Konzert: New Order
Ort: Forest National, Brüssel
Datum: 14.10.2019
Dauer: knapp 110 min
Zuschauer: vielleicht 5.000
Als wir im frühen Abendverkehr vor einen Ampel in Brüssel standen, wartete neben uns eine große Limousine auf Grün. Trotz des sommerlichen Wetters - 24 Grad - waren die Scheiben des Wagens hermetisch geschlossen. Aus dem Inneren hörten wir Wagner, dann die ersten Takte von Age of consent von New Order, dieses Überstück ihrer zweiten Platte, deren Titel Power, corruption & lies irgendwann das offizielle Motto der Präsidentschaft von Donald Trump sein wird. Obwohl die Isolierung des Fahrzeugs so gut war, daß die Musik bei uns nur sehr gedämpft ankam, löste das Lied Freude aus. Vielleicht macht der Fahrer ja gleich mal die Scheiben runter, dann ist es perfekt!
So brillant, wie mir die auf dem Rückweg in den Kopf gekommene Idee, den Bericht eines schlecht-erlebten Konzerts pfiffig zu schreiben, jetzt erscheint, so gut waren die New-Order-Soundleute auf die große Brüsseler Konzerthalle Forest National vorbereitet. Um nicht schon eine Stunde vor dem Support im Innenraum stehen zu müssen, saßen wir zunächst oben auf einer der Tribünen. Selbst da klangen Stolen aus China enorm wuchtig und klar. Die Stimme des Sängers war nicht mein Ding, es passte aber inklusive der Hintergrundvideos sehr gut zu New Order. Licht und Sound versprachen Großes für New Order.
Das Licht blieb gut, der Klang furchtbar. Wir standen mittlerweile unten, sahen uns die Visuals von Turmspringern an, sehr ästhetisch aber auch sehr riefenstahling, zunächst schwarz-weiß, dann plötzlich farbig, was ich als Warnung empfand, daß Nazi-Symbolik nicht mit dem Ende der Schwarz-Weiß-Zeit verschwunden ist. Ich hätte da gerne (zu Wagner) weiter drüber nachgedacht, wurde aber mit dem Beginn von Age of consent in die Konzertwirklichkeit zurückgeholt. Es war leise, es war dumpf, es klang nach billigsten Ohrstöpseln, tief in den Ohren. "Das gibt sich nach ein, zwei Liedern!" Haha, Konzertexperte! Nichts gab sich. Irgendwann lange in der zweiten Stunde hatte der Mischer plötzlich immerhin den Lautstärke-Regler in der Bedienungsanleitung gefunden. Da hatte ich schon lange abgeschaltet und über so Dinge wie die ersten Termine des nächsten Arbeitstags nachgedacht. Das Konzert war mir schon egal. Oder wie Jette Joop es ausdrückte, es touchierte mich nicht.
Dabei war die Setlist nicht unspannend. Ich hatte mich bewußt nicht vorbereitet aber gehofft, endlich einmal Shellshock zu hören und bin jetzt heilfroh, daß es nicht im Programm war.
Die Güte eines Konzerts hängt ja immer von so vielen Faktoren ab. Von der Form der Band, der eigenen Form und Einstellung, vom Saal, von der Unangenehmheit der Konzertnachbarn oder eben von Sicht und Klang. Daß es heute nicht der Saal war, hatten wir bei der Vorgruppe erlebt. Es war die schlechte Tagesform des Soundmanns, vielleicht auch ein ausgefallener Soundcheck, anders kann ich mir das eigentlich nicht erklären. Die Güte von Konzertberichten hängt dagegen vor allem von der Lust ab, sie zu schreiben.
Setlist New Order, Forest National, Brüssel:
01: Age of consent
02: Regret
03: She's lost control (Joy Division)
04: Disorder (Joy Division)
05: Academic
06: Your silent face
07: World
08: Tutti Frutti
09: Subculture
10: Bizarre love triangle
11: Superheated
12: Fine time
13: Plastic
14: True faith
15: Blue Monday
16: Temptation
17: Decades (Joy Division)
18: Love will tear us apart (Joy Division)
Links:
- aus unserem Archiv:
- New Order, Brüssel, 06.11.15
- New Order, Paris, 14.09.12
- New Order, London, 12.08.12
- New Order, Scheeßel, 24.06.12
- New Order, Berlin, 21.06.12
- New Order, Brüssel, 17.10.11
1 Kommentare :
So 'nen Pech mit den Sound!
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