Dienstag, 16. Juli 2013

Kat Frankie, Stuttgart, 06.07.2013

Konzert: Kat Frankie
Ort: Marienplatz, Stuttgart (Marienplatzfest)
Zuschauer: einige hundert
Datum: 06.07.2013
Dauer: 62 Minuten



Wäre ich Kat Frankie, hätte ich dieses Konzert aller Wahrscheinlichkeit nach nicht zu Ende gespielt. Spätestens der zerplatzende Luftballon fast direkt vor dem Gesicht hätte mir den Rest gegeben und die Spielfreude vollends in Luft aufgelöst, nachdem es bereits die Technik nicht gut meinte. 
Ja, Kat Frankie, 34-jährige Wahlberlinerin, hat es bei einsetzender Dämmerung nicht leicht auf dem Marienplatzfest im Stuttgarter Süden. Das Publikum ist hip, hipper als sonst irgendwo in Stuttgart, wendet aber leider nicht das selbe Maß an Aufmerksamkeit für die Künstlerin wie für das richtige Zurschaustellen der tätowierten Schwalben am Hals auf. 
Trotzdem wollen viele Kat Frankie sehen, die mit Keyboards, Akustikgitarre und Loop-Station gegen massive technische Probleme ansingt. Reiner Bocka vom Café Galao um die Ecke hat ein tolles Line-Up für das viertägige Szenestadtteilfest auf die Beine gestellt - kein Wunder gelingt es ihm doch Woche für Woche zwei kostenlose Konzerte in seinem Laden zu veranstalten.


  Als namhafte Konstante der unabhängigen Berliner Musikwelt ist die Australierin, die Sydney vor etwa neun Jahren den Rücken zukehrte, ein würdiger Abschluss für den vorletzten Abend des Fests. Abendsonnenschein taucht den gut besuchten Marienplatz in angenehm warmes, sattes Licht, auf dem Bühnenrand vor Kat Frankie sitzen zahlreiche Kinder; es ist einer ihrer Luftballons, der schließlich vor dem Gesicht platzte. 
Schon zu Beginn erkennt man die Souveränität Frankies in bunt gesprenkelter Bluse; „Blameless“, ihr erstes Stück wird bereits von einem scheppernden Sound empfindlich gestört, aber man darf auf einem öffentlichen Fest auch kein High-End-Konzert erwarten. 
Ich versuche mich mit dem miesen Klang abzufinden, doch auch Kat Frankie weist immer wieder den Tontechniker auf Missstände hin. Mit zunehmender Konzertdauer gewinnt sie nach und nach die Überhand und die störenden Rahmenbedingungen treten in den Hintergrund; die Gespräche verstummen, das Publikum wird aufmerksamer. Ein schönes Fest hat er da, der vornehme Stuttgarter Süden, der Prenzlauer Berg Schwabens, das in diesem Jahr zum zweiten Mal stattfindet. 
Ich behaupte schon im Vorfeld, obwohl ich Kat Frankie heute zum ersten Mal sehe, dass nur ganz wenige andere Musiker in Deutschland besser mit Loop-Stationen umgehen können. Sie ist die Loop-Queen dieses Landes, umso erfreulicher war ihre Beteiligung am letzten Tim Neuhaus-Album, der so etwas wie ihr männliches Pendant in dieser Hinsicht ist. 
Wie famos es ihr gelingt aus Klatschen, Klopfen, eingesungenen Zeilen und Tönen ein erhabenenes Klanggewebe zu erzeugen, zeigt sich überaus deutlich bei „Please Don't Give Me What I Want“, ihrem dritten Lied auf dem Marienplatz. 
Eine Stimmungskanone ist die Australierin sicherlich nicht und das ist auch gut so, dennoch wünsche ich mir, dass doch noch weitaus größere Teile des Publikums zuhören würden. Der Rahmen ist schwierig für ruhige Musiker, umso schöner, dass es Kat Frankie ohne Begleitband gelingt ein souveränes Set zu spielen. 

Ihre Ansagen wechseln zwischen Deutsch und Englisch hin und her, immer wieder offenbart ihr Lächeln aparte Grübchen an den Mundwinkeln und Wangen. Die Haare sind länger geworden, „sie hat sich richtig hübsch gemacht“, meint meine Freundin, die Kat Frankie wenige Wochen zuvor beim Maifeld Derby in Mannheim sah. Ein Bekannter und ich bejahen. 
„Not myself“ gefällt mir gut. „Es ist mein einziges Liebeslied“, merkt die Protagonistin an. Verspielt ist es, ein passenderes Wort fällt mir nicht ein. Ein entspannter Popsong mit einer gewissen Portion Jack-Johnson-Appeal – und das meine ich in diesem Kontext gar nicht negativ. Fast schon offensiv fröhlich ist das Lied verglichen mit den meisten anderen Songs Frankies, die in der Regel graue Übungen in sanfter Melancholie sind. Es ist der Moment, an dem die Stimmung spürbar besser wird, die Zuschauer aufmerksamer scheinen; kein Wunder an einem lauen Sommerabend. 


