Konzert: The Sisters Of Mercy (& I Like Trains)
Ort: E-Werk, Köln
Datum: 06.03.2009
Zuschauer: ausverkauft
Dauer: The Sisters Of Mercy 85 min, I Like Trains 35 min
Wieder einmal solch ein Spontanentschluß, mit denen ich so oft schon großes Glück hatte. Mit den Sisters Of Mercy sollte eine meiner Lieblingsbands - vor 20 Jahren - im Kölner E-Werk auftreten. Das hätte noch nicht ausgereicht, nach Köln zu fahren. Doch eine meiner aktuellen Lieblingsgruppen, I Like Trains (früher: iLiKETRAiNS), sollte supporten; so war ich auch erst darauf aufmerksam geworden, daß Andrew Eldritch und Band auf Tour sind.
Im E-Werk war ich viel zu lange nicht mehr. Wie gut doch diese Kulisse zu dem passte, was ich erwartete! Meine ersten Wünsche wurden sofort erfüllt, denn das Publikum sah zu großen Teilen exakt so aus, wie sich das für ein Sisters Konzert (meiner Vorstellung nach) gehört. Schwarz ist das neue Schwarz... Lackhosen, Röcke, die man in Supermärkten oder Banken eher selten sieht, Sisters Of Mercy T-Shirts jeglichen Alters und Zustands und ganz wundervolle Frisuren. Bei den Ende dreißig bis Mitte vierzig Jahre alten Männern fiel mir auf, wie pragmatisch doch Wave- oder Goth-Frisuren sind. Geheimratsecken sind bei Trägern dieser Stile nämlich kein akutes Problem, die Seiten sind wegrasiert, die Haare sehen ewig jung aus. Praktisch!
Das Publikum scheint sich aber doch verändert zu haben, denn ich bekam ein fachmännisches Urteil eines Nachbar mit, der seit den 80er zu der Band aus Leeds geht (also zu der alten; I Like Trains kommen ja auch aus der nordenglischen Stadt): "Es ist weniger schwarz als früher." Nun denn!
Die weniger-schwarz-Aussage galt nicht für die Vorgruppe. I Like Trains, die im vergangenen Jahr einiges verändert haben (wir haben darüber geschrieben), trugen nicht mehr die vertrauten weißen Hemden mit Trauerflor. Sänger David Martin und seine Kollegen Gitarrist Guy Bannister, Bassist Alistair Bowis und Schlagzeuger Simon Fogal hatten dunkle Uniformen an. Ob das englische Bahn-Juppen waren, weiß ich nicht, eher sahen sie nach Marine-Jacken aus. David trug zwei Streifen am Arm, die andern einen, alles streng hierarchisch.
Um halb neun begannen I Like Trains mit Terra Nova. Mein dauerhaftes Einreden, ich sollte bloß die Band nicht mit der Zeit vor der Trennung von ihrem Hornisten (und der damit fehlenden visuellen Unterstützung der Lieder) vergleichen, scheint aufzugehen; der Auftritt, der folgte, fand ohne faden Beigeschmack statt. Das E-Werk mit seiner kühlen Industrie-Architektur, heute mit sensationellem Licht ausgeleuchtet, der Nebel... all das passte vollkommen perfekt zur düsteren, beeindruckenden Musik der (jungen) Leedser - oder mit mehr Pathos: I Like Trains spielten so etwas wie den Soundtrack zum E-Werk und Terra Nova war der perfekte Song für dessen Beginn.
Das nächste Stück kannte ich nicht. Divorce before marriage ist neu und wurde auf dieser Support-Tour, aber noch nicht im November vergangenen Jahres gespielt. Damals war mir bei einem der beiden im Pretty Vacant gespielten Lieder aufgefallen, daß es eine fröhlichere Melodie als die veröffentlichen I Like Trains Songs hat. Auch Divorce before marriage mit der Refrainzeile "Close your bright eyes" hörte sich eine Ecke weniger düster an. Es ist immer noch tieftraurig, nicht daß ich da falsche Eindrücke hinterlasse. Dafür sorgt schon Davids Stimme. Aber verglichen mit solchen Horror-Songs wie Stainless steel, ist Divorce before marriage lebensbejahend. Vermutlich handelt das Stück aber von einer unfassbar tragischen Geschichte, die ich aber leider noch nicht kenne. Bemerkenswert bei dem Lied war auch, daß Alistair und vor allem Guy (hierbei am Keyboard) eine ganze Background-Strophe gesungen haben. Vielleicht macht alleine das - nämlich die andere Stimmlage - schon einen helleren Eindruck.
