnell die Aufmerksamkeit auf sich. Mit 23 Jahren das Heimspiel so souverän zu eröffnen, spricht für sich und ihr Potential. Ihre Songs musikalisch ausgereift, stimmlich ginge bestimmt noch etwas.
Gisbert Knyphausen & Band sind der Headliner am ersten Tag. Wenn eine Band nach Jahren wieder zusammenkommt, das Publikum nicht weiß, ob es Regen oder Tränen im Gesicht sind, dann braucht es keinen Text mehr. Der Abend verklingt dabei ganz wunderbar.
Samstagmorgen und es regnet schon wieder. Warum auch nicht? Dennoch, Haare und Hardware richten und ab zur Reederei Robert Stolz, am Anleger Eltville unterhalb der Burg Kratz. Wahl-Düsseldorfer Rob Godwin spielt sein neustes Projekt, abseits von The Slow Show. Irgendwie, aber zunächst alles verzögert. Rob hatte die Ruhe weg und der Regen ließ nach. Als das Set startete war dann doch irgendwie alles wie immer. Stimmlich ließ Rob nichts vermissen.
Dabei klangen die Songs noch einen Tick dunkler und tiefer als sonst. Wenn das überhaupt noch möglich sein konnte. Aber ohne Graben und Bühne, dicht davor konnte es schnell, ganz intensiv werden. Konzerte auf dem Heimliner sind eben auch ganz besondere Konzerte.
KaBi & Kuchen mit Anna und Jana, sowie Wein & Käse mit Stefan und Katharina im Rahmenprogramm des Heimspiels. Zwei grossartige Weinproben mit viel Hintergrundwissen und besten Weinen aus dem Rheingau, feinstem Backwerk aus dem Geisenheimer Plattenstübchen und klar, Käse aus dem Eltviller Käseladen. KaBi steht übrigens für Riesling Kabinet und passt tatsächlich besser zum Kuchen als Kaffee. Das Ende vom Lied war jedoch, dass ich mich derart verspätete, dass Soft Loft diesmal ohne mich zurechtkommen mussten.
Susan O‘Neil; Für mich im nun schon dritten Konzert wächst die irische Songwriterin immer mehr über sich hinaus. Tiefgründig und stimmgewaltig zieht sie die geneigte Hörerschaft in ihren Bann. Es ist begeisternd.
Timber Timbre gab es für mich nur aus der Ferne zu verfolgen. Die engen Vorgaben der Band um Taylor Kirk wollten keine Fotografen im Graben. Sei’s drum. Die erste Reihe wird es gefreut haben, bot sich doch nun von Beginn an ungestörter Folkblues mit reichhaltigen musikalischen Facetten. Mal düster, fast morbide, dann wieder poppig daherkommend. Ein eindrucksvolles Rundumsorglospaket.
Wer wie ich Calexico noch nie live erlebt hat, war erstmal beeindruckt. Eine souveräne Kapelle, die mexikanischen Mariachi, Folk-, Tex-Mex, Country Rock und Latin Jazz vereint. Das musst du erstmal so machen und damit so erfolgreich eine Vielzahl von Festivalbühnen bespielen. Wenn am Ende des Konzertes sowohl Susan O’Neill als auch Festivalmacher Gisbert zu Knyphausen auf die Bühne zu gemeinsamer Performance gebeten werden, dann ist ein musikalisches Erlebnis perfekt, und ein großartiger Abschluss eines dichtbepackten und verregneten Festivalsamstags gelungen.
Der Songwriter Enno Bunger vertont bedeutsame Meilensteine seines Lebens im Piano Pop Style. Tiefsinnig und melancholisch. Nicht selten traurig und tränenrührend. Um der Schwere auch mal die Last zu nehmen, kommt schon mal das Applausometer zum Einsatz und das Publikum darf abstimmen, ob der nächste Song von Depressionen handeln oder die Klimakrise besingen soll.
Aber ein wenig Selbstironie ist bei dieser Tragik wohl notwendig und hilft nebenher auch dem geneigten Festivalbesucher nicht den Glauben an "… am Ende wird alles gut…" zu verlieren.
Und dann war es das auch schon wieder. So schnell wie sich am Freitag die Wiese mit Picknickdecken und Familien gefüllt hatte, so schnell leerte sie sich auch wieder. Jeder hatte die wunderbaren Festivalweingläser und den Festivalriesling in der limitierten Edition im Gepäck. Eine großartige Tradition des Heimspiels. Aufräumen, Aftershow und ab nach Hause.
Sämtliche Spenden, und auch das hat Tradition, ob in bar oder als Pfandspende, gingen in diesem Jahr übrigens an die Eltviller Tafel.
Text und Fotos: Denis Schinner
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