Montag, 22. Februar 2010

Tune-Yards & Mumford & Sons, Paris, 21.02.10


Konzert: Tune-Yards & Mumford & Sons (Mugison)

Ort: La Maroquinerie, Paris
Datum: 21.02.2010
Zuschauer: ausverkauft
Konzertdauer: Tune-Yards etwa 40 Minuten, Mumford & Sons circa 70 Minuten



Marcus Mumford hat wirklich gut lachen. Überall, wo er mit seiner Band auftritt, räumt er auf ganzer Linie ab und dann ist der Glückspilz auch noch mit der reizenden Laura Marling zusammen! Die war heute im Publikum und sah genau wie die Pariser und zahlreiche Engländer ein unglaublich schmissiges und stimmungsvolles Konzert einer spielfreudigen Band. Die junge Folksängerin hat trotzdem kaum jemand erkannt. Sie hat nun braunes, langes Haar und sieht ganz anders aus als vor 2 Jahren, als sie zusammen mit Marcus Mumford beim Festival "Les femmes s'en mêlent" an gleicher Stelle mit kurzen blonden Haaren auftrat.

Wer einen ausführlicheren Bericht wünscht:

Die Engländer haben uns Deutsche tatsächlich zum häßlichsten Volk der Welt auserkoren (Platz 20 von 20 Ländern). Sich selbst wählen sie großzügig auf Platz sieben, noch vor den Franzosen, die sie auf Platz 9 einstufen. Na, haben die eigentlich noch alle Tassen im Schrank? Gucken die eigentlich ab und zu mal in den Spiegel?* Allein die Zähne der Briten sind oft so schlecht, daß man sich gruseln kann. Von den bleichen, häßlichen Gesichtern und den Mädchen, die trotz 20 Kilo Übergewicht bauchfreie Tops tragen, die den Blick auf einen käseweißen Schwabbelbauch preisgeben, will ich lieber erst gar nicht reden...

Schon auf dem Flur der Pariser Maroquinerie wird englisch gesprochen. In Horden sind die Angelsachsen gekommen, um Mumford & Sons, die neuen Helden der Indie/Folkszene, zu bewundern. Man sieht etliche tussig aufgestytlte Frauen, die man ansonsten in Paris nicht trifft, zumindest nicht in der Maroquinerie. Natürlich sind es Engländerinnen. Wer sonst würde seine Haare weißblond färben und Klamotten tragen, die teilweise vulgär, teilweise wahnsinnig altmodisch sind? Irgendwie trutschig. Und Jarvis Cocker (auf einem alten Archivfoto), der bekanntlich in Paris lebt, behauptete allen Ernstes in einem Interview: "I think english women are sexier than french woman." Hmm, ich möchte da leise widersprechen, Jarvis...

Aber lassen wir doch am besten diese Feindseeligkeiten und Klischees! Ist doch albern, oder nicht? Deutsche sind ordentlich, Franzosen romantisch, Italiener chaotisch, alles Käse, stimmt's? Bin ich ordentlich? pünktlich? fleißig? diszipliniert? Ein Frühaufsteher? Trenne ich den Müll richtig? Nein, nein und nochmal nein! Und dennoch steht in meinem Pass: Nationalität: Deutsch. Meine Frau, ja die ist in der Tat immer super organisiert! Ordentlich und pünktlich, auch, ja (fleißig eher nicht, aber gehen wir nicht zu sehr in die Details). Und was steht in ihrem Pass: Nationalität: Französisch. Siehste mal!