Es folgte ein weiteres neues Lied. "Das ist unsere neue Single, sie heißt A sea of regrets." Die Melodie des Stücks ist anfangs noch fröhlicher als die von Divorce before marriage. Ganz offensichtlich verändert sich die Band hier, was ich als schade empfände. Allerdings schlägt A Sea of regrets einen anderen Weg ein, denn das Stück wird schneller, dunkler und lauter, bis es nach ewigen Zeiten in den so typischen I Like Trains Gitarren mündet, gespielt von zappelnden Bandmitglieder. Fabelhaft, ohne Abstriche! Meine Gedanken vorher, daß diese optimistischen Songs ein Zugeständnis an den berechtigten Wunsch nach größerem kommerziellen Erfolg sind, spülte der herrliche Krach leicht und locker weg! I Like Trains haben sich weiterentwickelt, große Angst habe ich aber nicht vor dem wann auch immer kommenden Album.
Nach ein paar kleineren Problemen mit Davids Gitarre folgte ein grandioses The voice of reason. Höhepunkt dieser 35 sehr guten Minuten war allerdings Spencer Perceval zum Abschluß, dieses ewig lange Stück über einen im 19. Jhd. ermordeten britischen Premier. Aufregend dabei war vor allem die zweite Stimme des Keyboarders und Gitarristen Guy. Auf Platte war mir nie so richtig aufgefallen, wie schön die Stellen gegen Ende sind, an denen David und Guy singen. Und irgendwann schrammelten sie wieder ihre Instrumente in Grund und Boden und hinterließen ein beeindrucktes E-Werk. Glaube ich zumindest. Es könnte aber auch sein, daß I Like Trains dem Publikum etwas zu düster waren - mir gefielen iLiKETRAiNS 2.0 sehr gut, und Applaus gab es reichlich.
Setlist I Like Trains, E-Werk, Köln:
01: Terra Nova
02: Divorce before marriage (neu)
03: A sea of regrets (neu)
09: Susanne
10: Arms (neu)
11: Dominion
12: Mother Russia
13: Summer
14: First and last and always
15: This corrosion
16: Flood II
17: Something fast (Z)
18: Vision thing (Z)
19: Lucretia (Z)
20: Top Nite Out (instr.) (Z)
21: Temple of love (Z)
Aus unserem Archiv:
- I Like Trains, Düsseldorf, 28.11.08
- iLiKETRAiNS, Frankfurt, 15.04.08
- iLiKETRAiNS, Paris, 08.04.08
- iLiKETRAiNS, Köln, 16.11.07
- iLiKETRAiNS, Paris, 31.10.07
- iLiKETRAiNS, Paris, 12.10.06
- Fotos aus dem E-Werk
Ort: E-Werk, Köln
Datum: 06.03.2009
Zuschauer: ausverkauft
Dauer: The Sisters Of Mercy 85 min, I Like Trains 35 min
Wieder einmal solch ein Spontanentschluß, mit denen ich so oft schon großes Glück hatte. Mit den Sisters Of Mercy sollte eine meiner Lieblingsbands - vor 20 Jahren - im Kölner E-Werk auftreten. Das hätte noch nicht ausgereicht, nach Köln zu fahren. Doch eine meiner aktuellen Lieblingsgruppen, I Like Trains (früher: iLiKETRAiNS), sollte supporten; so war ich auch erst darauf aufmerksam geworden, daß Andrew Eldritch und Band auf Tour sind.
Im E-Werk war ich viel zu lange nicht mehr. Wie gut doch diese Kulisse zu dem passte, was ich erwartete! Meine ersten Wünsche wurden sofort erfüllt, denn das Publikum sah zu großen Teilen exakt so aus, wie sich das für ein Sisters Konzert (meiner Vorstellung nach) gehört. Schwarz ist das neue Schwarz... Lackhosen, Röcke, die man in Supermärkten oder Banken eher selten sieht, Sisters Of Mercy T-Shirts jeglichen Alters und Zustands und ganz wundervolle Frisuren. Bei den Ende dreißig bis Mitte vierzig Jahre alten Männern fiel mir auf, wie pragmatisch doch Wave- oder Goth-Frisuren sind. Geheimratsecken sind bei Trägern dieser Stile nämlich kein akutes Problem, die Seiten sind wegrasiert, die Haare sehen ewig jung aus. Praktisch!
