Konzert: Reza & Laura Gibson (Oliver Peel Session # 14)
Ort: ein Wohnzimmer irgendwo in Paris
Datum: 12.12.2009
Zuschauer: 34
Konzertdauer: Reza etwa 40 Minuten, Laura Gibson 65 Minuten
Als ich vor ein paar Wochen auf die deutschen Konzertdaten der amerikanischen Folksängerin Laura Gibson hingewiesen habe, hätte ich nicht im Traum daran gedacht, daß die hochsympathische Blondine zusammen mit ihren beiden Begleitmusikern von Musée Mécanique in unserem Wohnzimmer das letzte Konzert ihrer Tournee geben würde!
Zugegebenermaßen hatte ich aber schon Gewehr bei Fuß, als ich las, daß sie am 10. Dezember in der Pariser Flèche d'or auf dem Programm stand. Ob da nicht ein Abstecher in unsere Wohnstube möglich wäre? Vielleicht am 11. Dezember? Oder am 13.? Den 12. hielt ich nicht für machbar, da ich am diesem Tage schon seit geraumer Zeit eine Oliver Peel Session mit Reza vereinbart hatte. Aber wie sollte ich Laura sagen, daß ich sie gerne bei uns begrüßen würde? Einfach eine E-mail bei MySpace schreiben? Zu unpersönlich! Sie über ihre private E-mail Adresse kontaktieren? Gute Idee, aber mich verließ ein wenig mein Mut. Was, wenn sie nicht auf das Konzept "House show" steht? Ach, wahrscheinlich würde sie einfach überhaupt nicht antworten...
Dann aber sah ich durch Zufall bei MySpace, daß mein Bekannter Morgan Caris, der hinter dem hervorragenden Projekt Flowers From The Man Who Shot Your Cousin steht, Laura Gibson kennt. Morgan war gerade wieder von Kanada nach Paris zurückgekehrt und ich traf ihn beim Konzert von This Is The Kit im Espace B. Ich brachte das Thema Laura Gibson zur Sprache. "Ob Laura nicht eine Session bei uns spielen würde, was meinst Du Morgan", raunzte ich ihn an. "Würdest Du sie fragen und den ersten Kontakt herstellen?" Er versprach zu helfen und hielt das Ganze auf für realistisch.
Ein paar Tage später hatte ich eine E-mail der besonderen Art in meinem Briefkasten. Das Schreiben stammte von... Laura Gibson selbst! Sie würde sehr gerne eine Home Show spielen und hätte am 11., 12., oder 13. Dezember Zeit dafür! Ich solle mir einfach einen Tag aussuchen. Ich war wie vom Blitz getroffen und musste sofort mit meiner Frau sprechen! Als sie meinen freudigen Blick sah, schwante ihr schon, worum es gehen würde. In ihrer direkten Art ließ sie mir ausrichten: "Am Freitag (11) geht es schon mal gar nicht, weil ich da sehr lange arbeite und danach wie tot ins Bett falle. Und wenn Du gedenkst, sie für Sonntag einzuladen, dann musst Du alles selbst vorbereiten, ich werde dann zu einer Freundin gehen. Ich brauch auch mal ein bißchen Ruhe!"
Peng, das saß! Ich verstand mein Frauchen vollkommen, wollte aber um jeden Preis Laura Gibson in unsere Bude kriegen. Ein solch charmantes Angebot einer derart talentierten Sängerin kann man doch nicht so mir nichts dir nichts ausschlagen! Aber was tun? Am Samstag dem 12. die Session mit Reza stemmen und am Sonntag das ganze Essen für die Gäste alleine vorbereiten? Davor graute mir! Zu anstrengend ist es, solche Sessions zu organisieren und durchzuführen. Im Grunde genommen fühle ich mich vor und hinterher immer absolut platt. Nein, der einzige Weg war zwei Sessions am Samstag zu machen. Ich mußte Reza anschreiben, um ihn zu fragen, ob er damit einverstanden wäre. Ich hatte ziemlichen Bammel, denn ich kann verstehen, daß ein Künstler verschnupft reagiert, wenn man ihm einen weiteren, noch dazu bekannteren Act hinzubucht. Aber Reza reagierte ganz fantastisch. Er richtete aus, daß ihm das nichts ausmache und er sich auch freue, Laura Gibson live zu sehen. Er machte lediglich zur Bedingung als Erster an den Start zu gehen und ich sollte außerdem dafür sorgen, seine CD Moonless ein wenig zu promoten. Letzteres war für mich selbstverständlich, schließlich lief das vorzügliche Album bei mir seit Wochen in Dauerschleife. Somit stand fest, daß es am 12. Dezember eine doppelte Session geben würde. Reza und Laura Gibson im Doppelpack, wahrlich eine ganz feine Sache!
In der Folge stand das übliche Vorbereitungsprozedere auf dem Programm: Einladungs E-mails an Freunde und Bekannte verschicken, mit den Künstlern bestimmte Details absprechen und natürlich Einkäufe erledigen, da die Gäste verköstigt werden möchten und auch nicht auf dem Trockenen sitzen wollen. Zwar bringen viele ein Fläschen Wein, Süßigkeiten oder Blumen mit, aber darauf kann man nicht sicher zählen. Wir selbst, sprich meine Frau und ich, sehen zu, daß wir genug Bier, Wein und Softdrinks haben und überlegen auch, was wir zum Essen anbieten können. Wir entschieden uns diesmal für Sandwichs mit unterschiedlichen Belägen, da diese immer Abnehmer finden.
