Dienstag, 10. Dezember 2024

Zeitgeist Festival - 07.12.2024 - Doornroosje - Nijmegen

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Konzert: Zeitgeist Festival
Ort: Doornroosje Nijmegen
Datum: 07.12.2024
Dauer: ein Tag
Zuschauer: ausverkauft




Von unserem Gastautor Jonas:

Was bewegt jüngere Generationen in Konzerthallen? Das Zeitgeist Festival in Nijmegen scheint es genau zu wissen. 

Vergangenes Wochenende finde ich mich schon um 15:30 in einem prall gefüllten Saal, dabei hat die erste Band ihr Set noch gar nicht begonnen. Wie kann das sein? 

Redet man in Deutschland immer doch wieder nur darüber, junge Menschen überhaupt aus dem Haus und näher der Kultur zu bewegen, wurde hier indes vieles bereits erreicht. Alleine die ersten beiden Konzerte des Festivals können so sehr begeistern, dass ich mir sicher bin, dass ich die Gleichen und noch mehr Jugendliche auch nächstes Jahr wieder sehen werde. 


Angefangen mit der Location: das Doornroosje ist nicht nur zentral gelegen, es bietet zudem drei interne Säle mit voller Ausstattung und exzellenter Sound, zahlreiche Bars mit Sitzgelegenheiten, eine Fahrradgarage, eine Merch-Etage etc. Ein reibungsloser und angenehmer Ablauf ist hier schonmal sicher. Und dann stehe ich pünktlich vor der Hauptbühne und das Festival beginnt mit Maruja, welche dem Haus sichtlich nicht neu sind. 

Wie eine Bombe schlagen Bass, Schlagzeug und (Sprech-) Gesang ein – aufgefangen werden sie immer wieder von jazzig, sphärischen Passagen eines Saxophons. Mit enormer Wucht spielt die Band das vorne tobende (15:00h) Publikum an. Trotzdem ist der Auftritt auch sehr dynamisch Aufgebaut. Denn die Texte sind hier der Taktgeber der Klänge. 


Mal entspricht die Musik wütenden revolutionären Erstreben nach Frieden und Gerechtigkeit und ein anderes Mal plädiert Frontsänger Harry Wilkinson für Zusammenhalt und Solidarität aller Menschen im Saal, während die Band ein psych.-rockiges Crescendo spielt. Mich erfüllt das Konzert mit Euphorie auf hoffentlich zahlreiche noch erscheinende Alben der Band. 

Und dann sehe ich im Anschluss bereits den Grund, warum es mich überhaupt über die Landesgrenze bewegt hatte: Geordie Greep. Der ehemalige Frontsänger von Black Midi spielt zwar mehrfach in den Niederlanden, in Deutschland allerdings nur noch Berlin. Greep und seine Band zeichnet vor allem eins aus: Spielfreude. Auch deshalb kommen sie einfach schon 10 Minuten früher auf die Bühne, seine Gitarre stimmt er dafür während des ersten Songs, der eigentlich auch nur ein spontaner Jam ist.


Damit ist aber noch nicht alles gesagt: Die Musik – eine Synthese aus Black Midi und brasilianischem Salsa – lebt von Übertreibung. Sie durchzieht erstens die Texte, welche meist aus der Perspektive von verbitterten und / oder geschiedenen Freiern erzählt werden. Und sie durchzieht den Klang der Gruppe, wenn sie in manchen Passagen die Hölle auf Erden bespielen und sich ein paar Takte weiter bereits darüber lustig zu machen.

Geordie Greep selbst hat durch einen neuen Gitarristen die Chance, sich allein auf seine Wortketten zu konzentrieren und sich in sein Kabinett an hoffnungslosen Charakteren genaustens hineinzufühlen. Dabei dirigiert er zusätzlich immer wieder seine Band, um spontan ausbrechen zu können. Dem Publikum ist seine Freude am Musizieren greifbar. 

Gerne hätte ich noch den mehr als 10 Minuten langen Track „The Magician“ live gesehen, dafür spielt die Band fast jeden anderen Song des Albums durch. Teilweise werden sich Songs aus dem Publikum gewünscht, es wird häufig mitgesungen; für Black Midi-Verhältnisse alles unvorstellbar. Und es steht ihm gut. 

Greep schafft das Pompöse und die großen Momente, verliert dabei aber nie an Komplexität. 

Zwei aufstrebende Bands mit tollen Auftritten, progressiven Themen und eben für und mit einem jungen Publikum, ein hoffnungsstiftender Tag.


Donnerstag, 28. November 2024

Kaltern Pop Festival - Kaltern (IT) - 26.10.-28.10.2024

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Konzert: Kaltern Pop Festival 2024
Ort: Kaltern am See (IT)
Datum: 26.10.-28.10.2024
Dauer: 3 Tage
Zuschauer: voll

Von unserem Gastautor Denis (incl. der Fotos):

Es ist schon immer eine Herausforderung, dieses Festival. Letzte Herbstferienwoche Nordrhein Westfalen ist dafür immer blockiert und der Rückweg ist dann zeitlich ganz knapp bemessen, so denn schulpflichtige Kinder oder Lehrkräfte mit involviert sind. Nützt aber alles Nix! 