 Besser als in „The Wild One“ ist es selbst der Loop-Queen wohl nie gelungen diese stimmig einzusetzen. Wieder nähern sich die technischen Bedingungen dem Zustand eines Totalausfalls an, die 34-jährige zeigt sich zwei Tage vor ihrem 35. Geburtstag weiterhin ziemlich unbeindruckt von allen Problemen, zumindest lässt sie sich keinen Groll anmerken. 
Der Folkbackground der Sängerin ist allgegenwärtig; Paul Simon ist immer wieder präsent. Doch ist Kat Frankie auch ein chick with attitude, wie man so schön sagt; eine selbstsichere souveräne Künstlerin mit klarem Konzept, eine Musikerin in der Tradition von Björk, einer PJ Harvey oder Sophie Hunger
 Dezent gelingt es ihr in „Frauen verlassen“ einen englischen Song immer wieder mit deutschen Worten und Satzfetzen zu unterlegen, das Zusammenspiel passt hier. Ein Lied schrieb Kat Frankie bisher komplett in deutscher Sprache, „Der Ertrag“, ein sperriges Stück Popmusik, das mir nicht ganz behagt; in Stuttgart quittiert der bislang größte Applaus des Abends dennoch die Qualität. 
Als TV Noir Stammgast baute sie sich ein landesweites Publikum auf, „Too Young“, das wohl populärste Stück, wurde von TV Noir in angemessen schlichter Ästhetik aufgenommen. Auf dem Marienplatz verabschiedet sich Kat Frankie damit. Der Funke springt endgültig über, die Zuschauer applaudieren lautstark, Frankie verneigt sich unaufdringlich. 


  Ein Annie Lennox – Cover gibt es als Zugabe; „Walking On Broken Glass“ wird in seine Bestandteile zerlegt und überraschend schlicht erneut zusammengesetzt. Originell ist ihre Interpretation, anfangs gefällt sie außerordentlich gut, gegen Ende kippt mein Empfinden. Das allerdings nicht im Hinblick auf das gesamte Konzert, das nämlich war an den technischen Umständen gemessen ausgesprochen gelungen. Gut, dass Kat Frankie nicht wie ich ist, gut, dass sie das Konzert 62 Minuten lang durchgezogen hat. 
Im Oktober geht sie wieder auf eine ausgedehnte Clubtour und wird auch im Stuttgarter Schocken auftreten, auf das Clubkonzert der melancholischen Königin der Loop-Stationen freue ich mich wirklich.


Setlist, Kat Frankie, Stuttgart:

01: Blameless
02: The Tops
03: Please Don't Give Me What I Want
04: "Depressing ballad of being drunk" (?)
05: Not Myself
06: The Wild One
07: Frauen verlassen
08: Der Ertrag
09: Love Me
10: (?)
11: Too Young

12: Walking On Broken Glass (Annie Lennox - Cover) (Z) 


Links:

- aus unserem Archiv:
- Kat Frankie, Karlsruhe, 25.01.2013  


Tourdaten, Kat Frankie:

20.08.2013 Jena, Kulturarena
07.09.2013 Chemnitz, Marianne Brandt Wettbewerb
15.10.2013 Berlin, Volksbühne
17.10.2013 München, Feierwerk
18.10.2013 Augsburg, Beim weißen Lamm
19.10.2013 Stuttgart, Club Schocken
21.10.2013 Bochum, Bahnhof Langendreer
22.10.2013 Hamburg, Kampnagel
23.10.2013 Hannover, Café Glockensee
24.10.2013 Frankfurt, Brotfabrik
25.10.2013 Altdorf, Auditorium

1 Kommentare :

Mick hat gesagt…

Schön beschrieben, es wäre interessant zu wissen welchen Beruf der "Tontechniker" im wahren Leben hat. Vielleicht ist er auch Frequenzfetischist. Schon der Anfang war heftig, eine Gitarre bei 130 Hz munter über Minuten koppeln zu lassen erfordert keine Tomaten sondern Kürbisse auf den Ohren. Ich kann nur zustimmen, Kat Frankie's stoische Ruhe im Umgang mit den tontechnischen Desastern hatte wahre Grösse. Es war schlimm-schön. Kat hat das beste daraus gemacht.

 

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