Mittwoch, 12. Dezember 2007

Thurston Moore, Paris, 11.12.07


Konzert: Thurston Moore
Ort: Le Trabendo, Paris
Datum: 11.12.2007
Zuschauer: mittlere Auslastung


Sich als Amerikaner bei den Franzosen beliebt zu machen ist eigentlich ganz einfach. Um auf die volle Punktzahl (10/10) in der Schleimskala zu kommen, muß man nur folgendes anstellen:

1. Sagen, daß Amerika scheiße ist, der Präsident ein Idiot und überhaupt das ganze Volk unkultiviert und dumm. (2 Punkte)

2. Behaupten, daß Frankreich das wahre Land des Friedens und der Freiheit sei. (2 Punkte)

3. Die französische Küche und die schönen Frauen loben. (2 Punkte)

4. Paris als die schönste Stadt der Welt bezeichnen. (2 Punkte)

5. Alle Ansagen auf französisch machen, oder am besten gleich ein französisches Lied singen; vorzugsweise Klassiker des Kulturgutes, also Piaf, Brel, Gainsbourg. (2 Punkte)

- Mit Ziffer 1. konnten in den letzten Jahren schon viele amerikanische Künstler punkten. Zu nennen wären u.a. Bright Eyes, Wayne Coyne von den Flaming Lips, die Stars, M. Ward und vor allem Michael Stipe von R.E.M., der sich sogar in aller Form für die US - Regierung entschuldigte.

- M. Ward ließ sich zu dem Satz verleiten: "viva la france, the real land of freedom". Also noch einmal 2 Punkte.

- von der französischen Küche und den schönen Frauen schwärmten zuletzt die Shins. Dafür gibt's 2 Punkte auf ihr Konto.

- Gwen Stefani brachte den Spruch: " I fucking love Paris" und Morrissey meinte gar: "I'd like to live here, but I can't afford it." Jeweils 2 points.

- Mehr oder weniger abgemüht haben sich schon viele Künstler in der französischen Sprache. Johnny "Razorlight" Borrell baute in ein Lied auch den Klassiker "Je suis venu te dire" (S.Gainsbourg) ein und Régine "Arcade Fire" Chassagne coverte den Eurovisionshit "Poupée de cire, poupée de son" von France Gall (geschrieben von Gainsbourg). Auf die Spitze trieben es aber Beirut mit einer Coverversion von Jaques Brel (der eigentlich Belgier war) und zwar "Le Moribond" und My Brightest Diamond, die herzallerliebst "Parlez-moi d'amour, einen chanson aus den 30ern sang.

Sich bei den Franzosen beliebt zu machen, ein Kinderspiel also. Genauso leicht wie ein Frau ins Bett zu kriegen, die schon 10 Schnäpse intus hat.

Die Frage, die hier interessiert ist aber, wie denn der gute Thurston Moore abschnitt. Hat er die Einschleimregeln auch beherzigt? - Nun, eigentlich sagte er nicht viel und wenn dann nicht in Landessprache. Auch ein französisches Lied fehlte. Punkten konnte er allerdings mit Regel Nr.1. "Heather was born and raised in Texas, the largest state of the union...of the most fucked-up country in the world." Volltreffer Thurston! Außerdem geschickt eingefädelt die Geschichte. Erst (zwischen den Zeilen) lästern über Texas, wo bekannterweise der verhaßte Präsident herkommt und dann noch das ganze Land als scheiße zu bezeichnen, Kompliment! Zitierte Heather Lee Murray war übrigens Support-Act heute abend und erhielt von Thurston dankende Worte während seines Auftritts. Aber es gab auch noch eine weitere Dame zu bewundern und zwar die Geigerin Samara Lubelski, die als kongeniale Partnerin zu dem Gitarre spielenden Herrn Moore agierte. Zudem waren noch sein Drummer Steve Shelley dabei, der auch schon bei Sonic Youth beim Furia Sound Festival in diesem Jahr getrommelt hatte und zwei weitere Musiker, darunter ein langmähniger Bursche am Bass.

