Samstag, 15. Mai 2010

Nina Nastasia, Paris, 14.05.10


Konzert: Nina Nastasia

Ort: L'Espace B, Paris
Datum: 14.05.2010
Zuschauer. etwa 50
konzertdauer: 2 x 45 Minuten


Ich solle nichts über die zweite Hälfte des Konzertes schreiben, bat mich Nina Nastasia, nachdem ich ihr erzählt hatte, daß ich einen Blog betreibe und ihren Auftritt rezensieren werde. Aber warum eigentlich nicht? Weil sie sich etliche Male verspielt hatte und nicht den richtigen Guitar Key erwischt hatte? Weil sie ab und zu die Tonlage nicht traf? - Alles keine Gründe für mich, allzu hart mit der New Yorkerin ins Gericht zu gehen.* Klar, war es etwas seltsam, daß sie derart oft ihren Vortrag mittendrin unterbrach und laut aufjauchzte: "oh no, let's start again!" Angeblich hatte sie zu viel getrunken. "It's a strange show, I shouldn't drink when I play", seufzte sie, nachdem sie sich zum wiederholten Male einen Patzer geleistet hatte. Das Publikum störte sich nicht sonderlich daran. Etwa 50 kultivierte Männer und Frauen zwischen 30 und 40 hatten es sich auf dem Fußboden des Espace B bequem gemacht und lauschten konzentriert und vorbildlich leise den Geschichten, die die eigenwillige Singer /Songwriterin zu erzählen hatte. Wie immer gab es zwischen den Songs auch die ein oder andere witzige bzw. zynische Ankedote. Schmunzler erntete Nina, als sie erzählte, daß sie als Großstädterin immer von einem Leben auf dem Lande geträumt hätte und ihrem Traum sehr nahe war, als sie ein paar Wochen auf einem Biobauernhof in den USA verbrachte. Allerdings merkte sie sehr schnell, daß sie nicht zum Landei taugt und folgerte konsequenterweise: "It was horrible actually. All these fucking vegetables"...

Eine andere Anekdote handelte vom Verzehr von Tierhoden, genauer Stierhoden. Ob man in Frankreich "testicicles" essen würde, fragte sie in die Runde. Als sich niemand meldete, warf ich in ein: " Yes, In the south." Dummerweise war mein Akzent aber wohl nicht so sattelfest und Nina rief lachend: "What was that? With a sauce?" Stierhoden mit Soße, nein, das war es natürlich nicht, was ich sagen wollte! Vielmehr wollte ich ausdrücken, daß man im Süden Frankreichs durchaus ab und zu "testicules" esse. In Nizza hatte ich dieses Gericht schon einmal auf einer Karte gefunden (Mist, ich hatte mich vor versammelter Mannschaft zum Deppen gemacht, der kein englisch kann!).

Amüsant war auch, daß die Sängerin beichtete, daß sie eine schrecklich schlechte Autofahrerin sei und deshalb keinen Wagen mehr lenke. Sie würde wie eine Irre fahren. Dies hätte sie auch gestern dem Berliner Publikum im Admiralspalast berichtet, woraufhin ein Berliner Zuschauer reinrief: "In Paris fahren sie alle wie die Irren!" Nicht, daß sie, Nina, das ungeprüft glauben würde, aber dennoch wolle sie dem Pariser Publikum einmal mitteilen, was man in der deutschen Haupstadt von den französischen Fahrkünsten hält (nämlich nichts!).