Am Donnerstag, dem 10. Dezember, trat dann Laura Gibson zusammen mit Musée Mécanique in der Flèche d'or auf (Infos, Setlist, Videos dazu unten). Für mich war es selbstverständlich, bei dieser Veranstaltung auf der Matte zu stehen. Erstens wollte ich mir den musikalischen Teil nicht entgehen lassen und zweitens natürlich unbedingt die Gelegenheit nutzen, Laura Gibson persönlich kennenzulernen. Und diese ergab sich dann vor ihrem Konzert. Ziemlich nervös lief sie durch die Flèche d'or und hatte verständlicherweise auch nicht den Kopf frei, sich länger mit mir zu unterhalten. Ich konnte das nachvollziehen, denn mir war klar, daß sie vor ihrem Auftritt Ruhe haben wollte und gedanklich noch ein paar Abläufe durchging. Hinzu kam, daß sie gesundheitliche Probleme hatte. Ein hartnäckiger Schnupfen, verbunden mit einem unangenehmen Husten, machten ihr schwer zu schaffen. Für Sänger bzw Sängerinnen natürlich besonders störend. Aber sie riss sich in bemerkenswerter Weise zusammen und absolvierte zusammen mit Micah und Sean von Musée Mécanique, die zuvor einen ganz vorzüglichen Auftritt mit ihrem eigenen Projekt hingelegt hatten, ein wundervolles Konzert. Ich war entzückt und enorm angetan. Was für ein Talent! Welch traumhaft schöne Stimme! Und was für eine angenehm natürliche Ausstrahlung! Daß sie wirklich sehr nett und zugänglich ist, konnte ich dann am Merchandising Stand erfahren. Wir unterhielten uns ganz entspannt und sie war lieb und herzensgut. Auch Micah und Sean waren mir auf Anhieb sympatisch und ich hatte sogar noch die Gelegenheit, ihren exzellenten deutschen Tourmanager kennzulernen, der neben Laura auch noch einige andere Granaten (u.a. Alela Diane, Calexico, Lambchop, Rickie Lee Jones, Magnetic Fields, etc.) betreut. So ganz nebenbei bekundeten auch noch vier junge Amerikanerinnen, die das Konzert genossen hatten, ihr Interesse bei unserer Session mit Laura dabei zu sein. Dagegen hatte ich rein gar nichts einzuwenden, denn wir sind immer offen für neue Gesichter.
Und dann war er gekommen, der große Tag! Ausnahmsweise hatte ich gut geschlafen, eine Seltenheit in der Nacht vor der Session. Ich tätigte letzte Einkäufe, checkte E-mails der potentiellen Gäste und ging eine Runde im Park spazieren, um den Kopf freizubekommen. Meine Frau schmierte unterdessen fleißig Sandwiches. Ohne sie könnte ich die Sessions nie und nimmer stemmen, ihr gebührt ein ganz großes Lob.
Gegen 16 Uhr rief mich Reza an und fragte, ob er seinen Verstärker mitbringen solle. Ich bejahte, denn es ist immer sicherer, wenn die Künstler mit ihrem eigenen Material ankommen. Wir haben zwar einen geliehenen Verstärker von Marshall, aber mit dem gab es auch schon das ein oder andere Problem. Reza erwies sich als wahrer Gentleman, er schleppte auch ein Mikro an, das Laura Gibson später benutzen durfte und borgte zudem Micah von Musée Mécanique seine Gitarre. Ohnehin eine enorm angenehme Erscheinung, dieser Reza Hatami. Im Alter von zwölf Jahren kam er mit seinen Eltern aus dem Iran nach Frankreich und spricht inzwischen akzentfrei französisch. In einem seiner schönsten und berührendsten Lieder, der Ballade Rain, geht es um seine Familie und ich bin immer sehr gerührt, wenn er textlich fragt: "Do you think they were happy, before they left their country?"
Aber vor seinem Set warteten wir erst einmal bis genügend Leute eintröpfelten. Ich mache immer drei Kreuze, wenn ich sehe, das ausreichend Gäste zusammenkommen, denn man kann sich nie sicher sein, daß auch alle erscheinen, die schriftlich zugesagt haben. Letztendlich waren wir 34, darunter so einige Amerikaner. Eine erfreuliche Resonanz!
Und dann schickte ich den guten Reza in den Ring. Ein paar Sätze zur Vorstellung, ein kurzes Dankeschön fürs Kommen und log ging es. Und zwar ganz schön laut. Reza hatte aus Angst, man könne ihn hinten nicht verstehen, den Verstärker viel zu stark aufgedreht und spielte das erste Lied mit einer Dezibelzahl, mit der man einen Saal für 500 Leute hätte beschallen können! Aber solche kleinen Pannen nehmen wir bei uns ganz sportlich, denn gerade das macht den Charme der Sessions aus. Ab dem zweiten Lied war der Sound dann auch perfekt und höchstens das Miauen unserer dicken Katze störte ab und an den wundervollen Vortrag von Reza. Wer den Singer - Songwriter nicht kennt, muss wissen, daß er normalerweise mit einer vierköpfigen Band (inklusive Kontrabass) unterwegs ist und teilweise richtig rockig werden kann. Hier und heute aber verließ er sich auf das Zusammenspiel von Stimme und Akustikgitarre. Und dieses Zusammenspiel klappte ganz hervorragend, denn Reza hat eine famose Baritonstimme und ein höchst elegantes und schnelles Gitarrenspiel in die Waagschale zu werfen. Zu Beginn zitterte seine Stimme zwar ein wenig vor Aufregung, dann aber wurde sie von Stück zu Stück sicherer und fester. Reza bekundete, daß er es ein wenig einschüchternd finde, so nah vor den Zuhörern zu spielen, das seien schon ganz besondere Bedingungen in einem Appartment. Und das stimmte natürlich, denn jeder guckt dir ganz genau auf die Finger, bemerkt jeden noch so kleinen Schnitzer und hört Dir hochaufmerksam zu. Eine Ruhe wie in unserer Wohung während einer Session, herrscht bei normalen Konzerten nie. Irritiert fragte Reza deshalb ein paar mal nach, ob bei den Gästen auch alles in Ordnung sei, sie seien so unglaublich leise.