Dem Sonic Youth Mann schien sein erneuter Ausflug in Solo-Gefilde zu gefallen. 1995 hatte er das typisch noisige Machwerk "Psychic Hearts" vorgelegt, kürzlich aber mit dem wesentlich sanfteren "Trees Outside The Academy" Fans und Kritiker überrascht. Es ist nämlich fast ein Singer/Songwriter Album geworden und die Noise-Keule holt er hier nur selten raus. Live klang das aber dann doch alles ziemlich ruppig und laut. Gut so, schließlich wollten die Anhänger ihre Köpfchen ja auch hin-und her schütteln! Immer wenn man ein Noise-oder Post-Rock Konzert besucht ist dieses Phänomen anzutreffen. Sobald die Gitarren losschrammeln und langsam aber sicher immer schneller werden, bewegen sich in schöner Regelmäßigkeit unzählige Köpfe von vorne nach hinten, oder auch (seltener) von links nach rechts. Der Könner macht das mit geschlossenen Augen, wobei der Oberkörper weitestgehend stabil bleibt. Auch die Füße bleiben hierbei ruhig.

So konnte man dann auch heute wieder zahlreiche "Kopfnicker" beobachten, herrlich!

Besonders heftig waren entprechende Reaktionen bei dem famosen "Wonderful Witches", aber auch "Trees Outside The Academy" hatte Druck auf dem Kessel. Balladen wurden jedoch auch nicht vergessen, so verzauberte vor allem "Fri/End" in der Anfangsphase mit melodischen Gitarren und dem herrlichen Geigespiel von Samara Lubelski. Überhaupt hatte Thurston in das erste Drittel die sanfteren Stücke von dem neuen Output gesteckt, während am Ende die noisigeren und punkigeren Stücke von dem ersten Album, z.B. "Queen Bee And Her Pals" und "Patti Smith Math Scratch" domierten. So war es dann insgesamt eine sehr ausgewogene Mischung aus alt und neu, die den verzückten Fans geboten wurde. Allzu lang war der Auftritt jedoch nicht. Nach knapp einer Stunde wurde bereits die Bühne verlassen, bevor noch ein paar Zugaben kamen. Thurston verabschiedete sich trotz des heftigen Applauses recht unspektakulär, der Mann hat es nicht nötig sich einzuschleimen. Die Sympathien der Pariser Sonic Youth und T.Moore Fans hatte er ohnehin sicher. Einer auf französisch gesungenen Cover-Version bedurfte es hierzu nicht.

Setlist Thurston Moore, Paris, Le Trabendo:

01: Frozen Guitar
02: The Shape Is In A Trance
03: Silver-Blue
04: Off Work
05: Fri/End
06: Wonderful Witches
07: Never Light
08: Honest James
09: Trees Outside The Academy

10: Queen Bee And Her Pals
11: Feathers
12: Staring Statues
13: Patti Smith Math Scratch
14: Psychic Hearts



6 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

wofür würds denn Abzüge geben bzw. Kopfnüsse a la Zidane geben?

wie siehts mit verenglischten Texten von S. Gainsbourg aus?,
siehe Okkervil River Webseite-
ganzes Album samt Cover/Linernotes herunterladbar -traumhaft

Oliver Peel hat gesagt…

Sehr gute Frage Undertaper!

1) Überhaupt keine Bemühungen zu machen, französisch zu reden,wird schon mal nicht gerne gesehen. Wenigstens ab und zu "merci" sagen, oder aber sich dafür entschuldigen, daß man die wunderbare Sprache leider nicht beherrsche, ist jedoch meist sehr hilfreich.

2) Abfällige Bemerkungen über französische Politiker zu machen, sollte man vermeiden. Es obliegt den Franzosen ganz alleine, ihren Herrn Sarkozy (oder wer auch immer Präsident/in ist) zu beschimpfen. Ausländer müssen da aufpassen, selbst dann wenn sie mit Franzosen reden, die Sarkozy nie wählen würden. Er repräsentiert ihr Land. Und ihr Land ist das schönste der Welt. Punkt. Wenn ein Ausländer also den Staatschef beleidigt, fühlen sich die Franzosen persönlich angegriffen.