Das Publikum scheint sich aber doch verändert zu haben, denn ich bekam ein fachmännisches Urteil eines Nachbar mit, der seit den 80er zu der Band aus Leeds geht (also zu der alten; I Like Trains kommen ja auch aus der nordenglischen Stadt): "Es ist weniger schwarz als früher." Nun denn!
Die weniger-schwarz-Aussage galt nicht für die Vorgruppe. I Like Trains, die im vergangenen Jahr einiges verändert haben (wir haben darüber geschrieben), trugen nicht mehr die vertrauten weißen Hemden mit Trauerflor. Sänger David Martin und seine Kollegen Gitarrist Guy Bannister, Bassist Alistair Bowis und Schlagzeuger Simon Fogal hatten dunkle Uniformen an. Ob das englische Bahn-Juppen waren, weiß ich nicht, eher sahen sie nach Marine-Jacken aus. David trug zwei Streifen am Arm, die andern einen, alles streng hierarchisch.
Um halb neun begannen I Like Trains mit Terra Nova. Mein dauerhaftes Einreden, ich sollte bloß die Band nicht mit der Zeit vor der Trennung von ihrem Hornisten (und der damit fehlenden visuellen Unterstützung der Lieder) vergleichen, scheint aufzugehen; der Auftritt, der folgte, fand ohne faden Beigeschmack statt. Das E-Werk mit seiner kühlen Industrie-Architektur, heute mit sensationellem Licht ausgeleuchtet, der Nebel... all das passte vollkommen perfekt zur düsteren, beeindruckenden Musik der (jungen) Leedser - oder mit mehr Pathos: I Like Trains spielten so etwas wie den Soundtrack zum E-Werk und Terra Nova war der perfekte Song für dessen Beginn.
Das nächste Stück kannte ich nicht. Divorce before marriage ist neu und wurde auf dieser Support-Tour, aber noch nicht im November vergangenen Jahres gespielt. Damals war mir bei einem der beiden im Pretty Vacant gespielten Lieder aufgefallen, daß es eine fröhlichere Melodie als die veröffentlichen I Like Trains Songs hat. Auch Divorce before marriage mit der Refrainzeile "Close your bright eyes" hörte sich eine Ecke weniger düster an. Es ist immer noch tieftraurig, nicht daß ich da falsche Eindrücke hinterlasse. Dafür sorgt schon Davids Stimme. Aber verglichen mit solchen Horror-Songs wie Stainless steel, ist Divorce before marriage lebensbejahend. Vermutlich handelt das Stück aber von einer unfassbar tragischen Geschichte, die ich aber leider noch nicht kenne. Bemerkenswert bei dem Lied war auch, daß Alistair und vor allem Guy (hierbei am Keyboard) eine ganze Background-Strophe gesungen haben. Vielleicht macht alleine das - nämlich die andere Stimmlage - schon einen helleren Eindruck.
Es folgte ein weiteres neues Lied. "Das ist unsere neue Single, sie heißt A sea of regrets." Die Melodie des Stücks ist anfangs noch fröhlicher als die von Divorce before marriage. Ganz offensichtlich verändert sich die Band hier, was ich als schade empfände. Allerdings schlägt A Sea of regrets einen anderen Weg ein, denn das Stück wird schneller, dunkler und lauter, bis es nach ewigen Zeiten in den so typischen I Like Trains Gitarren mündet, gespielt von zappelnden Bandmitglieder. Fabelhaft, ohne Abstriche! Meine Gedanken vorher, daß diese optimistischen Songs ein Zugeständnis an den berechtigten Wunsch nach größerem kommerziellen Erfolg sind, spülte der herrliche Krach leicht und locker weg! I Like Trains haben sich weiterentwickelt, große Angst habe ich aber nicht vor dem wann auch immer kommenden Album.
Nach ein paar kleineren Problemen mit Davids Gitarre folgte ein grandioses The voice of reason. Höhepunkt dieser 35 sehr guten Minuten war allerdings Spencer Perceval zum Abschluß, dieses ewig lange Stück über einen im 19. Jhd. ermordeten britischen Premier. Aufregend dabei war vor allem die zweite Stimme des Keyboarders und Gitarristen Guy. Auf Platte war mir nie so richtig aufgefallen, wie schön die Stellen gegen Ende sind, an denen David und Guy singen. Und irgendwann schrammelten sie wieder ihre Instrumente in Grund und Boden und hinterließen ein beeindrucktes E-Werk. Glaube ich zumindest. Es könnte aber auch sein, daß I Like Trains dem Publikum etwas zu düster waren - mir gefielen iLiKETRAiNS 2.0 sehr gut, und Applaus gab es reichlich.