Was meine Ausführungen eigentlich mit dem Konzert zu tun haben? Auf den ersten Blick nicht so viel, wer allerdings in der Maroquinerie war, wird so einige Dialoge zwischen Marcus Mumford, seinen Bandkumpels und dem französischen Publikum mitbekommen haben, in denen es um ähnliche Klischees ging. "Hey, this joke was quite funny for a french man!" rief Marcus in einer witzigen Szene einem Franzosen entgegen, der einen kleinen Witz gemacht hatte. Bekanntlicherweise necken sich Engländer und Franzosen auch gerne einmal. Engländer halten Franzosen für arrogant und blasiert, Franzosen die Engländer für unkultiviert und... schwul! Ohne Witz! Die ehemalige französische Premierministerin Edith Cresson hat folgenden Spruch einmal öffentlich gebracht: "Die englischen Männer sind fast alle schwul!" Da fasst man sich natürlich an den Kopf. Zu heiß gebadet Frau Cresson? Geht's noch gut? Aber mal zurück zu Marcus Mumford. Der bekannte etwa in der Mitte des fulminanten Konzertes offenherzig: "Irgendwie fühle ich mich außerhalb von England wie ein Wichser, wie ein Idiot. In London selbst fällt mir das weniger auf ("everytime when I'm outside of england, I feel like a wanker"). Dann faselte er davon, daß er ein "proud english man" sei, ruderte dann aber auch immer wieder zurück und ergänzte schmunzelnd: "I'm just joking. We really like Paris and France. It's our first gig in France!" Da log er allerdings. Vor zwei Jahren hatten Mumford & Sons schon einmal im Baron gespielt (ich war dabei) und Marcus hat Laura Marling bereits beim Festival "Les femmes 'en mêlent" begleitet, ebenfalls 2008.

Die britische Band war außerdem so clever, gleich mehrere Male den Banjospieler Winston Marshall zu Wort kommen zu lassen, der in einem sehr ordentlichen französisch kleine amüsante Geschichten erzählte. Dass zum Beispiel der Kontrabassist Ted Twane heute in Pigalle auf Vergnügen aus war, aber nicht genug Geld dabei gehabt hatte, um sich so richtig zu amüsieren. Wie das wohl gemeint war? Hat den Basser etwa eine Hure angesprochen und er stotternd geantwortet: "Tut mir Leid, bin ein armer, englischer Indiemusiker und habe nicht genug Kohle, Baby? Man weiß es nicht so genau...

Aber all dies waren nur lustige Untermalungen des hervorragenden musikalischen Programms, das keineswegs zu kurz kam. Mumford & Sons hatten naämlich von Beginn an keinen Zweifel darüber aufkommen lassen, daß sie es verdienen, etliche Konzerte auszuverkaufen und immer bekannter zu werden, auch außerhalb des UK. Mit seiner urwüchsigen Kraft und seiner verrauchten, whiskygetränkten Stimme hatte Marcus schon beim Opener Sigh No More klar gemacht, daß er und seine Jungs die Maroquinerie im Sturm nehmen wollen. Seine Gesangeskumpels unterstützten ihn hierbei tatkräftig. Mit weit aufgerissenen Mündern schmetterten sie die stimmungsvollen Refrains aus voller Kehle und entwickelten einen unglaublichen Dampf. Der brechend volle Saal kochte schon nach ein paar Minuten Spielzeit. Nicht nur die Engländer im Publikum sangen die Texte mit. Die Stimmung hätte nicht besser sein können. Das angeschlagene Tempo war über weite Strecken sehr hoch, eigentlich ungewöhnlich für eine Band die in die Schublade "Folk" gesteckt wird. Es gibt sicherlich nur wenige Rockgruppen, die dermaßen zugkräftig auftreten wie Mumford & Sons. Ab und zu gab es natürlich auch einmal eine Ballade fürs Herz und beim Gitarrestimmen ließen sich die Jungs auch ordentlich Zeit zum Verschnaufen. Breit grinsend erklärte Marcus: "Meine Klampfe ist eigentlich perfekt gestimmt, ich muß nur einmal Luft holen." Wer ihn zuvor am Schlagzeug gesehen hatte, wunderte sich darüber nicht. Zweimal hatte er sich hinter die Schießbude begeben und dabei dermaßen aufs Fell eingeprügelt, daß es einem den Atem verschlug. Wie ein Gestörter trommelte er auf das arme Gerät ein und es war eigentlich ein Wunder, daß die Stöcke nicht brachen. Was für ein Heißsporn, dieser Marcus! Er schien urwüchsige Kräfte zu haben und mindestens 200 % zu geben. Die Akustische unter den Arm geklemmt, hüpfte er manchmal wie bei einem Rodeoritt auf einem wilden Bullen über die Bühne. Es war allerdings auch schön, seine Mimik bei den Balladen zu beobachten. Romantischen Blickes streichelte er seine Klampfe und sang herzerweichende Texte. Kein Wunder, daß da Laura Marling dahinschmilzt! Die Chanteuse war allerdings wie erwähnt heute nur im Publikum, aber sicherlich stolz auf ihren großen Teddybären.

