Konzert: Wire
Ort: La Maroquinerie, Paris
Datum: 27.09.2008
Zuschauer: ausverkauft
Konzertdauer: ca. 75 Minuten
Bin ich Punk?
Wenn ich mich so im Spiegel betrachte: nö, nicht wirklich. Zwar erkennt man den ehemaligen spießigen Jura- Studenten nur noch auf den zweiten Blick, aber trotz der langen (wenngleich inzwischen ein wenig schütteren) Haare, den oft schwarzen Klamotten und der (ebenfalls schwarzen) Militärkappe von Carhartt sehen echte Punks anders aus. Witzigerweise sehe ich auf dem Weg zum Wire Konzert ein paar originale Vertreter dieser Bewegung. Völlig versifft laufen sie die Rue Oberkampf entlang, räudige Hunde im Schlepptau und schnorren Passanten an: "Ey, haste mal ne Kippe, oder ey haste mal nen Euro", die Sprüche kennt man ja. Von dem schlechten Atem des Typen mit dem Irokesenschnitt wird mir ganz übel. Meine Güte, war der je in seinem Leben beim Zahnarzt? Ich bin etwas angewidert, da kommt der Spießer in mir durch. Dabei bin ich gerade auf dem Weg zu einem Punk-Konzert. Die echten Punks können sich so 'nen Gig gar nicht leisten. Gut 20 Euro für ein Konzert abdrücken? Hast Du 'ne Vollmeise, Alter?
Ein bißchen Punkspirit schreibe ich mir aber doch zu. Seitdem ich mit 16 oder 17 in meiner Indie-Disco Logo mit dem Virus Punk in Berührung kam, lässt mich zumindest die Musik nie so richtig los. Damals entdeckten meine Freunde und ich die Faszination, die von Bands wie den Ramones, The Clash, Siouxsie And The Banshees, The Fall, etc. ausging. Klaaus, der super DJ in dem ranzigen Schuppen, hat uns eingeheizt mit Sachen wie Somebody Put Something In My Drink (Ramones), Rock The Casbah (The Clash), Spellbound (Siouxsie) oder New Big Prinz (The Fall). "Rockin' records, rockin' records, rock the record rockin' records" (Text Mark E. Smith), ja das stachelte uns schon an. Wir hatten Blut geleckt! Und in meinem Falle auch Bier und Schnaps. Und zwar in rauen Mengen, ich war erst zufrieden, wenn ich besoffen war wie ein Schwein! Wenn mein Magen irgendwann revoltierte, raste ich auf die Toilette, hing mich über das Pinkelbecken und reierte das Ding randvoll. Dann wurde weitergesoffen. Und geraucht, filterlose Zigaretten mussten es sein, alles andere war für Mädchen. A propos Mädchen. Mit denen lief nicht viel, obwohl ich manchmal Avancen bekam. Aber da war der Song von den Dead Kennedys Programm: Too Drunk To Fuck! (Video hier). Also wenn ich es mir recht überlege, war ich damals doch recht punkig drauf! "Wir saufen und wir bürsten, wir sind die Fürsten", das war unser Leitspruch. "Sauf Junge!", schrie mich mal ein guter Freund an, da verstand er keinen Spass und ich folgte dem Befehl gehorsam. Anschliessend wurde nächtelang gezecht und um die Häuser gezogen, ein Wunder, daß in dem Zusatnd nichts Schlimmeres passiert ist. Aber wir hatten Dusel, irgendwie verlief alles immer glimpflich und dann wurden wir vernünftig. Sehr vernünftig. Spießig und strebsam. Jurastudenten eben.
