Konzert: Grace Jones
Ort: Köln
Datum: 18.05.2016
Dauer: 95min
Zuschauer: 2.100 ausverkauft
Unvermittelt schlägt der Bass in meine Ohren. Ein Reggae-Bass, kein stumpfer Beat oder mechanischer Sound. Live gespielt pumpt er die unsichtbaren Wellen in mein Ohr und drückt sie spürbar gegen das Trommelfell.
Langsam ist das Lied und doch so rhythmisch, dass es unmöglich ist Still zu stehen. "Nightclubbing", diese düstere Hymne des Nachtlebens. Für immer verknüpft mit dem einzigen Film der einem vorgaukeln wollte, es sei toll mindestens einmal im Leben als Junkie zu stranden: Trainspotting. Iggy Pop sang es gut, er sang es anders, aus Männersicht. Aber wir sind hier bei Grace Jones, und hier ist alles anders.
Sie steht auf einem Podest, gehüllt in einen Seidenmantel mit goldener Maske. Sie windet sich und den Song, dehnt die Silben und steigt dann so langsam wie möglich die Treppen hinab zu ihrer vielköpfigen Band, die so klingt wie eine Band bei einer Diva klingen sollte.
Grace Jones spielt immer auf der Bühne: sie spielt mit allem. Mit dem Alter, mit der Band, mit dem Publikum, den interpretierten Songs, den Kleidern und dem Licht. Das für mich beste Lied des Abends folgt mit dem Pretenders Cover "Private Life".
Ein Mantra von Text, eigentlich nur eine Zeile "Your private life, drama, baby leave me out". Sie wiederholt es immer und immer wieder, stundenlang könnte man ihr dabei zuhören und fast genauso lange dauert der Song bei ihr auch. Ihre Stimme ist noch tiefer als früher, bei den Zoten aus dem OFF, während der Umkleidepausen hinter der Bühne spricht sie stets weiter mit dem Publikum, hört man es besonders.
Sie trägt eine Ganzkörperbemalung die dem Voodoo entlehnt ist, die Brüste sind notdürftig abgeklebt, bald werden sie komplett frei liegen, dazu nur eine Korsage und eine Art Lendenschurz. Sie kehrt das Innere nach außen, legt alles frei um dann mit den spielerischen Verhüllungen zu beginnen. Völlig uneitel und schutzlos stellt sie sich uns entgegen, und wirkt damit umso stärker.
Das unvermeindliche "La vie en rose" ist heute der schwächste Song, hier spielt die Band zu breitbeinig, der Song verliert seine Magie. Roxy Music`s "Love is a Drug" gelingt da viel besser. Wie bei jedem Song gibt es auch hier eine eigene Showeinlage, diese zündet besonders gut. Sie trägt einen schlichten Melonenhut der mit kleinen Spiegeln beklebt ist, über ihr ein starker Laser, und schon fungiert der Hut als strahlende Discokugel für den ganzen Saal. Ein starkes Bild.
Der Rest ist Party. Trotzdem überrascht die Frische der Arrangements. Sowohl "Pull up to the Bumper" als auch "Slave to the Rhythm" wirken nicht wie viele alte `80 Hits nur noch langweilig und peinlich. Sie klingen frisch und zeitlos, genau wie die Künstlerin die in keiner Kategorie gefangen scheint.
Ein Ordner trägt sie im Konfettiregen durchs Publikum, sie lässt ihn nicht los, spielt mit ihm und küsst ihn mehrmals von oben auf die Glatze. Seinen Widerstand und bösen Blick spürend treibt sie es weiter, tut so als könne sie ihre Beine nicht von seinen Schultern lösen und lacht dabei wie ein Teenager.
Als Zugabe ein Stück vom "neuen" Album. Jetzt wieder in den schwarzen, langen Seidenmantel gehüllt schließt sich der Kreis mit einem düsteren Stück. In "Hurricane" kämpft sie gegen einen triebwerksgroßen Ventilator.
"I am woman, i am sun, i can give birth to she, i can give birth to son, I can be cool, soft as a breeze, but i will be a hurricane, ripping up trees". Das war deutlich.
Grace Jones wurde an diesem Abend 68 Jahre alt.
Fotos: Flickr - Bruce/kingArthur_aus
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