Im Set war sogar Platz für einen neuen Song, ich denke es ist das Stück, daß in der Setlist als Untitled gekennzeichnet ist. Und auch das Finale war absolut berauschend. Der Dust Bowl Dance beendete fabelhaft den offiziellen Teil, bevor die vier Mannsbilder unter tosendem Applaus zurückkamen und die Countryballade Whispers in The Dark vortrugen. Aber was heißt schon Ballade? Nach verhaltenem Beginn wurde die Nummer immer schneller, lauter und intensiver, bevor am Ende alle Fesseln gelockert wurden und Mumford & Sons abrockten wie Hölle. Ein Wahnsinnskonzert!

Ach so. Ein Vorprogramm gab es auch. Die mit Kriegsbemalung, einer Ukulele und einem Bassisten auflaufende Amerikanerin Merill Garbus, die unter dem Moiniker tUnE-yArDs firmiert, glänzte mit afrikanisch angehauchten Trommelrhythmen und einem gesampelten Jodelgesang (welche Sprache war das?? meistens englisch, aber sonst?) mit dem sie am Ende des Sets das Publikum in der Maroquinerie mächtig aufheizte. Das war schon sehr speziell und nicht jedermanns Sache. Die Meinungen gingen hinterher weit auseinander. Sie reichten von unfassbar nervig bis zu famos. Möge sich jeder sein eigenes Bild machen.

Den Isländer Mugison schließlich, habe ich komplett verpasst. Ich hatte meinen Freunden von den Boutiques Sonores versprochen, am CD Verkaufsstand auszuhelfen. Letztlich verkaufte ich aber keine einzige CD, sondern hielt nur Schwätzchen und ließ mich von Uschi auf eine Cola einladen. Ich bin schon ein Schlingel...



* auf dem Archivfoto sieht man die Engländerin Hazel O'Connor, die nicht unbedingt als bildhübsch zu bezeichnen ist. Abwerten möchte ich sie deshalb auf keinen Fall, sie war sehr warmherzig und liebenswürdig und das ist natürlich viel wichtiger als Äußerlichkeiten.
*und mit einer Französin verheiratet ist bzw. war, ich weiß nicht, ob sie noch zusammen sind
.


Setlist Mumford & Sons, La Maroquinerie, Paris:


01: Sigh No More
02: Awake My Soul
03: Little Lion Man
04: White Blank Page
05: Lover Of The Light
06: Timshel
07: Thistle & Weeds
08: Untitled
09: The Cave
10: Roll Away Your Stone
11: Dust Bowl Dance

12: Whispers In The Dark

Achtung: Wer ein Konzert von Mumford & Sons in Deutschland sehen möchte, sollte sich beeilen. Tickets gehen weg wie frisch gezapftes Bier an einem heißen Sommerabend. In England ist ohnehin alles ausverkauft.

Deutsche Konzerttermine von Mumford & Sons (ohne Gewähr):

14.04.2010: E- Werk, Köln
15.04.2010: Astra, Berlin
16.04.2010: Backstage Halle, München
18.04.2010: Übel & Gefährlich, Hamburg


Aus unserem Archiv:

Mumford & Sons, München, 02.11.2009
Mumford And Sons, Paris, 24.04.08
Marcus Mumford zusammen mit Laura Marling, Paris, 19.04.08

Links:

- super Videos vom Konzert von Mumford & Sons bei le-hiboo.com. Klick!



11 Kommentare :

peppi hat gesagt…

Bestellt, aber immer noch nicht angekommen...der Postbote wird doch nicht etwa...