Das Kaltern Pop Festival ist außerhalb von Pandemien und abseits von familiären Jubelterminen eine feste Größe im Festivalkalender. Zudem ist es natürlich auch das Festival mit dem schönsten Drumherum im schönsten Dorf Südtirols, 

Der erste Abend des Ankommens gehört stets der Begegnung. Freunde aus allen Himmelsrichtungen treffen sich in Kaltern und der näheren Umgebung zum Wein und gutem Essen in den hervorragenden Lokalitäten des Ortes. Zum Stern, dem Rottenbacher Hof, im Weißen Rössl, der Weinschmiede, dem Drescher Keller oder zur Linde. 

Viele weitere müssten hier wohl noch genannt werden. Doch am Ende des Tages versammeln sich alle bei Stefan und Peter in der Kaltern Pop Bar. Oder wie es eigentlich heißen müsste: dem Fixstern des Kaltern Pop Festivals! 

Lasst uns hier immer zusammenkommen ! Die Eröffnung des Festivals durch Cantus Domus aus Berlin ist ein absoluter Pflichttermin. Klassik oder Moderne, Bach oder Batkovic, dieser großartige Chor lässt nichts aus und es  niemanden in der Franziskanerkirche, der nicht angefasst wirkt. Das ein und das andere Tränchen wird verdrückt oder verwischt. Standing Ovation! 

Viel Zeit bleibt nicht um das Südtiroler Weinmuseum aufzusuchen. Glücklicherweise geht es danach bergab zu Fitzgerald & Rimini aus der Schweiz. Das Duo poesiert Lieder voller Bilder, die um die Welt gehen und durch die Zeiten springen. Bosporus - Milli, die Hooligan aus UK - Typhus - Klangwelten mit Akkuschrauber und Laptop… dazu eine verrucht sinnliche Stimme. Alles mehr als schick. 
Wieder bergauf zum Vereinshaus. Turbo Trööt - Balkan Brass Punk.  Funktionierte letztjährig als Open Air und als Walking Act großartig. Auf der Bühne im Vereinshaus war es für mich eher nicht passend. Aber die Band tat alles um mich zu überzeugen. 

Wieder bergabwärts zu Zoll & Saturn - Eine fantastische "One Man" Loop Show. Hat mich allerdings auch ein wenig an Emil erinnert. Wo war der eigentlich in diesem Jahr…? 

Für Font (US) allein hätte sich die Anreise gelohnt. Holy Shit! Alles was mit zwei Drumsets daherkommt gilt es zu inhalieren. Dunkel. Kraftvoll. Indie. Fantastisch! 

Für die Geschichten voller Dreck und Schund, gepaart mit grenzenloser Ehrlichkeit, Wiener Schmäh und Rotzigkeit steht Voodo Jürgens. Gnadenlos gut! „denn es ist mir Wurst wo du herkommst oder was du macht. Hauptsache ist, dass du jetzt da bist!“ Stell dir vor… Voodoo Jürgen träfe Udo Jürgens. David und Stefan. Das wäre ein Ereignis.

Neuer Tag - und neue Startschwierigkeiten nach dem gestrigen, feuchten Ausklang in der „Kaltern Pop Bar“. Da kommt ein wenig Sonnenschein zu guter Musik mit Gringo Mayer und Gina Été im Innenhof des Ansitz Windegg gerade recht. Bei heißen Maronen und einem Lagrein lässt sich der Nachmittag entspannt angehen. 

Deutlich intensiver ging es dann im Vereinshaus bei Godwin weiter. Das Soloprogramm von Rob Godwin ist so dermaßen gefühlseinfließend dicht und fast filigran, wäre, ja wäre da nicht dieser eindringliche Bariton. Untermalt von Lambert am Klavier fasste dieses Konzert alle dermaßen an, dass tatsächlich über weite Strecken kein Gespräch, keine übliche Unruhe oder Bewegung zu verspüren war. 
Ganz anders bei St.Paul Tschäss Band. Die Lokalmatadore lieferten besten Jazz im Weinmuseum. Zurück im Vereinshaus begeistert Mel D. ein etwas verschüchtertes Publikum. Warum auch immer, es dauerte ein wenig, bis der Funken übersprang, aber dann war es ein wunderschönes Fenster ins Überallhin. Duo Udite. Der Slot im Weinmuseum brauchte Mut! 

Die vertonte Lebensgeschichte zweier italienischer Frauen brachte den ein oder anderen zum genussvollen Verstummen. Keine leichte  Kost, Aber wer die Beiden und ganz besonders Bettina im weiteren Festivalverlauf bei dem ein oder anderen Konzert getroffen hat, der konnte die durchdringende Begeisterung für dieses Festival erleben. Und als sie ein schallendes „Bravo“ Fabrizio Cammerata entgegenschmetterte, konnte man erleben, mit welcher Leidenschaft Kunst überall und zu jeder Zeit aufgesogen wird.
Adam French - nach vielen Jahren war er mal wieder in Kaltern und brachte mit eingängigem Sound schnell alle auf seine Seite. Für viele war er ein absolutes Highlight des Wochenendes. Beim Verlassen zur Umbaupause überraschten Ben e Blame & the Sugar Shame im Foyer mit gutgegartem Selbstaufgelegten. Zappelnd lässt sich die Stunde Umbau gut überdauern… 

Wer ein Medley, ein Best Off von Gisbert zu Knyphausen, Kid Kopphausen, Gisbert zu Knyphausen & Band und Husten brauchte, der war hier richtig. Dazu ein Set zusammen mit Cantus Domus. Eines steht fest. Es gibt Künstler an denen ich mich wohl nicht satthören kann - Gisbert zu Knyphausen gehört unweigerlich dazu.