Setlist I Like Trains, E-Werk, Köln:
01: Terra Nova
02: Divorce before marriage (neu)
03: A sea of regrets (neu)
04: The voice of reason
05: Spencer Perceval
Dann wurde es scheußlich...
Obwohl ich schon beim Opener Crash and burn dachte, daß irgendetwas ganz schrecklich schief laufe, wurde die wahre Qualität des Abends erst nach und nach deutlich. Ribbons (einmal ein Hit) und Train liefen auch noch vollkommen an mir vorbei, bevor sich langsam der Nebel senkte.
Sänger und (vormals) Mastermind Andrew Eldritch trug Glatze und die alberne Sonnenbrille, die er immer schon hatte, Militaryhosen und ein schwarzes offenes Hemd. Ausgestattet war er mit einem Funkmikro, das er meist beidhändig benutzte. Begleitet wurde er von einem Gitarristen und einem Bassisten (auf der anderen Seite der Bühne; ich bin recht sicher, daß er Bass und nicht auch Gitarre spielte). Der Gitarrist, ein Schönling mit langer, lockiger Frisur, poste ohne Unterlaß mit einem Bein auf der Monitorbox und spielte Guitar Hero. Sein Bass-Kollege (Namen kenne ich nicht, mag ich aber entgegen anderer Gewohnheiten auch nicht raussuchen), eigentlich auch Glatzkopf, hatte ein paar Resthaare zu einer Igelfrisur gebastelt und eine Sonnenbrille "im Haar". Solche Typen sieht man sonst nur in Ballermann Reportagen auf Kabel 1 oder bei Big Brother. Offenbar hatte Igel mit Poser gewettet, wer die schlechteren Posen hinbekomme. Ich möchte das nicht entscheiden müssen, beide waren unerträglich. Andrew rannte in der Zwischenzeit über die Bühne und sang oder brüllte in sein Mikro.
Äußerlichkeiten, dachte ich noch. Aber das war es eben nicht, denn viel schlimmer als die Outfits waren die musikalischen Qualitäten. Da ich recht früh in der Sisters Geschichte ausgestigen bin, kannte ich wenige der späteren Sachen. Aber ich erkannte auch die so vertrauten Lieder kaum, weil sie so schäbig und seelenlos runtergespult wurden. Neben den drei Musikern gab es niemanden auf der Bühne. Bitte korrigiert mich, wenn ich die einfach übersehen haben sollte. Im dichten Nebel möchte ich das nicht komplett ausschließen, ich gehe aber nicht davon aus. Schlagzeug und alles andere kam also vom Band. Vermutlich dachte sich Eldritch, was bei Madonna klappt, muß bei mir auch funktionieren.
Das Konzert lief dann also so ab, daß sich die drei Schießbudenfiguren nach einem Lied - und dem immer kleiner werdenden Applaus - wieder aufstellten, recht schnell das nächste Playback startete und die beiden von Right Said Fred und der Bon Jovi Imitator einstiegen, um schlechte Coverversionen der Sisters Of Mercy Lieder zu spielen. Heute morgen habe ich im Radio zwei Ausgehtips gehört. In Rüdesheim gab es ein Konzert der Coverband Die Fachärzte, irgendwo in der Nähe eine klingt-wie-U2-Band. Ich bin sehr sicher, beide haben das Programm ihrer Vorlagenbands besser drauf als die Sisters Of Mercy.
Ich war ganz froh, daß viele Lieder kamen, die ich nicht kannte, denn die waren zwar schlecht, haben mich aber nicht enttäuscht. Songs wie Flood I dagegen waren schlicht eine Unverschämtheit. Ganz besonders gruselig hörte sich Marian an, dieser Knüller mit deutschem Teil-Text. Als Krönung hatte hier der alberne Gitarrist intensive Gesangsparts, die das Lied in Grund und Boden stampften.
Aber da war ich lange schon über den Punkt hinaus, mich zu ärgern. Mir war es egal, was da passierte. Mein einziger verbleibender Wunsch war, daß nicht 1959 gespielt würde, damit ich mein liebstes Lied der Band irgendwann noch einmal wertfrei hören kann.
