Konzert: Thees Uhlmann, Element Of Crime, Frank Turner & Casper (Fest van Cleef)
Ort: Messehalle, Trier
Datum: 10.12.2011
Zuschauer: 2.500 vielleicht? Nicht ganz ausverkauft
Dauer: Thees Uhlmann 75 min, Element Of Crime 45 min, Frank Turner 42 min, Casper knapp 40 min
Die Trierer Messehalle hat etwa den Charme eines nordkoreanischen Kaufhauses. Sie beherbergt normalerweise Mosellandausstellungen und Flohmärkte, als Konzertveranstaltungsort ist sie mit dem Bau der Arena am anderen Ende der Stadt vor ein paar Jahren unwichtiger geworden. Die Messehalle ist irre hoch und sah von innen aus wie ein Hangar für die Busflotte der Stadtwerke, sehr sexy also.
Beide Bühnen waren im gleichen Raum untergebracht, es sollten sich also keine Auftritte überschneiden. Der Zeitplan hatte das vorher nahegelegt, vielleicht hatte ich die Spielzeiten von Element Of Crime z.B. aber auch zu optimistisch eingeschätzt. An der Bühnenkonzeption und am Ablauf des gesamten Festivals merkt man, daß die Veranstaltung von Musikern bzw. Musiknerds konzipiert wurde. An der Häßlichkeit der Halle konnten die nichts ändern, der Rest passte perfekt.
Zwischen den beiden Bühnen standen Bierwagen, die an gleicher Stelle draußen auch im Sommer vermutlich die Kirmes versorgen. In einer Halle hatte ich die noch nicht gesehen, zum Flair passte es aber perfekt. Vermutlich waren auch die Tourbusse in einem abgesperrten Teil der Halle geparkt. Ähnlich pragmatisch hatte man die Bierversorgung geplant: damit man nicht zu oft laufen musste, gab es 1-Liter-Plastikbecher!
Meine ersten Konzertnachbarn hatten von denen schon einige verdrückt, sie hatten um halb sechs schon ordentliche Stand-Probleme. Allerdings waren sie auch extrem textsicher und gröhlten sich durch den Auftritt Frank Turners, sodaß ich das Konzert im Surround-Sound miterlebte (oder 3D für die jüngeren). Aber nicht nur der angeschickerte Frank-Turner-Fanclub aus Bawü hatte Spaß mit dem Soloauftritt des Engländers. Man sah erstaunlich viele T-Shirts des Sängers in den ersten Reihen.
Frank Turner war mit Band (The Sleeping Souls) angekündigt worden. Als er auf die Bühne kam entschuldigte er sich dafür, solo da zu sein, es habe Probleme mit dem Schlagzeug gegeben. Ich hatte den Musiker beim 2010er Latitude Festival nachmittags mit Band gesehen, hatte aber mehr in der Sonne gelungert und nicht richtig zugesehen, sodaß ich nicht weiß, ob mir eine Band gefehlt hätte. Alleine, mit Gitarre zur rauhen Stimme, taugte der Auftritte jedenfalls sehr viel!
Obwohl ja auf dem Papier akustisch, trug Frank Turner seine Lieder eindrucksvoll brachial vor. Ich kannte nicht viel davon, bin aber jetzt Fan. Sein vierzigminütiger Auftritt war zu gut, um den Engländer weiter zu ignorieren. Thees Uhlmann, der alle Bands ansagte (eine sehr schöne Sitte des Festivals), hatte geschildert, wie er Franks Musik kennengelernt hat. Er saß in einem vermüllten Auto eines Freunds und griff einen der zerkratzen CD-Rohlinge, die da rumlagen. Darauf war Substitute, das ihn sofort begeisterte. Frank Turner, der sehr passabel deutsch sprach (er hat europäische Geschichte studiert), fragte vor dem Song, "was der Typ, der mich angekündigt hat, über den Song erzählt hat. War das nett?"