Die traditionell samstägliche Matinee im Fest- und Ballsaal des früheren Grandhotel Penegal war fast überfüllt. Dicht an dicht wollten gefühlt diesmal wohl alle Besucher diese einzigartige Stimmung mitnehmen, und die Künstler in leisem Arrangement erleben. 

Chartreuse, Gina Été, Mel D., Adam French, Fabrizio Cammerata, Gisbert zu Knyphausen und Cantus Domus verzauberten für zwei Stunden die ohnehin klangvolle Welt noch ein Stückchen mehr. Nach der kurvenreichen Abfahrt vom Mendelpass durfte sich das verwöhnte Publikum einen weiteren Set von Fabrizio Cammerata leisten - ein opulenter und großartiger Auftritt des kleinen, großen Italieners mit seiner Wahnsinnsstimme, großer Gestik und noch noch größerem Chor. Cantus Domus in der Franziskanerkirche schaffte herausragend den Übergang zum letzten Abend. Ein Fest in absoluter Reife. Schwerer und gehaltvoller ist kein Lagrain. 

Nominiert auch für das beste Lichtdesign des Festivals. In dunklem Rot und Blau tauchte man mit Gina Etá in sanfte und wunderbar tragende elektronische Klangwelten ab, begleitet von einem Streicherinnentrio und ihrem kongenialen Partner…..und dabei immer mit einem gewinnendes Lächeln im Gesicht.


Die dahinterstehende Wut bricht sich nur selten Bahn. Bisou Gina ! Für Chartreuse tanzen sich die Massen im Foyer des Vereinshauses bei einem Surprise Surprise Act mit Ben E Blame & Sugar Shame warm. Was die Briten dann ablieferten blieb lange hängen. Und dabei kamen die vier völlig unpathetisch und nahbar daher. Wir werden sie im Blick behalten. 

Adam French im Klostergarten der Franziskanerkirche. Verlegt vom innen und außen beschreibt wohl ganz gut das Set. Der Garten war gefüllt und in tiefstes Rot gehüllt. Drei Sets in drei Locations die unterschiedlicher kaum sein können. Er bespielt sie alle. Endless Wellness (AUT) - Bester deutschsprachiger Indiepunk. Sie tanzen und fühlen die Enge der Bühne. Mit einem Unterschied: sie erscheinen gnadenlos optimistisch. Rufen! Wecken! Vereinen! 

Und so endet KalternPop 2024 für mich. Ein Gruß geht noch an Zolf & Saturn. Dem finalen Slot trauerte ich auf dem Brennerzubringer nach. Ich hätte mich so gerne noch ein wenig treiben lassen.


Montag, 25. November 2024

Meimuna, 21.11.24, Karlsruhe

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Konzert: Meimuna
Ort: Wohnzimmer in Karlsruhe
Datum: 21.11.2024
Dauer:  80 min
Zuschauer: 25

Bericht von Renate und Matthias - vielen Dank!

Die Band kam mit dem Tourbus direkt von Köln, wo sie einen Auftritt im Club „die Wohngemeinschaft“ hatte. Karlsruhe war der letzte Auftritt ihrer Tournee durch Deutschland. Mit dabei waren diesmal Jeff Albelda an der E-Gitarre (The Company of Men), Antoine als Techniker und ihr Manager Dominic Stämpfli. Cyrielle und Jeff spielten virtuos auf ihren Instrumenten, dazu sang Cyrielle mit glasklarer Stimme. 

 

Jeff stimmte fast unbemerkt mit ein, bis es eine leicht dissonante Zweistimmigkeit wurde, so schön als hätten sie schon immer so zusammen gesungen. Der Klang füllte den Raum bis in die letzte Reihe, wohl austariert von Antoine am Mischpult. Die Musik machte gute Laune, obwohl es doch melancholische Geschichten sind. Cyrielle erzählte wie sie als Kind mit ihren Geschwistern den Sturm Lothar erlebte. Ihre Hände klebten an der großen vibrierenden Glasscheibe, angsterfüllt stand neben ihr die große Schwester und als ihre Mutter die Situation auch gefährlich fand, gingen sie alle in den Keller. Die Konzertgäste lauschten aufmerksamen den sanften und blumigen Klängen und versuchten - je nach Sprachkenntnissen - der französischen und englischen Lyrik zu folgen. Aber auch als Muttersprachler versteht jeder etwas anderes, die Inhalte lassen genügend Interpretation zu. „Traurige Eltern haben traurige Kinder“, soll keine Aussage, sondern eine Frage sein, die jeder für sich beantworten kann. 

 


Cyrielle komponiert nicht nur Musik und Lyrik, sie setzt ihre Gedanken auch in Bilder um. Mit über 2500 Zeichnungen hat sie zu ihrem Song „Tomber de Haut“ einen Film gemacht, der wie ein Daumenkino anmutet. Als Zugabe spielten sie ein Stück aus Cyrielles Kindheit im Kanton Vallis, ihrer geliebten Heimat. So schön es dort ist, es wurde ihr zu eng, zu konservativ. So ging sie dahin wo sie sich besser entfalten kann. Der letzte Song ist ihrer Katze Spoutnik gewidmet. 


 

Spoutnik ist wild und legt sich mit anderen Katzen an und verliert fast immer, was der Katze immer wieder Gefechtwunden einbringt und Cyrielle mit Spoutnik teure Besuche beim Tierarzt. In dem Stück redet Cyrielle ihrer Katze ins Gewissen, dass sie aufhören soll, sich mit allen anzulegen. Ob Spoutnik so klug ist und das versteht? Wir haben diesen Abend sehr genossen und bestimmt trugen so einige die gute Stimmung mit nach Hause.


