Sonntag, 18. Dezember 2011

Mirel Wagner, Paris, 16.12.11


Konzert: Mirel Wagner
Ort: Institut Finnlandais, 75007 Paris
Datum: 16.12.11
Zuschauer: viele! volle Hütte!
Konzertdauer. etwa eine Stunde


Mazzy Star, Cat Power, Nico, Vashti Bunyan, Marissa Nadler, so viele fantastische Sängerinnen fallen einem ein, wenn man das bezaubernd schöne Debütalbum von Mirel Wagner hört. Aber das Beste ist: die aus Äthiopien stammende Finnin fügt dem Kanon der beindruckendsten wispernden und hauchenden Folksängerinnen ein neues Kapitel, ja gar ein neues kleines Meisterwerk hinzu.

Und live bewies sie im Centre Culturel Finlandais zu Paris, daß sie nicht nur zart und fragil kann, sondern auch über Temperament und Angriffslust verfügt. Natürlich ist sie deshalb keine vor Wut keifende Scout Niblett, aber Mirel erhob ganz im Gegensatz zum durchgängig ruhigen Album doch immer mal wieder ihre Stimme, wurde ab und zu lauter, intensiver. Dennoch überwognen aber die bedächtigen, sehr subtilen und dezenten Momente, in denen man eine Stecknadel hätte fallen hören Das sehr zahlreich erschienene Publikum (200? 300?) verhielt sich vorbildlich leise und lauschte wie gebannt dem neuen Stern am weiblichen Folkhimmel, der so untypisch wirkt. Finninen stellt man sich eben eher blond und hellhäutig vor, denkt nicht in erster Linie an Immigranten aus Afrika. Aber da saß sie nun da, die eher schüchterne, aber dennoch sehr schlagfertige und humorvolle junge Frau und ließ ihre sirenenhafte Stimme und ihre Akustikgitarre sprechen. Sie präsentierte Songs voller Poesie und Direktheit, vordergründig einfach gestrickt, aber mit einer solchen Sogwirkung und mysteriösen Anziehungskraft versehen, daß man nur staunen konnte. Wie schaffte sie das? Die Leute mit solch simplen Mitteln- eine weiche Stimme, ein paar Gitarrenakkorde- so zu fesseln? Mit Liedern, die bis vor ein paar Wochen niemand kannte und die nur Eingeweihten ein Begriff waren? Die Magie der Musik mag man so etwas nennen und es stimmt schon, die Sache hatte in der Tat etwas Magisches. Die Ungekünsteltheit faszinierte, dieser charmant simple Ansatz, diese Authenzität. Man nahm Mirel Waner ihre Gefühle ab, glaubte den Aussagen ihrer knisternd warmen Songs. Es lag eine nebulöse Düsterheit über ihnen, aber deprimierend und ohne Hoffnung waren sie nicht, obwohl die Sängerin selbst schelmisch anmerkte, daß sie kaum "happy Songs" in ihrem Programm habe und sich vieles um den Tod drehe. Der Tod verlor mit den Liedern von Wagner seinen Schrecken, wurde in warme Tücher gewickelt und unschädlich gemacht. "No Death will tear us apart" sang sie bei No Death und es klang fast wie eine Bezugnahme auf den berühmten Joy Division Song Love Will Tear Us Apart. Ein Highlight im Set, das nicht nur zahlreiche Albumtitel bot, sondern auch mit ein paar neuen Liedern garniert war (z.B. Who Am I To Sing A Lovesong?)

Die Zeit ging schnell vorbei (fast wie im Traum, vielleicht hieß deshalb eine wundervolle Nummer Dream?) und sehr bald war sie schon beim letzten Titel angelangt. Als sie den "last song" verkündete ging ein Raunen der Enttäuschung durch die Reihen, was Mirel spitzbübisch mit: Kennt ihr so etws wie ein "Encore", eine Zugabe? konterte. Die gab es dann in der Tat noch und bei Fräulein Wagner wurde auch das fünfminütige von-der-Bühne-Verschwinden ausgelassen. Sie hielt das für überflüssig und merkte an, daß sie Zeit spare, wenn sie auf der Bühne bliebe und somit sogar noch zwei Stücke performen könne.

Gegen 22 Uhr 15 war dann aber wirklich Schluß und nun, ohne die ganzen Leute, konnte ich die interessante Architektur des Gebäudes bewundern. Mir kam sofort in den Sinn, daß das finnische Kulturinstitut wie eine überdimensionale Sauna aussieht. Finnen und die Sauna, alles nur Klischees? Vielleicht. Denn wer hätte schon gedacht, daß die Nordeuropäer auch Rotwein kredenzen? Gut war der im unteren Gebäudeteil ausgeschenkte Rebensaft allerdings nicht, es fehlte ihm sicherlich die Sonne. Das Bier schmeckte jedoch tadellos und die hübsche Blondine, die den Getränkestand schmiss, sah mit ihren schönen blauen Augen ziemlich genauso so aus, wie man sich Frauen in diesen Breitgraden vorstellt...

Wundervolles Konzert!

Setlist Mirel Wagner, Institut Finlandais, Paris (ohne besondere Reihenfolge):
The Road
Despair
Joe
No Hands
Dream
Red
The Well
To The Bone
No Death
Who Am I To Sing A Lovesong?
Come Away Child



2 Kommentare :

E. hat gesagt…

hier vermisse ich eine verlinkung!

Jens aus Wien hat gesagt…

Hach, ich beneide Dich um das Konzert! Schöner Bericht, danke!
Gruß aus Wien, Jens

 

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