Anonym hat gesagt…

Da war außer unserer Handvoll Deutschen noch jemand am Start?! Das ist ja der Hammer!
Du warst aber nicht der mit der Canon 7D vorne links? Weil wenn ja, standen wir sogar ziemlich direkt neben dir.
Ich bin gespannt auf weiteres und natürlich auf Fotos!
Es war schlicht und einfach der Wahnsinn! Da hat sich wirklich jeder einzelne der 739 km gelohnt. Gibt es noch eine andere Seite wo du demnächst deine Bilder veröffentlichst? Wir durften unsere Kameras leider nicht mit hineinnehmen :/
Ich hoffe auf mehr :)

Oliver Peel hat gesagt…

@ Worldspotting:

Ich glaube ihr standet auf der Treppenstufe links über mir. Der Fotograf mit der Canon ganz vorne war ich nicht. So einen Apparat hätte ich gerne...

Mir ist in der Tat eine deutsche Gruppe aufgefallen. Ein sehr hübsches blondes Mädchen mit lockigen Haaren und blauen Augen stand ganz in meiner Nähe und dann gab es auch noch ein schönes Pärchen. Ich wollte Euch hinterher ansprechen, aber es waren zu viele Leute da und ich habe euch dann aus den Augen verloren. Wart ihr nicht auch schon einmal beim Haldern Pop Festival?

Wie auch immer, ich denke, daß sich die lange Anreise für Euch auf jeden Fall gelohnt hat. Die Maroquinerie ist ein perfekter Raum für berauschende Indie-Konzerte. Meine Liebelingslocation.Ich hatte allerdings keine sehr lange Anreise, da ich in Paris lebe.

Der ausführliche Bericht ist spätestens Dienstag online und die Fotos hast Du ja auf meiner Flickr Seite gefunden, oder?

Beste Grüße,
Oliver

Anonym hat gesagt…

Bonsoir,

In meiner Ecke wurde auch deutsch gesprochen, ich glaub' aber, das waren Oesterreicher...

Englaender sind immer noch sauer wegen des Hand-Tors von Thierry Henry!!

Ein wunderbarer Bericht, Oliver, merci beaucoup.

Bises, Uschi

Lydia hat gesagt…

Achtung, die Termine in DE wurden teilweise in größere Locations verlegt! Am besten bis zum Schluss immer mal checken wo sie denn nun spielen werden ;)

Oliver Peel hat gesagt…

Ja, genau, Lydia. Deshalb schreibe ich ja auch immer ohne Gewähr bei den Terminen. Man sollte immer noch mal abklären, ob das alles noch so stimmt.

E. hat gesagt…

mensch, so wenig worte zu tune-yards! da läge mein interesse. mumford & sons sind live schon hübsch anzuschauen. auch ihr material ist ok. aber innovativ ist anders. und die luft schneller raus, als man ihrer wirklich gewahr werden könnte. spannender dagegen ist..., tune-yards.

Oliver Peel hat gesagt…

Die gute tune-yards war verblüffend, innovativ, kreativ, eigenständig, aber ich fand ihr Set weitestgehend...schrecklich! Ich habe ständig auf die Uhr geguckt und mich gefragt, wann Mumford & Sons anfangen. Spannung sieht anders aus.

Die solide Hausmannnskost von Mumford & Sons war mir da doch wesentlich lieber. Schon klar, daß ihre Texte etwas klischeehaft, manchmal fast kitschig sind. Aber ihr Konzert war absolut berauschend! Gönne ihnen doch ihre Erfolge, Eike, jetzt wo es für sie läuft. Ich vermute mal, daß Du Beach House inzwischen auch nicht mehr magst. Liege ich da richtig?

E. hat gesagt…

beach house? scheiße, ja! du hast recht, aber nicht um ihres erfolges willen! ihr konzert vor einigen jahren war auch schon... ähm, schlecht. und das aktuelle album lässt mir die füße einschlafen. leider.
aber das ist doch keine masche. ich kann genauso treu sein und verbundenheit üben.

und: mumford & sons sind gut, keine frage. vor allem enthusiastisch und sehr, sehr freundlich. und ich verbinde mit ihnen die hoffnung auf mehr.

Oliver Peel hat gesagt…

Aber das neue Album von Beach House ist doch flotter als die beiden Vorgänger. Sind Dir da nicht die Füße eingeschlafen? Ich meine mich zu erinnern, daß Du zumindest das erste Album mochtest. Und das war das lahmste von allen...

E. hat gesagt…

nee, nee, lahm ist anders. sahniger schwebesound, fragilität, laszives hauchen, sanfte wogen,... nur mal ein paar stichworte.

 

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