Eine dreiminütige (!) This corrosion Karaoke Nummer belehrte mich dann noch einmal, daß es immer noch schlechter werden kann. Allerdings bin ich recht sicher, damit schon das ekelhafteste Livelied des Jahres gehört zu haben, auch wenn irgendwann noch LaFee kommen sollte.
Auch die beiden Zugabenblöcke sollten irgendwie überstanden werden. Eigentlich hielt mich aber schon ab der Mitte des Konzerts nur noch die Aussicht, durch das proppevolle E-Werk gehen zu müssen, davon ab, früher abzuhauen. Und eine gewisse Sensationsgier, nur wirklich über das schreiben zu wollen, was ich ganz gesehen habe.
Das beste Lied des Sets war Vision thing, aber auch danach kam mit Temple of love noch ein echter Tiefschlag.
Mir taten all die Leute leid, die 50 oder 60 Euro für diese Unverschämtheit bezahlt haben! Die einen musikalischen Selbstmord ihrer alten Lieblinge erleben mussten. Ich habe mich am Mittag noch über die Idioten totgelacht, die im Sommer in London Michael Jackson raus aus den Schulden helfen. Abends war ich einer von ihnen. Ähnlich wie bei Jacko war auch bei den Sisters Of Mercy der Nebel das einzig Echte.
Aber in jedem Dunkel gibt es dann auf wundersame Weise wieder ein Lichtlein. Denn ein wundervolles Lied sollte noch kommen: Where is my mind von den Pixies. Auch vom Band, nachdem die Sisters Of Mercy die Bühne verlassen hatten. Und ein schönes Fazit des Abends.
Setlist The Sisters Of Mercy, E-Werk, Köln:
01: Crash and burn
02: Ribbons
03: Train
04: Alice
05: Flood I
06: Floorshow
07: Anaconda
08: Marian05: Spencer Perceval
Dann wurde es scheußlich...
Obwohl ich schon beim Opener Crash and burn dachte, daß irgendetwas ganz schrecklich schief laufe, wurde die wahre Qualität des Abends erst nach und nach deutlich. Ribbons (einmal ein Hit) und Train liefen auch noch vollkommen an mir vorbei, bevor sich langsam der Nebel senkte.
Sänger und (vormals) Mastermind Andrew Eldritch trug Glatze und die alberne Sonnenbrille, die er immer schon hatte, Militaryhosen und ein schwarzes offenes Hemd. Ausgestattet war er mit einem Funkmikro, das er meist beidhändig benutzte. Begleitet wurde er von einem Gitarristen und einem Bassisten (auf der anderen Seite der Bühne; ich bin recht sicher, daß er Bass und nicht auch Gitarre spielte). Der Gitarrist, ein Schönling mit langer, lockiger Frisur, poste ohne Unterlaß mit einem Bein auf der Monitorbox und spielte Guitar Hero. Sein Bass-Kollege (Namen kenne ich nicht, mag ich aber entgegen anderer Gewohnheiten auch nicht raussuchen), eigentlich auch Glatzkopf, hatte ein paar Resthaare zu einer Igelfrisur gebastelt und eine Sonnenbrille "im Haar". Solche Typen sieht man sonst nur in Ballermann Reportagen auf Kabel 1 oder bei Big Brother. Offenbar hatte Igel mit Poser gewettet, wer die schlechteren Posen hinbekomme. Ich möchte das nicht entscheiden müssen, beide waren unerträglich. Andrew rannte in der Zwischenzeit über die Bühne und sang oder brüllte in sein Mikro.
Äußerlichkeiten, dachte ich noch. Aber das war es eben nicht, denn viel schlimmer als die Outfits waren die musikalischen Qualitäten. Da ich recht früh in der Sisters Geschichte ausgestigen bin, kannte ich wenige der späteren Sachen. Aber ich erkannte auch die so vertrauten Lieder kaum, weil sie so schäbig und seelenlos runtergespult wurden. Neben den drei Musikern gab es niemanden auf der Bühne. Bitte korrigiert mich, wenn ich die einfach übersehen haben sollte. Im dichten Nebel möchte ich das nicht komplett ausschließen, ich gehe aber nicht davon aus. Schlagzeug und alles andere kam also vom Band. Vermutlich dachte sich Eldritch, was bei Madonna klappt, muß bei mir auch funktionieren.
