Dienstag, 3. Februar 2009

Sam Amidon, Paris, 02.02.09


Konzert Sam Amidon

Ort: Le Pop In, Paris
Datum: 02.02.2009
Zuschauer: geschätzte 50-60
Konzertdauer: ca. 45 Minuten



Wenn ein hochtalentierter amerikanischer Singer/Songwriter in einem kleinen intimen Pub wie dem Pariser Pop In gratis auftritt, kann ein Konzertjunkie mit Vorliebe für gute Folkmusik natürlich trotz ausgeprägter Müdigkeit und Antriebslosigkeit nicht widerstehen.

Allerdings ist fraglich, ob ich von dem Konzert ohne den Hinweis meines lieben Bloggerkollegen Eike vom Klienicum erfahren hätte. Der flinke Bajuware hatte nämlich schon vor ein paar Wochen einen Konzerttip für Sam Amidon (oder samamidon) ausgesprochen und diesen auch publik gemacht. Da habe ich dann kurzerhand mein kleines rotes Büchlein mit dem Kalender gezückt und deutlich sichtbar das kleine, feine Event eingetragen. Auch für den 3. Februar gibt es übrigens einen Eintrag für Sam Amidon, dieses Mal für den Gig im Privatclub Le Baron, der ebenfalls gratis sein wird. Aber greifen wir an dieser Stelle noch nicht vor...

Der heutige 2. Februar war ein naßkalter und grauer Wintertag, einer jener Tage also, an dem man am liebsten nicht das Haus verlassen möchte und sich die Decke weit über den Kopf zieht. Oder einen heißen Tee trinkt. Oder mit seiner Katze schmust. Irgendetwas in dieser Richtung, um dem Winterblues zu trotzen. Da traf es sich gar nicht gut, daß Handwerker die Decke in der Küche malerten, die die Nachbarin über uns mit ihrem Wasserrohrbruch versaut hatte. Renovierungsarbeiten in der Küche waren nämlich gleichbedeutend mit: Man kann sich nichts zu essen warm machen und auch den dringend nötigen Kaffee (ich benutze eine sogenannte italienische Kaffekanne, die man auf den Herd stellt) kann man sich abschminken!

Übellaunig wartete ich bis in den späten Nachmittag, bis die Maler abzogen. Dann waren auch noch nervige Erledigungen zu tätigen und meine Stimmung war auf dem Nullpunkt. Ich wollte fast den Konzertabend, auf den ich mich schon lange gefreut hatte, ausfallen lassen...