3) Das Gleiche gilt für andere brisante Themen. Sich über die typisch französischen Streiks aufregen, sollte man als Gast nicht. Zumindest nicht gegenüber Franzosen. Man wartet ab, bis der Pariser selbst anfängt zu fluchen, vermeidet es aber tunlichst ihm beizupflichten. Auch bzgl des Themas "Unruhen und Ausschreitungen in der Vorstadt (banlieues)" sollte man sich vorsichtig äußern. Grundsätzlich ist es untunlich, sich zu direkt zu äußern, wie das in Deutschland üblich ist. Gilt übrigens nicht nur für die Politik, sondern auch hinsichtlich der indiskreten Fragen nach Einkommen, Familienstand und Kindern. Und bloß nicht nachbohren, wenn man merkt, daß der andere über diese Themen nicht reden will!

4) Für Musiker: über die Location und die vorherrschenden Bedingungen lästern.Wenn der Sound nicht gut ist, hat die Band ihren Check nicht ordentlich durchgeführt. Basta.

5) Texte von Gainsbourg verenglischen? Warum nicht? Ich glaube, da fühlen sie sich geehrt. Schlimmer ist es, Weinschorle zu trinken (Wasser in den Wein, das laß sein!), Rotwein zu Austern zu wählen, Bier zu einem guten Essen zu ordern, oder nach dem Essen Capuccino zu bestellen.

Außerdem hat man gefälligst Lammfleisch, Schnecken, Austern und vor allem Foie Gras zu lieben. Und bitte nicht Foie Gras mit Enten/Gänseleberpastete übersetzen. Das hat damit nichts zu tun! Foie Gras ist man roh und ohne Zusätze. Die richtige Übersetzung lautet Gänsestopfleber. Auch wer noch nie Kapaun gegessen hat, gilt als Banause. Als Deutscher hat man damit aber keine Probleme, da die Franzosen die Germanen in dieser Hinsicht sowieso für Banausen halten :-)

Oliver Peel hat gesagt…

Rechtschreibfehlerteufel: Foie Gras ißt (und nicht ist) man natürlich! Man ist, was man ißt, stimmt's?

Nochmal an den Untertaper:

The Rakes haben Gainsbourg auch schon gecovert.Das Lied "Poinçonneurs des Lilas" haben sie ins Englische übertragen. Es heißt "Just A Man With A Job". Es gibt ein ganzes Album mit Coverversionen nach Gainsbourg. Auch Cat Power ist dabei.Das Album nennt sich "Monsieur Gainsbourg: Revisited"

Christina hat gesagt…

Sehr interessant, das alles :) Aber wann reden Bands denn schon mal über vermeidliche Gänseleberpastete?

Ich habe die Kaiser Chiefs mal in Frankreich gesehen, als gerade diese Vorstadtunruhen zu Gange waren...ich hatte so gehofft, dass sie vor "I predict a riot" eine entsprechende Ansage machen, haben sie aber natürlich nicht...da haben sie dann wohl alles richtig gemacht ;)

Oliver Peel hat gesagt…

Leider reden die Bands viel zu selten über das Essen!

Eine Musikerin (eine Französin übrigens) in der Band von Troy von Baltahzar hat aber mal in aller Ausführlichkeit erzählt, was sie den ganzen Tag über gemacht hatte. Und bei dieser Gelegenheit erwähnte sie auch den lustvollen Verzehr von Spaghetti Carbona zum Mittagessen. Witzig, aber hinsichtlich des Gerichts unspektakulär!

Die Kaiser Chiefs haben übrigens in der Tat Takt bewiesen. Kompliment! ;-)

Klari hat gesagt…

ok, je lis l'allemand, mais de là à l'écrire...
Merci encore pour m'avoir permis de chiper des photos pour mon blog : la chroniquette du concert de TM est en ligne depuis ce matin.. ( sur mon blog)

A bientôt!

 

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