Konzert: Pixies (& Lush)
Ort: Zitadelle Spandau, Berlin
Datum: 18.07.2016
Dauer: Pixies gut 90 min, Lush 45 min
Zuschauer: knapp 4.000 (nicht ausverkauft)
Einer der beiden Security-Männer am Eingang des Fotograbens schüttelte bei jedem Pixies-Song den Kopf und lachte immer wieder, er fand die Lieder der amerikanischen Band grausam und machte Witze über die euphorischen Reaktionen des Publikums. Daß gerade, als er seinem Kollegen breit grinsend irgendetwas sagte, La la love you mit den Pfeif-Soli startete, machte es den Pixies nicht einfacher, bei ihm zu punkten. Ein paar Sekunden lang versuchte ich, objektiv zu sein und fragte mich, ob er nicht vielleicht recht hatte und wir hier Quatsch feierten.
Bei 50% der Stücke brüllt Frank Black, viele fangen mit "This is a song about..." an. Und dann Indie Cindy! Warum mag ich die Pixies eigentlich so? Sie waren Ende der 80er Jahre wichtiger, manchmal wichtigster Teil meiner musikalischen Sozialisation. Aber deshalb muß ich sie ja heute nicht mehr hören und mögen. "La la love you?" Bitte!
Nach anderthalb Stunden Pixies wusste ich wieder, warum ich die Band aus Boston so liebe. Naja, zumindest, daß ich sie liebe. Unverändert.
Wegen der Pixies wäre ich allerdings nicht nach Berlin gefahren. Das Ticket war schrecklich teuer - und die Band ist immer mal wieder irgendwo zu sehen, auch wenn sie einen großen Bogen um deutsche Konzertsäle macht. Meine Reiseentscheidung fiel erst, als Lush als Support angekündigt wurden. Meine ersten vier Konzerte meiner liebsten Lieblingsband waren brillant und ich hatte bei weitem noch nicht genug.
Als wir eine gute halbe Stunde vor Lush im Innenhof der Zitadelle in Spandau ankamen, war peinlich wenig los. Open Air im Sommer bedeutet leider auch, daß die Band noch sieht, wie wenig los ist. Gottseidank füllte es sich noch etwas, sodaß der Innenhof der Befestigungsanlage nicht zu peinlich aussah.
Lush hatten zuletzt 1990 in Berlin gespielt, sagte Miki am Anfang der "4AD reunion." Ich kannte eine Menge Leute, die wegen der britischen Band nach Berlin gereist waren. Es war also für einen guten Teil des Publikums nicht bloß eine lästige Vorgruppe sondern der Hauptgrund, den Abend in Spandau zu verbringen.
Seit April habe ich Lush schon viermal gesehen - Nachholbedarf... Jedes der Konzerte war hervorragend. Ich hatte irre hohe Erwartungen an die Band, auf die ich live mehr als zwei Jahrzehnte gewartet hatte. Und die Konzerte liefen nicht bloß glimpflich ab, sie übererfüllten meine Wünsche. Vor der Show in Berlin war ich ein wenig ängstlich, ob die gleiche Setlist auch ein fünftes Mal funktionieren würde. Aber es war wie immer (daß ich das mal bei Lush sagen kann!), ein paar Takte De-luxe und alles war prima!
In dem verkürzten Set gab es keine Überraschungen, also keine neuen Songs, außerdem fehlten ein paar Live-Lieblinge wie Thoughtforms, Etheriel oder Desire lines. Der Rest war neu durchgemischt, klang brillant und funktionierte bei mir auch beim fünften Mal genauso wie seit Jahren auf Platte!
Vor vier Wochen beim Primavera Festival hatte ich Gitarristin Emma und Bassist Phil interviewt und nach ihrer Lush-Planung gefragt. Eine Platte ist das Ziel, aber sie lebten zur Zeit sehr augenblickbezogen. Alle vier - die drei Mitglieder von damals, Emma Anderson, Miki Berenyi und Phil King und der neue Drummer Justin Welch (Ex-Elastica und der beste Freund des Lush-Schlagzeugers Chris Acland) - haben Jobs und Familien. Der wundervolle Spuk kann also schnell wieder vorbei sein.
Auch das Konzert war (Übergang deluxe) viel zu schnell vorbei. Aber ganz ehrlich... das war jede Anreise wert! Kiss chase, Sweetness and light, Light from a dead star, Hypocrite, For love... was für Kunstwerke! Glücklicherweise habe ich noch Lush-Tickets für den Herbst. Die Band wird nämlich immer besser. Besonders fasziniert mich Justin. Der Schlagzeuger mußte nicht nur das ganze Repertoire seiner neuen Band sondern auch den Stil seines verstorbenen Freunds Chris lernen. Ich beachte Schlagzeuger immer viel zu wenig, das ist ihr Schicksal, weil sie hinten sitzen. Justin Welch zuzusehen, war ein riesiges Vergnügen!
