Samstag, 26. Mai 2007

Of Montreal & Syd Matters, Paris, 25.05.07

Konzert: Of Montreal & Syd Matters
Datum: 25.05.2007
Ort: Le Bataclan, Paris
Zuschauer: zu ca. 70% ausgelastet


Mein erstes Konzert des Tages bekam ich sehr frühzeitig geboten: als ich gegen 17 Uhr ein wenig durch den Park vor dem Eifelturm spazieren wollte, ging plötzlich ein gewaltiges Unwetter los, es schüttete wie aus Kübeln und mir blieb nichts anderes übrig, als mich unter ein schützendes Dach unterzustellen. Da stand ich nun mit einigen Touristen zusammen und wurde Zeuge der unbändigen Lebensfreude einiger schwarzer Franzosen, die auf Buschtrommeln jammten und so trotz des Unwetters für fröhliche Gesichter bei den Umstehenden sorgten. Zu jenem Zeitpunkt wußte ich allerdings noch nicht, dass im Laufe des Abends noch so einige spontane musikalische Improvisationen folgen sollten....

Nach kurzer Dusche bei mir Zuhause machte ich mich auf den Weg Richtung Bataclan, wo die Veranstalter von Rocknzoo ein schönes Programm auf die Beine
gestellt hatten. Neben den beiden gleichrangigen Headlinern Syd Matters und Of Montreal sprachen sie auch Axe Riverboy eine Einladung aus. "Die Stimme von Tahiti 80" bekam ich jedoch leider nicht mehr mit, das heftige Gewitter und das damit verbundene lange Unterstehen hatten meine Zeitplanungen durcheinander gewirbelt.

Zu meiner Freude traf ich meinen jungen Journalisten-Freund Nico, der wieder mal für sein Liability Webzine im Einsatz war. Er sagte mir, dass er speziell für Of Montreal gekommen sei, Syd Matters interessiere ihn heute weniger. Ich wünschte ein schönes Konzert und begab mich mit meiner Kamera in die erste
Reihe, um ein paar gelungene Photos zu schießen. Prompt ging auch der rote Vorhang auf und Syd Matters mit Band kamen zum Vorschein. Der bärtige, minimal füllige Sänger, zog mich sogleich mit seiner samtweichen, gefühlvollen Stimme in seinen Bann. Entdeckt hatte ich den Franzosen mittels eines Samplers, auf dem das wunderschöne Lied "Black and white eyes" enthalten war. Unverzüglich besorgte ich mir damals das 2004-er Album "A Whisper and a sigh" und ein Jahr später auch den ebenfalls glänzenden Nachfolger "Someday we will foresee obstacles". Auf Nachschub warte ich seitdem vergeblich, ein dritter Longplayer soll aber noch 2007 erscheinen. Die ersten Lieder des heutigen Abends sagten mir nichts, höchstwahrscheinlich waren sie neu. Sie gefielen mir aber auf Anhieb. Wohlbekannt waren mir dann aber "Obstacles" und "To all of you", beide von "Someday we will foresee...". In zweitgennanten Stück heißt es folgendermaßen: "To all of you american girls in the movies, I would like to be part of the world around you..." Eine veritable Schmachtnummer ist das, so anrührend dargeboten, dass es mir kalt den Rücken hinunterlief! Einige Mädchen in meiner Umgebung hatten dabei ihre Augen geschlossen und lehnten sich an die stützenden Arme ihrer männlichen Begleiter. Eine junge Dame, war aber alleine gekommen, oder fast... Ich spreche von Stephanie von Soko, die ganz in meiner Nähe stand und ihrem Freund, der der Band von Syd Matters angehörte, bei der Arbeit (bzw. der Kunst) zusah. Ich ließ es mir nicht nehmen, sie anzusprechen und zu ihrer außerordentlich gelungenen EP "Not Sokute" zu gratulieren. Wie ich erfeulicherweise erfahren konnte, werde ich Stephanie Soko schon sehr bald wiedersehen, denn sie spielt im Vorprogramm von Anna Ternheim, wofür ich auch schon Karten habe.

Aber zurück zu Syd Matters: der schmachtete, einfühlsam wie immer (ich hatte ihn schon in der Flèche d'or gesehen) und brachte mich mit "Obstacles" den Tränen sehr nahe. "Someday we will foresee obstacles...., we played hide and and seek...", diese Songzeilen gingen mir den ganzen Abend und die ganze Nacht nicht mehr aus dem Kopf! Als Einflüsse nennt Syd übrigens Nick Drake, Robert Wyatt und Radiohead. Entsprechend traurig und melancholisch klingt das Ganze dann auch, aber es ist eine Tristesse, die mich erstaunlicherweise in gute Stimmung versetzte, ich fühlte mich, als hätte ich zwei Gläser sehr guten französischen Rotwein getrunken...

Syd Matters darf man aber nicht in die Schublade Singer/Songwriter stecken, denn seine mehrköpfige Band sorgte zuweilen auch für rockige und sphärische Klänge, vor allem gegen Ende als sämtliche Freunde die Bühne stürmten. Für mich ist er die französiche Antwort auf Malcolm Middleton, genauso geschmackvoll und kreativ.

