Konzert: Choir Of Young Believers
Ort: Haus der Musik, Wien
Datum: 20.01.2010
Besucher: etwa 120
Dauer: 90 Minuten
- von Julius aus Wien -
Schmähs wie „Kriechen Griechen hinter Griechen, kriechen Griechen Griechen hinterher“ oder “Dänen, denen …“ kann Jannis Noya Makrigiannis wohl nicht mehr hören. Vorausgesetzt es gibt dänische Äquivalente zu diesen Schüttelreimen.
Jannis ist Däne mit griechischen Wurzeln, wie weit diese reichen, ist mir nicht bekannt, aber nachdem angeblich alle Griechen vom umtriebigen Göttervater Zeus abstammen, dürfte auch er ein wenig Nektar und Ambrosia in seinen Adern haben. Nur vielleicht weniger von Zeus höchstpersönlich, sondern von Apollo?! Gott des Gesangs und eh schon wissen…
Und damit nicht genug der religiösen Motive, denn Jannis nennt sein jüngstes Projekt „Choir Of Young Believers“. Eine richtige Band, im herkömmlichen Sinne, ist es keine, er spricht auch von „seinem Soloalbum“, wenn er vom COYB-Debüt „This Is For The White In Your Eyes“ erzählt. Zu viel Demokratie in einer Band könne eine schlechte und gefährliche Sache sein, meint er. Vergleichbar ist sein Verhältnis zu den Musikern wohl am ehesten mit dem eines Trent Reznor oder Conor Oberst zu ihren Bandkollegen. Austauschbare Live-Mitglieder zur Realisierung der Arrangements, aber beim Schreiben darf ihm da niemand in seine Songs reinpfuschen. Ein halbes Jahr soll er sich nach Griechenland, genauer in die bergigen Gefilde der Insel Samos, zurückgezogen haben, um dort seine Songs zu schreiben, fertig gestellt wurden sie dann in Berlin.
Nach der EP „Burn The Flag“ erschien letzten Herbst dann das reguläre Album, nun, im Winter, geht der Choir erstmals auf größere Tour, welche ihn auch in germanophone Landen führte. So auch nach Wien.
Der „Vienna Songwriting Association“ ist es zu verdanken, dass sich Jannis und seine Band im Haus der Musik die Ehre gaben. Ein edler Veranstaltungssaal mit blauem Samtvorhang, Holzparkett und erstklassiger Akustik bildete den Rahmen, ein recht zahlreich erschienenes Publikum machte es sich in bequemen Stühlen gemütlich und wartete. Und wartete. Denn erst eine gute halbe Stunde nach Planbeginn trauten sich die Dänen auf die Bühne. Oder hatte etwa der Tontechniker etwas verbockt?
Relativ egal eigentlich, das Sextett stand schlussendlich doch auf sehr engem Raum zusammengequetscht auf der Bühne und begann ohne große Umschweife mit „Riot“, einem Song der 07er-EP „Burn The Flag“. Anfangs sehr distanziert und reduziert, mit getragenem Cello-Spiel steigert sich Jannis gegen Ende des Songs zu einem „Riot“, wie man ihn sich wünscht, hinein. Sehr nervös ist er, das ändert sich auch mit dem ersten potenziellen Hit, „Next Summer“ nämlich, nicht. Oftmals schwimmt er rhythmisch ein wenig und kommt aus dem Takt, aber selten war Unsicherheit so sympathisch. Schüchterne Ansagen, er freue sich, erstmals in Wien spielen zu dürfen, folgten, wobei er weniger der Hundertschaft vor ihm, sondern in ursprünglicher Shoegazing-Manier seinen Schuhen Beachtung schenkte.
Es sollte bis „Under The Moon“ dauern, bis er sein Lampenfieber halbwegs in den Griff bekommt. Bis auf Cello-Begleitung völlig solo stimmte er den Song an, der nach eigene Aussagen sein liebster sei und der ihm bei Performen immer wieder Gänsehaut über den Rücken laufen lasse. Erst allmählich begannen die restlichen vier Bandmitglieder, sich einzubringen und vollenden wunderschöne fünf Minuten, die Jannis großteils völlig alleine überstanden hatte. Absolute Stille hatte den ganzen Song über geherrscht und diese dauerte auch noch einige Sekunden an. Dann brach plötzlich lauter Jubel aus. War das Vorangegangene noch gehobene Durchschnittskost gewesen, tat sich mit einem Mal das Genie dieses Dänen auf. Fragil, aber gänzlich authentisch, frei von Kitsch und Weinerlichkeit, reduziert auf das Skelett, knapp an der Grenze des Existenzialistischen vorbeischrammend, kurzum: ausnehmend durchdringend, was Makrigiannis da zauberte.
Er wisse es übrigens sehr zu schätzen, dass die Zuhörerschaft absolut still gewesen war, das sei nicht selbstverständlich. Allerdings sei er sich in fremden Ländern nie ganz sicher, ob es dem Publikum auch gut gehe, wenn es keinen Ton von sich gibt. Ein Lebenszeichen wollte er also, der Jannis, das bekam er auch.
Was danach folgte, war durch die Bank großes Kino. Kein Blockbuster, aber ein wunderschöner Independent-Streifen, der in großen Sälen unterginge.
Und nach etwa eineinhalb Stunden Spielzeit und zwei Zugabenblöcken war das erste Gastspiel des COYB in Wien auch schon wieder vorbei. Und keiner der Anwesenden wird widersprechen, wenn ich dem Choir als einer von vielen eine ganz große Zukunft prophezeie.
Und Malaysier ist Jannis übrigens neben den beiden anderen bereits genannten Nationalitäten auch noch, wie ich gerade las. Vielleicht findet sich dort ja auch eine abgeschiedene Insel, um das nächste Album zu erarbeiten, wer weiß?
Bis dahin trete ich in den Kirchenchor zu Ehren des COYB ein und stimme das Hohelied zu Ehren Jannis an. Gloria in excelsis Janno!
Setlist Choir Of Young Believers, Haus der Musik, Wien:
01: Riot
02: Next Summer
03: She Walks
04: Sharpen Your Knife
05: These Rituals Of Mine
06: Burn The Flag
07: Under The Moon
08: Wintertime Love
09: Why Must It Always Be This Way
10: (Neuer Song)
11: Action/Reaction
12: God Damn Your Fingers (First Floor Power Cover) (Z)
13: Claustrophobia (Z)
14: Hollow Talk (Z)
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