Konzert: Motorama
Ort: Schlachthof, Wiesbaden (Kesselhaus)
Datum: 13.05.2015
Dauer: knapp 75 min
Zuschauer: ca. 220
Eigentlich wollte ich kommende Woche in Macclesfield Peter Hooks Gedenken an seinen vor 35 Jahren gestorbenen Frontmann Ian Curtis ansehen. Der Bassist wird in der Christ Church von Macclesfield alle jemals aufgenommenen Joy Division Stücke spielen. Daß ich nicht hinfahren kann, habe ich zwar sehr bedauert, ein Motorama-Konzert rückt meine Musikwelt aber schnell wieder zurecht.
Die Joy Division- (oder Smiths- oder Cure- oder Interpol- oder was auch immer-) Referenzen nerven Motorama sicher sehr. Sie sind auch unnötig, weil die russische Band ebenso einen eigenen Stil hat wie jede der angeblichen Blaupausen (und im Gegensatz zu Peter Hook & The Light hat Motorama einen Sänger, der gleichzeitig singen und Bass spielen kann).
Ich frage mich immer, was Motorama als Liveband so reizvoll macht. Ich habe die Russen vor zwei Jahren zum ersten Mal gesehen und seitdem keines ihrer Konzerte in Reichweite (und das ist ein dehnbarer Begriff) ausgelassen. Trotzdem haben deren Auftritte keinen Deut Reiz eingebüßt. Meine Vorfreude war also wieder riesig, obwohl die letzten Motorama Gigs gerade mal drei Monate her sind.
Im Februar war die Band aus Rostow am Don erstmals ohne Bassistin auf Tour. Die Frau von Sänger Vlad hat ein Kind bekommen und ist vorübergehend ausgestiegen. Die beiden bisherigen Gitarristen Vlad und Maxim teilen sich seitdem den Bass-Job. Spätestens beim zweiten Konzert in der neuen, kleineren Konstellation fehlte mir nichts mehr. Ob es Stücke gibt, die Motorama mit nur einer Gitarre nicht spielen können, weiß ich nicht. Vor der letzten Tour war die dritte Platte der Band (Poverty) erschienen, deren Lieder den Großteil der Konzerte ausmachen. Dafür sind viele alte Lieblinge aus dem Programm geflogen. Da Poverty aber wieder ein großer Wurf ist, ist das gut und gerne zu verkraften!
Seit Mittwoch sind Motorama wieder in Deutschland auf Tour. Am Samstag hatte die Band noch in Mexiko gespielt - am Ende einer Süd- und Mittelamerika-Tour, während der sie einige Male in Lima aufgetreten ist (vor bis zu 1.000 ausflippende Fans). Vom Anreise-Streß (Mexiko-Paris-Wiesbaden) war nichts zu merken, als die vier Musiker um viertel nach neun auf die Bühne des neuen Kesselhauses im Wiesbadener Schlachthof kamen. Wie üblich ging der Soundcheck ganz pragmatisch ins erste Lied über. Wären Motorama keine so großartige Band, wäre das (und die fehlenden Ansagen vielleicht) ein wenig störend, aber die Frage stellt sich ja nicht.
Das Kesselhaus, das die baufällige Räucherkammer als kleinen Saal des Schlachthofs abgelöst hat, ist ein wundervoller Konzertort, auf Anhieb ein neuer Lieblingsclub. Es war wohl nicht ganz ausverkauft, der Saal war aber fast voll.
Motorama spielten am Anfang das gleiche Set wie bei den Konzerten im Februar. Impractical advice und Corona vom neuen Album, die ich beide schon sehr liebe, dann der große Hit To the south, Dispersed energy und Red drop von Poverty und dazwischen die Single She is there. Alles ohne große Pause nacheinander.
Nach Red drop wurde es anders. Und spannend. Motorama haben einen riesigen Output an Veröffentlichungen (drei Alben, zwei EPs, mehrere Singles) und spielen regelmäßig trotz des riesigen Katalogs auch B-Seiten (heute Special day). Das Lied nach Red drop war aber neu, ich kannte es wenigstens nicht. Später kam noch ein zweites neuen Stück (mit "laaalala"-Text am Ende). Das erste neue Lied klang, als stamme es von der neuen Platte, es war toll! Der große Knüller war aber das zweite Stück, hoffentlich spielen das Motorama jetzt regelmäßig!
Neben den ganz besonderen Lieblingen To the south, Rose in the vase, She is there waren Special day und Heavy way die besten Lieder - ach, das ist albern, alle sind sagenhaft toll. Und sie klangen so gut wie nie! Motorama hatten kaum Equipment neben den Instrumenten mitgenommen. Sie spielten nicht vor Verstärker-Wänden, die Bühne sah eher so aus wie bei einer Vollplayback-Aufnahme einer Fernsehsendung, weil sie fast leer war. Auch wenn das My Bloody Valentine und J Mascis anders sehen, es braucht keine mannhohen Boxentürme für ordentlich Dampf!
Bei During the years flippte Vlad für seine Verhältnisse extrem aus. Er schrammelte mindestens eine Saite seiner Gitarre durch, was die Zugaben beeinflusste. Sie könnten nur noch ein Lied mit Bass und Keyboard spielen. Das wurde das herrlich monotone und düstere Write to me. Dabei stand Vlad lange am linken Bühnenrand, er hatte ja nichts zu tun, bevor der Gesang einsetzte.
Müssen wir euch noch auffordern, Motorama in den nächsten Tagen anzugucken? Sicher nicht, oder?
Setlist Motorama, Schlachthof, Wiesbaden:
01: Impractical advice
02: Corona
03: To the south
04: Dispersed energy
05: She is there
06: Red drop
07: neu
08: Heavy wave
09: Lottery
10: Rose in the vase
11: Old
12: Similar way
13: Special day
14: neu
15: Ghost
16: Alps
17: During the years
18: Write to me (Z)
Tourdaten Motorama, Mai 2015:
15.05.15 Berlin (Magnet)
16.05.15 Dresden (Beatpol)
17.05.15 Jena (Café Wagner)
18.05.15 Münster (Gleis 22)
19.05.15 Nürnberg (K4 Zentralcafé)
20.05.15 Köln (Blue Shell)
21.05.15 Oberhausen (Druckluft)
22.05.15 Mannheim (Maifeld Derby Festival)
23.05.15 Krems (AT) (Jazzkeller)
Links:
- aus unserem Archiv:
- Motorama, Straßburg, 14.02.15
- Motorama, Esch-sur-Alzette, 11.02.15
- Motorama, Frankfurt, 03.06.14
- Motorama, Mannheim, 31.05.14
- Motorama, Luxemburg, 26.02.14
- Motorama, Paris, 13.12.13
- Motorama, Köln, 25.09.13
- Motorama, Paris, 19.09.13
- Motorama, Wiesbaden, 06.03.13
- Motorama, Wiesbaden, 06.03.13
- Motorama, Esslingen, 05.03.13
- Motorama, Paris, 25.02.13
- Motorama, Paris, 27.11.12
* oder Irina? Bei Instagram heißt sie Irene
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