Gut, daß ich es nicht getan habe! Denn Sam Amidon entpuppte sich nicht nur als guter Sänger und Songwriter, sondern auch als ein überaus lustiger, unterhaltsamer und hochsympathischer Bursche! Auf der kleinen Bühne in der Kellergruft des Pop In verbüffte er das Publikum, darunter auch viele Amerikaner, mit plötzlichen Slapstickeinlagen und Jokes. Schon mal gesehen, daß jemand Liegestützen während eines Songs macht? Bei Sam gibt es so etwas! Auch cool: der Künstler singt ein Lied, in dem irgendwann eine Textstelle auftaucht, in der es um seine Mutter geht, unterbricht abrupt seinen bis dahin recht traurigen und getragenen Gesangesvortrag und fängt an, von einem seltsamen Traum zu erzählen, den er im Zusammenhang mit seiner Mum hatte. Er berichtete, daß er schweißgebadet aufgewacht sei und sich daran erinnern konnte, daß er in diesem Traum erst elf Jahre alt gewesen sei. Er ging die Treppe hinunter und von dort in den Garten und sah plötzlich seine Mutter durch die Fensterscheibe. Sie sei winzig klein gewesen, nur so groß wie er und als er näher kam, sei sie plötzlich wie eine Wilde rumgehüpft und stieß sehr seltsame Laute aus. Um dies plakativ darzustellen, machte Sam nach, wie das geklungen hatte und schnitt dabei Grimassen, die man so ähnlich von unserem Komiker Otto kennt (obwohl er selbst natürlich nicht den Ostfriesen, sondern Buster Keaton als Einfluss nennt). Mit seinem Wintermützchen und dem karierten Shirt sah der Amerikaner ohnehin recht witzig aus und es war verblüffend, wie er von tottraurig auf urkomisch umschalten konnte. Ein Typ, der wie der große, unvergessene Melancholiker Nick Drake klingt und Zoten im Stile von Otto raushaut, wahrlich eine ungewöhnliche Mischung! Und dann gackert der Kerl auch noch wie ein Huhn und behauptet (was so auch stimmt), daß er die meisten Ideen und Songs von seinen ebenfalls musizierenden Eltern geklaut habe! Vielleicht diente das Ganze dazu, ein wenig die Tragik und Depressivität aus seinen wunderschönen Liedern, die er mal an der Gitarre, mal am Banjo vortrug, herauszunehmen. Lieder, die von seinen beiden Alben But This Chicken Proved Falsehearted (2007) und All Is Well (2008) stammten. Vom Erstling kam zum Beispiel 1842, aber auch, und das war für mich, der mit dem Oeuvre des Künstlers noch nicht 100% vertraut ist, eine Überraschung, Head Over Heels von...ja von wem? Na klar, Tears For Fears! Als Enddreißger kannte ich den Song der recht mainstreamigen aber durchaus nicht schlechten Engländer natürlich noch sehr gut, aber Sam veräppelte sein jüngeres Publikum ein wenig, als er den Song nämlich als "Traditional Folk Song" ankündigte. Als ich hinterher einwarf, daß dies doch Tears for Fears gewesen seien und kein Traditional, meinte er nur flapsig: "Yeah! But it's Folk Music isn't it? And did they know what they were singing about? Anyway, they were a good band!"

Hmm, ich persönlich bevorzuge dann doch eher den Nachwuchs und zwar in der Gestalt jenes Mannes, der solch wundervolle Lieder wie das betörende und herzerweichende Saro sang, das geisterhafte O'Death nachschob, das Wedding Dress im Stile eines Nick Drake intonierte und am Ende mit dem trost-und hoffnungsspenden All Is Well abschloß. Eine Zugabe gönnte er dem heftig applaudierenden Publikum noch, dann war die Zeit gekommen, ein wenig Handel zu betreiben. Auf der Bühne selbst verkaufte der Blondschopf seine beiden Alben für schlappe 10 Euro pro Stück. Da kann man wirklich nicht meckern!

Auszug aus der Setlist samamidon, Le Pop In, Paris:

- 1842
- Head Over Heels (Tears For Fears Cover)
- Saro
- Wedding Dress
- Sugar Baby
- Fall On My Knees
- O'Death


Morgen also gleich noch einmal!


Links:

- Zur Vertiefung unbedingt den Artikel von Eike lesen!
- Videoclip samamidon Saro, wunderschön angucken!
- Videoclip Wedding Dress, charmant!
- Videoclip Tribulation mit Cowboyhut
- Mehr Fotos von den Slapstickeinlagen von samamidon und dem amüsierten Publikum





2 Kommentare :

E. hat gesagt…

mensch, schöööön! und wirklich kirre, der bursche! sport am arbeitsplatz, mach ich auch! bürostuhlsliden, kopfstand an der pinnwand oder bleistiftzielwurf! oliver!!! bitte beide alben für den bajuwaren einsackeln!!! denkst du dran oder soll ich dir einen notizzetteln falten?
danke für den bericht und den link!
(der hier ist auch ganz hübsch: http://dasklienicum.blogspot.com/2008/01/neue-tne-230-samamidon.html)

Oliver Peel hat gesagt…

Wenn ich es bis ins Baron schaffe und der Sam die CDs wieder dabei hat, greife ich für Dich zu, Eike!

Deinen neue Töne - Link habe ich bereits am Ende meines Berichts gesetzt ("Zur Vertiefung unbedingt unbedingt den Artikel von Eike lesen).

Aber doppelt gemoppelt hält besser und Du warst bei dem Burschen natürlich wieder enorm früh dran. Bravo, ich weiß das zu würdigen :-)

 

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