Mittwoch, 2. Dezember 2009

Port O'Brien, Köln, 01.12.09


Konzert: Port O'Brien, Royal Bangs & First Aid Kit
Ort: Gebäude 9, Köln
Datum: 01.12.2009
Zuschauer: sicher 3/4 voll
Dauer: Port O'Brien 65 min, Royal Bangs 35 min, First Aid Kit gut 30 min


Zwei Bands, die mir im Sommer auf Festivals große Freude gemacht haben, an einem Abend im Gebäude 9 waren entschieden zu attraktiv, um zu Hause zu bleiben. Also
ab in den liebsten Kölner Club, um neben Port O'Brien* und First Aid Kit auch noch Royal Bangs zu sehen, ein ambitioniertes Programm für einen Dienstagabend...

Auf First Aid Kit hatte ich mich nach deren tollen Auftritt bei der Wiesbadener Folklore besonders gefreut. Die beiden Schwestern Klara und Johanna Söderberg aus
einem Stockholmer Vorort sind nicht zufällig wegen eines youtube Videos, in dem sie die Fleet Foxes covern, bekannt geworden. Zum einen ist ihre Version des Tiger Mountain peasant songs ausgezeichnet, zum anderen hört man, daß Musik im Stile der Fleet Foxes die beiden Schwestern stark prägt und inspiriert. Ich war vorfreudig.

First Aid Kit begannen mit
In the morning, ihrem am meisten an die amerikanische Hippie-Band erinnernden Stück. Das Lied ist wundervoll, zündete heute bei mir allerdings gar nicht. Klara, die dunkelhaarige der beiden Schwestern, schien stimmlich nicht auf der Höhe zu sein. Ob sie erkältet war? Dazu kam, daß die Harmonie der beiden sonst so perfekt passenden Stimmen eine kleine Delle hatte. Stark war die nicht, es reichte aber, daß die Stimmen neben- und nicht miteinander klangen. Auch - und vielleicht war das die Ursache der leichten Mißklänge - waren beide für den Saal zu laut abgemischt. Es kippte alles ein wenig. Schade, schade, denn First Aid Kit leben sehr stark davon, daß der Gesang so wohl dosiert und passend ist.

Danach schickte Klara ihre blonde Schwester Johanna backstage, um Wasser zu holen. Keine große Szene, aber irgendwie bezeichnend für den Auftritt.

Die Rollen in der Band sind gut verteilt. Klara spielt Gitarre und singt einen größeren Anteil, während Johanna Keyboard und ab und an Autoharp spielt. Leider kam das spektakuläre Instrument heute nur einmal zum Einsatz. Es ist nämlich zu lustig, der jungen Schwedin beim Spiel dieser Zither-Art zuzusehen. Eigentlich stand die Musikerin die meiste Zeit ziemlich verhutzelt auf ihrer Bühnenseite, das Gesicht von vielen Haaren verdeckt und die Hände, wenn die nichts zu tun hatten, sofort in den Taschen der weiten Strickjacke verstaut. Aber die Autoharp umklammerte sie wie einen Schatz und entlockte ihr trotz enger Umarmung tolle Töne!

Irgendwie kam auch leider keine rechte Stimmung auf. Die beiden machen trotz der
Zither natürlich keine Mitgröhl-Musik, aber auch bei ihren Ansagen, Klaras Versuchen, ihrer schlechten Laune zum Trotz, mit uns zu reden, kam nichts zurück. "Das nächste Lied ist von einer Sängerin namens Buffy Sainte-Marie. Kennt ihr die?" - nichts - "Nicht Buffy die Vampirjägerin" - nichts...

Aber trotz allem bekam das Konzert noch die Kurve. Zum Fleet Foxes Cover stiegen die Söderberg Schwestern von der Bühne, baten uns, einen Kreis
um sie zu bilden und spielten mit zwei Gitarren und ohne Verstärkung. Ein sehr sehr schöner Moment!

Die beiden waren offensichtlich nicht in Bestform. Man ahnte aber sicher auch so, wie gut die Schwestern sein können. Mir hat es das nicht versaut, ich werde sie mir sicher wieder ansehen!