Auszug aus der Setlist Syd Matters:

- To All Of You
- Obstacles
- Someday Sometimes
- Flow Backwards
- Middle Class Men
- Lost Bird
- Attractive?

Weniger melancholisch-traurig sollte es dann mit Of Montreal weitergehen, zumindest scheinbar. Wie mir Nico in der Pause mitteilte, steckt nämlich wohl jede Menge Tristesse, ja Depression hinter den "Happy-Songs" der Amerikaner, vor allem in textlicher Hinsicht. Ich muß gestehen, daß ich mit dem Werk der Band noch bisher überhaupt nicht auseinandergesetzt hatte und deshalb nicht mitreden konnte. Auch meine naive Frage, ob der Bandleader Kevin Barnes und seine Kapelle schwul seien, wurde von Nico verneint. "Der hat sich doch gerade von seiner Frau scheiden lassen oder hat zumindest Eheprobleme..." Ich war verdutzt, nachdem, was ich so gehört und gelesen hatte, (was ehrlicherweise nicht so
viel war) schien mir die Band doch eindeutig homosexuell zu sein. Gibt es nicht sogar ein Lied, das "The Gay Parade" heißt, oder ein anderes, mit dem Titel "When a man loves a man?". Hmm...

Nicht, daß das jetzt mit der Homosexualität für mich so imminent wichtig gewesen wäre, das spielte eigentlich überhaupt keine Rolle, ich wollte nur ergründen, ob es da einen Bezug zwischen der Musik, den extravaganten Kostümen und der sexuellen Orientierung gab. Wie auch immer, die falschen Montrealer (sie stammen nicht aus Québec, sondern aus den USA) sorgten sogleich für gehörige Stimmung, als sie grell geschminkt und kostümiert, die Bühne stürmten.
Etwas ähnlich Verrücktes hatte ich seit I'm from Barcelona 2007 und den Flaming Lips 2006 nicht mehr gesehen!

Direkt vor mir stand ein Musiker, bekleidet mit - ja, ist gar nicht so leicht, das zu beschreiben - einem Monsterkostüm und einer Art Federboa um den Hals. Ein weiteres Bandmitglied hatte eine schwarze Pelzkappe an und grinste hinter seinen Brillengläsern vor sich hin. Hinter einem Keyboard stand eine etwas pummelige Brünette, die einen marsmännchen-ähnlichen Haarreif trug. Sänger Kevin Barnes, war zu Beginn fast konventionell gekleidet, mit seiner
weißen Hose und dem grünen Pulli, sieht man mal von den Herzchen auf seinen Wangen und der giftgrünen Wimperntusche ab. Dazu gab es bunte, psychedelische Videoanimationen, die ich zuletzt so ähnlich bei CocoRosie erlebt hatte. Es war also völlig abgefahren und schräg! Ein wenig erinnerte mich das an die Bilder des Eurovision Song Contest, der kürzlich über die Mattscheiben flimmerte...

Opener des Sets war übrigens "Heimdalsgate like a promethean..." von dem aktuellen "Hissing Fauna-Album, dem achten der Gruppe. Mein Umfeld ging ab wie ein Zäpfchen, aber mir stieß es zugegebenermaßen ziemlich süßlich auf. Wo war ich hier hingeraten? Die poppig-schwülstige
Musik gefiel mir überhaupt nicht! Das änderte sich auch mit den nachfolgenden Stücken "Suffer For Fashion", "Sink The Seine" und "Cato As A Pun" nicht, ich sehnte mich vielmehr nach den traurigen Liedern eines Syd Matters zurück, das hier war mir deutlich zu happy!

Ich fragte mich, was mit mir los war, denn die anderen Leute, darunter viele, die oft auf die gleichen Konzerte wie ich gehen, amüsierten sich doch prächtig... Irgendwann zur Mitte des Sets hin, wurde es psychedelischer, rockiger, das gefiel mir schon besser. Zumal zu diesem Zeitpunkt, Sänger Kevin Barnes auch ab und zu mal schwieg. Ja, tut mir leid, liebe of Montreal Fans, aber ich mochte seine hohe Stimme nicht wirklich. Irgendwann hatte ich es dann überstanden, es ging dem Ende zu. Nicht ohne mich noch einmal
aufhorchen zu lassen, denn ein spät gebrachtes Stück beeindruckte mich durchaus. Möglicherweise war es "Gronlandic Edit", ich weiß es nicht so genau. Damit hier kein falscher Eindruck entsteht: mir wurde bewußt, daß die Band großes Potential hat, sehr kreativ ist und zudem noch erfreulich eigenständig ist. Bei mir wurde aber kein Nerv getroffen, zumindest bis dato nicht. Mit dem abschließenden Schunkler "The party's crashing us", wurde das kuriose Spektakel, welches als Highlight ein Lied zu bieten hatte, welches der Sänger in einen Umhang gehüllt auf einer Leiter bestritt (!), dann beendet.