Setlist:




Dienstag, 12. November 2024

Cindy, Amsterdam, 10.11.24

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Konzert: Cindy
Ort: Paradiso, Amsterdam
Datum: 10.11.2024
Dauer: knapp 40 min
Zuschauer: ca. 20



Mit Beginn der Pandemie tauchte
Cindy plötzlich in meiner Musikwelt auf. Vermutlich war der Newsletter von Stephen Pastels Monorail zum zweiten Album der Grund dafür, dass mir ein Freund den Tipp weiterschickte. Kurz danach hatte ich beide Platten und war der Band aus San Francisco bedingungslos verfallen. Wenn ich beschreiben müsste, welche Musik ich liebe (muß ich viel zu selten), kann ich seitdem Cindy-Lieder vorspielen.

Cindy sind Teil der mit Abstand spannendsten Indiepop-Szene, die sich in SF und Oakland gebildet hat. Bands wie Seablite, Artsick, Kids on a Crime Spree, Jeanines, Peel Dream Magazine, Chime School, The Umbrellas oder The Reds, Pinks and Purples sind alle fantastisch und halfen mir durch die schlimmsten Covid-Zeiten. All diese Bands spielten 2022 beim Oakland Weekender, leider musste ich meine geplante Reise dahin kurz vorher absagen.

Obwohl ich plötzlich so viele neue Lieblingsbands hatte, stachen Cindy immer heraus. Wie gut, dass die Band um Karina Gill so wahnsinnig produktiv ist. Seit 2020 sind drei LPs, mehrere Singles und ganz frisch eine EP erschienen - alle fantastisch. Karina Gill ist spätberufen als Künstlerin. Nach einer Trennung zog sie in eine WG, fand dort eine verlassene Gitarre und begann Lieder zu schreiben, die sie auf der Debütplatte Cindy veröffentlichte.


Auf der Bühne des kleinen Saals im Paradiso stand ein spannendes Instrumentarium. Neben Verstärkern waren da drei Mikros, zwei Gitarren und ein Bass, kein Schlagzeug, kein Keyboard. Die Band stand zu viert im Publikum, während die sehr nette Vorgruppe The Hobknobs (NL) spielte, wir waren uns aber nicht sicher, ob alle vier auch auftreten würden. Taten sie, Cindy sind auf der aktuellen Tour Karina Gill (Gitarre), Oli Lipton (Now, Violent Change) und Will Smith (Now) and Gitarre und Bass. Den vierte Platz ohne Instrument nahm Staizsh Rodrigues (Children Maybe Later) ein und spielte Tamburin. Das klingt viel banaler als es war, das Tamburin ersetzte das Schlagzeug. Das wurde so konsequent umgesetzt, dass ein Lied sogar mit dem Tamburin eingezählt wurde. Wie wundervoll!

Das Konzert war so großartig, wie wir es uns erhofft hatten. Cindy setzten die kunstvolle Langsamkeit ihrer Lieder eindrucksvoll auch live um. Auch wenn es entsetzlich war, wie leer der Saal war, half das, weil es während der Stücke extrem still war. Das Publikum war extrem aufmerksam, puh!


Cindy
spielten fast alle Lieder von der neuen EP Swan Lake, die leider schon auf der UK-Tour ausverkauft war. Wahrscheinlich hätte die Band aber auch ausschließlich unveröffentlichte Skizzen spielen können und mich restlos damit begeistert. Es war perfekt, jedes einzelne Lied, auch das kurze Instrumentalstück The birds in Birmingham Park

"Haben wir noch Zeit für ein Lied?", fragte Karina nach dem letzten Stück. "Wollt Ihr ein langsames Stück? Oder ein langsameres?" Es wurde das langsamere Why not now, fantastisch!

In Berlin spielen Cindy heute, andere Deutschland-Termine gab es nicht. Es ist tragisch, dass solch fantastische Bands bei uns nicht stattfinden können. Nachdem ich den Oakland Weekender verpasste hatte, habe ich mir vorgenommen, alle neuen Lieblingsbands irgendwann live nachzuholen. Cindy war nach Chime School und Peel Dream Magazin die dritte und die mit Abstand wichtigste. Mein Konzertjahr ist erfüllt. 

Setlist Cindy, Paradiso, Amsterdam:

01: Take my place
02: Party in the atelier
03: To be true
04: All weekend
05: My friend
06: Violins
07: Seeing double
08: Consolation's test
09: The birds in Birmingham Park
10: St. Mark's
11: Playboy
12: The bell

13: Why not now



Samstag, 9. November 2024

Die Sterne - Villa Krupp - Essen - 02.11.2024

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Konzert: Die Sterne
Ort: Villa Krupp - Essen
Datum: 02.11.2024
Dauer: 100 Min.
Zuschauer: ausverkauft


Häufige Konzertbesuche wecken die Hoffnung nach außergewöhnlichen Momenten. Ein als, "erstes Popkonzert" im Weltkulturerbe der Villa Hügel angekündigtes Event, scheint diese Hoffnung zu bestätigen. Kein Wunder also, das der Abend in Rekordzeit ausverkauft war. 

Schon die Anfahrt, an einem dunklen Novemberabend, ist beeindruckend. Der Eingangspforte folgt eine lange, beleuchtete Straße, man wähnt sich auf dem Grundstück von Mr. Burns. Dann steht man vor dem beeindruckenden Bau aus der Mitte des 19.Jahrhunderts. 