Das war ein hervorragender Einstieg ins Festival, ohne jeden Zweifel!
Setlist Frank Turner, Fest van Cleef, Trier:
01: I knew Prufrock before he got famous
02: Try this at home
03: Peggy sang the blues
04: I'm disappeared
05: The ballad of Steve
06: Dan's song
07: Substitute
08: The English curse
09: I still believe
10: The road
11: Photosynthesis
Meine nächste Band war eine gute halbe Stunde später Element Of Crime. Wenn man die fünf Musiker auf die Bühne schlurfen sieht, kommt man nicht dirket auf die Idee, eine der wichtigsten deutschen Bands der letzten Jahrzehnte vor sich zu haben. Bassist David Young beispielweise sieht nicht aus wie ein Mitglied einer Band, die ich mag. Truckstop, ok - aber Indiemusiker? Im Leben nicht. Wenn die Mannen um Sven Regener dann aber losspielen, ist das alles weg. Die Musik bleibt leise und ruhig. Daß sie trotzdem wuchtiger ist, als der meiste übrige Kram, liegt an den wunderbaren Texten des Sängers und Schriftstellers. "Element Of Crime sind härter als alle anderen," urteilte auch Thees Uhlmann. Recht hat er.
Mit Nightmare von Freedom, Love & Happiness, einem der englischsprachigen Alben der Band, begann das Konzert. Neben Immer unter Strom vom fast 20 Jahre alten Weißes Papier blieb Nightmare das einzige alte Stück der Mitte der achtziger Jahre gegründeten Band. Die anderen Lieder stammten von den beiden letzten (vorzüglichen) Alben Mittelpunkt der Welt und Immer da wo Du bist bin ich nie.
Leider gilt das Immer da wo Du bist, bin ich nie nicht für die jeweils anstrengendsten Konzertbesucher und mich. Die sind nämlich immer da, wo ich bin. Diesmal eine Gruppe von freundlichen und betrunkenen Frauen mit zwei dazugehörigen Typen, die mitgröhlten (ist ok) und sich mit vors Gesicht gehaltenen Kameras und Handys in der ersten Reihe fotografierten. Da das nicht klappte (sie guckten sich jedes der verwackelten Fotos ausgiebig an), wurde weitergeschossen. Aufzupassen, nicht auf die Bilder zu geraten (falls durch ein Wunder eines mal nicht unscharf werden würde) und den hochgehaltenen schwankenden und überschwappenden Bierbechern auszuweichen, erforderte all mein Geschick. Daß ich das Konzert trotzdem und trotz der Leute, die auf meinen Füßen stehen, aufmerksam und gut gelaunt genießen konnte, rechne ich mir hoch an.
Die doofe Floskel, es wäre sehr gut aber viel zu kurz gewesen, traf es leider sehr genau. Element Of Crime mit einem 45 Minuten Auftritt bei einem Festival zu verheizen, ist eigentlich Perlen vor die Säue geschmissen. So als lüde die Trierer Sparkasse den Dalei Lama zu einem Grußwort zum Sparkassendingstag ein. Eigentlich. Da das Fest van Cleef allerdings alles andere als die Sparkasse unter den deutschen Festivals ist, passte das trotzdem. Man sollte sich jedoch fest vornehmen, die nächsten richtigen Konzerte nicht wieder zu verpassen (done.).
Setlist Element Of Crime, Fest van Cleef, Trier:
01: Nightmare
02: Straßenbahn des Todes
03: Am Ende denk ich immer nur an dich
04: Deborah Müller
05: Immer unter Strom
06: Bitte bleib bei mir
07: Kaffee und Karin
08: Immer da wo du bist bin ich nie
09: Delmenhorst (Z)
Danach kam der Künstler, der das Lineup des diesjährigen Festivals besonders machte. Casper (bitte als Cäsper lesen), der Rapper aus Bielefeld, "der Mann, der mehr Platten verkauft hat, als alle Assi-Rapper" (Thees Uhlmann). Der Soundcheck von Caspers Band war schon bemerkenswert. Nachdem clickclickdecker auf der kleinen Bühne fertig waren, hatten die Musiker und Techniker nicht schrecklich viel Zeit, mit richtiger Lautstärke abzustimmen. Die Tontests dabei waren schon ziemlich laut. Das reichte den Männern in Kapuzenshirts aber nicht, sie standen alle minutenlang mit erhobenem Zeigefingern auf der Bühne und wurden und wurden nicht zufrieden.
