Konzert: The Enemy
Ort: Gebäude 9 Köln
Datum: 30.01.2008
Zuschauer: gut besucht aber nicht ausverkauft
Jetzt geht wieder alles von vorne los. 2008. Das erste Konzert des Jahres, das eigentlich schon letztes Jahr hätte stattfinden sollen. Das eigentlich schon vor 2 Wochen hätte stattfinden sollen. Das gestern abend stattfand. The Enemy, diese kleine junge britische Band aus Coventry spielte endlich im Gebäude 9.
Nach zweimaligem Absagen der Tour gab es nun keine Ausreden mehr. Keine Viruserkrankung, keine anderen Auftrittsverpflichtungen. Der Kontinent wartete lang genug und muss endlich bedient werden. Und das wurde er.
Die Frage, die ich mir seit dem ersten CD Durchlauf von “We’ll live and die in these towns” gestellt habe, ist: Sind The Enemy nur ein 2007er Hype des NME (Breakthrough Act 2007) oder überleben sie auch in 2008. Der Abend beantwortete die Frage mit einem klaren: ja, sie überleben auch die nächsten Jahre!
Im Gebäude 9 war noch Platz. Es war gut besucht, aber nicht rappelvoll. Klar, vielen passt ein Neuansetzungstermin nicht in den Kalender, erst recht, wenn es der zweite innerhalb weniger Tage ist. Und auch klar, wegen der Kurzfristigkeit ist es schwer, Werbung zu lancieren und die Bude richtig voll zu bekommen. Denn The Enemy sind noch nicht The Police. Wie komm ich da jetzt drauf? Egal!
Die Stimmung war erwartungsvoll und gut. Neugierde lag in der Luft und ich war gespannt. Dabei standen meine Vorzeichen gar nicht so günstig. Eine aufkommende Halsentzündung, die mich durch den Tag schleppen ließ, das Wetter eher zum daheim bleiben anstatt sich ins Auto zu setzen und nach Köln zu fahren, liessen mich kurz zweifeln. Aber ich konnte mich aufraffen. Und das war gut so.
Um kurz nach zehn legten The Enemy grandios vor. “Away from here” war der Opener, der die Richtung vorgab. Die nächsten Songs wurden ohne Unterbrechung runtergebrettert. Das Tempo war atemberaubend. Wenn die CD-Konserve ein Fahrrad ist, dann war es live das Space Shuttle mit March 3. Keine Atempausen. Keine Ruhe auf der Bühne. Extreme Lautstärke im Raum. Waren die drei Jungs auf der Flucht? Es fühlte sich so an.
Dieses Wahnsinnstempo, das bei den rockigen Nummern gut funktionierte, zerstörte aber leider Sachen wie “We’ll live and die in these towns” oder das wunderbare “Happy Birthday Jane”, dass mich auch live stark an Oasis “Little James” erinnert. Hier wäre ein bischen weniger mehr gewesen. Die Melancholie ging verloren, auch wenn Sänger Tom Clarke für “Happy Birthday Jane” zur Akkustikgitarre griff. (Es scheint also immer noch so zu sein, dass ein wie-auch-immer aussehender Akkustikgitarrenpart zu einer britischen Konzertshow gehört wie das Aschenkreuz zu Aschermittwoch.) Doch hier und heute hätten sie es sich sparen können. Es ging gnadenlos unter. Hätte man mehr draus machen können. Genau wie die fürs Publikum prädestinierten Mitgröllparts in “You’re not alone” oder “Aggro”, die so schnell runtergerissen wurde, dass die ersten Reihen nicht den Hauch einer Chance bekamen.
Apropos Tom Clarke. Dieser, eher klein von Statur, hat tatsächlich schon alle grossen Gesten drauf, die man an Liam Gallagher so liebt. Arrogant wirkender, leicht abgehakter Schlendergang, provozierender Gesichtsausdruck. Very british und so typisch british working class, dieses spezielle Lebensgefühl zwischen Fussball und Bier, diese Mischung aus Stolz und Verzweifelung. Irgendwo zwischen The Jam und Oasis, irgendwo zwischen Mitgröhlpop und grossen Melodien. An den Trainingsjacken von Adidas und Fila erkennt man sie alle, die britischen Lads der Post Oasis Ära. Also kein Zufall, dass dies das Bühnenoutfit von The Enemy war.
Nach 45 Minuten war dann unspektakulär Schluss. Eine kurze, letzte Ansage, die, wie alle “Thank you’s” oder “This is…”, in den ersten bzw. letzten Takten der Songs unterging, noch einmal für drei Minuten alles geben, und dann runter von der Bühne. Es wurde alles gesagt bzw. gespielt was es zu spielen gibt. Licht an. Schluss.
“Warum nicht noch eine Coverversion als Zugabe, wenn das eigene Material durch ist?”, könnte man fragen. Wir hätten es verdient gehabt, und die schwedische Vorband (gar nicht mal so schlecht), machte es mit “Police on my back” doch hervorragend vor?
Haben wir aber nicht. Das Gebäude 9 akzeptierte relativ klaglos. “Die haben halt nicht mehr”, schienen alle zu denken. So richtig unzufrieden war niemand. Dafür waren die letzten 45 Minuten zu intensiv, zu beeindruckend.
Last exit The Enemy. Das war für gut eine Woche das letzte musikalische Kontrastprogramm dieser Stadt zum Karneval. Und es war ein gutes!
“Ich hab’ne Zwiebel auf dem Kopf ich bin ein Döner!” Alaaf!
von Frank von Pretty-Paracetamol
1 Kommentare :
Sehr schön, Frank, vielen Dank!
The Enemy haben live durchaus mehr Biss als andere junge britische Bands, obwohl sie von den Qualitäten von The Jam weit entfernt sind.
Ob sie allerdings in zwei Jahren noch eine große Rolle spielen, muß man abwarten. In England schiessen ähnliche Bands wie Pilze aus dem Boden und selbst ziemlich gute Bands wie Art Brut und The Rakes haben es im Moment schwer, sich zu halten...
Kommentar veröffentlichen