Dienstag, 2. Dezember 2014

Allo Darlin', Köln, 01.12.14


Konzert: Allo Darlin'
Ort: Ausweichkeller der Hängenden Gärten von Ehrenfeld, Köln
Datum: 01.12.2014
Dauer: gut 85 min
Zuschauer: vielleicht 130



Oh, was ist Allo Darlin' doch für eine fantastische Band! Vor einigen Wochen erschien mit We come from the same place das dritte Album der australisch-englischen Indiepop-Gruppe. Mit einigen der neuen Songs waren Elizabeth, Bill, Paul und Mike im Juli Headliner meines Lieblingsfestivals Indietracks. Seit ihrem letzten Köln-Konzert vor gut zwei Jahren hat sich zumindest bei der Frontfrau das Leben geändert. Sängerin Elizabeth hat geheiratet und ist mit ihrem Mann nach Florenz gezogen. Die Aufnahmen der Platte und das anschließende Touren erforderte logistischen Aufwand, der neu war. Denn auch wenn Elizabeth und Bill (Bass) aus Australien stammen, lebten sie - wie die beiden Engländer Paul und Mike - in London. Die letzten drei Songs der Platte schrieb Elizabeth bereits in Italien, man merkt ihnen das neue Umfeld aber nicht an. Was mich ungemein beruhigt.

Daß Köln weiterhin Ziel der Europa-Tour ist, beruhigt mich genauso! Viele Termine in Deutschland gab es nämlich wieder einmal nicht. Nur Augsburg am Vorabend und Köln zum Tourabschluß. Begonnen hatten die Konzerte mit der neuen Platte in den USA (vor bis zu 400 Zuschauern), anschließend in der (alten, neuen und vorübergehenden) Heimat und zum Schluß in Frankreich, der Schweiz, Österreich, Augsburg und Köln.

Das Kölner Konzert sollte wie das letzte in den Hängenden Gärten von Ehrenfeld (bester Kölner Kneipenname!) stattfinden. Daß die kleine Bar mit ihrer Kapazität von 60 zu klein für Allo Darlin' sein würde, war mir klar. Der Vorverkauf, der diesmal auch Auswärtige wie mich berücksichtigte und die Möglichkeit einer Reservierung bot (beim letzten Mal war es ein Drama, weil nirgends Informationen zum Vorverkauf zu finden waren und plötzlich bei last.fm verkündet wurde, es sei ausverkauft) lief aber wohl so gut, daß der Veranstalter ein Ausweichquartier organisierte, um mehr Zuschauer aufnehmen zu können. Der neue Konzertort war ein Kellerraum mit dunklen Balken, einigen Sofas und einer Bar. Wenn die Bühne höher gewesen wäre, wäre er vermutlich perfekt für das Konzert gewesen. 

Die fehlende Sicht war für mich nicht dramatisch. Ich gehe nicht aus optischen Gründen zu Konzerten. Daß man hinten in den letzten Reihen - wir hatten vorher ein Interview mit Elizabeth und Mike geführt und kamen unmittelbar vor Konzertbeginn erst zurück und wollten uns nicht vordrängeln - aber die Musik fast gleichlaut wie die Gespräche an der Bar hörte, war mehr als mies. Natürlich weiß ich, daß bei Konzerten in einer Kneipe die Geräuschkulisse, die nichts mit Musik zu tun hat, hoch ist. Ich mag das nicht, ich weiß es aber. Und daß das die Gäste der Gärten dann mit in den Konzertkeller gezogen sind. Aber muß man sich wirklich dann so laut unterhalten? 10 Euro Eintritt sollten doch eigentlich diejenigen rausfiltern, die das Konzert nicht sehen und stattdessen Kneipengespräche führen wollen. Ich verstehe das nicht. Gut, wer sich so gar nicht für das Konzert und den Künstler interessiert, weiß dann natürlich auch nicht, wie selten man die Chance hat, Allo Darlin' zu sehen, wie wenige Stationen deren Touren haben und daß dafür sogar Leute anreisen. Wie besonders so ein Abend also für viele ist. Aber es ist wohl auch egal.

Beim Interview vorher hatte Elizabeth gesagt, daß die Konzerte die schlimmsten seien, bei denen man keine Aufmerksamkeit bekomme. Vorne war es wohl besser, hinten klang es wie eine Bahnhofskneipe.

Daß das Konzert (netto) trotzdem sehr gut war, lag an der wundervollen Band! Elizabeth und Bill standen (Hörensagen!) wackelig auf Getränkekisten bzw. Boxen, Australier surfen eben gerne, die beiden Briten saßen. Waren die neuen Lieder beim Indietracks noch ungewohnt (bis auf Kings & Queens hatte ich noch keines vorher gehört), sind sie mir nach häufigem Hören mittlerweile sehr vertraut. "A record is not just a record", ne? Daß die neuen Songs anders aufgenommen worden sind, bei gemeinsamen Aufnahmen im Studio, also quasi live, weiß ich nur, weil ich es gelesen habe. Aufgefallen wäre es mir nicht. Aber ich höre We come from the same place mindestens genauso gerne wie die Vorgänger. Schlecht kann diese schlichtere Heransgehensweise also nicht sein. 