Sie verschwanden wieder und wurden durch dichten Nebel ersetzt. Als das Saallicht ausging, und die Musiker schemenhaft erschienen, sah man zunächst nur Tiermasken und Lichtstrahlen, die aus den Augenhöhlen kamen. Dazu wummerten die Instrumente (klassisch besetzt: Bass, Gitarre, Keyboard, Schlagzeug) durch die Nebelschwaden - der Anfang war schon einmal sagenhaft gut!
Rap ist nicht meine Musik, ich stehe auch nicht auf Matrosensprache, was mir das Zuhören von MC Hastenichtgesehens schwer macht. Casper hat mit denen allerdings kaum etwas gemeinsam. Bon Jovi und die Thermals könnte man grob ja auch beide als Rockbands bezeichnen, wobei die eine göttlich, die andere schlimmster Schund ist. Ich habe viel zu wenig Ahnung von aktuellem Rap, deshalb will ich nicht versuchen, Casper irgendwie einzuordnen, das ginge gnadenlos schief.
Also hintenrum: das Konzert hat sagenhaft viel Spaß gemacht. Irgendwie schien das Publikum auch plötzlich ausgetauscht zu sein. Hatte ich bei Frank Turner und bei Element Of Crime noch den Eindruck, die Leute seien ausschließlich wegen dieser Bands da (und nicht nur die in den ersten Reihen), war es diesmal viel jünger und rapaffiner. Ich kannte außer dem Duett mit Thees Uhlmann nichts von Casper, hatte auch seine Nummer eins Platte XOXO bisher ignoriert. Aber ich verstehe auch vollkommen, warum Casper als "Indierapper" gilt (auch wenn das furchtbar ist), und warum er vollkommen zurecht ins Lineup des Festivals gehörte. Es fehlte komplett diese aufgelegte Ghetto-Attitüde. Die Texte wirkten intelligent, es gab richtige Musikinstrumente. Besonders wohltuend waren Benjamins Ansagen. Während des Konzerts flogen Becher und auch einmal Schuhe nach vorne auf die Bühne. "Da sagt man immer, daß Rap-Publikum besonders doof sei. Und dann spielen wir vor Rock Publikum, und es fliegen Sachen nach vorne." Der Kerl kann nicht verstecken, daß mehr in der Birne hat, als man Rappern gerne zugesteht.
Natürlich gab es auch die Standard Rap-Folklore (Arme in die Höhe... usw.). Die störte mich aber nicht, dafür vermittelten Casper zu viel Spaß. Ich bin jetzt nicht selbst zum Rapper geworden, das Konzert war allerdings ausgezeichnet!
A propos ausgezeichnet: Casper hat für XOXO gerade die einslive Krone fürs beste Album 2011 bekommen.
Setlist Casper, Fest van Cleef, Trier:
01: Der Druck steigt
02: Auf und davon
03: XOXO (mit Thees Uhlmann)
04: Die letzte Gang der Stadt
05: Rock'n'roll
06: Casper Bumaye
07: So perfekt
08: Michael X
Den Schlußpunkt des Abends lieferte der nächste Krone-Gewinner, Thees Uhlmann. Thees hatte den Radiopreis als bester Plan-B-Act (will sagen Indiemusiker) bekommen und das runde Ding gleich mitgebracht. Die Kugel lag während des Konzerts vor dem Schlagzeug.