Wikipedia spricht von 399 ! Räumen und 28 Hektar Park mit Blick auf den Baldeneysee. Das Konzert findet in der riesigen Halle/Kaminzimmer in der obersten Etage statt. Wandteppiche, Ölgemälde und schwerer Parkettboden sind allgegenwärtig. Das hier in einer Stunde "Die Sterne" ihren Hit "Fickt das System" anstimmen sollten, ist ein mehr als interessanter Kontext. 

Licht, Sound und Bühne sind großzügig gestaltet. Der Raum hat eine fantastische Anmutung, die Glaskuppel wird erstmal als das bevorzugte Fotoobjekt genutzt. Während der Vorgruppe (Plastic Peaches/Essen) steht Sänger Frank Spilker bereits neben der Bühne, beobachtet das Publikum und die Reaktionen im Saal. Man spürt, das ist kein normaler Konzertabend. 


"Die Sterne" tourten in diesem Jahr bereits ausgiebig und spielen passend zum erschienenen "Best of" Album "Grandezza" zur Zeit ein Set voller Lieblingslieder.  Da im großen Saal keine Getränke erlaubt sind, macht die Band sogar eine Pause und der Bruch ist, wahrscheinlich gewollt, recht deutlich. 

Im ersten Teil geht es noch ruhiger zu, die Nervosität ist greifbar, aber Spilkers Stimme hat noch immer diesen tollen, jugendlichen Klang. Danach steht die Gitarre mehr im Vordergrund. 


Eine ausladende Version vom schon erwähnten "Fickt das System", incl. "a DJ saved my live.." Coversnippet von Indeep bringen das Publikum zum Tanzen. Es folgen, wie im Stakkato, noch fast alle anderen Hits aus 30 Jahren Bandgeschichte. Als Zugabe hält Spilker noch ein kurze Ansage zu "Universal Tellerwäscher" und die ersten Jahre in Hamburg. Um einen herum schaut man in bewegte Gesichter.  


Es bleibt zu hoffen, dass dies nicht der letzte Abend war, an dem die Popkultur einen Platz in der Villa Hügel findet. Kultur ist Vielfalt und sollte auch so in verschiedensten Locations präsentiert werden. Das Verlassen der Komfortzone ist für die Macher und Besucher gleichermaßen spannend und Vorureile verfliegen schnell.      



Fotos: Michael Graef


Mittwoch, 6. November 2024

The Last Dinner Party - Köln - E-Werk - 02.11.2024

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Konzert: The Last Dinner Party
Ort: Köln
Datum: 02.11.2024
Dauer: 75 min
Zuschauer: ausverkauft


Der Rolling Stone schreibt im Februar 2024, das The Last Dinner Party mit ihrem Debütalbum „Prelude To Ecstasy“ beweisen wollen, dass sie mehr sind als ein Hype "mit Renaissance-Outfits und Rockgitarren". So viel vorweg, ein Hype sind sie auf jeden Fall. 

Bei der Ankunft in Köln bietet sich zunächst ein skurriles Bild. Im Palladium gegenüber vom E-Werk findet zeitgleich das Konzert von Sepultura statt. Dort stapeln sich leere Bierflaschen in Einkaufswagen und die Farbe Schwarz dominiert die Outfits. Der Kontrast zur Warteschlange am E-Werk könnte nicht größer sein, denn hier sieht man perfekt zusammengestellte, meist weiße Outfits im typischen The Last Dinner Party Style. 

Im E-Werk angekommen könnte man nur vom Bühnenbild ausgehend eine griechische Tragödie erwarten. Säulen über Säulen. Doch die rund 2000 Fans, viele in Kleidern, Schleifen, Rüschen und Korsagen sind sicher nicht für eine Tragödie erschienen. 

Es benötigte etwas Geduld, bis nach zwei Support Acts, unter anderem die wundervolle Katy J. Pearson, schließlich die orchestralen Klänge des Albumintros ertönen. Die Ekstase, die bereits 2023 das veröffentlichte Video zu „Nothing Matters“ in der Musikpresse auslöste, war beim Publikum spürbar. 


Sängerin Abigail Morris dirigiert und wirbelt mit Leichtigkeit und positiver Energie durch das Set. Alle Songs des Albums sind vertreten und zwischen dem Harmoniegesang bei „Beatiful Boy“ und „Mirror“ wird noch ein Fan Wunsch in der Front Row erfüllt. Es wird eine Skizze für ein zukünftiges Tattoo gewünscht. 

Textsicher ist nicht nur die Band, sondern auch das Publikum. So werden die Hits des Albums wie „Sinner“ und „Caeser on a TV Screen“ zu einem  Erlebnis als gemeinsamer Chor. Die elektronischeren Momente der bisher unveröffentlichten Songs wie „Second Best“ und „Big Dog“ bringen eine ausgelassene Stimmung auf die Bühne, die ich bei den vielleicht schon zu oft gespielten Hits an diesem Abend vermisse. 


Der womöglich nächste, bisher unveröffentlichte Hit „Killer“ mit einem leichten Country Einschlag leitet die Zugabe und den Abschluss des Abends mit dem bisher größten Hit „Nothing Matters“ ein. Die Band spielt ein perfektes, aber leider zu perfektes Konzert. Jeder Ton sitzt, aber auch jeder Seufzer ist an der gleichen Stelle wie im Original zu hören. Diese Perfektion ist es, die das Konzert an diesem Abend zu einstudiert und wenig spontan wirken lässt.