Wobei sich das leise sein auf die Zeit während des Vortrages der Songs bezog. Nach jedem Lied brandete hingegen oft ein sehr lautstarker Beifall auf, der den Franzosen sichtlich beflügelte und auch rührte. Er dankte es dem Publikum mit einigen Perlen seines glänzenden zweiten Albums Moonless, darunter Child und The Letter. Das düstere, fast psychedelische The Flying Girl befindet sich allerdings schon auf der ersten EP des Musikers. Ich hätte ihm stundenlang zuhören können, aber er beendete sein Set bereits nach 35 Minuten mit Back Home. Stürmischer Applaus brandete auf und er versüßte uns den Abend dann noch mit einer gelungenen Coverversion des eigentlich absolut scheußlichen 80 er Jahre Klassikers The Final Countdown von Europe.
Unsere Gäste begannen nun, sich auf das Buffet zu stürzen und Bekanntschaft zu schließen. Wir haben inzwischen einige Stammgäste, aber mit jeder Session stoßen neue Gesichter hinzu. Ungemein bereichernd, auf diese Weise soziale Kontakte zu schließen und Leute aus allen möglichen Ländern kennenzulernen. Dass ich bei 35 Gästen nicht die Gelegenheit habe, mit jedem ausgiebig zu plaudern, sollte sich von selbst verstehen. Aber ich versuche dennoch, allen das (wahrhaft empfundene) Gefühl zu geben, willkommen zu sein. Ein besonderes Anliegen ist mir die Betreuung der jeweiligen Künstler. Im konkreten Falle hatte Laura Gibson mich um einen Tee mit Honig gebeten, um ihre kränkelnde Stimme zu ölen. Ich hatte auch schon das Wasser aufgesetzt, aber völlig vergessen, es vom Herd zu nehmen. So sprudelte das Wasser fast 45 Minuten lang auf der Herdplatte vor sich hin, denn es stand bereits vor (!) dem Konzert von Reza da. Etwas betröpfelt schaute Laura auf den Topf, in dem nur eine Pfütze dümpelte, weil der Rest inzwischen verdunstet war. Ich entschuldigte mich mehrfach und setzte ihr neues Wasser auf. Peinlich! Aber sie reagierte unglaublich lieb und nahm mir das nicht übel. Dabei wollte ich doch alles tun, um sie einsatzfähig zu kriegen! Sogar ein Grippemedikament trieb ich auf und irgendwie bildete ich mir ein, daß das zumindest psychologisch geholfen haben mag, denn Laura spielte quasi beschwerdefrei durch und musste erst bei der Zugabe einmal kurz husten.
Aber es gab noch ein anderes Problem. Sean von Musée Mécanique brauchte für sein Minikeyboard 5 AA Batterien. Soviel hatte ich nicht im Hause! Mist! Was jetzt? Ich wollte unbedingt, daß er das Instrument einsetzen kann und fackelte nicht lange, stieß die Tür auf und eilte bei eisigen Temperaturen im T-Shirt zum nächsten arabischen Tante Emma Laden, um die Batterien aufzutreiben. Mit drei Päckchen unterm Arm kam ich wieder und Laura, Micah und Sean hatten schon alles aufgebaut und waren spielbereit. Sean steckte die Batterien in sein Keyboard und ich war in der glücklichen Situation ganz besondere musikalische Gäste ankündigen zu dürfen: "Listen everybody. I'm very glad to present you Laura Gibson and Micah and Sean from Musée Mécanique. For me it's like a dream come true to have Laura here, I can't believe it! They were touring all over Europe. They have played in Germany Holland, Switzerland, Holland, Belgium, Austria and in The UK. Today it's their last concert of the tour. So make yourself comfortable and let's start"
Laura trat ans Mikro und warnte schon einmal sicherheitshalber vor, daß sie erkältet und nicht bei Stimme sei. Aber diese Warnung war wie bereits erörtert unangebracht, sie sang ganz ausgezeichnet. Überhaupt ihre Stimme: so herrlich warm, betörend und mit einer jazzigen Note versehen, die ihr einen wunderbar altmodischen Charme verleiht. Als käme das Ganze von einem alten Grammofon, so in etwa klingt das bei Fräulein Gibson. Während ich diese Zeilen schreibe, läuft gerade die Tonbandaufnahme von diesem Konzert auf meinem Kopfhörer und ich bin wirklich sehr gerührt, wenn ich Laura singen höre. Ich bin nicht der Einzige, dem es so erging, ein paar unserer Gäste haben mir hinterher gestanden, daß sie mit Tränen in den Augen dem wundervollen Vortrage gelauscht hatten. Aber nicht nur Lauras tolle Stimme war erwähnenswert, sondern auch die brillante musikalische Begleitung durch Sean und Micah. Die beiden spielten auf engstem Raume so unglaublich gekonnt und perfekt getimt Melodica, Glockenspiel, Banjo, singende Säge und Keyboard, daß es mir den Atem verschlug. Laura alleine auf der Akustikgitarre wäre schon herrlich gewesen, aber mit den lieblichen Glöckchen, der einfühlsamen Melodica und der himmelhochjauchzenden Säge war das ganze noch eine Spur schöner und aufregender. Sensationell wie es die drei Musiker schafften, in einem Wohnzimmer die Lieder von Lauras Alben authentisch nachzuspielen!
Jeder einzelne Song war ein veritables Kleinod, so daß ich nicht sagen kann, ob mir der Opener Come By Storm, der schwungvolle Hit Hands In Pockets oder das von herrlichen Chorgesängen getragene O Frailty besser gefallen hat.