Das Konzert von Thees Uhlmann und Band unterschied sich kaum vom Auftritt in der Live Music Hall vor sechs Wochen. Ich war damals mit gemischten Erwartungen in die LMH gefahren, verließ die Bude nach 90 Minuten aber vollkommen begeistert. Diese Euphorie fehlte diesmal, ich wusste ja, was mich erwartete. Das Konzert selbst war allerdings nicht schlechter als das letzte, es fehlten wegen der gleichen Setlist (nur eine Abweichung: 17 Worte ersetzte Paris im Herbst als Zugabe) aber die großen Überraschungen.
Der Gastauftritt von Casper bei & Jay Z singt uns ein Lied war nicht überraschend, aber auch das nahm ihm nicht den Reiz. Danach lagen sich Casper und Thees (verschwitzt) in den Armen und strahlten!
Wie die drei anderen Konzerte, die ich Samstag gesehen habe, war auch der Abschluß wirklich hervorragend. Das konnte selbst das Ambiente nicht versauen. Ein schönes Festival entstellt eben nichts.
Setlist Thees Uhlmann, Fest van Cleef, Trier:
01: Römer am Ende Roms
02: Das Mädchen von Kasse 2
03: Lat: 53.7 Lon: 9.11667
04: Vom Delta bis zur Quelle
05: Sommer in der Stadt
06: New York (Tomte)
07: Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf
08: Die Nacht war kurz (Ich stehe früh auf)
09: & Jay-Z singt uns ein Lied (mit Casper)
10: Die Toten auf dem Rücksitz
11: Das hier ist wie Fußball (Tomte) (Z)
12: 17 Worte (Z)
Links:
- Thees Uhlmann, Live Music Hall, 25.10.11
Ort: Messehalle, Trier
Datum: 10.12.2011
Zuschauer: 2.500 vielleicht? Nicht ganz ausverkauft
Dauer: Thees Uhlmann 75 min, Element Of Crime 45 min, Frank Turner 42 min, Casper knapp 40 min
Die Trierer Messehalle hat etwa den Charme eines nordkoreanischen Kaufhauses. Sie beherbergt normalerweise Mosellandausstellungen und Flohmärkte, als Konzertveranstaltungsort ist sie mit dem Bau der Arena am anderen Ende der Stadt vor ein paar Jahren unwichtiger geworden. Die Messehalle ist irre hoch und sah von innen aus wie ein Hangar für die Busflotte der Stadtwerke, sehr sexy also.
Beide Bühnen waren im gleichen Raum untergebracht, es sollten sich also keine Auftritte überschneiden. Der Zeitplan hatte das vorher nahegelegt, vielleicht hatte ich die Spielzeiten von Element Of Crime z.B. aber auch zu optimistisch eingeschätzt. An der Bühnenkonzeption und am Ablauf des gesamten Festivals merkt man, daß die Veranstaltung von Musikern bzw. Musiknerds konzipiert wurde. An der Häßlichkeit der Halle konnten die nichts ändern, der Rest passte perfekt.
Zwischen den beiden Bühnen standen Bierwagen, die an gleicher Stelle draußen auch im Sommer vermutlich die Kirmes versorgen. In einer Halle hatte ich die noch nicht gesehen, zum Flair passte es aber perfekt. Vermutlich waren auch die Tourbusse in einem abgesperrten Teil der Halle geparkt. Ähnlich pragmatisch hatte man die Bierversorgung geplant: damit man nicht zu oft laufen musste, gab es 1-Liter-Plastikbecher!
Meine ersten Konzertnachbarn hatten von denen schon einige verdrückt, sie hatten um halb sechs schon ordentliche Stand-Probleme. Allerdings waren sie auch extrem textsicher und gröhlten sich durch den Auftritt Frank Turners, sodaß ich das Konzert im Surround-Sound miterlebte (oder 3D für die jüngeren). Aber nicht nur der angeschickerte Frank-Turner-Fanclub aus Bawü hatte Spaß mit dem Soloauftritt des Engländers. Man sah erstaunlich viele T-Shirts des Sängers in den ersten Reihen.