Meine beiden aktuellen Lieblingssongs der Platte - so etwas wechselt ja bei Lieblingsplatten immer mal wieder - sind Bright eyes, das herzzerreißend schöne Duett von Elizabeth und Gitarrist Paul und History lessons. Sie kamen gleich nacheinander. Spätestens da ärgerte mich der Bahnhof in meinem Rücken nicht mehr - oder die mitpfeifende Frohnatur neben mir am Anfang. 

Daß brillante Songs wie Bright eyes oder Capricornia es nicht ins Radio schaffen, ist eine Katastrophe. Denn auch wenn die Band Erfolge hat - die zweite Platte Europe war 2012 die verkaufsstärkste Platte bei Rough Trade - gehen alle vier Musiker anderen Jobs nach, vom Musikmachen können sie nicht leben. Elizabeth gibt beispielsweise Englisch-Unterricht in ihren neuen Heimat Italien.

Nach den beiden neuen Lieblingen stimmte Elizabeth einen alten an, stoppte aber sofort wieder. "Letztes mal, als wir in den Hängenden Gärten gespielt haben, hat jemand bei diesem Lied Kazoo gespielt. Bist du heute auch da?" - "Jaaa!" - "Bitte spiel' heute nicht Kazoo"! Tallulah ist eines der ruhigsten Stücke der Band und eines, das wie viele andere sehr viel nachdenklicher ist, als die munteren Melodien und die Ukulele vermuten lassen. "I'm wondering if I've already heard all the songs that'll mean something and I'm wondering if I've already met all the people that'll mean something." Die Kassette mit Tal(l)ulah drauf bezieht sich wohl auf Talulah Gosh, mit deren Sängerin Amelia Fletcher Elizabeth kurzfristig in der Band Tender Trap spielte. Kleine, wundervolle Twee-Pop-Welt!*

Daß ich mich beim letzten Mal über das Kazoo-Solo aufgeregt hatte (hier nachzulesen), hatte mir die Kritik beschert, keinen Spaß zu verstehen, blah blah blah. Elizabeth ist also offenbar auch keine rheinische Frohnatur.

Die Songauswahl war perfekt - das ist aber auch nicht schwer bei einer Band, die nur Hits hat. Crickets in the rain oder Half heart necklace, die ich bisher auf der neuen Platte wenig beachtet habe, sind live nicht weniger toll als Dreaming oder Wonderland oder Europe oder wie sie alle heißen!

Das tollste unter den tollen Stücken ist aber My heart is a drummer, das letzte Lied vor den Zugaben. Da schreiben sie solche Songs und können nicht davon leben. Unfassbar! Und Cro und Clueso füllen ein paar Tage vorher jeweils die Kölnarena.

Das wunderschöne Some people say und Kiss your lips (diesmal ohne das kurze, eingebundene Call me Al Cover - puh!) und nach erneuter Pause Darren zum Schluß beendeten das Konzert. Ihr hinter mir, Ihr habt etwas verpasst! Eure Gespräche waren sicher sehr wichtig und anregend, diese vier komischen Leute auf der anderen Seite des Raums haben aber wirklich ein vorzügliches Konzert gespielt!

Setlist Allo Darlin', Die Hängenden Gärten von Ehrenfeld**, Köln:

01: Wonderland
02: Half heart necklace
03: We come from the same place
04: Angela
05: Europe
06: Kings & Queens
07: Bright eyes
08: History lessons
09: Tallulah
10: Crickets in the rain
11: Capricornia
12: Dreaming
13: Let's go swimming
14: My heart is a drummer

15: Some people say (Z)
16: Kiss your lips (Z)

17: Darren (Z)

Links:

- aus unserem Archiv:
- Allo Darlin', Ripley, 25.07.14
- Allo Darlin', Köln, 21.11.12
- Allo Darlin', Paris, 10.07.12
- Allo Darlin', Wien, 04.03.11
- Allo Darlin', Paris, 25.02.11
- Allo Darlin', Köln, 28.07.10
- Allo Darlin', Paris, 27.07.10

* vollkommen berechtigte Korrektur von Rainer, daß sich Tallulah natürlich auf das Go-Betweens Album bezieht! Aber meine zurechtgelegte Erklärung hätte so schön gepasst... Betriebsblind im Twee-Pop-Land.
** Ausweichkeller


Fotos: Archiv




1 Kommentare :

Nelle hat gesagt…

Immerhin hatten wir Tal(l)ulah-technisch es genau so falsch verstanden wie du! :-)

Das Konzert selbst hat mich zu keinem Moment mitgerissen, schade.

 

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