Das Konzert lief dann also so ab, daß sich die drei Schießbudenfiguren nach einem Lied - und dem immer kleiner werdenden Applaus - wieder aufstellten, recht schnell das nächste Playback startete und die beiden von Right Said Fred und der Bon Jovi Imitator einstiegen, um schlechte Coverversionen der Sisters Of Mercy Lieder zu spielen. Heute morgen habe ich im Radio zwei Ausgehtips gehört. In Rüdesheim gab es ein Konzert der Coverband Die Fachärzte, irgendwo in der Nähe eine klingt-wie-U2-Band. Ich bin sehr sicher, beide haben das Programm ihrer Vorlagenbands besser drauf als die Sisters Of Mercy.
Ich war ganz froh, daß viele Lieder kamen, die ich nicht kannte, denn die waren zwar schlecht, haben mich aber nicht enttäuscht. Songs wie Flood I dagegen waren schlicht eine Unverschämtheit. Ganz besonders gruselig hörte sich Marian an, dieser Knüller mit deutschem Teil-Text. Als Krönung hatte hier der alberne Gitarrist intensive Gesangsparts, die das Lied in Grund und Boden stampften.
Aber da war ich lange schon über den Punkt hinaus, mich zu ärgern. Mir war es egal, was da passierte. Mein einziger verbleibender Wunsch war, daß nicht 1959 gespielt würde, damit ich mein liebstes Lied der Band irgendwann noch einmal wertfrei hören kann.
Eine dreiminütige (!) This corrosion Karaoke Nummer belehrte mich dann noch einmal, daß es immer noch schlechter werden kann. Allerdings bin ich recht sicher, damit schon das ekelhafteste Livelied des Jahres gehört zu haben, auch wenn irgendwann noch LaFee kommen sollte.
Auch die beiden Zugabenblöcke sollten irgendwie überstanden werden. Eigentlich hielt mich aber schon ab der Mitte des Konzerts nur noch die Aussicht, durch das proppevolle E-Werk gehen zu müssen, davon ab, früher abzuhauen. Und eine gewisse Sensationsgier, nur wirklich über das schreiben zu wollen, was ich ganz gesehen habe.
Das beste Lied des Sets war Vision thing, aber auch danach kam mit Temple of love noch ein echter Tiefschlag.
Mir taten all die Leute leid, die 50 oder 60 Euro für diese Unverschämtheit bezahlt haben! Die einen musikalischen Selbstmord ihrer alten Lieblinge erleben mussten. Ich habe mich am Mittag noch über die Idioten totgelacht, die im Sommer in London Michael Jackson raus aus den Schulden helfen. Abends war ich einer von ihnen. Ähnlich wie bei Jacko war auch bei den Sisters Of Mercy der Nebel das einzig Echte.
Aber in jedem Dunkel gibt es dann auf wundersame Weise wieder ein Lichtlein. Denn ein wundervolles Lied sollte noch kommen: Where is my mind von den Pixies. Auch vom Band, nachdem die Sisters Of Mercy die Bühne verlassen hatten. Und ein schönes Fazit des Abends.
Setlist The Sisters Of Mercy, E-Werk, Köln:
01: Crash and burn
02: Ribbons
03: Train
04: Alice
05: Flood I
06: Floorshow
07: Anaconda
09: Susanne
10: Arms (neu)
11: Dominion
12: Mother Russia
13: Summer
14: First and last and always
15: This corrosion
16: Flood II
17: Something fast (Z)
18: Vision thing (Z)
19: Lucretia (Z)
20: Top Nite Out (instr.) (Z)
21: Temple of love (Z)
Aus unserem Archiv:
- I Like Trains, Düsseldorf, 28.11.08
- iLiKETRAiNS, Frankfurt, 15.04.08
- iLiKETRAiNS, Paris, 08.04.08
- iLiKETRAiNS, Köln, 16.11.07
- iLiKETRAiNS, Paris, 31.10.07
- iLiKETRAiNS, Paris, 12.10.06
- Fotos aus dem E-Werk
23 Kommentare :
ein verriss, ein verriss! ich freu mich und bin gespannt auf deine erläuternden worte!
Der Verriss ist heute nacht entstanden und für meine Verhältnisse sehr böse. Muß nur gleich noch etwas Zeit reinstecken. Aber es war scheußlich!
Kann mich nur anschließen: Dieses Konzert war eine Frechheit!!!
Alle Lieder hatten den gleichen Rhythmus und alles war ein Soundbrei.