Setlist First Aid Kit, Gebäude 9, Köln:

01: In the morning
02: Our own pretty ways
03: You're not coming home tonight
04: Hard believer
05: Heavy storm
06:
Universal soldier (Buffy Sainte-Marie Cover)
07: I met up with the king
08: Tiger Mountain peasant song (Fleet Foxes Cover)

Danach folgte eine sagenhafte halbe Stunde! Den Namen Royal Bangs hatte ich bisher ein paarmal aufgeschnappt, aber noch keine Zeit gefunden, in ihre Musik reinzuhören. Aber - das predigen wir hier ja immer schon - neue Bands live kennen zu lernen, ist eine besonders empfehlenswerte, weil schonungslose Methode. Ich hatte wohl gar keine Vorstellung, was Royal Bang machen. Folkig sah ihr Bühnenaufbau nicht aus. Dabei hatte ich mit einem ruhigen Simon & Garfunkel-Abend gerechnet.

Hier standen jetzt aber reichlich laute Gitarren und ein mächtiger Keyboard-Turm in der
Mitte. Das Keyboard war allerdings nicht das dominierende Instrument, wichtiger waren die zwei (manchmal drei) Gitarren und das phänomenal gute Schlagzeug! Royal Bangs kommen aus Tennessee, dem schönsten US-Staat. Die Band besteht aus fünf Musikern, aus dem Sänger und Keyboarder Ryan Schaefer, den ich beim Aufbau noch für den Tourmanager oder Roadie gehalten habe, den beiden Gitarristen Brandon Biondo (mit sagenhaften Gesichtshaaren - lang leben die 70er!) und Sam Stratton, dem Bassisten Henry Gibson und Schlagzeuger Chris Rusk.

Ryans Stimme erinnerte mich manchmal an Robert Smith von The Cure, musikalisch stöbern Royal Bangs aber in einer anderen Ecke des Teichs; in der, in der sich sonst vielleicht British Sea Power oder
Modest Mouse rumtummeln - Arcade Fire in schnell, laut und ohne lustige Instrumente.

Vor allem die schmissigen Schlagzeugrhythmen machten den Auftritt der Knoxviller zu einem irre guten Erlebnis. Am besten wurde es, als Brandon seine Gitarre an Ryan
übergab und auf eine Standtrommel einschlug. Sagenhaft gut! Leider kann ich das keinem Lied mehr zuordnen, die Setlist entstammt nicht meinen Mitschriften, ich kannte ja noch nichts, sondern Brandons Gedächtnis.

Eine fabelhafte Band, die ich mir näher ansehen werde!

Setlist Royal Bangs, Gebäude 9, Köln:

01: Poison control
02: My car is haunted
03: Brainbow
04: War bells
05: Handcuff killa
06: Conquest II
07: Cat swallow
08: Tiny Prince of Keytar
09: Brother

Das lustige anders-als-meine-Vorstellung Spiel ging munter weiter. Als die Band die Bühne bestieg, waren da nur Männer, die aussahen, als wären sie gerade von einem Kabeljau-Kutter gestiegen. Cambria Holmes, die Gitarristin und Banjospielerin, die in Haldern noch dabei war, fehlte. Und als wäre sie das ruhige Element der (Live-)band gewesen, kamen mir Port O'Brien viel lauter, direkter und rockiger als in Haldern vor. Den Kaliforniern (sie betonten mehrfach aus der Bay area - wie wichtig manchmal doch so ein fehlendes n sein kann - bei San Francisco zu kommen) tat offensichtlich der Umzug von der Festivalbühne in den engeren Club gut, der entgegengesetzte First Aid Kit Effekt.

Es fing zwar mit
Don't take my advice gleich gut, aber noch vergleichsweise harmlos an. Das änderte sich beim fabelhaften Oslo campfire, denn da tickte Sänger Van Pierszalowski richtig durch. Er stürmte am Ende aufs Schlagzeug zu, lief da praktisch rein und trat ordentlich in die Zubehörtasche!

Es ist vollkommen unnötig Lieder hervorzuheben, da die Band ein gleichbleibend
hohes Niveau hielt. Und sie hatten Spaß! Ein kleines Beispiel... bei den kleinen Gitarrenstimm-Klimpereien vor Fisherman's son jubelten schon Leute im Publikum. Van Pierszalowski und den Keyboarder, der aussah, als hätte er er schon manchen Thunfisch eigenhändig aus dem Ozean gezogen, amüsierte das sehr. "Sie erkennen das schon!?"