Wir werden hören wie lange dieser Hype sich hält, oder ob der spontane Erfolg doch viel schneller endet, als der von Sepultura gegenüber.



Donnerstag, 24. Oktober 2024

SXSW London 02.06.-07.06.2025 - Vorbericht - Bewerbungen für Musik/Speaker/Movies ab Montag möglich.

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Konzert: SXSW London
Ort: City of London
Datum: 02.06.-07.06.2025
Dauer: 6 Tage



Im Juni 2025 findes das SXSW zum ersten Mal auch in London statt. Ab Montag (28.10.2024) sind alle Kreativen und Künstler/innen aufgerufen, sich für einen Platz im Line-Up zu bewerben. Abgestimmt wird dann per "public vote". 

Egal ob Musik, Kunst, Start-Up, Film oder Speaker, alle sind willkommen. Das Festival versteht sich als Sprungbrett für alle Arten von Kultur und kreativer Energie. Hier ausnahmsweise das komplette, offizielle Statement auf Englisch: 

Taking over Shoreditch, London’s epicentre of creativity and tech from 2-7 June 2025, SXSW London will be an incredible convergence of industries, disciplines and art forms, all coming together across our East London venues and spaces. Submissions for the first-ever SXSW London will officially open on Monday. 

SXSW is an iconic cultural movement showcasing content from across the world, and this is your chance to be part of it. On 28 October 2024, you'll be able to apply to talk, play or screen at the SXSW London festival debut. 

We’re building an epic lineup, and we want you to join us. Whether you’re a tech innovator, thought leader, artist, performer or industry trailblazer, this is your chance to make history at SXSW London 2025. Programme Vision Along with submissions, SXSW London also announced its programming vision for the week-long festival, which was inspired by the key themes of convergence and unexpected discovery. 


The intersection of Conference, Music, Screen, and Visual Arts & Fashion provides a unique environment for imaginative and innovative content. Detailed programming will be announced in the coming months, surveying the convergence of all art forms at a grassroots level. Conference The worlds of technology, business, society, music, screen and more will be reflected in SXSW London’s wide ranging Conference programming with 23 tracks across four broad categories: Technology, Society, Culture & Creative, and Business. 

The Conference Programme will be comprised of over 400 sessions across four days in a mix of formats ranging from keynotes and presentations to mentor hours, meet-ups and book readings. 

SXSW London invites thought leaders, mavericks and experts to share insights and foster debate - converging tech, innovation and creativity to forge meaningful connections. The Conference Programme will also feature a dynamic Pitch Competition for companies from around the world to compete and showcase their leading tech and business innovations. Music SXSW London’s Music Programme will feature cutting-edge music, culture and creativity from London, Europe and beyond. 

78 individual events across 20 music venues are being planned, offering more than 600 individual performances. The main music hubs will include Shoreditch Town Hall, Village Underground and 93 East as well as many smaller, grassroots venues. The adventurous Music Programme will spotlight international music scenes that transform the culture of their communities through the lens of London and focus on what’s new and what’s next - highlighting iconic moments where music and technology collide with culture coming from diasporic communities and underground movements. 


Screen The Screen Programme will incorporate the best parts of SXSW and infuse it with a brand new, distinctively European and uniquely London flavour. With over 250 sessions featuring 80-90 international premiers, the Screen Programme will feature a heavy European focus pulling in UK premieres from neighbouring countries. 

 The Screen Programme will be imbued with the transgressive, boundary-pushing and creative force that East London has become globally known for. Visual Arts & Fashion The Visual Arts & Fashion Programme will reflect London’s position as a centre of creative excellence, celebrating the convergence of art forms– visual art, performance, fashion, sound, moving image and technology. 

There will be unexpected bespoke and never-before-seen projects from internationally renowned artists and local emerging talents. Katy Arnander, Director of Programming for SXSW London – "SXSW London provides a global platform for creative and innovative voices to showcase their unconventional and alluring talents. Convergence in tech and creativity is often where we see the most exciting discoveries emerge, and we can’t wait to see the submissions we’ll receive for this theme. Today marks an exciting step closer to our inaugural festival in Shoreditch in June 2025.” 

Coming to Shoreditch from 2-7 June 2025, SXSW London will be one of the biggest events on the creative and tech calendar with its own distinctive personality and is set to become the ultimate platform for creative discovery and artistic convergence across Europe. 

Building on the legacy of SXSW in Austin, SXSW London invigorates the festival in a new setting, brought by a team of experts in event management, music programming, and creative direction. The driving force behind SXSW London is the convergence of technology, art and business. The London edition of the festival will feature entirely new areas of programming that are authentic to British and European culture. 



For more information and to access the session submission portal, please visit: SXSW - London 2025 ]


Dienstag, 22. Oktober 2024

left of the dial Festival - Rotterdam - 17.-19.10.2024

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Konzert: "left of the dial" Festival
Ort: Rotterdam - div. Locations 
Datum: 17.-19.10.2024
Dauer: 3 Tage
Zuschauer: ausverkauft



Schon im letzten Jahr stand dieses rasant wachsende Showcase-Festival auf unserer "to do" Liste. Einige Viren hatten leider etwas dagegen. 130 Acts auf 22 Bühnen, verteilt über die Innenstadt von Rotterdam. Ein Moloch von Programm, bei dem die Playlist alleine 14 Stunden in Anspruch nimmt.

Interessanterweise besteht hier das Line-Up aus unzähligen UK-Acts, die z.B. beim Reeperbahn Festival vor einem Monat fast gar nicht anzutreffen waren. Auch sind die Genre hier enger gefasst. Post-Punk, Indie und ein paar wenige Ausreißer in Richtung Pop, Folk und Punk. 


