Dienstag, 23. Februar 2010

Everybody Was In The French Resistance...Now!, Köln, 22.02.10


Konzert: Everybody Was In The French Resistance...Now!
Ort: Blue Shell, Köln
Datum: 22.02.2010
Zuschauer: 60 - 70
Dauer: knapp 50 min


Ich muß ein wenig das Nähkästchen bemühen... Als Oliver und ich 2007 Art Brut interviewten, mußte Sänger Eddie Argos glauben, wir seien ganz besonders ausgebuffte Frager, weil wir im Plauderton herausfanden, mit wem er gerade liiert war. Oliver kam in einem Smalltalk mit dem Engländer auf Los Angeles zu sprechen, dann auf The Blood Arm, auf deren schlecht riechenden Sänger und schließlich auf die "heiße Keyboarderin." Natürlich wußten wir nicht, daß Eddie Argos und Dyan Valdés (besagt heiße Pianistin) ein Paar waren, die Reaktionen der kichernden Art Brut Kollegen Freddie und Jasper und dann Eddies gestammeltes "she's my girlfriend" machten es uns erst hinterher klar. Akte 2007 investigativ...

Heute sind Dyan und Eddie nicht mehr bloß ein Paar, sie sind auch eine Band. Eine Konzeptband, um genau zu sein; nämlich eine, die ungefragt Antworten auf Popsongs gibt. Dabei ist es gar nicht schrecklich schlimm, die Originale nicht zu kennen, denn die Antworten sind unterhaltsam genug, um damit einen Abend zu bestreiten.

Im Blue Shell war schon alles bereit, als wir ankamen. Auf der Bühne standen ein Light-Schlagzeug, zwei enorme Keyboards und ein Mikro für Eddie. Der Club selbst hatte sich auch rausgeputzt. Im Herbst hatte das Blue Shell kurz wegen Renovierungsarbeiten geschlossen, jetzt wirkt alles großzügiger und weniger verbaut als vorher. Warum
allerdings der Laden nach mehreren Monaten noch nach (blauer) Farbe roch, mochte sich mir nicht erschließen.

Zur Marseillaise kamen Eddie Argos, Dyan Valdés und ein Gitarrist mit lustigem Hütchen um 21.15 Uhr
auf die Bühne. "Der Auftakt mit der Hymne kommt auf der Tour ganz unterschiedlich an. In Paris sind wir als erste aufgetreten, da sind alle zur Marseillaise aufgestanden. In London hat einer gebrüllt: 'Ihr seid doch noch nicht mal Franzosen!'"

Furchtbar voll war das Blue Shell leider nicht, dabei sollte doch wirklich bekannt sein, wie unterhaltsam so ein Abend mit Entertainer Eddie ist, besser als ein Mannschafts-Skispringen allemal. Der Laune der Band machte das aber nichts aus, ein fröhliches Naturell und das ein oder andere Glas Rotwein machten die nämlich sehr gut. Eddie trank zwar aus einer Kaffeetasse, vielleicht mag er aber auch nur gerne Henkel...

Das Konzert begann mit dem Titelsong
Creeque allies, einer Antwort auf Creeque Alley von The Mamas & The Papas, in dem es um deren Gründungsgeschichte geht. Creeque allies behandelt dagegen die Entstehung der Französischen Résistance. Everybody Was... covern keine Songs, sie interpretieren sie nicht neu, sie kommentieren das, was in populären Stücken beschrieben wird, wenn sie dafür eine Notwendigkeit sehen. Das ist nicht nur hochgradig nötig, das ist auch großartig! Wie gerne würde ich eine Wunschliste für Lieder abgeben, die solch eine Behandlung nötig hätten. An alle Krieger des Lichts, la la la laaaa.