Der rote Vorhang fiel und öffnete sich auch nicht wieder, es gab keine Zugabe. Zumindest nicht für den Großteil des Publikums, wie sich herausstellen sollte...

Ich eilte zum Ausgang und traf einen Franzosen, den ich beim Grizzly Bear Konzert kennengelernt hatte. Wir plauderten in Gegenwart seiner Freundin ein wenig über die Geschehnisse und er zeigte sich äußerst beeindruckt. Erneut stellte ich mir Fragen, ob ich mich in meiner Einschätzung nicht
getäuscht hatte. Wir einigten uns darauf, daß das letzlich alles Geschmacksache sei und wollten schon fast Richtung U-Bahn aufbrechen, als plötzlich die Tür des Bataclan aufging... Heraus polterte ein Großteil der Band von Of Montreal, darunter auch der mit einer Champagner-Flasche bewaffnete Sänger, der wie auch im zweiten Teil des Konzertes mit einer türkisfarbenen engen Short mit schwarzen Netzstrümpfen (!) bekleidet war. Prompt schnappten sich die Musiker direkt vor unserer Nase ihre Gitarren und spielten munter draufloss! Es war ein Erlebnis allererster Güte, welches auch von den aufgeweckten Burschen von der Blogothèque.net live mit Videokameras aufgezeichnet wurde. Es erklang zunächst ein Song von den Beatles, meine ich zumindest. Auf jeden Fall handelte es sich um ein klassisches Repertoire, was hier dargeboten wurde. Einen wichtigen Hinweis auf die Einflüsse der Band bot dann das
nächste improvisierte Stück:

"Starman" von David Bowie! Die umstehenden Franzosen und auch ich sangen aus voller Kehle mit: "There's a starman waiting in the sky, lalala..." Danach schien die kurze, aber extrem tolle Einlage, beendet zu sein, Sänger Kevin kümmerte sich lieber um umstehende Groupies und seine Champagner-Flasche. Der Musiker mit dem kuriosen Kostüm wollte aber mitnichten aufhören, es ging weiter! Wenn mich nicht alles täuscht haben sie einen Klassiker von John Foggerty gespielt, es war wirklich sensationell,
die Stimmung einmalig, alle klatschten mit. Es wurde eine tolle Feier, spontan und heiter. Danach wieder eine Pause. War jetzt Schluß? Irrtum, die Band überquerte gefolgt von dem kleinen Kamerateam der Blogothèque bloß die Straße und spielte auf einer Verkehrsinsel weiter! Ich stand direkt hinter dem Sänger und war hellauf begeistert! So ging das zwei Lieder lang, bevor wieder die Straßenseite gewechselt wurde. Die aus circa 20 Leuten bestehende Meute zog in eine kleine verkehrsberuhigte Gasse. Dort setzten sich die Musiker ganz lässig auf den Straßenboden und machten munter weiter. Meine Vorurteile gegenüber der Band schwanden im Nu, ich hatte die Jungs fest in mein Herz geschlossen. Sowas sieht man ja nicht alle Tage! Irgendwann wurde sogar noch ein Titel aus dem eigenen Repertoire gespielt. Wow, wow, wow! Die "Aftershow" dauerte bestimmt eine knappe Stunde, bevor Sänger Kevin einer umstehenden Blondine noch anbot, mit ihr an der Bar ein wenig zu tanzen! Er scheint also defintiv nicht schwul zu sein, was aber ohnehin wurscht ist, denn Of Montreal sind einfach dufte Typen!


Setlist Of Montreal Paris:

01: Heimdalsgate Like A Promethean...
02: So Begins our Alabee
03: Suffer For Fashion
04: Sink The Seine
05: Cato As A Pun
06: Bunny Ain't No Kind Of Rider
07: Forecast Fascist Future
08: She's A Rejecter
09: Requiem For O.M.M.
10: October Is Eternal
11: Past Is A Grotesque Animal
12: Repudiated Immortals
13: Falls For Shuggie
14: Gronlandic Edit
15: The Party Is Crashing Us

von Oliver



4 Kommentare :

E. hat gesagt…

das kann ich mir gut vorstellen!

Oliver Peel hat gesagt…

Für die Eiligen: Bilder schon einmal hier:
http://www.flickr.com/photos/oliverpeel

E. hat gesagt…

hätte geglaubt, dass dich das konzert umhauen würde, oliver. dass es im nachhinein doch noch mit dem 'umwerfen' geklappt, freut mich deshalb sehr! absolute sympathen mit angenehmer attitüde! die pariser szenerie, die du festhalten konntest, ist entzückend.

Oliver Peel hat gesagt…

Ich habe mir fest vorgenommen, die Alben von Of Montreal endlich mal in Ruhe anzuhören.
Es ist immer ein Nachteil, die Lieder, die live gespielt werden, vorher nicht zu kennen.
Und wenn Of Montreal mal wieder in meiner Nähe sind, bin ich auf jeden Fall dabei und dann mit Sicherheit von Anfang an angetan!

 

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