Das Ganze ist jetzt fast 20 Jahre (die wilde Phase war zwischen 88 und 91) her und komischerweise waren die meisten Punkbands auch ähnlich lange inaktiv. Ihr Stil war einfach out, Techno war in den 90ern angesagt. Auch Wire haben zwischen 1991 und 2003 kein Album mehr veröffentlicht. Erst 2003, als das Post Punk Revival mit Bands wie Franz Ferdinand und Interpol einsetzte, kamen Wire wieder aus ihren Löchern gekrochen und brachten das Werk Send auf den Markt. Das ging an mir vorbei, genau wie im Übrigen die frühen Sachen von Wire. Die liefen einfach damals in unsere Indie-Disco nicht, oder wir haben sie nicht wahrgenommen. Erst als ich im Zusammenhang mit neuen Gruppen wie den Futureheads, den bereits zitierten Franz Ferdinand und Bloc Party ständig den Namen Wire als Haupteinfluss um die Ohren geschmettert bekam, besorgte ich mir das Kultalbum Pink Flag, damals im Jahre 1977 das Debüt von Wire. Und es ist in der Tat eine geile Scheibe, die zweifelsohne etliche andere beinflusst hat. Dieses kurze Stoppen und Wiedereinsetzen der Musik als Markenzeichen, genauso machen es die Futureheads oder Maximo Park heutzutage auch.
Eine nach wie vor wichtige Band also und das dachten sich wohl auch die schon recht alten Zuschauer heute. Die Maroquinerie war ausverkauft. Und dummerweise kam ich auch noch zu spät und verpasste die Hälfte des Konzerts! Punks sind auch nicht mehr das, was sie mal waren, die fangen pünktlich um 21 Uhr an, die Spießer! Ich hatte einfach zu lange zu Hause rumgetrödelt und erreichte den Konzertsaal erst um kurz nach halb 10. Aber ich hatte Glück im Unglück, denn die Klassiker von Pink Flag hatten sich die alten Haudegen für das Ende aufgehoben, nachdem sie in meiner Abwesenheit etliche Sachen von dem neuen, hochgelobten Output Object 47 zum Besten gegeben hatten. Auch das starke The 15th vom Album 154 (1979) kam im hinteren Drittel. Von den Hauptdarstellern sah ich am Anfang nicht sonderlich viel, denn der Laden war sehr voll und ich konnte kaum sehen, wer da auf der Bühne agierte. Irgendwann hatte ich dann aber doch bessere Sicht und erkennte einen Brillenträger mit schütterem Haar an der Gitarre ( "Boss" Colin Newman), einen Wollmützenträger am Bass (Graham Lewis), einen Glatzkopf mit Muskelshirt an den Drums (Robert Gotobed) und eine Frau an der zweiten Gitarre (Margaret Fiedler Mc Ginnis).
Diese vier rissen mir in den mir verbleibenden knapp 40 Minuten ganz schön meinen verpoppten Arsch auf! Der Bass polterte düster, der Gesang war giftig und gemein und die Gitarrenriffs kamen scharf und kantig. Insgesamt ein richtig schwerer, harter Sound. Und die Knüller von Pink Flag, als da wären 106 Beats That, Pinkflag, Lowdown und natürlich der abschließende Hammer 1 2 X U (Want To Ex You) kamen richtig gut und unterstrichen, daß Wire auch heute noch eine Daseinsberechtigung haben.
Jeder Musikfan, ob echter, halber, oder gar kein Punk sollte die sich also mal ansehen!
Setlist Wire, La Maroquinerie, Paris (merci à Stéphane!)
01: Our Time
02: Mr Marx's Table
03: Comet
04: Being Sucked In Again
05: Mekong Headman
06: Perspex Icon
07: Advantage In Height
08: The Agfers Of Kodack
09: All Fours
10: One Of Us
11: Boiling Boy
12: The 15 th
13: 106 Beats That
14: I Don't Understand
15: He Knows
16: Pink Flag
17: Lowdown
18: 1 2 XU
Links: Videos von:
- The 15 th, alte Aufnahme vom Rockpalast
- Pink Flag, live South Street Seaport NYC 2008
- Lowdown, ebenfalls SS Seaport 2008
Ort: La Maroquinerie, Paris
Datum: 27.09.2008
Zuschauer: ausverkauft
Konzertdauer: ca. 75 Minuten
Bin ich Punk?