Frank Turner war mit Band (The Sleeping Souls) angekündigt worden. Als er auf die Bühne kam entschuldigte er sich dafür, solo da zu sein, es habe Probleme mit dem Schlagzeug gegeben. Ich hatte den Musiker beim 2010er Latitude Festival nachmittags mit Band gesehen, hatte aber mehr in der Sonne gelungert und nicht richtig zugesehen, sodaß ich nicht weiß, ob mir eine Band gefehlt hätte. Alleine, mit Gitarre zur rauhen Stimme, taugte der Auftritte jedenfalls sehr viel!
Obwohl ja auf dem Papier akustisch, trug Frank Turner seine Lieder eindrucksvoll brachial vor. Ich kannte nicht viel davon, bin aber jetzt Fan. Sein vierzigminütiger Auftritt war zu gut, um den Engländer weiter zu ignorieren. Thees Uhlmann, der alle Bands ansagte (eine sehr schöne Sitte des Festivals), hatte geschildert, wie er Franks Musik kennengelernt hat. Er saß in einem vermüllten Auto eines Freunds und griff einen der zerkratzen CD-Rohlinge, die da rumlagen. Darauf war Substitute, das ihn sofort begeisterte. Frank Turner, der sehr passabel deutsch sprach (er hat europäische Geschichte studiert), fragte vor dem Song, "was der Typ, der mich angekündigt hat, über den Song erzählt hat. War das nett?"
Das war ein hervorragender Einstieg ins Festival, ohne jeden Zweifel!
Setlist Frank Turner, Fest van Cleef, Trier:
01: I knew Prufrock before he got famous
02: Try this at home
03: Peggy sang the blues
04: I'm disappeared
05: The ballad of Steve
06: Dan's song
07: Substitute
08: The English curse
09: I still believe
10: The road
11: Photosynthesis
Meine nächste Band war eine gute halbe Stunde später Element Of Crime. Wenn man die fünf Musiker auf die Bühne schlurfen sieht, kommt man nicht dirket auf die Idee, eine der wichtigsten deutschen Bands der letzten Jahrzehnte vor sich zu haben. Bassist David Young beispielweise sieht nicht aus wie ein Mitglied einer Band, die ich mag. Truckstop, ok - aber Indiemusiker? Im Leben nicht. Wenn die Mannen um Sven Regener dann aber losspielen, ist das alles weg. Die Musik bleibt leise und ruhig. Daß sie trotzdem wuchtiger ist, als der meiste übrige Kram, liegt an den wunderbaren Texten des Sängers und Schriftstellers. "Element Of Crime sind härter als alle anderen," urteilte auch Thees Uhlmann. Recht hat er.
Mit Nightmare von Freedom, Love & Happiness, einem der englischsprachigen Alben der Band, begann das Konzert. Neben Immer unter Strom vom fast 20 Jahre alten Weißes Papier blieb Nightmare das einzige alte Stück der Mitte der achtziger Jahre gegründeten Band. Die anderen Lieder stammten von den beiden letzten (vorzüglichen) Alben Mittelpunkt der Welt und Immer da wo Du bist bin ich nie.
Leider gilt das Immer da wo Du bist, bin ich nie nicht für die jeweils anstrengendsten Konzertbesucher und mich. Die sind nämlich immer da, wo ich bin. Diesmal eine Gruppe von freundlichen und betrunkenen Frauen mit zwei dazugehörigen Typen, die mitgröhlten (ist ok) und sich mit vors Gesicht gehaltenen Kameras und Handys in der ersten Reihe fotografierten. Da das nicht klappte (sie guckten sich jedes der verwackelten Fotos ausgiebig an), wurde weitergeschossen. Aufzupassen, nicht auf die Bilder zu geraten (falls durch ein Wunder eines mal nicht unscharf werden würde) und den hochgehaltenen schwankenden und überschwappenden Bierbechern auszuweichen, erforderte all mein Geschick. Daß ich das Konzert trotzdem und trotz der Leute, die auf meinen Füßen stehen, aufmerksam und gut gelaunt genießen konnte, rechne ich mir hoch an.