Schließlich und dies soll den anekdotischen Teil beenden, ging es zwischen den Songs auch oft um ein Gesellschaftsspiel, das sie kürzlich bei einer Hochzeit kennengelernt hatte: "bring it on the table" hieß es, wenn ich mich recht erinnere. So ganz habe ich nicht verstanden, wie das funktionierte und ich glaube die Franzosen auch nicht, denn immer wenn Nina anregte, daß das Publikum doch dieses Spiel mit ihr spielen solle, kam kein Feedback. Ich glaube, man soll dabei außergewöhnliche Geschichten aus seinem Leben offenbaren und Nina hatte wohl bei der Hochzeit erzählt, daß sie damals in den 80ern Drogenschmugglerin für die Sandinista in Nicaragua gewesen sei. Frei erfunden, versteht sich. Aber so kannte ich Nina Nastasia schon von ihrem letzten Konzert, das ich im Nouveau Casino erlebt hatte. Immer für einen Plausch und eine Story gut. Ungewöhnlich waren allerdings ihre Patzer. Damals hatte sie ein weitgehend perfektes Konzert hingelegt, heute war das etwas anders. Aber so will es ja eigentlich auch der Freund des kleinen, feinen Indie/Folkonzertes. Perfekt geölte Auftritte ohne den kleinsten Schnitzer mag man weniger, vielmehr bevorzugt man es, wenn der Künstler da vorne menschelt und auch mal schwächelt. Daß Nina eine fantastische Künstlerin ist, die schon etliche hervorragende Alben herausgebracht hat, wusste ohnhein jeder, der hier und heute im Espace B war. Niemand war zufällig gekommen und viele kannten sich mit dem Oeuvre der Nastasia sehr gut aus, was man auch daran erkennen konnte, daß etliche Besucher alte Klassiker forderten, als Nina "any requests? in die Runde fragte. Rosemary (Album The Blackened Air) wurde beispielsweise gewünscht, aber auch Regrets (Run To Ruin) oder die noch nicht ganz so alten Our Discussion (You Follow Me) und Birds Of Cuzco (On Leaving) Ich persönlich war besonders dankbar, daß der Treehouse Song gespielt wurde. "Every night I promise you we'd go down to see the friend we once knew, but every night I'd make an excuse, trällerte Nina schöner als eine Nachtigall und ich war entzückt. Auch ganz großartig (obwohl sie diesen Song ebenfalls unterbrach): Stormy Weather, mein Favorit vom tollen ersten Album Dogs, das ich im Vorfeld des Konzertes etliche Male gehört hatte, um mich sanft in den Schlaf zu wiegen. "I can't be on best behaviour, I'm not afraid of stormy weather" so der markante Refrain. Ansonsten im zweiten Teil auch ein oder zwei neue Lieder vom demnächst erscheinenden Album Outlaster, von dem sie vor allem im ersten Teil mehrere Kostproben bot. Sechs Lieder von 10 habe sie vom ersten Album gespielt, erzählte mir eine wahnsinnig nette Nina Nastasia hinterher, darunter auf jeden Fall Wakes und ansonsten (falls mich mein Gedächtnis nicht trübt) One Way Out, Moves Away und What's Out There. Viel zu den neuen Stücken sagen kann ich allerdings nicht, da muss ich erst das Erscheinen des Albums abwarten. Eike vom Klienicum hat es aber jetzt schon auf Herz und Nieren geprüft und jeden einzelnen Song seziert. Deshalb empfehle ich auch dringend die Lektüre seines diesbezüglichen Posts.

Und Nina Nastasia muß sich trotz des holprigen zweiten Teils (in der Mitte gab es eine zwanzigminütige Pause, warum auch immer) keine Sorgen machen, daß ich ihr heutiges Konzerte verreiße. Ihre Stimme ist viel zu schön, ihr Songwriting viel zu klug und ihr Wesen viel zu faszinierend, um sie wegen mangelnder Perfektion in die Pfanne zu hauen. Eine goßartige Künsterlin, schön daß wir sie einem solch intimen Rahmen genießen durften!

Auszüge aus der Setlist Nina Nastasia, Espace B, Paris (nicht in dieser Reihenfolge):

Wakes
One Way Out
Moves Away
What's Out There

Rosemary
Regrets
Bird Of Cuzco
Our Day Trip
Stormy Weather
Treehouse Song
Late Night
Our Discussion

Aus unserem Archiv:

Nina Nastasia, Paris, 09.03.08

* genauso sieht es wohl der glänzende Pariser Fotograf L'esprit d'escalier, der auch da war. Sein feiner Kommentar hierzu auf englisch:

"If you ever thought that music was about flawless performing, perfect tempo and that kind of things, you're so fucking wrong and you need to see someone like Nina perform. It doesn't matter if the chords aren't right, if you don't remember the end of the lyrics when you have a great voice and as long as you bring the audience with you wherever it is you're going (and how drunk you are) "



3 Kommentare :

Christoph hat gesagt…

Du kannst doch so was wie das erste Foto nicht ohne Warnung reinstellen! Bei dem Blick habe ich einen Herzkaspar bekommen!

Klingt nach einem Konzert, an das man sich erinnert!

Anonym hat gesagt…

Mein Lieblingsbericht von dieser Woche! Ganz toll geschrieben!

Uschi

E. hat gesagt…

ganz groß, mein lieber! es gilt auch für den kritischen betrachter die waage zu halten. leider habe ich ähnliches auch vom berliner konzert lesen müssen. nina ist wohl nicht so die große performerin. aber unterhaltsam. sehr unterhaltsam.

 

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