Hier handelt Herr Eldritch wohl nach dem Motto:
Ich war nicht mehr ganz so jung und brauchte das Geld!!!
Frechheit!!!
...solche Konzerte fallen unter die Kategorie "Flogging a dead Horse!" - wenigstens lohnen sich ILikeTrains
Wann denn endlich? Wann denn endlich? Wenn wir hier bald den ersten richtigen Verriss von Christoph lesen können, dann hat sich der Abend doch auf jeden Fall gelohnt :)
Kein Verriß des Verrisses wegen!
Über das Konzert am Vortag in Wiesbaden habe ich das gehört, was Du geschrieben hast.
Im Nachhinein bin ich froh, dass ich mir dieses Mal die Sisters gespart habe. Trotzdem musste ich an den letztens Auftritt der Band im E-Werk denken. Was glaubst Du, wie viel ich damals von der Bühne von Balkon aus gesehen habe? ;)
na ja. wer sich früh bei den sisters ausgeklingt hat und die letzten Entwicklungen nicht kennt, ist natürlich mehr enttäuscht.
Ich habe nach den letzten Erfahrungen mit nicht viel gerechnet.
Leider ist es dafür aber tatsächlich doch noch weniger geworden.
Die Sisters haben nun gar nix mehr mit der alten Band zu tun. Die Konzerte wird man sich wohl für immer schenken können.
Marian fand ich hingegen noch das Beste des Gebrummels.
Sie bleiben für mich immer noch die größte Band - auf CD oder wie auch immer ... nur nicht mehr live.
Die Sisters haben genau das geboten was zu erwarten war. Andrew war noch nie ein guter Sänger und das abgesehen von Gitarre und Bass alles andere vom Band kommt, war auch schon früher so. Vielleicht hättest du da vorher etwas recherchieren sollen. Trotzdem war das gestrige Konzert wirklich kein Highlight, in den letzten Jahren waren die Sisters insgesamt doch etwas besser.
Das bei Madonna die Musik vom Band kommt ist übrigens nur ein dummes Vorurteil. Vielleicht solltest du dich demnächst mal spontan für ein Madonna Konzert entscheiden?? Kann ich nur empfehlen. Tickets fürs Bercy gehen nächste Woche in den Vorverkauf. :-)
Ich gebe Dir recht, daß ich mich vorher hätet informieren können. Ich hatte mir aber nicht in wüstesten Träumen vorstellen können, daß ein Konzert der Sisters so sein könnte. Ganz sicher wäre ich aber auch nie auf die Idee gekommen (ja auch die letzten Jahre nicht), das Konzert anzusehen, wenn nicht eine meiner liebsten Bands Vorgruppe gewesen wäre.
Madonna habe ich (werde ich auch nicht) nie live gesehen. Ich habe es also noch nicht selbst erlebt, wie sie singt. Aber mehrere herrlich böse Fernsehberichte haben die Konzerte einmal auseinandergenommen. Ich kann mir nur schwer vorstellen, daß man tanzend, rennend und turnend in CD Qualität singen kann. Ich denke, man erwartet aber auch bei Madonna Konzerten weniger perfekten Livegesang als perfekte Show. Mir ist allerdings solche Show-Musik sehr egal.
In der Tat eines der schlechtesten, wenn nicht sogar das schlechteste, Konzerte der letzten Jahre. Banale Rockmusik, die Bands wie Sand am Meer abliefern. Nix mehr da vom alten Glanz - lieblos dargebrachte Allerweltsmucke. Klappe zu - Affe tot.
By the Way - wer sich darüber wundert, dass kein Schlagzeug zu sehen war: Das war es noch nie, denn seit Anbeginn aller Tage agiert die Drummachine Dr. Avalanche.
Dies sollte man eigentlich wissen, wenn man die Sisters kennt!
...irgendwie habe ich das Gefühl, was verpasst zu haben. Wäre ich doch - natürlich nur wegen I Like(d) Trains - mitgekommen, dann hätte ich wahrscheinlich noch meinen Enkeln was zu erzählen :)
sehr ausführlich und sehr treffend!