Obwohl ich hundskaputt war, ging das alles viel zu schnell vorbei. Irgendwann (naja, bei My will is good, um genau zu sein), kam der Royal Bangs Schlagzeuger zum Extratrommeln auf die Bühne. Bei nächsten Stück, dem letzten vor den Zugaben, wurde das Spektakel noch größer. "Wir wollen, daß ein paar Leute nach oben auf die Bühne kommen! Die Frauen, die eben so getanzt haben..." Dazu sollte auch der Rest von Royal Bang als
Unterstützung hochkommen, die hörten aber die Rufe erst nicht und waren nicht aufzutreiben. Als sie gefunden waren, standen neben dem "normalen" Schlagzeuger vier Musiker um einige Toms und prügelten auf die ein. Wir Zuschauer sollten mit Flaschen, Schlüsseln und anderen Krachmacher mitmachen. Toll war es!

Danach kamen noch einige Kostproben der aufgeschnappten deutschen Satzfetzen und zwei fabelhafte Zugaben,
Stuck on a boat und Close the lid. Daß es so gut würde, hatte ich wirklich nicht erwartet. Aber damit war ich heute ja eh nicht besonders gut! Auch wenn Royal Bangs schon klasse waren, Port O'Brien waren unschlagbar!

Meine Lieblingszene war sehr unscheinbar aber köstlich: nach einem Stück, bei dem der Keyboarder und der Bassist zwei verschiedene Rasseln hatten, tauschten sie die für das nächste Lied...

Und zu gewinnen gibt es auch etwas von diesem Konzert:
Van Pierszalowski, der wie er mir mit einem "sure!" bestätigte, Fischer ist, hat das für unser Gewinnspiel signiert:













Setlist Port O'Brien, Gebäude 9, Köln:

01: Don't take my advice
02: Oslo campfire
03: Sour milk / salt water
04: Tree bones
05: Fisherman's son
06: Love me trough
07: Calm me down
08: Is this really what it's come to
09: Leap year
10: My will is good
11: I woke up today

12: Stuck on a boat (Z)
13: Close the lid (Z)



* von denen ich immer noch nicht weiß, ob sie jetzt Port O'Brian oder Port O'Briiiin ausgesprochen werden



7 Kommentare :

Christoph hat gesagt…

Ich bin etwas neidisch. Drei so großartige Bands an einem Abend! Zumindest hatte ich letzte Woche Gelegenheit, Royal Bangs in Nürnberg zu sehen. War schwer beeindruckt...

peppi hat gesagt…

Ich gehe am Freitag in Berlin hin...aber Royal Bangs stehen nicht als Support dabei...auf die hast Du mich ja nun schon neugierig gemacht...:-)

Christoph hat gesagt…

Die sind leider nur bei wenigen Konzerten dabei gewesen. Viel Spaß Freitag!

Oliver Peel hat gesagt…

Royal Bangs waren gestern in Paris, in der Flèche d'or. Habe ich aber erst heute erfahren. Könntest ruhig mal ein paar Konzerttermine auflisten, Christoph.

peppi hat gesagt…

War ein sehr schönes Konzert. Nimmt man das wie immer unerträgliche Publikum im Lido mal raus, waren die Schwedinnen bezaubernd und Port O'Brien (sprich Brian...;-) richtig gut drauf. Definitiv ein Konzerthighlight und eine Band, die ich gerne noch einmal live sehen würde, da sie auf der Bühne überzeugender sind als auf ihren Alben. Schön!

E. hat gesagt…

ich habe royal bangs auch gesehen. aber für meine konzertberichte interessiert sich kein schwein.

JanBob hat gesagt…

Wie unterschiedlich das doch manchmal wirkt. Geschmackssachen halt. ;)

First Aid Kid hatte ich verpasst, aber Royal Bang gesehen. Für meinen Geschmack viel zu aufgedonnert, das Schlagzeug hätte man locker durch den kleinen japanischen Freund ersetzen können und die beiden Gitarren haben über weite Strecken immer das selbe gespielt. Langweilig. Dazu kam, dass es ein einziger Soundbrei war, selten mal klare Kompositionen. Mitte des Liedes wechselte man Tempo, Harmonie und Tonart, es hätte ein völlig anderes Lied sein können. Und dass der eine Gitarrist beim 1. Songs über sein Kabel stolpert und es aus der Gitarre reißt, war mehr als dilettantisch. Außerdem hat er es ja auch noch geschafft, seine Klampfe vor dem letzten Song zu schrotten. Nee, das war nix, fand ich.

Aber bei Port O'Brien muss ich Dir zustimmen, das war genial. "Unschlagbar Ständer." :)

 

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