Aber es gab nicht nur die Lieder, die zur besonderen Atmosphäre beitrugen, sondern auch die vielen kleinen Anekdoten, Erläuterungen und Zwischenfälle. Laura erklärte beispielsweise, daß sie sehr ungeschickt sei und beim Stimmen ihrer Gitarre diese oft gegen einen Gegenstand haue ("I'm very glumsy"), während Micah zur gleichen Zeit versuchte, ein Fenster zu schließen. Da dieser Vorgang etwas länger dauerte, rief ich ihm auf englisch zu, daß er den Hebel nach oben ziehen müsse, was er ganz cool und trocken mit folgenden Worten konterte: "We have windows in America too, Oliver." Großes Gelächter, aber ich erwiderte frech: "Ja schon, aber nicht so alte, wie wir in Paris! " Da musste der Musiker herzhaft schmunzeln.
Dann sollte das Publikum mitmachen. Den dadada- Singalong zu dem walzerähnlichen Nightwatch bekamen vor allem die weiblichen Gästen super hin und unser Wohnzimmer wurde von einem improvisierten Sängerchor und der unglaublich laut vibrierenden singenden Säge beschallt. Laura schien zufrieden und erklärte, daß dieses Lied auf der Tour unterschiedlich funktionierte. Die Deutschen (mit Ausnahme der Berliner!) hätten das ganz toll hinbekommen, aber am besten sei es in kleinen deutschen Städten gelaufen. Kleine deutsche Städte? "Meinst Du München, rief ich leicht provokant herein und Micah erwiderte: "No, we mean very small towns."
Noch witziger in diesem Zusammenhang: die Schweizer hatten das Mitgesinge nach Lauras Meinung überhaupt nicht drauf gehabt. Aber sie wolle niemanden verletzen. "Ob denn Schweizer im Raume seien? Nein? Dann ist ja gut"...
In der Folge performte Laura drei Lieder ganz alleine. Beim Traditional All The Pretty Horses ( das sie als "sweet lullaby turns screepy cowboy song" bezeichnete) war ihre Stimme so pur, rein und nahegehend wie ich das nach ihrem Hustauftritt in der Flèche d'or nicht zu Träumen gewagt hätte. Traumhaft! Auch ihr Guitarpicking war sehr grazil, sie arbeitet viel mit ihrem langen Zeigefinger ,den sie gekonnt über die Nylonsaiten strich. Country Country hatte sie für ein Thaterstück geschrieben, was bei ihr alte Erinnerungen ans Tageslicht beförderte. Sie hätte eigentlich nie sonderlich viel Gück mit Theaterstücken gehabt, denn in der Highschool sollte sie den Gesangespart von Bye Bye Birdie übernehmen, war aber so nervös ("frozen" wie sie es plastisch ausdrückte), daß sie es verpatzte und bei der offiziellen Aufführung des Stückes an den Vorhang verbannt wurde! Dumm gelaufen! Dabei waren die anwesenden Eltern alle so stolz auf ihre Kinder und lobten sie in den höchsten Tönen ("Oh Johnny, I knew you were meant for the stage, oh Tina, it's your very special night", köstlich wie Laura die Lobhuldeleien der Eltern schilderte!), was Lauras Mutter dazu veranlasste, ein Schild hochzahlten, auf dem stand: "You do the courtains, Laura Gibson!"
Eine wahrlich amüsante Anekdote, auf die der traurige Funeral Song folgte, bevor Micah und Sean zurückkamen und gemeinsam das feine Stück Where Have All your Good Words Gone? performten, bei dem die Säge noch eimmal divenhaft laut aufheulte. Dann durften die Jungs, die unglaublich froh waren, daß mal jemand ihren Bandnamen richtig ausspricht, allein ran und Micah sang im Stile eine Guy Garvey (Elbow) die an Simon & Garfunkel erinnernde Balladee Things That I Know. Musée Mécanique sind brillant, ihr im Januar erscheinendes Album muss ich unbedingt haben!
Unterdesen war die Zeit für die letzten zwei Lieder von Laura angebrochen. Sie schoß mir Pfeile durchs Herz, als sie erklärte, daß es für sie das Schönste sei, die Tour mit einem Wohnzimmerkonzert zu beenden. Ich bekam eine Gänsehaut und rang um Fassung, hatte aber Glück, daß Laura nun mit viel Schmiss Spirited schmetterte, ein Song, der musikalisch eine Mischung aus Alela Dianes The Pirate's Gospel und Mushaboom von Feist darstellt.
Mit dem Elisabeth Cotten Cover Shake Sugaree endete dann nach über eine Stunde dieses wundervolle Konzert und ich hatte das Gefühl, mein Weihnachtsgeschenk schon am 12. Dezember bekommen zu haben.
Was für eine herrliche Session zum Abschluß des Jahres! Wow, wow, wow!
Aber wie sollen wir nun bloß dieses Niveau halten?
Reza magistrale! Laura Gibson époustouflante! Une soirée magique!
Zugegebenermaßen hatte ich aber schon Gewehr bei Fuß, als ich las, daß sie am 10. Dezember in der Pariser Flèche d'or auf dem Programm stand. Ob da nicht ein Abstecher in unsere Wohnstube möglich wäre? Vielleicht am 11. Dezember? Oder am 13.? Den 12. hielt ich nicht für machbar, da ich am diesem Tage schon seit geraumer Zeit eine Oliver Peel Session mit Reza vereinbart hatte. Aber wie sollte ich Laura sagen, daß ich sie gerne bei uns begrüßen würde? Einfach eine E-mail bei MySpace schreiben? Zu unpersönlich! Sie über ihre private E-mail Adresse kontaktieren? Gute Idee, aber mich verließ ein wenig mein Mut. Was, wenn sie nicht auf das Konzept "House show" steht? Ach, wahrscheinlich würde sie einfach überhaupt nicht antworten...
