Konzert: Bill Callahan
Ort: Le Café de la danse, Paris
Datum: 12.02.2010
Zuschauer: restlos ausverkauft
Konzertdauer: etwa 70 Minuten
Glück gehört manchmal auch dazu! Und das hatte ich wahrlich, an diesem 12. Februar! Saumäßiges Schwein würde es vermutlich noch besser treffen, aber man sollte ja die tierischen Vergleiche nicht überstrapazieren (stimmt's d'Artagnan?).
Mit leeren Händen hatte ich mich auf den Weg Richtung Café de la danse gemacht und ging 90 Minuten später reich beschenkt wieder nach Hause. Ich hatte kein Ticket für das Konzert von Bill Callahan und mich schändlicherweise auch nicht rechtzeitig um eine Akkreditierung bemüht. Der Termin lag für mich ungünstig, genau einen Tag vor meiner geplanten (und auch durchgeführten) Oliver Peel Session mit Rivkah. Dann kam mir in den letzten Wochen auch noch eine hartnäckige Grippe in die Quere und ich hatte den Auftritt von Bill schon abgeschrieben. Er würde ohne mich stattfinden. Leider! Dann aber erwachte am Freitag abend der Kampfgeist in mir. "Geh doch einfach hin und versuch Dein Glück", sagte ich zu mir selbst. Was ich mir erhoffte, wußte ich selbst nicht so genau. Glaubte ich etwa, jemand würde mir einfach so eine überschüssige Karte zustecken? - Nein, das nicht, ich dachte vielmehr daran, daß ich die Herrschaften an der Kasse davon überzeugen könnte, daß ich Blogger sei, Bill Callahan verehre und deshalb verdiene, reingelassen zu werden. Wenn ich versicherte, darüber zu schreiben (am besten auch in französisch) und gute Fotos zu schießen, würde es schon gehen. Oder nicht?
Aber diese Gelegenheit ergab sich nicht. Der bullige Türsteher im Café de la danse machte kurz auf, als ich klopfte, stellte sich mir in den Weg und fragte, was ich wolle. "Na zum Konzert!" (was sonst?), entgegnete ich auf selbstsicher machend. "Ist ausverkauft und hat schon angefangen", knurrte er und schlug mir die Tür vor der Nase zu. Abgewiesen wie ein stinkender Fischer stand ich also nun da in der Kälte. Da kam plötzlich eine Gruppe von 5 Italienern angeschlurft, die um Einlass begehrten. Der Gorilla öffnete die Tür einen Spalt weit und meinte nur knapp: "keine Chance!" Die Südeuropäer zogen laut motzend ab. Ich sah nun kaum noch eine Möglichkeit reinzukommen, stellte mich aber kurz auf die andere Straßenseite und ließ über meine Kopfhörer Musik laufen, um mich abzureagieren. Da kam plötzlich ein junger Mann mit seiner weiblichen Begleitung auf mich zu. Die beiden hatten auch in der Nähe der Türe rumgelungert, aber ich dachte, sie stünden da nur einfach so rum. Er wedelte mit einem Ticket und sagte etwas, was ich nicht verstand. Ob er mir sein Ticket verkaufen wollte? Nun stand er neben mir und erklärte, daß sie lediglich eine einzige Karte hätten, aber nur gemeinsam das Konzert besuchen wollten. Ich könne das Billet haben. Hektisch öffnete ich mein Portemonnaie um den Preis zu bezahlen, aber der Bursche winkte lächelnd ab. "Ist umsonst", sagte er auf englich. Er habe das Scheinchen auch gratis zugesteckt bekommen, da wolle er jetzt kein Geschäft mit machen. Ich hätte ihn um den Hals fallen können, wollte aber sofort rein ins Café de la danse, denn