Dienstag, 15. Mai 2007

Grizzly Bear, Paris, 14.05.07

Konzert: Grizzly Bear
Datum: 14.05.2007
Ort: La Boule Noire, Paris
Zuschauer: leider war der kleine Saal nur etwa zu 2/3 gefüllt.

Ich sollte mir an meinem Mit-Blogger Christoph ein Beispiel nehmen und immer sehr pünktlich zu den Konzerten kommen. Dann hätte ich nämlich auch noch die Bollock Brothers mitbekommen. Christoph, richtig gelesen, die Bollock Brothers gibt es noch, bzw. wieder! Angeblich sind sie zum ersten Mal seit 25 Jahren wieder aufgetreten! Unvergessen ihr Hit "Faith Healer", der damals in unserer Koblenzer Indie-Disco "Logo" rauf und runter lief. Hab immer mal wieder nach dem Lied gesucht, jetzt habe ich es im Original. Die junge Frau am Merchandising Stand war total happy, daß jemand die Band noch kannte. Auf den unverhofften CD-Verkauf war sie nicht vorbereitet, sie hatte kein Wechselgeld. Das brachte ihr dann eine ältere englische Dame, die wohlmöglich die Mutter eines Bandmitglieds der Bollock-Brothers war, zumindest stand sie am Ende vertraut mit den äußerst füllig gewordenen Engländern rum.

Der Abend begann also schon einmal amüsant! Die Bollock Brothers, ich fass es nicht!

Dann ging plötzlich das Licht aus und ich erwartete den Auftritt von Grizzly Bear. War aber noch nicht soweit, denn zunächst durfte die schnuckelige Danielle Stech-Homsy, die sich Rio en Medio nennt, ein bißchen Pariser Bühnenluft schnuppern. Das gefiel mir von Anfang an, denn die brünette, junge Dame hat eine sirenengleiche Stimme. Erinnerte mich ein wenig an die erst kürzlich für mich entdeckte Marissa Nadler. Rio en Medio ist aber weniger traditionell, sondern hat einen deutlich experimentellen Einschlag, was ja auch irgendwie zu Grizzly Bear passte. Mit einer Ukulele bewaffnet, saß das zierliche Persönchen an einem Tisch, der mit allerlei Lämpchen und seltsamen elektronischen Instrumenten ausstaffiert war. Beim Soundgemisch war ihr ein junger Typ behilflich, ein veritabler Soundtüftler. War spannend, was dabei raus kam. Irgendwann verschwand der Bursche und sie spielte alleine weiter. Kurze Zeit später kündigte sie eine Cover-Version an, angeblich von den Beach Boys. Die Gute muß sich wohl versprochen haben, denn zum Amüsement aller Anwesenden erklang "Staying Alive", eindeutig von den Bee Gees und nicht von den Beach Boys. Irgendwann war aber Schluß mit lustig und Danielle hüpfte mit ihren UGG-Boots von der Bühne.