Ach hätten doch Nirvana nicht den Shoegaze auf dem Gewissen, hätten Lush sicher den Stellenwert, den sie verdienen!
Setlist Lush, Zitadelle Spandau, Berlin:
01: De-luxe
02: Breeze
03: Hypocrite
04: Kiss chase
05: Light from a dead star
06: Scarlet
07: Lit up
08: Out of control
09: For love
10: Ladykillers
11: Downer
12: Sweetness and light
Auch die ganz große Karriere der Pixies haben vermutlich Nirvana auf dem Gewissen. Obwohl die beiden Stile Grunge und Pixiestil sehr ähnlich sind, konnte ich mit Grunge nie viel anfangen, während die Pixies immer meine Helden blieben. Daß das auch heute noch gilt, zeigten mir meine letzten Pixies-Shows 2013 und 14. Die 3-EP-Platte Indie Cindy von 2014 mochte ich, gehört habe ich sie aber kaum. Die Konzerte beim Primavera und in Belgien und Luxemburg hatte ich gesehen, weil es schließlich die Pixies sind, hinterher war ich aber jeweils überrascht, wie sehr mich die kauzige Band immer noch begeistern kann.
Das Konzert ist eigentlich schnell beschrieben: um 20:15 Uhr trat die Band auf, stimmte Wave auf mutilation an, wechselte alle drei Minuten zum nächsten Riesenhit, ohne Pausen oder Ansagen oder solchen Quatsch und endete nach 30 Liedern mit Debaser. Dann noch flott Planet of sound als Zugabe und das grandiose Konzert war gespielt.
Vom neuen Album, das erst Ende September erscheint, spielten die Pixies vier Songs. Vorher hatte ich keinen von denen gehört. Trotzdem war die bereits vorgestellte Vorab-Single das Stück, das am ehesten hängenblieb: Um chagga lagga. Baal's back ist einer der Schrei-Songs, Classic masher und Head carrier sind nicht genug haftengeblieben beim ersten Mal.
Neben dem Jesus And Mary Chain Cover Head on von Trompe le Monde (dessen Original Lushs Phil King als JAMC-Bassist zigmal gespielt hat) spielten die Amerikaner das Instrumental-Stück Velvety (eine Dig for fire B-Seite). Ansonsten lag der Schwerpunkt auf alten Sachen von Doolittle und Surfer Rosa.
Ach, es ist ja doch ein großes Glück, daß man Musik nicht erklären oder seinen hervorragenden Musikgeschmack nicht rechtfertigen muß! Warum 4.000 Menschen so begeistert von dieser komischen Band waren, hätte ich dem Ordner nicht erklären können. Und da pfeife ich drauf! La la love them!
Setlist Pixies, Zitadelle Spandau, Berlin:
01: Wave of mutilation
02: Bone machine
03: River Euphrates
04: Break my body
05: Classic masher (neu)
06: Monkey gone to heaven
07: Head carrier (neu)
08: Subbacultcha
09: Hey
10: Gouge away
11: Velouria
12: Snakes
13: Brick is red
14: Indie Cindy
15: Mr. Grieves
16: The holiday song
17: Vamos
18: Where is my mind?
19: Here comes your man
20: La la love you
21: Velvety
22: Head on (The Jesus And Mary Chain Cover)
23: Rock music
24: Baal's back (neu)
25: Um chagga lagga (neu)
26: Tony's theme
27: I've been tired
28: Tame
29: Caribou
30: Debaser
31: Planet of sound (Z)
Links:
- aus unserem Archiv:
- Pixies, Hilvarenbeek, 20.06.14
- Pixies, Barcelona, 30.05.14
- Pixies, Esch-sur-Alzette, 11.11.13
- Pixies, Brüssel, 02.10.13
- Pixies, Barcelona, 28.05.10
- Pixies, Frankfurt, 11.10.09
- Lush, Barcelona, 03.06.16
- Lush, London, 07.05.16
- Lush, London, 06.05.16
- Lush, London, 11.04.16
- unser Interview mit Lush (03.06.16)
1 Kommentare :
Das war mein viertes Pixies-Konzert und (mindestens) das zweitbeste.
Das erste mal habe ich sie 2004 in der Wuhlheide gesehen, da hatte ich 100% der Zeit Gänsehaut. Dieses Mal aber auch noch so zu 95%. Beide Male hauptsächlich aus nostalgischen Gründen, denn die Pixies sind eine der Hauptbands meiner musikalischen Sozialisation.
Leider war ich '93, in dem Jahr als sich die Band trennte und ich sie für mich entdeckte, mit knapp 15 Jahren noch etwas zu jung, um von den Konzerten damals zu schwärmen. Gut, dass sie sich wiedervereinigt haben. Das neue Album und die aktuell offensichtlich gute Band-Chemie lassen auf Zukunft hoffen.
Gemessen an den vier in der Zitadelle gehörten neuen Songs, könnte das im Gegensatz zu "Indie Cindy" ein echt gutes Album werden.
Kommentar veröffentlichen