das Konzert hatte schließlich schon begonnen. Ich tauschte mit meinem Glücksboten noch E-mail Adressen aus und erfuhr, daß er Schweizer war. Saunett, unsere Eidgenossen! Ich bot ihm an, eine meiner Oliver Peel Sessions zu besuchen und stürmte an dem verdutzten Türsteher vorbei ("nanu?, wo hat der denn jetzt eine Karte her?", schien er zu denken) hinein. Die Leute standen dicht gedrängt und glotzten gebannt auf die Bühne, wo Bill Callahan mit weißem Hemd, schwarzem Schlips und schokoladenbrauner Gibsongitarre seine melancholischen Folksongs feilbot. Aus meiner Position, war mir die Sicht auf seinen Drummer versperrt, aber das Wichtigste war ja ohnehin die aufschlußreiche Mimik von Callahan zu beobachten. Einen Moment lang war ich betrübt, weil ich keine Streicher (Violine, Violincello) erspähen konnte, die Bill im letzten Jahr beim Festival Rock en Seine dabei hatte. Aber ziemlich schnell gewöhnte ich mich an den kargeren, reduzierteren Sound, der die sonore Grabesstimme von Callahan noch mehr in den Vordergrund rückte. Und was für eine Stimme das ist! Die schönste männliche der Welt? Hmm, vielleicht schon, aber so etwas ist schwer meßbar. Er klingt wie ein Märchenerzähler, oder ein alter weiser Onkel, der Ratschläge erteilt. Als ich zum ersten Mal Smog gehört habe, dachte ich der Typ sei um die 60 und bärtig. Erst seit dem Pariser Konzert vom Mai 2008 weiß ich, daß er immer glattrasiert, an Eleganz kaum zu überbieten und unfassbar charismatisch ist. Dabei ist er kalt wie eine Hundeschnauze, distanziert und unnahbar. Aber gerade das macht seine Aura aus. Man fragt sich ständig, was er so denkt. Zwischen den Liedern erfährt man da kaum etwas, denn Callahan geizt mit Ankedoten. Alles was er zu erzählen hat, drückt er in seinen Liedtexten aus, weitere Erläuterungen gibt es nicht. Humorlosigkeit kann man ihm dennoch nicht unterstellen, obwohl sein Humor natürlich der schwarzen Art ist. In einer witzigen Szene stellte er murmelnd die Frage in den Raum, warum denn Charlotte Gainsbourg mit Beck und nicht mit ihm, Bill Callahan, ein Album aufgenommen habe? Eine Antwort erwartete er aber wohl nicht, denn er machte flugs weiter im Programm. Vielleicht leidet er ein wenig darunter, daß seine Erfolge in Frankreich (und weltweit) nicht wirklich seinem immensen Können enstprechen. Die 10 (!) Smog Alben haben sich alle mehr oder weniger mäßig verkauft und erst mit seinem zweiten Soloalbum Sometimes I Wish We Were An Eagle (2009) erfährt er nun endlich eine breitere Aufmerksamkeit. Insider liebten und verehrten Smog von Beginn an, aber erst jetzt liest man in der Presse immer mehr von Callahan. Nicht von ungefähr hat er deshalb das Café de la danse mühelos ausverkauft (Kapazität 450 Plätze) und man hat das Gefühl, daß es jetzt für ihn noch viel höher hinaus gehen kann. Das Bespielen einer Halle oder eines Theaters mit 1000 Gästen scheint nicht mehr umöglich und das wäre auch nur mehr als verdient Die ungemein starke Mittelphase des heutigen Konzertes machte das sehr deutlich. Hintereinander weg wurden mit Eid Ma Clack Shaw, Diamond Dancer und Too Many Birds gleich drei famose Stücke zelebriert.