Dann aber sah ich durch Zufall bei MySpace, daß mein Bekannter Morgan Caris, der hinter dem hervorragenden Projekt Flowers From The Man Who Shot Your Cousin steht, Laura Gibson kennt. Morgan war gerade wieder von Kanada nach Paris zurückgekehrt und ich traf ihn beim Konzert von This Is The Kit im Espace B. Ich brachte das Thema Laura Gibson zur Sprache. "Ob Laura nicht eine Session bei uns spielen würde, was meinst Du Morgan", raunzte ich ihn an. "Würdest Du sie fragen und den ersten Kontakt herstellen?" Er versprach zu helfen und hielt das Ganze auf für realistisch.
Ein paar Tage später hatte ich eine E-mail der besonderen Art in meinem Briefkasten. Das Schreiben stammte von... Laura Gibson selbst! Sie würde sehr gerne eine Home Show spielen und hätte am 11., 12., oder 13. Dezember Zeit dafür! Ich solle mir einfach einen Tag aussuchen. Ich war wie vom Blitz getroffen und musste sofort mit meiner Frau sprechen! Als sie meinen freudigen Blick sah, schwante ihr schon, worum es gehen würde. In ihrer direkten Art ließ sie mir ausrichten: "Am Freitag (11) geht es schon mal gar nicht, weil ich da sehr lange arbeite und danach wie tot ins Bett falle. Und wenn Du gedenkst, sie für Sonntag einzuladen, dann musst Du alles selbst vorbereiten, ich werde dann zu einer Freundin gehen. Ich brauch auch mal ein bißchen Ruhe!"
Peng, das saß! Ich verstand mein Frauchen vollkommen, wollte aber um jeden Preis Laura Gibson in unsere Bude kriegen. Ein solch charmantes Angebot einer derart talentierten Sängerin kann man doch nicht so mir nichts dir nichts ausschlagen! Aber was tun? Am Samstag dem 12. die Session mit Reza stemmen und am Sonntag das ganze Essen für die Gäste alleine vorbereiten? Davor graute mir! Zu anstrengend ist es, solche Sessions zu organisieren und durchzuführen. Im Grunde genommen fühle ich mich vor und hinterher immer absolut platt. Nein, der einzige Weg war zwei Sessions am Samstag zu machen. Ich mußte Reza anschreiben, um ihn zu fragen, ob er damit einverstanden wäre. Ich hatte ziemlichen Bammel, denn ich kann verstehen, daß ein Künstler verschnupft reagiert, wenn man ihm einen weiteren, noch dazu bekannteren Act hinzubucht. Aber Reza reagierte ganz fantastisch. Er richtete aus, daß ihm das nichts ausmache und er sich auch freue, Laura Gibson live zu sehen. Er machte lediglich zur Bedingung als Erster an den Start zu gehen und ich sollte außerdem dafür sorgen, seine CD Moonless ein wenig zu promoten. Letzteres war für mich selbstverständlich, schließlich lief das vorzügliche Album bei mir seit Wochen in Dauerschleife. Somit stand fest, daß es am 12. Dezember eine doppelte Session geben würde. Reza und Laura Gibson im Doppelpack, wahrlich eine ganz feine Sache!
In der Folge stand das übliche Vorbereitungsprozedere auf dem Programm: Einladungs E-mails an Freunde und Bekannte verschicken, mit den Künstlern bestimmte Details absprechen und natürlich Einkäufe erledigen, da die Gäste verköstigt werden möchten und auch nicht auf dem Trockenen sitzen wollen. Zwar bringen viele ein Fläschen Wein, Süßigkeiten oder Blumen mit, aber darauf kann man nicht sicher zählen. Wir selbst, sprich meine Frau und ich, sehen zu, daß wir genug Bier, Wein und Softdrinks haben und überlegen auch, was wir zum Essen anbieten können. Wir entschieden uns diesmal für Sandwichs mit unterschiedlichen Belägen, da diese immer Abnehmer finden.
Am Donnerstag, dem 10. Dezember, trat dann Laura Gibson zusammen mit Musée Mécanique in der Flèche d'or auf (Infos, Setlist, Videos dazu unten). Für mich war es selbstverständlich, bei dieser Veranstaltung auf der Matte zu stehen. Erstens wollte ich mir den musikalischen Teil nicht entgehen lassen und zweitens natürlich unbedingt die Gelegenheit nutzen, Laura Gibson persönlich kennenzulernen. Und diese ergab sich dann vor ihrem Konzert. Ziemlich nervös lief sie durch die Flèche d'or und hatte verständlicherweise auch nicht den Kopf frei, sich länger mit mir zu unterhalten. Ich konnte das nachvollziehen, denn mir war klar, daß sie vor ihrem Auftritt Ruhe haben wollte und gedanklich noch ein paar Abläufe durchging. Hinzu kam, daß sie gesundheitliche Probleme hatte. Ein hartnäckiger Schnupfen, verbunden mit einem unangenehmen Husten, machten ihr schwer zu schaffen. Für Sänger bzw Sängerinnen natürlich besonders störend. Aber sie riss sich in bemerkenswerter Weise zusammen und absolvierte zusammen mit Micah und Sean von Musée Mécanique, die zuvor einen ganz vorzüglichen Auftritt mit ihrem eigenen Projekt hingelegt hatten, ein wundervolles Konzert. Ich war entzückt und enorm angetan. Was für ein Talent! Welch traumhaft schöne Stimme! Und was für eine angenehm natürliche Ausstrahlung! Daß sie wirklich sehr nett und zugänglich ist, konnte ich dann am Merchandising Stand erfahren. Wir unterhielten uns ganz entspannt und sie war lieb und herzensgut. Auch Micah und Sean waren mir auf Anhieb sympatisch und ich hatte sogar noch die Gelegenheit, ihren exzellenten deutschen Tourmanager kennzulernen, der neben Laura auch noch einige andere Granaten (u.a. Alela Diane, Calexico, Lambchop, Rickie Lee Jones, Magnetic Fields, etc.) betreut. So ganz nebenbei bekundeten auch noch vier junge Amerikanerinnen, die das Konzert genossen hatten, ihr Interesse bei unserer Session mit Laura dabei zu sein. Dagegen hatte ich rein gar nichts einzuwenden, denn wir sind immer offen für neue Gesichter.