Bei Dr. Avalanche bimmelt irgendwas tief in meinem Gedächtnis. Aber hey, zuletzt intensiv habe ich mich mit der Band vor Erfindung des Internet beschäftigt! :-)
Also das Drums vom Band kommen war ja klar (Verweis Drummachine Dr. Avalanche), aber auch ansonsten ist das was ich hier lese genau das, was ich erwartet hätte. Habe die Sisters in den letzten 10 Jahren zweimal auf Festivals gesehen und war beide male enttäuscht, ich glaub die können das einfach nicht besser. Allerdings hätte ich gerne iLiKETRAiNS gesehen, vorallem mal in einer größeren Halle .. hoffentlich demnächst, wenn sich ihre Klasse rumgesprochen hat ;-)
LG Micha
... hätte man 3 Sandsäcke auf die nebelige Bühne gestellt und die alten CDs runtergespielt wäre mehr Atmosphäre entstanden.
Nun gut, sie bzw. er (Eldritch) wird auch älter und muß sich seine Kraft wohl einteilen.
Was der lockige Gitarrenfuzzi sich da zusammengehampelt hat ging aber gar nicht.
Geht nicht hin - behaltet sie lieber in guter Erinnerung.
Auch der Konzertbericht auf koeln.de lässt kein gutes Haar an dem missratenen Konzert:
Konzertbericht
Nebel, Bass- und insbesondere Drumcomputer sind ja das Markenzeichen der Sisters und deswegen sicherlich kein Grund, das Konzert zu bemängeln! Ich kann jedoch nachvollziehen, dass man als 'nicht-vorbereiteter' Zuschauer von der Darbietung am Freitagabend enttäuscht war: Die Stimme von Eldritch war viel zu leise abgemischt und teilweise nur zu erahnen. Ausserdem hätten ein paar Ansagen zwischen den Songs sicherlich auch nichts geschadet um die Stimmung in der Halle aufzulockern. Aber ansonsten hat der Auftritt voll meine Erwartungen erfüllt und ich bin froh, dass ich DAS Idol meiner Jugend nochmal live erleben durfte.
PS: absolut besch... fand ich jedoch die Unmengen an egoistischen Raucher, die meinten, das Rauchverbot in der Halle gilt nicht für sie. Wirklich schade, dass für diese Leute 'Rücksichtnahme' ein Fremdwort ist.
"Dear Doktor, I am unattractiv, sexually immachure, lazy, stupid and meen. What career would sute me best?
Journalism.
If you fail there, try music journalism."
[quelle: http://www.thesistersofmercy.com/misc/deardok.htm]
wer die sisters in den letzten jahren erlebt hat, hat mit genau dem gerechnet, was es zu sehen gab. ich bin seit 93 auf jeder tour und konnte somit die entwicklung des sounds, hin zu mehr eiern, mitverfolgen und begrüße sie. wer im rockbusiness stehen bleibt, zeigt lediglich dass es ihm an der fähigkeit sich selbst weiter zu entwickeln fehlt. bei bowie wird jede veränderung als chamäleonartige rock-metamorphose und brillante selbst-neu-erfindung gefeiert, der gemeine goth hingegen scheut scheinbar jegliche veränderung und besteht beharrlich auf dem althergebrachten und bekannten. würde andrew die ganze geschichte des geldes wegen machen, sähen sisters-gigs seit 1985 gleich aus.
aber vielleicht war der köln-gig echt beschissen... ich war zu dieser tour in dresden und war gerade vom sound und andrews guter laune sowie von seinen kommentaren begeistert - kann ja auch an der location liegen.
im übrigen spielen ben christo(der bon-jovi-verschnitt) und chris catalyst(der skinhead-poser) beide gitarre und der bass kommt vom band... seit jahren schon! womit wir beim einzigen kritikpunkt wären, den ich teilen möchte - es kommt zu viel vom band und andrew sollte aufpassen nicht eines tages nur als karaoke-show zu touren...
beste grüße
wd
nachtrag:
vielleicht sollten wir uns i like trains im jahre 2032 gemeinsam ansehen und schauen, was von ihnen nach 28 jahren bandgeschichte geblieben ist...
nochmal liebe grüße
wd
Ich fand Sisters Of Mercy damals schon miserabel. Keine wichtige Band.
Ganz im Gegensatz zu Wire und der Gang Of Four, die ich mir demnächst live ansehen werde. So.
so! :D
Ist schon alt das Review, aber ich muss meinen Senf doch noch dazu geben.
Das war ein typisches Sisters Konzert und wer die letzten Jahre die Entwicklung der Band nicht mitbekommen hat ist dann leider enttäuscht.
Bei mir war es anderst rum, ich fand I Like Trains nur schlecht.....
Kommentar veröffentlichen