"Working through death pain", als er diese ersten Zeilen vom Eid Ma Clack Shaw erklingen ließ, johlten einige Besucher vor Vorfreude. Ungemein elegant über die Fläche tänzelnd, ging Bill mit seiner Gitarre eine veritable Symbiose ein. Als würde er mit seiner Klampfe einen Slow tanzen, so sah das Ganze aus. Der Drummer gab hierzu den Takt an. "Show me the way, shome me the way, show me the way, to shake a memory, der stakkatische Refrain hatte fast hypnotische Wirkung. Ein Killersong, dem Bill gleich den nächsten folgen ließ. Diamond Dancer vom Vorgängeralbum kam unfassbar sexy, eingängig und die Sinne benebelnd rüber. Manchmal hätte ich mir hier zwar etwas Streicherbegleitung gewünscht, aber so war das Ganze roher, unmittelbarer, direkter. Ein Hammer! Dann wurde es herzergreifend. Nach den ersten Klängen, dachte ich Sycamore erkannt zu haben, merkte aber schnell, daß hier das recht ähnlich klingende Too Many Birds angestimmt wurde. Die Ballade traf wie ein Pfeil in mein Herz. Schlagartig stieg meine Körpertemperatur an und ich bekam feuchte Hände. "The sky is full of black and screamin leaves", raunte Bill, mein Himmel hing aber voller Geigen! Ich beobachtete den Künstler, der immer mal wieder seine stechend blauen Augen öffnete und traurige Blicke ins Rund oder zu seinem Drummer warf. "If you could only..." sang er wimmernd und grimassierte. Ich mußte wegsehen, das war zu heftig! Die Mimik von Callahan kann brutal und schonungslos sein, manchmal wirkt er wie ein kleiner Junge, der an etwas sehr Tristes denkt und gleich zu Weinen anfängt.
Noch berührender war aber, als Bill etwas 20 Minuten später den Rock Bottom Riser, ein Lied von Smog sang. "I love my mother, I love my father, I love my sisters too. I bought this guitar to pledge my love to you." Fast erschütternd zu nennen, wie der Ami diese Passage "My sisters too" sang. Er verzog die Mundwinkel, als hätte er in etwas Saures gebissen, als denke er an etwas sehr sehr Schmerzhaftes. Wieder musste ich meine Blicke abwenden. Währenddessen sang Bill "I started rising, rising, rising. Il left my mother, il left my father, I left my sisters, too. I left them standing. on the banks and they pulled me out of this mighty, mighty river" Es war so trist, aber anderseits auch wieder so wunderschön...
Der Ami verließ die Bühne, kam aber noch einmal für drei Zugaben zurück. An die Emotionalität von Too Many Birds und Rock Bottom Riser kam aber nichts mehr heran. Als die letzte Note verklungen war, rief er nur kurz "Thank you" ins Publikum und verschwand ohne Verneigung oder dergleichen. Eigentlich ist es bei Callahan also Understatement und keine kühle Arroganz. Der Man ist einer der Allergrößten, will sich aber nicht feiern lassen. In 20 Jahren wird man Callahan in den Musik-Gesichtsbüchern neben Leonard Cohen stellen und dann werden sicherlich auch die ersten Alben von Smog noch einmal ausgegraben und neu entdeckt werden...
Setlist Bill Callahan, Café de la danse, Paris:
01: Jim Caine
02: Rococo Zephyr
03: All Thoughts Are Prey To Some Beast
04: Bathysphere
05: Honeymoon Child
06: Eid Ma Clack Shaw
07: Diamond Dancer
08: Too Many Birds
09: The Wind & The Dove
10: Say Valley Maker
11: Rock Bottom Riser (Smog)
12: The Well (Smog)
13: In The Pines (Smog)
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- super Fotos bei Robert Gil
Aus unserem Archiv:
Bill Callahan, Paris, 28.08.2009
Bill Callahan, Paris, 16.05.08
- Live Videos Bill Callahan:
Rock Bottom Riser
Too Many Birds
3 Kommentare :
neid neid neid!!!
deine bewertung callahans auf einer übergeordneten ebene halte ich nicht für übertrieben. seine stolze präsenz auf der bühne fo/ördert solche gedanken. ich bin da ganz bei dir! großartiger sänger, schreiber und auch entertainer, wenngleich er den job anders definiert, als viele seiner kollegen.
sehr schöner bericht!
Vielen Dank, Eike. Ein französischer Konzertbesucher hat auf last.fm die Attitüde von Bill Callahan scharf kritisiert. Er behauptet in seinem Review, Callahan habe Beck mit einem Schimpfwort bedacht ("doochbag", was immer das heißt) und auch an anderen Stellen arrogant agiert. Bill habe unter anderem gesagt: I was about to say that your clapping did not equal the music" oder " I was expecting some roses on the stage". Mag sein, daß Callahan das gesagt hat, ich hatte das akustisch nicht verstanden, er murmelt ja meistens vor sich hin. Aber ich denke auch in diesen Fällen war das schwarzer Humor und mit einem Augenzwinkern versehen.
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