Donnerstag, 11. September 2008

The Hidden Cameras, Traunstein, 06.09.08


Konzert: The Hidden Cameras

Ort: Metropolitain, Traunstein
Datum: 06.09.2008
Zuschauer: ca. 100 (Mehmet Scholl wurde nicht darunter gesichtet)
Konzertdauer: fast zwei Stunden



Dass Joel Gibb eine Zeitlang in Berlin lebte, hört man. Denn seine Aussprache und der Reichtum an deutschen Vokabeln ist gut. Sollten sich die Zuhörer und Zuseher mehr Richtung Bühne bewegen, sagte er: "Bitte, etwas näher spazieren!". Eine verschwitzte Stunde später fragte er gar, ob Traunstein bereit zum ausflippen wäre und hakte nach: "Wirklich, seid Ihr bereit?". Traunstein war bereit. wenngleich es auf vielen Seiten ein Zögern gab. Zunächst waren die ca. 100 Traunsteiner, daruntern vereinzelte Besucher aus Salzburg und extra aus München angereiste, skeptisch und ließen sich von den sechs Menschen auf der viel zu kleinen Bühne nur zum Kopfnicken und Fuß-Rhythmus-Schlagen anregen. Doch nachdem man näher zueinander gerückt war, die Musiker um Joel Gibb und er höchstselbst immer wieder die Bühnengrenze Richtung Auditorium überschritten hatten, gab es für die cCowd kein halten mehr. Gehüpft wurde, unverdrossen getanzt und die animierten Armbewegungen wurden nachgewunken, -geschwenkt.

Wer glaubte, dass es sich um einen Irrtum handelte, dass die Band aus Toronto, die vor allem mit ihrem Auftritt im Olympiastadion zum Abschiedsspiel des dauerverletzten und angeblichen Indie-Musik-Fetischisten Scholl für Furore sorgten, wirklich in Traunstein auflaufen würde, hatte sich schwer getäuscht. Der kleine Club "Metropolitain", unscheinbar in einer bahnhofnahen Seitenstraße liegend, hatte laut Tourmanager The Hidden Cameras angefordert und die waren bereit für einen Ausflug in die bajuwarische Provinz. Wer von den Anwesenden im vorhinein gewußt hatte, mit wem er es zu tun bekommen sollte, war sicher an einer Hand abzuzählen. Genauso herrschte vermutlich Unwissenheit darüber, dass sich die Band seit vielen jahren aktiv in der Lesben- und Schwulenszene zeigt und vielerorts dem Queerpop zugeordnet wird (sie selbst nannten es gern auch gay church folk). davon abgesehen, würde sich heute mittag manches junge Ding an den Kopf schlagen, wenn es wüsste, dass der verschwitzte Kerl von gestern nacht lieber mit Jungs in die Falle schlüpft als mit Mädels.
Dass das widerum an diesem Abend keine Rolle spielte, ist einer in Entwicklung befindlichen Band zu verdanken, die weniger offensiv mit ihren Idealen, Wünschen, Vorstellungen und Meinungen umgeht.
Gestern mit am Start: Jens aus München am Bass, meist unscheinbar im Hintergrund stehend, sorgte er auch für Backgroundgesang und wildes Rufen, das zwischendurch immer wieder nottat, um textliche Avancen zu unterstützen. Markus, ebenfalls aus München, das Küken der Band, bediente die Drums, sehr sehr versiert steuerte er durch das anspruchsvolle, sich vor allem immer wieder durch Tempiwechsel auszeichnende Programm. Jamie Mccarthy, der "platterte" Violinist, war neben dem Sänger Gibb der Auffälligste. Er verliert sich unmittelbar in der Musik und musste obacht geben, dass er mit seinem Bogen im wilden Tanz niemanden aufspießte. Sehr virtuos sein Spiel, sehr freundlich seine Gesten, wie überhaupt der Kontakt der Band intra- und interpersonell beispiellos war. Ivan spielte das Cello, ein junger, hübscher Kerl, der sein Gerät, groß wie es war, auch hochriss, um die wilden Bewegungen seiner Kollegen mitzugehen. Ein Kraftakt allenthalben, aber auch ein Zeichen für den starken Zusammenhalt der sechs. Laura barrett wurde vermisst. Sie bedient sonst das Keyboard. Für sie eingesprungen: ein junger Wiener, der spindeldürre, mit Matrosenhut bemützte, verdichtete den Sound, der anfangs sehr nach Electropop klang, sich zunehmend aber etwas entzweite, um einen folkigeren Charakter anzunehmen.
Mit "Awoo" an früher prominenter Stelle wurde zügig ein Hit zum Besten gegeben. Aber auf das in 2006 veröffentlichte Album gleichen Namens verließ sich the hidden cameras nicht. Alle vier Longplayer kamen zu Gehör. Ob Highlights wie "Golden Streams" oder "Smells Like Happiness" vom 03er "The Smell Of Our Own" über "High Upon The Churchground" (das herrlich mit "macht kaputt, was Euch kaputt macht" verschmolzen wurde) und "The International m.m.a. The Mild Mannered Army" vom Debut "Ecce Homo" bis zu "Music Is My Boyfriend" von "Mississauga Goddam" von 2004 sowie "Death Of A Tune" und dem sagenhaften, die Zugabe abschließenden "Lollipop" vom Album "Awoo". Das insgesamt fast zweistündige Konzert versüsste einen schönen Abend, eine belebte Nacht und ließ die Rückfahrt kürzer erscheinen, als die langwierige Anreise verhieß. Wer auch immer in Traunstein und Umgebung am 06.09./07.09. eine Kneipe besuchte, den heimischen Fernseher bewachte oder vor dem Computer nach Partnern suchte, hatte ein ausgezeichnetes Konzert verpasst.

Danke für den lebendigen Bericht an Eike vom Klienicum!


Setlist The Hidden Cameras, Traunstein:

01: Origin
02: In The ...
03: Awoo
04: Heji-Bboy
05: Fear Is On
06: Day Is Dawning/Learning The Lie
07: A Miracle
08: The Falls
09: Smells Like Happiness
10: Death Of A Tune
11: Breathe On It
12: Golden Streams
13: Ban Marriage
14: Music Is My Boyfriend
15: High Upon The Churchground
16: Macht Kaputt, Was Euch Kaputt Macht!

17: The International M.M.A. the Mild Mannered Army/Hump From Bending
18: Lollipop




 

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