Konzert: Barzin
Ort: L'Espace B, Paris
Datum: 27.04.2010
Zuschauer: etwa 50
Konzertdauer. ungefähr 1 Stunde
Kennt hier jemand Barzin? Ja? Nein? Ist keine Mischung aus Benzin und Marzipan, sondern ein fabelhafter kanadischer Singer/Songwriter, der heute zusammen mit seiner Band ein wunderschönes Konzert aufs Parkett gelegt hat. Nicht nur Kultblogger Vincent Moon (La Blogothèque), der im Publikum weilte, sondern auch ich und die anderen Gäste, waren von den kontemplativen Songs des sympathischen Musikers sehr angetan.
Wer es gerne ausführlicher möchte, bitte schön:
Gerne bemühen Musikjournalisten klischeehafte Ausdrücke, um den jeweiligen Stil eines Künstlers zu beschreiben. Rotweinmusik, Kaminfeuermusik, perfekt für den Herbst, oder - ganz schlimm: Kuschelrock (hilfe!), all diese Floskeln hat jeder schon einmal im Musikexpress, der Spex, oder im deutschen Rolling Stone gelesen. Dog shit! Aber irgendwie passen diese Kategorisierungen oft erstaunlich gut und jeder weiß sofort was gemeint ist. Der Kanadier Barzin macht, nun ja ... Rotweinmusik, die man an einem kühlen Herbstabend prima vor dem flackernden Kamin anhören und zu der man mit seiner Geliebten herrlich kuscheln kann. Ähem, ja. Nennen wir es lieber Slowcore. Diesen Ausdruck liest man häufig im Zusammenhang mit Barzin. Slowcore, was is'n das? Das Gegenteil von Hardcore? Hmm, vielleicht. Meint aber sicherlich, daß die Lieder des Kanadiers saumäßig langsam und melancholisch sind. Chokebore= Sadcore, Barzin= Slowcore, passt schon irgendwie. Wer auf Slayer steht, ist bei Barzin sicherlich fehl am Platze. Die Songs plätschern nämlich in Zeitlupe (Slowmotion) dahin und man hat reichlich Zeit, sein Rotweinglas auszudrinken. Genau die richtige Musik für einen permanent getriebenden und rastlosen Menschen wie mich also. Ich hetzte mich ab wie so ein Weltmeister, um pünktlich im Espace B zu erscheinen. Ich war nämlich vorher im Café de la Danse bei Lightspeed Champion und musste mich mächtig sputen, um gegen 22 Uhr 15 einzutreffen. Ich schaffte die Punktlandung und kam genau pünktlich zum ersten Song. Einige Leute lungerten schon wieder auf dem Fußboden rum, eine Angewohnheit, die ich nicht besonders schätze, aber tanzbar war die Musik, die da vorne gespielt wurde nunmal nicht. Am Besten hätte man sie in einem bequemen Ohrensessel genoßen. Mit einem Glas Rotwein in der Hand, versteht sich. Aber auch ganz ohne ein Gläschen Bordeaux und eine weiche Rückenlehne verfehlte der sentimentale Stoff seine Wirkung nicht. Ungemein erlesen, harmonisch und fein, was Barzin und seine drei Begleitmusiker da ablieferten. Es gab eine Pedal Steel, ein Akkordeon und ein Xylophon, um die knisternde Atmosphäre zu erzeugen. Traumhaft war das. Kein schiefer Ton, keine falsche Note, kein Knarzen störte den Wohlklang. Ich schwebte dahin, ließ mich gleiten und war schwer angetan, von dem bildschönen Seelentröster Let's Go Driving. Wow, fast wie bei Sparklehorse, so als würde man von der sanften Stimme in Watte eingepackt! Und da Mark Linkous nun einmal leider seinem Leben ein Ende gesetzt hat, freut man sich, daß es würdige Nachfolger wie Barzin gibt. Jedes einzelne Lied war ein Hochgenuß erster Güte, so daß es schwer fällt, besondere Schmankerl herauszupicken. Vielleicht sollte man Past All Concerns besonders erwähnen: "I followed you to your room you took your clothes off", das nenne ich einen Text, der Lust gibt! Kein Wunder, daß die Lyrics nur gehaucht werden, man kann das Knistern förmlich spüren. Auf diese Weise wandelte der Kanadier mit uns fast eine Stunde lang durch eine Wolke aus (nicht zu süßer) Zuckerwatte und meinte am Ende mit einem Augenzwinkern: "This is our last song, it's our rock song." Laut war die Nummer natürlich trotzdem nicht, aber wir hatten ja Rotweinmusik bestellt, you know? Den Rausch wollten natürlich alle Anwesenden noch ein wenig verlängern und Blogger-und Filmergott Vincent Moon höchstpersönlich wünschte sich Leaving Time. Eine Schmonzette wie aus dem Lehrbuch, die heftig auf die Tränendrüse drückte und auch die Songzeile: "I'll paint for you something blue" enthielt. Witzig war, daß Barzin erwähnte, daß Vincent in seinem Videoclip extra eine besonders hübsche Frau ausgesucht hatte, um das Stück zu illustrieren. Nach einer weiteren Zugabe war Schluß und wie auf Federn schwebte ich berauscht (nicht vom Rotwein, hatte ja keinen gesoffen!) aus dem Espace B, zwei frisch erworbene CDs des Künstlers unter dem Arm, um mich zu Hause von seinen Balladen in den Schlaf wiegen zu lassen.
Setlist Barzin, Espace B, Paris:
01. Queen Jane
02: In The Morning
03: Let's Go Driving
04: Oh Lover
05: If I'm Bleeding Now
06: Past All Concerns
07: I Couldn't Find The City
08: Fucked Up
09: Lover In The Dark
10: Leaving Time
11: ?
1 Kommentare :
antwort auf die eingangsfrage: "ja!"
klein, aber fein hier: http://dasklienicum.blogspot.com/2009/02/ein-pfund-mp3-173-monotreme-records.html
und später immer mal wieder hinweise auf "notes to an absent lover", sicher.
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