Wenn ich mich so im Spiegel betrachte: nö, nicht wirklich. Zwar erkennt man den ehemaligen spießigen Jura- Studenten nur noch auf den zweiten Blick, aber trotz der langen (wenngleich inzwischen ein wenig schütteren) Haare, den oft schwarzen Klamotten und der (ebenfalls schwarzen) Militärkappe von Carhartt sehen echte Punks anders aus. Witzigerweise sehe ich auf dem Weg zum Wire Konzert ein paar originale Vertreter dieser Bewegung. Völlig versifft laufen sie die Rue Oberkampf entlang, räudige Hunde im Schlepptau und schnorren Passanten an: "Ey, haste mal ne Kippe, oder ey haste mal nen Euro", die Sprüche kennt man ja. Von dem schlechten Atem des Typen mit dem Irokesenschnitt wird mir ganz übel. Meine Güte, war der je in seinem Leben beim Zahnarzt? Ich bin etwas angewidert, da kommt der Spießer in mir durch. Dabei bin ich gerade auf dem Weg zu einem Punk-Konzert. Die echten Punks können sich so 'nen Gig gar nicht leisten. Gut 20 Euro für ein Konzert abdrücken? Hast Du 'ne Vollmeise, Alter?
Ein bißchen Punkspirit schreibe ich mir aber doch zu. Seitdem ich mit 16 oder 17 in meiner Indie-Disco Logo mit dem Virus Punk in Berührung kam, lässt mich zumindest die Musik nie so richtig los. Damals entdeckten meine Freunde und ich die Faszination, die von Bands wie den Ramones, The Clash, Siouxsie And The Banshees, The Fall, etc. ausging. Klaaus, der super DJ in dem ranzigen Schuppen, hat uns eingeheizt mit Sachen wie Somebody Put Something In My Drink (Ramones), Rock The Casbah (The Clash), Spellbound (Siouxsie) oder New Big Prinz (The Fall). "Rockin' records, rockin' records, rock the record rockin' records" (Text Mark E. Smith), ja das stachelte uns schon an. Wir hatten Blut geleckt! Und in meinem Falle auch Bier und Schnaps. Und zwar in rauen Mengen, ich war erst zufrieden, wenn ich besoffen war wie ein Schwein! Wenn mein Magen irgendwann revoltierte, raste ich auf die Toilette, hing mich über das Pinkelbecken und reierte das Ding randvoll. Dann wurde weitergesoffen. Und geraucht, filterlose Zigaretten mussten es sein, alles andere war für Mädchen. A propos Mädchen. Mit denen lief nicht viel, obwohl ich manchmal Avancen bekam. Aber da war der Song von den Dead Kennedys Programm: Too Drunk To Fuck! (Video hier). Also wenn ich es mir recht überlege, war ich damals doch recht punkig drauf! "Wir saufen und wir bürsten, wir sind die Fürsten", das war unser Leitspruch. "Sauf Junge!", schrie mich mal ein guter Freund an, da verstand er keinen Spass und ich folgte dem Befehl gehorsam. Anschliessend wurde nächtelang gezecht und um die Häuser gezogen, ein Wunder, daß in dem Zusatnd nichts Schlimmeres passiert ist. Aber wir hatten Dusel, irgendwie verlief alles immer glimpflich und dann wurden wir vernünftig. Sehr vernünftig. Spießig und strebsam. Jurastudenten eben.
