Montag, 2. Dezember 2013

Desiree Klaeukens, Stuttgart, 19.11.2013


Konzert: Desiree Klaeukens
Ort: Ein Wohnzimmer, Stuttgart
Datum: 19.11.2013
Dauer: etwa 80 Minuten


Alle Fotos: © David C. Oechsle
Desiree Klaeukens lugt vorsichtig unter ihrer Wollmütze hervor, der Soundcheck lief gut, der Gitarrist neben ihr nickt. Gemeinsam mit Florian Glässing ist die junge Berlinerin auf kurzer Deutschlandtour, bevor Auftritte mit Cäthe sowie Francesco Wilkings und Moritz Krämers Band Die höchste Eisenbahn anstehen und das Debütalbum erscheint. Neben einigen Clubkonzerten organisierte die Booking-Agentur ihres Hamburger Labels, tapete records, auch drei Wohnzimmerkonzerte. Das erste fand am Vortag bei Gudrun in Karlsruhe statt. 
Am späten Nachmittag hält der Renault Twingo der Beiden vor dem Elternhaus meiner Freundin in Stuttgart, die Stimmung ist entspannt, wenig später erscheinen die ersten Gäste. Die E-Gitarre hinter Klaeukens wirkt wie ein Deko-Objekt, als die Singer-Songwriterin mit Begleitung des hervorragenden Gitarristen und Tom Liwa-Mitmusikers Florian Glässing vor das Wohnzimmer-Stammpublikum tritt

„Und was ich für dich fühle, das behalte ich erst mal nur für mich“, singt die gebürtige Duisburgerin in „Willst du wissen“, dem ersten Stück ihres Sets. Klaeukens gelingt es scheinbar mühelos, die großen Themen anzupacken, ohne daran zu scheitern. Was bei den meisten deutschen Chansonettes in prätentiösen Worthülsen verenden würde, besingt die zierliche Endzwanzigerin in einer klaren Sprache, in der selbst pathetische Sätze bodenständig wirken. „Ich würd' mich verkaufen, ich geb' alles für dich her“, heißt es im selben Song. 
Zweistimmige Gitarren, Glässings Harmoniegesang und die kühle Aura der Sängerin entfalten ihren eigentümlichen Reiz im wunderbaren Zusammenspiel mit der sensiblen Lyrik. Klaeukens wirkt im besten Sinne uneitel, lässt an die musikalische Unschuld der jungen Suzanne Vega denken. Assoziationen, die sie zur Antithese der grauen Masse deutscher Singer-Songwriterinnen machen. Alin Coen und Cäthe mag man großartig finden, doch Klaeukens schreibt die besseren Songs. 

 Wohnzimmerkonzerte können Menschen nach langer Zeit zusammenführen: „Ist Maike schon da?“ Eine Jugendfreundin, mit der Klaeukens einst im Ruhrpott Handball spielte und die sie seit gut 15 Jahren nicht mehr gesehen hat, kündigte sich im Vorfeld an. „Maike hat mir mal ein blaues Auge geworfen“, erinnert sich Klaeukens lächelnd. Heute spielt Maike für Göppingen in der Handball-Bundesliga, ihr Kommen wird von den anwesenden Konzertgängern schließlich bejubelt, nachdem Klaeukens zuvor nach jedem Song mit freundlich-nüchternem Ton die erwähnte Frage wiederholte. Herzliche Umarmungen folgen. 
 „Die Züge fahren dich heut irgendwohin / und ich seh dir hinter her und ich bin froh, / dass ich nicht mitgefahren bin, / denn ich bleib viel lieber hier“, singt Klaeukens in „Züge“, ihrer rührenden Fernbeziehungsode mit dem Credo „Und Manchmal bringt die Entfernung uns näher / Als ein Bett, das wir uns teilen“
Schon kurz nach der Veröffentlichung ihrer „Warm in meinem Herz“-Debüt-EP hat sich der tapete records-Shooting Star seinen Platz unter den ersten Liedermacherinnen Deutschlands verdient. Auftritte mit Niels Frevert oder Gisbert zu Knyphausen sind starke Referenzen, denen die junge Sängerin heute Abend vollends gerecht wird. Weder häufiges Stimmen der Gitarren noch ein verpasster Einsatz können diesen positiven Eindruck trüben. Mit Texten, die gefühlvoll zwischen Abschied, Liebe und Tod changieren gelingt es freilich nicht jedem zu glänzen, wie spielend es Klaeukens meistert, ist umso wichtiger zu betonen. 

Tapete setzt häufig auf die richtigen Künstler und immer auf Qualität. Spätestens „Warm in meinem Herz“, die erste Single, ist der unstrittige Beleg dafür, dass die Wahl-Berlinerin keine Ausnahme ist. Attitüde, Musik und Performance verschmelzen, Klaeukens Aufstieg zum Liebling von Musikpresse und Feuilleton ist vorprogrammiert. 
Nach einer kurzen Pause darf auch Florian Glässing einen Song vorstellen und verstreut mit „Koksen“ fast nebenbei Zweifel an Tom Liwas Aussage, Glässing sei einer der besten Songschreiber des Landes. „Kennt hier jemand die Flowerpornoes“, fragt Glässing. Einzelne Stimmen bejahen. Als letzte Zugabe folgt „Ich will nun mal irgendwo hin“ und den Beiden gelingt eine traumhafte Ehrerweisung an den großen Tom Liwa und seine Band: „Es braucht nicht viel um alles kaputt zu machen / Aber ich kann es auch lassen.“ 
 Zum Ende des regulären Sets hängt Klaeukens sich schließlich doch die E-Gitarre um und und deutet die Vielseitigkeit ihres im Januar erscheinenden Debüts „Wenn die Nacht den Tag verdeckt" an. 


„Der Mond glüht!“ Wie sie so dasteht, mit der Mütze und dem dunklen Blazer, fühle ich mich beim Blick auf die silsichere Musikerin urplötzlich an Moritz Krämers „Mitbewohnerin“ erinnert. Vielleicht gar nicht so überraschend, bedenkt man, dass ihr hochbegabter Label-Kollege auf ihrem Erstlingswerk Chöre eingesungen hat. Die tapete-Familie wächst, die Ergebnisse bleiben auf gewohnt erstklassigem Niveau. 


Tourdaten:
 (mit Die Höchste Eisenbahn)
08.01. Hamburg - Knust 
09.01. Darmstadt - Centralstation 
10.01. Köln - Studio 672 
11.01. Stuttgart - Merlin 
05.02. Dresden - Groove Station 
06.02. Wien - B72 
07.02. München - Kranhalle 
08.02. Erfurt - Museumskeller 
09.02. Essen - Zeche Carl 
11.02. Aachen - Musikbunker 
12.02. Leipzig - Nato 
13.02. Hannover - Lux 
14.02. Bremen - Tower 
15.02. Osnabrück - Glanz & Gloria
16.02. Berlin - Lido

Links:
- aus unserem Archiv
- Desiree Klaeukens, Karlsruhe, 18.11.2013

1 Kommentare :

E. hat gesagt…

schöner bericht! toll!

 

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