Und dann war er gekommen, der große Tag! Ausnahmsweise hatte ich gut geschlafen, eine Seltenheit in der Nacht vor der Session. Ich tätigte letzte Einkäufe, checkte E-mails der potentiellen Gäste und ging eine Runde im Park spazieren, um den Kopf freizubekommen. Meine Frau schmierte unterdessen fleißig Sandwiches. Ohne sie könnte ich die Sessions nie und nimmer stemmen, ihr gebührt ein ganz großes Lob.
Gegen 16 Uhr rief mich Reza an und fragte, ob er seinen Verstärker mitbringen solle. Ich bejahte, denn es ist immer sicherer, wenn die Künstler mit ihrem eigenen Material ankommen. Wir haben zwar einen geliehenen Verstärker von Marshall, aber mit dem gab es auch schon das ein oder andere Problem. Reza erwies sich als wahrer Gentleman, er schleppte auch ein Mikro an, das Laura Gibson später benutzen durfte und borgte zudem Micah von Musée Mécanique seine Gitarre. Ohnehin eine enorm angenehme Erscheinung, dieser Reza Hatami. Im Alter von zwölf Jahren kam er mit seinen Eltern aus dem Iran nach Frankreich und spricht inzwischen akzentfrei französisch. In einem seiner schönsten und berührendsten Lieder, der Ballade Rain, geht es um seine Familie und ich bin immer sehr gerührt, wenn er textlich fragt: "Do you think they were happy, before they left their country?"
Aber vor seinem Set warteten wir erst einmal bis genügend Leute eintröpfelten. Ich mache immer drei Kreuze, wenn ich sehe, das ausreichend Gäste zusammenkommen, denn man kann sich nie sicher sein, daß auch alle erscheinen, die schriftlich zugesagt haben. Letztendlich waren wir 34, darunter so einige Amerikaner. Eine erfreuliche Resonanz!
Und dann schickte ich den guten Reza in den Ring. Ein paar Sätze zur Vorstellung, ein kurzes Dankeschön fürs Kommen und log ging es. Und zwar ganz schön laut. Reza hatte aus Angst, man könne ihn hinten nicht verstehen, den Verstärker viel zu stark aufgedreht und spielte das erste Lied mit einer Dezibelzahl, mit der man einen Saal für 500 Leute hätte beschallen können! Aber solche kleinen Pannen nehmen wir bei uns ganz sportlich, denn gerade das macht den Charme der Sessions aus. Ab dem zweiten Lied war der Sound dann auch perfekt und höchstens das Miauen unserer dicken Katze störte ab und an den wundervollen Vortrag von Reza. Wer den Singer - Songwriter nicht kennt, muss wissen, daß er normalerweise mit einer vierköpfigen Band (inklusive Kontrabass) unterwegs ist und teilweise richtig rockig werden kann. Hier und heute aber verließ er sich auf das Zusammenspiel von Stimme und Akustikgitarre. Und dieses Zusammenspiel klappte ganz hervorragend, denn Reza hat eine famose Baritonstimme und ein höchst elegantes und schnelles Gitarrenspiel in die Waagschale zu werfen. Zu Beginn zitterte seine Stimme zwar ein wenig vor Aufregung, dann aber wurde sie von Stück zu Stück sicherer und fester. Reza bekundete, daß er es ein wenig einschüchternd finde, so nah vor den Zuhörern zu spielen, das seien schon ganz besondere Bedingungen in einem Appartment. Und das stimmte natürlich, denn jeder guckt dir ganz genau auf die Finger, bemerkt jeden noch so kleinen Schnitzer und hört Dir hochaufmerksam zu. Eine Ruhe wie in unserer Wohung während einer Session, herrscht bei normalen Konzerten nie. Irritiert fragte Reza deshalb ein paar mal nach, ob bei den Gästen auch alles in Ordnung sei, sie seien so unglaublich leise.
Wobei sich das leise sein auf die Zeit während des Vortrages der Songs bezog. Nach jedem Lied brandete hingegen oft ein sehr lautstarker Beifall auf, der den Franzosen sichtlich beflügelte und auch rührte. Er dankte es dem Publikum mit einigen Perlen seines glänzenden zweiten Albums Moonless, darunter Child und The Letter. Das düstere, fast psychedelische The Flying Girl befindet sich allerdings schon auf der ersten EP des Musikers. Ich hätte ihm stundenlang zuhören können, aber er beendete sein Set bereits nach 35 Minuten mit Back Home. Stürmischer Applaus brandete auf und er versüßte uns den Abend dann noch mit einer gelungenen Coverversion des eigentlich absolut scheußlichen 80 er Jahre Klassikers The Final Countdown von Europe.
Unsere Gäste begannen nun, sich auf das Buffet zu stürzen und Bekanntschaft zu schließen. Wir haben inzwischen einige Stammgäste, aber mit jeder Session stoßen neue Gesichter hinzu. Ungemein bereichernd, auf diese Weise soziale Kontakte zu schließen und Leute aus allen möglichen Ländern kennenzulernen. Dass ich bei 35 Gästen nicht die Gelegenheit habe, mit jedem ausgiebig zu plaudern, sollte sich von selbst verstehen. Aber ich versuche dennoch, allen das (wahrhaft empfundene) Gefühl zu geben, willkommen zu sein. Ein besonderes Anliegen ist mir die Betreuung der jeweiligen Künstler. Im konkreten Falle hatte Laura Gibson mich um einen Tee mit Honig gebeten, um ihre kränkelnde Stimme zu ölen. Ich hatte auch schon das Wasser aufgesetzt, aber völlig vergessen, es vom Herd zu nehmen. So sprudelte das Wasser fast 45 Minuten lang auf der Herdplatte vor sich hin, denn es stand bereits vor (!) dem Konzert von Reza da. Etwas betröpfelt schaute Laura auf den Topf, in dem nur eine Pfütze dümpelte, weil der Rest inzwischen verdunstet war. Ich entschuldigte mich mehrfach und setzte ihr neues Wasser auf. Peinlich! Aber sie reagierte unglaublich lieb und nahm mir das nicht übel. Dabei wollte ich doch alles tun, um sie einsatzfähig zu kriegen! Sogar ein Grippemedikament trieb ich auf und irgendwie bildete ich mir ein, daß das zumindest psychologisch geholfen haben mag, denn Laura spielte quasi beschwerdefrei durch und musste erst bei der Zugabe einmal kurz husten.