Das Ganze ist jetzt fast 20 Jahre (die wilde Phase war zwischen 88 und 91) her und komischerweise waren die meisten Punkbands auch ähnlich lange inaktiv. Ihr Stil war einfach out, Techno war in den 90ern angesagt. Auch Wire haben zwischen 1991 und 2003 kein Album mehr veröffentlicht. Erst 2003, als das Post Punk Revival mit Bands wie Franz Ferdinand und Interpol einsetzte, kamen Wire wieder aus ihren Löchern gekrochen und brachten das Werk Send auf den Markt. Das ging an mir vorbei, genau wie im Übrigen die frühen Sachen von Wire. Die liefen einfach damals in unsere Indie-Disco nicht, oder wir haben sie nicht wahrgenommen. Erst als ich im Zusammenhang mit neuen Gruppen wie den Futureheads, den bereits zitierten Franz Ferdinand und Bloc Party ständig den Namen Wire als Haupteinfluss um die Ohren geschmettert bekam, besorgte ich mir das Kultalbum Pink Flag, damals im Jahre 1977 das Debüt von Wire. Und es ist in der Tat eine geile Scheibe, die zweifelsohne etliche andere beinflusst hat. Dieses kurze Stoppen und Wiedereinsetzen der Musik als Markenzeichen, genauso machen es die Futureheads oder Maximo Park heutzutage auch.
Eine nach wie vor wichtige Band also und das dachten sich wohl auch die schon recht alten Zuschauer heute. Die Maroquinerie war ausverkauft. Und dummerweise kam ich auch noch zu spät und verpasste die Hälfte des Konzerts! Punks sind auch nicht mehr das, was sie mal waren, die fangen pünktlich um 21 Uhr an, die Spießer! Ich hatte einfach zu lange zu Hause rumgetrödelt und erreichte den Konzertsaal erst um kurz nach halb 10. Aber ich hatte Glück im Unglück, denn die Klassiker von Pink Flag hatten sich die alten Haudegen für das Ende aufgehoben, nachdem sie in meiner Abwesenheit etliche Sachen von dem neuen, hochgelobten Output Object 47 zum Besten gegeben hatten. Auch das starke The 15th vom Album 154 (1979) kam im hinteren Drittel. Von den Hauptdarstellern sah ich am Anfang nicht sonderlich viel, denn der Laden war sehr voll und ich konnte kaum sehen, wer da auf der Bühne agierte. Irgendwann hatte ich dann aber doch bessere Sicht und erkennte einen Brillenträger mit schütterem Haar an der Gitarre ( "Boss" Colin Newman), einen Wollmützenträger am Bass (Graham Lewis), einen Glatzkopf mit Muskelshirt an den Drums (Robert Gotobed) und eine Frau an der zweiten Gitarre (Margaret Fiedler Mc Ginnis).
Diese vier rissen mir in den mir verbleibenden knapp 40 Minuten ganz schön meinen verpoppten Arsch auf! Der Bass polterte düster, der Gesang war giftig und gemein und die Gitarrenriffs kamen scharf und kantig. Insgesamt ein richtig schwerer, harter Sound. Und die Knüller von Pink Flag, als da wären 106 Beats That, Pinkflag, Lowdown und natürlich der abschließende Hammer 1 2 X U (Want To Ex You) kamen richtig gut und unterstrichen, daß Wire auch heute noch eine Daseinsberechtigung haben.
Jeder Musikfan, ob echter, halber, oder gar kein Punk sollte die sich also mal ansehen!
Setlist Wire, La Maroquinerie, Paris (merci à Stéphane!)
01: Our Time
02: Mr Marx's Table
03: Comet
04: Being Sucked In Again
05: Mekong Headman
06: Perspex Icon
07: Advantage In Height
08: The Agfers Of Kodack
09: All Fours
10: One Of Us
11: Boiling Boy
12: The 15 th
13: 106 Beats That
14: I Don't Understand
15: He Knows
16: Pink Flag
17: Lowdown
18: 1 2 XU
Links: Videos von:
- The 15 th, alte Aufnahme vom Rockpalast
- Pink Flag, live South Street Seaport NYC 2008
- Lowdown, ebenfalls SS Seaport 2008
1 Kommentare :
Nein, als Punk würde ich Dich nicht direkt bezeichnen... Liebe Grüße aus Berlin! Henrike
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