Eddie Argos hat ein weites musikalisches Spektrum. Also handeln seine Lieder von ganz unterschiedlichen Vorlagen: Kanye West, Michael Jackson, Bob Dylan, Frank Sinatra, The Archies oder Martha And The Vandellas. Die zum Beispiel - eine Motown Band - kannte ich nicht, auch nicht ihren Titel Jimmy Mack. Der Song war aber Auslöser für das ganze Projekt. Eddie gefiel nicht, wie die Sängerin mit ihrem Freund Jimmy umging, also wollte er das
geraderücken. Dyan forderte ihn auf, das auch zu tun - daraus wurde Band, Platte und Tour.

Emotional am wichtigsten scheint dem englischen Sänger (warum nenne ich ihn eigentlich Sänger? Er singt doch nicht) aber die Erwiderung auf Avril Lavigne zu sein.
Deren "hey, ich mag deine Freundin nicht, laß mich deine Freundin sein" und vor allem, daß sie behaupte, Eddies Girlfriend zu sein, führten zu G.I.R.L.F.R.E.N (you know I've got a) - und einem stolzen Lächeln von Dyan.

Daß alles wie Art Brut mit Keyboards klingt, ist alles andere als schlecht, weil ich die englische Band sehr schätze. Wie bei den neueren Art Brut Sachen ist nicht jede
Nummer gleich ein Hit, das macht aber überhaupt nichts, wenn man dauergrinsend zuhört und diesem lustigen Mann mit dem Mikro zusieht. Aber Fixing the charts Vol. 1 enthält natürlich auch echte Kracher. Think twice (it's not alright), die Antwort auf Bob Dylan zum Beispiel. Der wundervolle Backgroundgesang von Dyan kommt dabei ganz besonders toll zur Geltung. Mich erinnert das Lied dadurch an Chumbawamba. Auch ganz besonders großartig ist die eine Abweichung des Konzepts. "Wir lieben Elastica. Das Lied ist keine Antwort auf ihren Song, wir singen über das Gegenteil." So wurde aus Vaseline Superglue.

Am Ende, nachdem sie bereits eine Fake-Zugabe gespielt hatten ("wir tun nur so, als kämen wir zurück"), spielten Everybody Was... dann doch noch ein echtes Cover.
I wanna be your boyfriend ist als eine Art Wiedergutmachung im Programm und als B-Seite auf Platte. Die Band sammelt nämlich damit Gema Gebühren für die Rubinoos, denen Pop-Prinzeßchen Lavigne ihren Hit gestohlen habe.

Eine Band mit Botschaften - das muß also gar nicht gruselig sein!

Setlist Everybody Was In The French Resistance...Now!, Blue Shell, Köln:

01: Creeque allies
02: (I'm so) Waldo P. Emerson Jones
03: Coal digger
04: The Scarborough Affaire
05: Superglue
06: Billy's genes
07: My way (is not always the best way)
08: Hey! It's Jimmy Mack
09: He's a "rebel"
10: Think twice (it's not alright)
11: G.I.R.L.F.R.E.N (you know I've got a) (Z)

12: I wanna be your boyfriend (The Rubinoos Cover) (Z)

Links:

- Everybody Was In The French Resistance...Now! am 18.02.10 in Paris
- Art Brut hier und da
- The Blood Arm live
- ein paar Fotos aus dem Blue Shell



2 Kommentare :

Oliver Peel hat gesagt…

Super Bericht, Christoph! Oh ja, dieses Interview in Luxemburg, da kommen Erinnerungen hoch...

Oliver Peel hat gesagt…

Martha and The Vandellas hättest Du kennen können, wenn Du das Konzerttagebuch regelmäßig lesen würdest und ein famoses Gedächtnis hättest, Christoph. Wir hatten nämlich schon einmal ein Cover von ihr auf unserer Seite, nämlich Heatwave, das der Franzose Kim gecovert hat. Und ich dachte damals, daß sei von The Jam...

http://meinzuhausemeinblog.blogspot.com/2009/05/kim-beth-dito-paris-18052009.html

 

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