Die doofe Floskel, es wäre sehr gut aber viel zu kurz gewesen, traf es leider sehr genau. Element Of Crime mit einem 45 Minuten Auftritt bei einem Festival zu verheizen, ist eigentlich Perlen vor die Säue geschmissen. So als lüde die Trierer Sparkasse den Dalei Lama zu einem Grußwort zum Sparkassendingstag ein. Eigentlich. Da das Fest van Cleef allerdings alles andere als die Sparkasse unter den deutschen Festivals ist, passte das trotzdem. Man sollte sich jedoch fest vornehmen, die nächsten richtigen Konzerte nicht wieder zu verpassen (done.).
Setlist Element Of Crime, Fest van Cleef, Trier:
01: Nightmare
02: Straßenbahn des Todes
03: Am Ende denk ich immer nur an dich
04: Deborah Müller
05: Immer unter Strom
06: Bitte bleib bei mir
07: Kaffee und Karin
08: Immer da wo du bist bin ich nie
09: Delmenhorst (Z)
Danach kam der Künstler, der das Lineup des diesjährigen Festivals besonders machte. Casper (bitte als Cäsper lesen), der Rapper aus Bielefeld, "der Mann, der mehr Platten verkauft hat, als alle Assi-Rapper" (Thees Uhlmann). Der Soundcheck von Caspers Band war schon bemerkenswert. Nachdem clickclickdecker auf der kleinen Bühne fertig waren, hatten die Musiker und Techniker nicht schrecklich viel Zeit, mit richtiger Lautstärke abzustimmen. Die Tontests dabei waren schon ziemlich laut. Das reichte den Männern in Kapuzenshirts aber nicht, sie standen alle minutenlang mit erhobenem Zeigefingern auf der Bühne und wurden und wurden nicht zufrieden.
Sie verschwanden wieder und wurden durch dichten Nebel ersetzt. Als das Saallicht ausging, und die Musiker schemenhaft erschienen, sah man zunächst nur Tiermasken und Lichtstrahlen, die aus den Augenhöhlen kamen. Dazu wummerten die Instrumente (klassisch besetzt: Bass, Gitarre, Keyboard, Schlagzeug) durch die Nebelschwaden - der Anfang war schon einmal sagenhaft gut!
Rap ist nicht meine Musik, ich stehe auch nicht auf Matrosensprache, was mir das Zuhören von MC Hastenichtgesehens schwer macht. Casper hat mit denen allerdings kaum etwas gemeinsam. Bon Jovi und die Thermals könnte man grob ja auch beide als Rockbands bezeichnen, wobei die eine göttlich, die andere schlimmster Schund ist. Ich habe viel zu wenig Ahnung von aktuellem Rap, deshalb will ich nicht versuchen, Casper irgendwie einzuordnen, das ginge gnadenlos schief.
Also hintenrum: das Konzert hat sagenhaft viel Spaß gemacht. Irgendwie schien das Publikum auch plötzlich ausgetauscht zu sein. Hatte ich bei Frank Turner und bei Element Of Crime noch den Eindruck, die Leute seien ausschließlich wegen dieser Bands da (und nicht nur die in den ersten Reihen), war es diesmal viel jünger und rapaffiner. Ich kannte außer dem Duett mit Thees Uhlmann nichts von Casper, hatte auch seine Nummer eins Platte XOXO bisher ignoriert. Aber ich verstehe auch vollkommen, warum Casper als "Indierapper" gilt (auch wenn das furchtbar ist), und warum er vollkommen zurecht ins Lineup des Festivals gehörte. Es fehlte komplett diese aufgelegte Ghetto-Attitüde. Die Texte wirkten intelligent, es gab richtige Musikinstrumente. Besonders wohltuend waren Benjamins Ansagen. Während des Konzerts flogen Becher und auch einmal Schuhe nach vorne auf die Bühne. "Da sagt man immer, daß Rap-Publikum besonders doof sei. Und dann spielen wir vor Rock Publikum, und es fliegen Sachen nach vorne." Der Kerl kann nicht verstecken, daß mehr in der Birne hat, als man Rappern gerne zugesteht.
