Konzert: Lisa Morgenstern
Ort: Grüner Salon (Volksbühne) in Berlin
Datum: 2. April 2015 (Gründonnerstag)
Dauer: 80 min
Zuschauer: knapp 60
All die wunderbaren Fotos sind von Markus (vielen Dank!)
I survive it all (aus Amphibian)
Genau an diesem stilvollen Ort hatte ich Lisa Morgenstern im September 2014 erlebt und mich von ihrer Performance überwältigen lassen. Als sich erneut die Möglichkeit bot, habe ich nicht arg lange überlegt. Obwohl es natürlich ein Risiko gab, dass es - zumindest in Teilen - Enttäuschung geben könnte, nachdem das erste Erlebnis so einzigartig grandios gewesen war.
Was schwerer wog: Ich hatte einen Karlsruher Begleiter angestiftet. Ich war mir sicher genug gewesen, dass sich die Fahrt für ihn lohnen würde. Natürlich fuhr auch die stille Hoffnung mit, dass wir anschließend ein bewegendes Erlebnis teilen würden, von dem wir noch lange mit glänzenden Augen reden würden. Nun ist schon ein Monat vergangen seit wir wieder zurück im badischen sind und der Bericht musste immer wieder "auf morgen" warten, auf die ruhige Minute, die sich nicht finden wollte. Tatsächlich haben wir in der Zeit öfter und gern von unserer Reise gesprochen und von diesem facettenreichen Abend im Grünen Salon - wenn auch etwas anders, als ich bei der Planung vermutet hatte.
Aufgeboten wurde im grünen Salon am Gründonnerstag neben Lisa Morgenstern und dem herrlichen Flügel auch die beiden inzwischen schon erprobten Bühnengefährten Benni Cellini am Cello und Katharina Parczyk an der Geige und als zweite Stimme. So wie auch schon im September - da war es die Premiere der Trio-Besetzung gewesen. Auffällig anders war diesmal tatsächlich das Publikum (jünger und "gothischer") - vielleicht auch wegen der späteren Anfangszeit. Uns kam es gelegen, dass es erst 21 Uhr begann, weil wir damit mehr Zeit für unsere Anreise hatten, die wir gut gebrauchen konnten. Als es aber dann 21:15 Uhr wurde und es noch nicht losging, wurde es doch etwas unruhig im Zuschauersaal. (*)
Mit Under Water begann schließlich das Konzert und hatte mit den sich anschließenden Liedern Hairy moon und My Room die gleiche Eröffnung wie im September. Aber die Stimmung war seltsam unklar und wie ver-rückt. Lisa erschien mir wie nicht ganz anwesend - oder nur anwesend für den Flügel aber nicht für das Publikum. So gab es kein Fenster für Applaus bis nach My Room, wo Teile des Publikums die Stummheit nicht mehr aushielten. Auch später hatte ich manchmal das Gefühl, es wurde in die noch gehaltene Spannung "hineingeklatscht", um ganz sicher "zu Wort" zu kommen.
Was auch bedeutet: Das Publikum mochte das musikalische Programm und wollte auch die Künstlerin ein Stück mit tragen in einer Situation, die anscheinend irgendwie schwierig oder nicht so gut beherrschbar für sie war. In der ersten Ansage fragte sie das Publikum, ob alle deutsch sprächen. Und hätte wohl eine genügend große Gruppe an Ausnahmen zum Anlass genommen, englische Ansagen auszuprobieren, die für das erste Konzert in Belgien am Karsamstag notwendig werden würden.
Unser Aprilprogramm fand seine Fortsetzung in Kannibalische Gourmet und vermied damit und mit den sich anschließenden Stücken die totale dramatische Eskalation vor der Pause. Das war natürlich nur relativ zum Programm im September spürbar und fühlte sich für die anderen im Saal sicher als Zunahme der dramatischen Spannung an. Für mich war die Konstruktion der ersten Halbzeit damit jedoch schaumgebremst und in der Pause fragten wir uns schon ein bisschen besorgt, was wohl los sei.
Gibt es doch noch Probleme mit der Hand - das war im Winter ein übles Thema gewesen? Wir rangen um das rechte Wort für unser Gefühl, aber waren uns dann einig: Der Abend war bisher ein bisschen wie das Cello von Benni Cellini: die Umrisse sind erkennbar und sind kunstvoll, aber es fehlte das "Fleisch", das uns im September so atemlos zurückgelassen hatte.
Die Knaller und Balanceaktstücke kamen diesmal im zweiten Teil: Amphibian, Eskalation und schließlich auch - fast erlösend - Lieber Tod, das mich immer wieder neu bestürzt und erhebt und glücklich macht. Lisa war mit einem Gin Tonic auf die Bühne zurückgekehrt und begann mit einer dramatischen Improvisation am Flügel. Dann erbat sie sich sozusagen eine Billigung des Publikums für einen von ihr selten gewählten Ausweg aus verzwickten Übeln - Alkohol.
Ich hatte nicht den Eindruck, dass sich das wirklich entspannend auswirkte, aber die wahre Messlatte, ob es ein gutes Konzert war, ist wohl, ob es denen etwas gab, die die Musik von Lisa Morgenstern an diesem Abend zum ersten Mal live erlebten. Und da war mein Karlsruher Begleiter klar positiv - übrigens auch das restliche Publikum, die sich noch eine Zugabe erklatschten und auch danach noch mehr gewollt hätten aber wohl sahen, dass die Künstlerin nicht glücklich war und gern über die Ziellinie gehen wollte.
Unser Fahrt nach Berlin hatte sich wirklich gelohnt - aber das nächste Mal müssen wir uns doch mal in der Dreikönigskirche in Dresden treffen!
Setlist:
01: Under Water
02: Hairy moon
03: My Room
04: Kannibalische Gourmet
05: Sonnet 1 (vs. Mondscheinsonate)
06: Celene
07: Bury me
- Pause -
08: Impro
09: Amphibian
10: Eskalation
11: Allegro con Fuoco
12: Sweet Dreams
13: Lieber Tod
14: Farewell
15: Metamorphoses Intro + Spiral Tongue (Z)
(*) Der Grund für den nach hinten verschobenen Beginn war ganz nachvollziehbar, dass die Aufführung auf der Hauptbühne nicht gestört werden sollte.
Aus unserem Archiv:
Lisa Morgenstern, Freiberg, 29.10.14
Lisa Morgenstern, Berlin, 14.09.14
Widerhall:
Interview
Liederlich Interview
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