Aber es gab noch ein anderes Problem. Sean von Musée Mécanique brauchte für sein Minikeyboard 5 AA Batterien. Soviel hatte ich nicht im Hause! Mist! Was jetzt? Ich wollte unbedingt, daß er das Instrument einsetzen kann und fackelte nicht lange, stieß die Tür auf und eilte bei eisigen Temperaturen im T-Shirt zum nächsten arabischen Tante Emma Laden, um die Batterien aufzutreiben. Mit drei Päckchen unterm Arm kam ich wieder und Laura, Micah und Sean hatten schon alles aufgebaut und waren spielbereit. Sean steckte die Batterien in sein Keyboard und ich war in der glücklichen Situation ganz besondere musikalische Gäste ankündigen zu dürfen: "Listen everybody. I'm very glad to present you Laura Gibson and Micah and Sean from Musée Mécanique. For me it's like a dream come true to have Laura here, I can't believe it! They were touring all over Europe. They have played in Germany Holland, Switzerland, Holland, Belgium, Austria and in The UK. Today it's their last concert of the tour. So make yourself comfortable and let's start"
Laura trat ans Mikro und warnte schon einmal sicherheitshalber vor, daß sie erkältet und nicht bei Stimme sei. Aber diese Warnung war wie bereits erörtert unangebracht, sie sang ganz ausgezeichnet. Überhaupt ihre Stimme: so herrlich warm, betörend und mit einer jazzigen Note versehen, die ihr einen wunderbar altmodischen Charme verleiht. Als käme das Ganze von einem alten Grammofon, so in etwa klingt das bei Fräulein Gibson. Während ich diese Zeilen schreibe, läuft gerade die Tonbandaufnahme von diesem Konzert auf meinem Kopfhörer und ich bin wirklich sehr gerührt, wenn ich Laura singen höre. Ich bin nicht der Einzige, dem es so erging, ein paar unserer Gäste haben mir hinterher gestanden, daß sie mit Tränen in den Augen dem wundervollen Vortrage gelauscht hatten. Aber nicht nur Lauras tolle Stimme war erwähnenswert, sondern auch die brillante musikalische Begleitung durch Sean und Micah. Die beiden spielten auf engstem Raume so unglaublich gekonnt und perfekt getimt Melodica, Glockenspiel, Banjo, singende Säge und Keyboard, daß es mir den Atem verschlug. Laura alleine auf der Akustikgitarre wäre schon herrlich gewesen, aber mit den lieblichen Glöckchen, der einfühlsamen Melodica und der himmelhochjauchzenden Säge war das ganze noch eine Spur schöner und aufregender. Sensationell wie es die drei Musiker schafften, in einem Wohnzimmer die Lieder von Lauras Alben authentisch nachzuspielen!
Jeder einzelne Song war ein veritables Kleinod, so daß ich nicht sagen kann, ob mir der Opener Come By Storm, der schwungvolle Hit Hands In Pockets oder das von herrlichen Chorgesängen getragene O Frailty besser gefallen hat.
Aber es gab nicht nur die Lieder, die zur besonderen Atmosphäre beitrugen, sondern auch die vielen kleinen Anekdoten, Erläuterungen und Zwischenfälle. Laura erklärte beispielsweise, daß sie sehr ungeschickt sei und beim Stimmen ihrer Gitarre diese oft gegen einen Gegenstand haue ("I'm very glumsy"), während Micah zur gleichen Zeit versuchte, ein Fenster zu schließen. Da dieser Vorgang etwas länger dauerte, rief ich ihm auf englisch zu, daß er den Hebel nach oben ziehen müsse, was er ganz cool und trocken mit folgenden Worten konterte: "We have windows in America too, Oliver." Großes Gelächter, aber ich erwiderte frech: "Ja schon, aber nicht so alte, wie wir in Paris! " Da musste der Musiker herzhaft schmunzeln.
Dann sollte das Publikum mitmachen. Den dadada- Singalong zu dem walzerähnlichen Nightwatch bekamen vor allem die weiblichen Gästen super hin und unser Wohnzimmer wurde von einem improvisierten Sängerchor und der unglaublich laut vibrierenden singenden Säge beschallt. Laura schien zufrieden und erklärte, daß dieses Lied auf der Tour unterschiedlich funktionierte. Die Deutschen (mit Ausnahme der Berliner!) hätten das ganz toll hinbekommen, aber am besten sei es in kleinen deutschen Städten gelaufen. Kleine deutsche Städte? "Meinst Du München, rief ich leicht provokant herein und Micah erwiderte: "No, we mean very small towns."
Noch witziger in diesem Zusammenhang: die Schweizer hatten das Mitgesinge nach Lauras Meinung überhaupt nicht drauf gehabt. Aber sie wolle niemanden verletzen. "Ob denn Schweizer im Raume seien? Nein? Dann ist ja gut"...