Natürlich gab es auch die Standard Rap-Folklore (Arme in die Höhe... usw.). Die störte mich aber nicht, dafür vermittelten Casper zu viel Spaß. Ich bin jetzt nicht selbst zum Rapper geworden, das Konzert war allerdings ausgezeichnet!
A propos ausgezeichnet: Casper hat für XOXO gerade die einslive Krone fürs beste Album 2011 bekommen.
Setlist Casper, Fest van Cleef, Trier:
01: Der Druck steigt
02: Auf und davon
03: XOXO (mit Thees Uhlmann)
04: Die letzte Gang der Stadt
05: Rock'n'roll
06: Casper Bumaye
07: So perfekt
08: Michael X
Den Schlußpunkt des Abends lieferte der nächste Krone-Gewinner, Thees Uhlmann. Thees hatte den Radiopreis als bester Plan-B-Act (will sagen Indiemusiker) bekommen und das runde Ding gleich mitgebracht. Die Kugel lag während des Konzerts vor dem Schlagzeug.
Das Konzert von Thees Uhlmann und Band unterschied sich kaum vom Auftritt in der Live Music Hall vor sechs Wochen. Ich war damals mit gemischten Erwartungen in die LMH gefahren, verließ die Bude nach 90 Minuten aber vollkommen begeistert. Diese Euphorie fehlte diesmal, ich wusste ja, was mich erwartete. Das Konzert selbst war allerdings nicht schlechter als das letzte, es fehlten wegen der gleichen Setlist (nur eine Abweichung: 17 Worte ersetzte Paris im Herbst als Zugabe) aber die großen Überraschungen.
Der Gastauftritt von Casper bei & Jay Z singt uns ein Lied war nicht überraschend, aber auch das nahm ihm nicht den Reiz. Danach lagen sich Casper und Thees (verschwitzt) in den Armen und strahlten!
Wie die drei anderen Konzerte, die ich Samstag gesehen habe, war auch der Abschluß wirklich hervorragend. Das konnte selbst das Ambiente nicht versauen. Ein schönes Festival entstellt eben nichts.
Setlist Thees Uhlmann, Fest van Cleef, Trier:
01: Römer am Ende Roms
02: Das Mädchen von Kasse 2
03: Lat: 53.7 Lon: 9.11667
04: Vom Delta bis zur Quelle
05: Sommer in der Stadt
06: New York (Tomte)
07: Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf
08: Die Nacht war kurz (Ich stehe früh auf)
09: & Jay-Z singt uns ein Lied (mit Casper)
10: Die Toten auf dem Rücksitz
11: Das hier ist wie Fußball (Tomte) (Z)
12: 17 Worte (Z)
Links:
- Thees Uhlmann, Live Music Hall, 25.10.11
2 Kommentare :
"Bon Jovi und die Thermals könnte man grob ja auch beide als Rockbands bezeichnen, wobei die eine göttlich, die andere schlimmster Schund ist."
Und ich dachte, ich würde deinen Musikgeschmack kennen!
Jetzt sind die einen, Bon Jovi, plötzlich göttlich und die anderen, The Thermals, schlimmer Schund...
;-)
Frank Turner ist live tatsächlich ne Wucht. Hatte ihn das erste Mal als Support von Gaslight Anthem gesehen und ich glaube am Ende lag ihm der halbe Saal zu Füßen und sang mit geschlossenen Augen zu seinem Dancing Queen Cover mit.
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