Umso besser, aber auch anstrengender ist daher die Planung mit der Festival eigenen App. Zwar sind alle Clubs in Gehweite, thematisch gibt es aber keine weitere Zuordnung. Ansonsten ist aber alles ganz liebevoll und organisatorisch perfekt gestaltet. 


Die Läden hören auf so tolle Namen wie Worm, Roodkapje oder Tiki`s. Drei  wunderschöne Kirchen werden bespielt. Dazu die bekannten und ehrwürdigen Clubs:  Perron und Rotown. 


Das Rahmenprogramm bietet einen Moshpit Lehrgang (auch in einer Kirche), Merch fast aller Bands zum Selberdrucken und Kinofilme am Mittag. Extra-Tickets gibt für vier Hafenrundfahrten in Booten mit je zwei Bands. Die Innenstadt präsentiert darüber hinaus noch einige Bands gratis und ohne Eintritt. 


Fast alle Bands treten mehrmals am Wochenende auf, so dass sich der Zeitdruck etwas entspannt. Irgendwann muss man dann ja auch nochmal etwas Essen und Schlafen. Ich kann diese Innenstadt Festivals nur immer wieder empfehlen. Man sieht trotzdem immer noch genug von der Stadt und entdeckt Ecken, die einem ein normaler Städte Tripp definitiv vorenthalten hätte. 

Bands auf ihren ersten Live-Schritten zu sehen macht einfach Freude. Viele werden den Sprung auf andere Festivals in 2025 schaffen. Musikalisch gab es folgende Bands zu beachten:


Deary konnte man bereits als Support von Slowdive in diesem Jahr erleben. Hier spielen sie am Nachmittag ihren ruhigen Mix aus Shoegaze und Indiepop. Pamphlets aus New York ziehen dann das Tempo schon etwas an. Klassischer Indie-Rock mit amerikanischem 90er Einschlag. 

Als einer der Gewinner des Wochenendes können dann Human Intrest punkten. Auf dem gleichen Label wie Sports Team und Englisch Teacher (Nice Swan) spielen sie tolle Songs mit Harmoniegesang und einen Sound zwischen Arcade Fire und T. Rex. Tipp. 


Eine der wenigen Bands, die schon vorher etwas Aufmerksamkeit bekamen, waren Dog Race. Ich konnte den Hype aus Haldern hier nicht nachvollziehen. Der Gesang ist sehr gewöhnungsbedürftig, irgendwo zwischen Highlands und Exorzist. Eine Coverversion von Joan Baez bleibt unverstanden. Trotzdem hat die Bands zwei echte Hits im Gepäck und wird ihren Weg machen. 

Viel mehr Spaß machten mir da schon zwei Bands aus dem BCNR Umfeld. Sowohl ladylike als auch Ugly sah ich in der Kirche und beide waren hervorragend. Introvertierte Pop-Perlen, meist jenseits der fünf Minutengrenze. Himmlisch. Danach noch zur Aftershow-Abriss Party ins Rotown. So schön können Herbst-Festivals sein. 


Eine besondere Erwähnung gibt es dann noch für Meryl Streek. Zunächst nur mit einer Taschenlampe beleuchtet betritt er die Bühne und startet einen Rant gegen Kirche und Staat, der Mike Skinner wie einen wortkargen Anfänger klingen lässt. In Dublin scheint sich einiges angestaut zu haben. Miete, Missbrauch und Mafia bieten genug Themen für einen explosiven Auftritt. Unbedingt reinhören. 

Und so verfliegen die Stunden, Tage und dann ist es auch schon wieder vorbei. "Left of the dial" beweist, wie ein perfektes Indoor-Festival funktioniert und wenn man in die lachenden Gesichter der unzähligen Musiker blickt, die ihre Instrumente durch die Gassen tragen, scheinen sie es genauso zu genießen.  

3 Fotos: Tineke Klamer    



Donnerstag, 3. Oktober 2024

Ryan Adams - Concertgebouw de Vereeniging - Nijmwegen - 02.10.2024

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Konzert: Ryan Adams
Ort: de Vereeniging, Nijmwegen
Datum: 02.10.2024
Dauer: 150 min.
Zuschauer: ausverkauft


"To die by your side. Well, the pleasure, the privilege is mine". Ryan Adams covert The Smith in einer berührenden Pianoversion, und vielleicht ist diese Zeile auch schon die größtmögliche Hoffnung auf eine Zukunft, die eigentlich gar keine ist. 

Leicht und unbeschwert ist nichts an diesem Konzertabend und das Fotoverbot obligatorisch. Nicht einmal eine Bühnenbeleuchtung gibt es. Ein paar wenige Wohnzimmerlampen müssen reichen, Adams scheint wirklich gar nichts erhellen zu wollen. 


Dreißig Songs in 2,5 Stunden, abwechselnd am Piano oder mit Gitarre, kaum Ansagen und schon gar kein Lächeln sind während des Auftritts zu erkennen. Eine live vorgetragene Katharsis und weniger ein Konzert werden hier aufgeführt. 
Nur was soll ich als Zuschauer damit anfangen ? 

Adams hat viele Übergriffe und Fehler eingestanden und wirkt auch äußerlich schwer angeschlagen. Mit mittlerweile kurzen Haaren und vielen Kilos ist er kaum wieder zu erkennen. Seine Gesten sind klein, seine Sprechstimme leise. 