In der Folge performte Laura drei Lieder ganz alleine. Beim Traditional All The Pretty Horses ( das sie als "sweet lullaby turns screepy cowboy song" bezeichnete) war ihre Stimme so pur, rein und nahegehend wie ich das nach ihrem Hustauftritt in der Flèche d'or nicht zu Träumen gewagt hätte. Traumhaft! Auch ihr Guitarpicking war sehr grazil, sie arbeitet viel mit ihrem langen Zeigefinger ,den sie gekonnt über die Nylonsaiten strich. Country Country hatte sie für ein Thaterstück geschrieben, was bei ihr alte Erinnerungen ans Tageslicht beförderte. Sie hätte eigentlich nie sonderlich viel Gück mit Theaterstücken gehabt, denn in der Highschool sollte sie den Gesangespart von Bye Bye Birdie übernehmen, war aber so nervös ("frozen" wie sie es plastisch ausdrückte), daß sie es verpatzte und bei der offiziellen Aufführung des Stückes an den Vorhang verbannt wurde! Dumm gelaufen! Dabei waren die anwesenden Eltern alle so stolz auf ihre Kinder und lobten sie in den höchsten Tönen ("Oh Johnny, I knew you were meant for the stage, oh Tina, it's your very special night", köstlich wie Laura die Lobhuldeleien der Eltern schilderte!), was Lauras Mutter dazu veranlasste, ein Schild hochzahlten, auf dem stand: "You do the courtains, Laura Gibson!"
Eine wahrlich amüsante Anekdote, auf die der traurige Funeral Song folgte, bevor Micah und Sean zurückkamen und gemeinsam das feine Stück Where Have All your Good Words Gone? performten, bei dem die Säge noch eimmal divenhaft laut aufheulte. Dann durften die Jungs, die unglaublich froh waren, daß mal jemand ihren Bandnamen richtig ausspricht, allein ran und Micah sang im Stile eine Guy Garvey (Elbow) die an Simon & Garfunkel erinnernde Balladee Things That I Know. Musée Mécanique sind brillant, ihr im Januar erscheinendes Album muss ich unbedingt haben!
Unterdesen war die Zeit für die letzten zwei Lieder von Laura angebrochen. Sie schoß mir Pfeile durchs Herz, als sie erklärte, daß es für sie das Schönste sei, die Tour mit einem Wohnzimmerkonzert zu beenden. Ich bekam eine Gänsehaut und rang um Fassung, hatte aber Glück, daß Laura nun mit viel Schmiss Spirited schmetterte, ein Song, der musikalisch eine Mischung aus Alela Dianes The Pirate's Gospel und Mushaboom von Feist darstellt.
Mit dem Elisabeth Cotten Cover Shake Sugaree endete dann nach über eine Stunde dieses wundervolle Konzert und ich hatte das Gefühl, mein Weihnachtsgeschenk schon am 12. Dezember bekommen zu haben.
Was für eine herrliche Session zum Abschluß des Jahres! Wow, wow, wow!
Aber wie sollen wir nun bloß dieses Niveau halten?
Reza magistrale! Laura Gibson époustouflante! Une soirée magique!
Setlist Laura Gibson, Oliver Peel Session # 14, Paris:
01: Come By Storm
02: Hands In Pockets
03: Postures bent
04: O Frailty
05: Nightwatch
06: All The Pretty Horses (Traditional)
07: Country, Country
08: Funeral Song
09: Where Have All Your Good Words Gone?
10: Things That I Know (Musée Mecanique)
11: Spirited
12: Shake Sugaree (Elizabeth Cotten)
Hier gibt es ein famoses Video von einem Auftritt in der Old Church in Portland. Laura Gibson performt Spirited.
Setlist Reza, Oliver Peel Session # 14, Paris (merci à Reza)
01: Desert Land
02: Waiting
03: Flying Girl
04: Rain
05: Child
06: Remake
07: The Letter
08: Back Home
09: The Final Countdown (Europe Cover)
Videos von dieser Oliver Peel Session von Uschi (danke, Uschi!):
- Laura Gibson - Hands In Pockets
- Laura Gibson - Come By Storm
- Laura Gibson - Where Have All Your Good Words Gone
Reza - Flying Girl
Reza - Rain
Reza- Save My Life
Exkurs:
- Musée Mécanique in einer charmanten Session von Le-hiboo.com (klick!) Sie performen Things That I Know im Restaurant der Flèche d'or. Auf verlinkter Seite von le-hiboo gibt es auch zwei sehr schöne Livevideos von Musée Mécanique. Nothing Glorious und Under Glass. Desweiteren auch drei feine Videos vom Auftritt von Laura Gibson in der Flèche d'or. Hands In Pockets, Come By Storm und Shadows on Parade.
Tres belles vidéos de Musée Mécanique et de Laura Gibson @ La Flèche d'or sur le hiboo. C'est par ici
Setlist Laura Gibson, La Flèche d'or, Paris:
01: Shadows On Parade
02: Hands In Pockets
03: Come By Storm
04: O Frailty/Postures Bent
05: Nightwatch
06: All The Pretty Horses (Traditional)
07: Conutry, Country
08: Where Have All Your Good Words Gone?
09: Sweet Deception
10: Spirited
11: Glory
12: Take This Waltz (Leonhard Cohen Cover)
Setlist Musée Mécanique, La Flèche d'or, Paris:
01: Two Friends Like Us
02: Under Glass
03: Nothing Glorious
04: Things That I Know
05: Somehow Bound
06: SleepingIn Other Clothes
07: Southern Road
3 Kommentare :
ganz wunderbare setlist! und so lange hat laura gespielt! großartig! ich bin gespannt auf bilder und mehr, überhaupt!
die videos von uschi sind leider für den weiteren gebrauch gesperrt. so gibts keine nachbetrachtung im klienicum. sehr schade.
Nein, nein,
das sind lediglich Spuren von zwei Pere Ubu-Videos, die David Thomas persoenlich 'runternehmen lassen hat.
Eins hat er mir sogar geklaut und jetzt auf seinem eigenen Kanal!! Mit der Anmerkung "... filmed by a fan ... "
Alle anderen Videos gehen : )
Uschi
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