Grizzly Bear ließen dann zum Glück nicht lange auf sich warten und begannen wie auf ihrem zweiten Album "The Yellow House" mit "Easier". Und bei Grizzly Bear passen die zitierten Beach Boys sehr gut ins Bild. Vor allem bei dem an dritter Stelle gebrachten "Little Brother" dominieren fabelhafte Chorgesänge und mystische Geräusche das Lied, genau wie bei der legendären Band um Brian Wilson. "Lullabye" wiederum lässt an Nick Drake und Elliott Smith denken. Sind ja keine schlechten Referenzen, ganz im Gegenteil! Den experimentellen Charakter teilen sie mit ihren Brooklyner Kollegen von Animal Collective, schön zu sehen beispielsweise bei "Colorado". Aber all die zitierten Vergleiche zu den vorgenannten Bands greifen ziemlich kurz, denn Grizzly Bear haben es lobenswerter Weise geschafft, einen ganz eigenen Sound zu kreieren. Eigentlich klingen sie strenggenommen wie keine andere Band zuvor. Und weil das so selten ist heutzutage, werden sie zu Recht mit Kritikerlob überhäuft, in der Jahreswertung der Kulturzeitschrift "Inrocks" schafften sie es mit "Yellow House" bemerkenswerter Weise in die Top Ten 2006. Völlig verdient, denn ihre Musik ist komplex und raffiniert, aber trotzdem nicht unkoordiniert. Ales fügt sich hier wie auf wundersame Weise zusammen, seien es die erzeugten mystischen Geräusche, das Klarinettenspiel von Chris Taylor, die fabelhaften Drums von Christopher Bear, oder der herzerwärmende Chorgesang. Und noch etwas besticht bei den Amerikanern: jedes Konzert hört sich anders an, selbst wenn die gleichen Lieder gespielt werden. Es bleibt reichlich Platz für Improvisationen, Neuinterpretationen und überraschende Tempowechsel. Interessant ist, das das Quartett live wesentlich rockiger als auf dem Album rüberkommt. Drummer Christopher Bear, lässt es zuweilen richtig krachen, behandelt sein Schlagzeug aber je nach Bedarf zärtlich mit der Hand. Es macht wirklich Spass den Jungs zuzugucken, wie sie da improvisieren, rumtüfteln und so manches Lied deutlich in die Länge strecken, ohne jedoch Langeweile aufkommen zu lassen. Vor allem die erste Single "On a Neck, On a Spit" war ein Zungenschnalzer allererster Güte, inklusive exstatischem Finish. Damit wurde auch das offizielle Set beschlossen, womit aber noch lange nicht Schluss war. Anstatt von der Bühne zu verschwenden, blieb die Band einfach an Ort und Stelle und lauschte wie das Publikum den Ankündigungen eines jungen Mannes von der Blogotheque.net, die das Konzert aufzeichneten. Extra für Paris gab es nämlich einen Song von Zweitsänger Daniel Rosse solo geboten und zwar "Sailing by night". Wie man erfuhr, war diese Darbietung absolut exklusiv und soll es auch bleiben. Der Sache die Krone setzten sie allerdings mit dem allerletzten Lied auf, denn sie trugen ein französisches Gedicht "Venus en Mars" singenderweise vor, wobei ihen auch noch Rio en Medio behilflich war. Damit hatten sie natürlich endgültig das Pariser Publikum für sich gewonnen. Und ich finde, das haben sie auch verdient! Die Band sollte endlich auch einem größeren Publikum bekannt werden, denn Grizzly Bear schreiben zeitlose Lieder, Songs für die Ewigkeit sozusagen, die auch locker dem nächste Hype aus Großbritannien trotzen dürften.

Setlist Grizzly Bear Paris:

01: Easier
02: Lullabye
03: Little Brother
04: Knife
05: Neu ("Final Round")
06: Colorado
07: Deep blue sea
08: Shift
09: He Hit Me (Chrystals Cover)
10: Fix It
11: On A Neck, On A Spit

12: Sailing By Night
13: Vénus En Mars

von Oliver



3 Kommentare :

Oliver Peel hat gesagt…

Meine Güte, was ist denn bloß aus dem guten alten Logo in Koblenz geworden? Statt Indie-Rock und Punk jetzt Hip Hop und seltsame DJs. Ganz grausam!

Christoph hat gesagt…

Those were the days, my friend, la la la laaaa la la...

R. R. R. hat gesagt…

Wow, wow, WOW! Sailing By Night, also dann doch ein kurzer Department Of Eagles-Einschub! Dabei hab ich in Köln nach der Zugabe extra lautstark dazu aufgerufen. Die Franzosen haben's ja so gut...!

Schöner Bericht! Jetzt gerade hab ich wieder wahnsinnig Lust, sie nochmal zu sehen.

(und danke für die Setlisthilfe!)

 

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