Montag, 30. Juni 2008

Amadou & Mariam, Le Rock Dans Tous Ses Etats, Evreux, 27.06.08


Konzert: Amadou & Mariam

Ort: Festival Le Rock Dans Tous Ses Etats, Evreux
Datum: 28.06.2008
Zuschauer: tausende
Bühne: Scène A
Konzertdauer: ca. 50 Minuten


Nach dem Konzert von 65daysofstatic war ich so beeindruckt, dass ich den Auftritt von Moriarty so gut wie verpasste. Ich sah zwar von weitem die charismatische Sängerin Rosemary, bekam aber lediglich noch 3 Lieder mit, weil ich in eine angeregte Unterhaltung mit Fabien, dem Chefredaktuer von Soundofviolence vertieft war, der intimer Kenner und Fan von 65daysofstatic ist und mir so manches interessante Detail zu der Post-Rock Band erzählte.

Um 20 Uhr 10 stieg ich aber wieder ins Programm ein, denn das blinde malische Pärchen Amadou & Mariam war am Start. Ihr Album "Un Dimanche à Bamako" hatte 2005 für so manche positive Schlagzeile in der Fachpresse gesorgt und selbst in England ist das aus Bamako, Afrika stammenden Duo inzwischen bekannt und erfolgreich. Bester Beweis hierfür ist, dass sie beim renommierten und glänzend besetzten Lattitude Festival im britischen Suffolk Headliner auf der Uncut Arena Bühne sein werden.

Insofern hatte ich durchaus hohe Erwartungen, wer auf der Insel als Nichtbrite Headliner ist, muss doch stark sein, oder nicht?

Viele meiner Konzertbekannten waren da aber schon im Vorfeld anderer Meinung, sie gingen schnurstracks zu dem Franzosen Tahiti 80, der parallel im Papa Mobil auftrat.

Leider sollten sie mit ihrer skeptischen Haltung Amadou & Mariam gegenüber recht behalten. Das schon leicht betagte Duo bot ziemlich banale musikalische Kost und die Texte und Botschaften, die ausgesendet wurden, glichen auch eher Allgemeinplätzen:

"Pour la solidarité des peuples et la paix, contre la hypocrisie et la démagogie, contre les dictateurs" - diese Sonntagsreden, die wohl auch Leute verstehen dürften, die kein französisch beherrschen, kamen doch arg bemüht und bieder rüber. Wer sollte diesen gutgemeinten Worten auch widersprechen, schliesslich dürfte ausser den Diktatoren selbst, niemand etwas für diese korrupten Typen, die mit dicken Protzwagen durch bitterarme afrikanische Länder fahren und für viel Elend mitverantwortlich sind, übrig haben.

Andererseits muss man natürlich auch bedenken, dass die jungen Generationen in Westeuropa unglaubliches Glück haben, dass keine Kriege mehr geführt werden und Friedenszeiten und Wohlstand als selbstverständlich ansehen. Insofern ist man da z.B. in Deutschland und Frankreich sicherlich sehr verwöhnt und irritiert, wenn Künstler plötzlich mit solchen recht banal wirkenden politischen Aussagen kommen.

"On va danser et chanter ensemble" (wir werden gemeinsam singen und tanzen), war in der Folge oft die Aufforderung von Amadou und Mariam fügte hinzu: "c'est la joie de vivre" - das ist Lebensfreude.

Und Lebensfreude und Anmut verkörperten dann auch insbesondere die beiden hübschen Tänzerinnen mit ihren schönen Gewändern, die hochelegant im Takt der Musik wippten, die man aus einem Stilmix aus Rock und afrikanischen Klängen bezeichnen könnte.

Das blinde Pärchen stand hingegen eher statisch in der Mitte der Bühne. Amadou entlockte seiner stylischen Gitarre allerdings das ein oder andere gelungene Riff. Und die Lebenskraft und der Mut trotz ihrer Blindheit zu musizieren ist bewunderswert und rührend!

Dennoch, ihre Musik war leider nicht wirklich überzeugend. Alles irgendwie eine Spur zu flach und zu simpel, auch wenn das Ziel, Leute zum Tanzen zu animieren durchaus erreicht wurde.

Und wenn zudem der Effekt eingetreten ist, dass sich junge Leute in Westeuropa mit den Problemen in Afrika auseinandersetzen (medizinische Versorgung, Krankheitsepidemien, Hunger, Bügerkriege), dann haben Amadou & Mariam in der Tat etwas bewegt!

"Est-ce que ça va?" (in etwa so, wie wenn Peter Maffay brummelt: seid ihr gut drauf, Leute?), fragte Amadou alle 5 Minuten und meine Antwort war: ja! Das Wetter war herrlich, die Stimmung gut und das Essen, das ich hinterher konsequenterweise in dem afrikanischen Imbiss-Stand einnahm, mundete vorzüglich. Die munteren Damen führten sogar ein kleines Tänzchen vor! Toll!

Fazit: Afrika ist ein spannender Kontinent, den ich auch schon mehrfach besucht habe und jedem als Reiseziel nur empfehlen kann. Musikalisch rate ich anstatt zu Amadou & Mariam aber eher zu vorzüglichen Künstlern wie Tinariwen, Ali Farka Touré (leider verstorben), Tartit, oder Toumani Diabate.

Ansonsten spreche ich mich aber an dieser Stelle (weil es hier wirklich passt), klar für Weltoffenheit und Toleranz aus. Schlimme Rechtspopulisten wie Le Pen, die über zu viele schwarze Gesichter in der französischen Fussball-Nationalmannschaft wettern, dürfen nicht nur in Frankreich keine Chance mehr haben!






 

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