Will man einen Saal mit 2.000 Besuchern akustisch überzeugen, helfen  Charisma und Bühnenpräsenz schon sehr viel weiter. Gerade ein Vergleich zu Glen Hansard zeigt die gewaltigen Unterschiede auf. 

Ja, es gibt Highlights. "I see monsters", und das letzte Drittel des Sets sind etwas zugänglicher. Doch meistens sind es die Coverversionen, die er meisterlich vorträgt. Dylans "Love Sick", oder "Pale Blue Eyes" von Velvet Underground klingen träumerisch, aber nicht weniger depressiv als im Original. 


Und so bleibt es ein Abend in komplettem Moll. "The fact that you are married. Only proves you`re my best friend. But it`s truly, truly a sin." Zugaben sind inkludiert. 

Zwei Songs vor dem Ende zieht sich Adams bereits wieder sein Sweatshirt an. Darauf ist das Motiv von "The Exorcist". Wer an Zufälle glaubt, ist hier falsch.  





Dienstag, 1. Oktober 2024

Nick Cave & the Bad Seeds - Rudolf-Weber Arena - Oberhausen - 24.09.2024

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Konzert: Nick Cave + the Bad Seeds 
Ort: Rudolf Weber Arena, Oberhausen
Datum: 24.09.2024
Dauer: 145 min.
Zuschauer: ca. 10.000


Ein verregneter Abend im Spätsommer, ein grauer Anzug mit Krawatte und eine Multifunktionsarena im Ruhrgebiet sind normalerweise nicht die perfekten Zutaten für ein emotionales und musikalisch hochwertiges Konzert.

Aber wir reden ja hier von Nick Cave, der an diesem Abend seine neue Tournee mit den Bad Seeds, vier Backgroundsänger/innen und Colin Greenwood (Radiohead) am Bass in Oberhausen startet. Thematisch will das so gar nicht in diese schmucklose Halle am Centro passen. 

Wer meint, er bräuchte einen Liter Cola, kann ihn hier für 11,80 EUR erwerben. Ansonsten ist man froh, das grelle Licht des Umgangs zu verlassen und sich in der bereits dunklen Halle auf Dry Cleaning zu freuen. Die haben einen schweren Stand. 


Wer Florence Shaw noch nie live gesehen hat, wird natürlich zunächst etwas verwirrt sein. Die Band versucht gar nicht erst, die Vorfreude der Nick Cave Fans zu stören und spielt ihre 40 Minuten einfach dahin. Schade. Aber wer möchte schon bei Nick Cave als Support fungieren. 

Nichts weniger als eines der Konzerte des Jahres wird erwartet. Hier noch versehen mit der Stimmung des Ungewissen, da die Setlist ja noch nicht bekannt ist. Und ja, es wird viele Premieren geben an diesem Abend. Neun bisher nie live gespielte Songs des Albums "Wild God", dazu Raritäten wie Grindermans "Palace of Montezuma" und "Papa, won`t leave you, Henry". 

Das Konzert ist nicht weniger als ein Ereignis und die hohen Erwartungen werden mehr als erfüllt. Natürlich gleichen viele Elemente der letzten Tourneen mit den Bad Seeds, aber wer möchte darauf verzichten. Schon beim ersten Song nutzt Cave wieder den montierten Catwalk auf dem Wellenbrecher. 


Trotz der fast 2,5-stündigen Show gibt es keine Aufwärmphase. Joy, Frogs und Wild God eröffnen das Set und fühlen sich an wie alte Bekannte. In der bekannten Mischung aus Prediger und Hospitalismus macht Cave Meter um Meter, sucht sich starke Hände zum Abstützen und tadelt nicht textsichere Besucher mit Augenkontakt. 

All dies wäre unnütz, würde es nicht zur Musik, den Texten und der Band passen. Diese spielt in einer überbordenden Perfektion  und treibt Cave immer wieder an, lässt ihm dann wieder viel Raum, um ihn am Ende sicher durch den Wahnsinn der einzelnen Tracks zu begleiten. 


Wer jemals Zeuge einer Live-Version von Jubilee Street wurde, wird sie nie wieder vergessen. Hier zwingt sich Cave immer wieder an den Flügel um die bereits ikonischen Akkorde anzuschlagen, während die Bad Seeds sich dazu in eine Raserei aus Sound spielen. 

Es gibt nur wenige Minuten, die Zeit zum Luft holen lassen. Anders als bei seinen Solokonzerten wirken hier die Balladen, alleine am Klavier, allerdings fast störend. Eher muss man sich in diesen Minuten wieder etwas sammeln als die Ruhe und Klasse der Songs ausgiebig genießen zu können. Einzig "I need you" funktioniert hier für mich in diesem Rahmen, wunderschön illuminiert verliert sich das Licht langsam hinter dem Flügel. 

"Red right Hand" und "The Mercy Seat" treiben danach die Ekstase weiter voran, bevor bei den Zugaben der Gospel dominiert. Es ist ein universelles Stück Musikgeschichte, das hier präsentiert wird. Kein Verständnis der Texte ist notwendig, um die Emotionen zwischen Hoffnung und Hoffnungslosigkeit zu verstehen. 


Cave und seine Musiker erfinden nichts neu aber kreieren so viel Neues. Am Ende steht man wieder mit seinem leeren Mehrwegbecher im Regen vor der Mehrzweckhalle, aber mit einem Lächeln im Gesicht. Das Leben wird einem so schnell nichts mehr anhaben können.  



 

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