Konzert: Fourplay String Quartet mit Neil Gaiman
Ort: Usher Hall in Edinburgh
Datum: 6. Juli 2014
Dauer: 20 min + 80 min
Zuschauer: ausverkauft (also über 2000)
Es gefällt mir, wenn sich Musiker nicht um Genre-Grenzen scheren und beweisen, dass sie in verschiedenen musikalischen Gewässern zu Hause sein wollen und können. Das australische FourPlay String Quartet ist dafür bekannt, klassisch, jazzig oder auch rockig aufzuspielen, wobei sich zeigt, dass die Violinistin eine tolle Stimme hat, wenn aus dem klassischen Repertoire ausgebrochen wird.
Für ein einmaliges Experiment zum Graphic Festival der Opernhalle in Sydney hatte die Band im Jahr 2010 einen Soundtrack zu einer Erzählung von Neil Gaiman (The Truth is a Cave in the Black Mountains) komponiert und aufgeführt. Musik und Lesung wurden durch projizierte Bilder von Eddie Campbell ergänzt. Die Rezensionen waren euphorisch und deshalb wurde die Aufführung beim Tasmanischen Mona Foma Kunstfestival (*) am 15.01. 2011 wiederholt.
Seitdem sind drei Jahre ins Land gegangen und viele Leute haben gequengelt, andere die Köpfe zusammengesteckt und heraus kam schließlich der Plan, noch fünf (endgültig letzte!) Aufführungen zu spielen:
25 Juni — The Warfield Theatre, San Francisco
27 Juni — Carnegie Hall, New York City
4/5 Juli — The Barbican Centre, London
6 Juli — Usher Hall, Edinburgh
Es ist eine schottische Geschichte und so wollte ich sie mir auch gern in Schottland anhören. Außerdem wollte ich schon längst mal Edinburgh mit eigenen Augen sehen (und nicht nur den Eindrücken von Inspector Rebus folgen). So war der Plan gefasst und schnell genug Flüge gebucht, dass ich nicht erst ins Grübeln kommen konnte, ob das so eine gute Idee gewesen war.
Am Abend des Konzertes in Edinburgh war klar, die anderen vier Aufführungen im Juni und Juli waren ebenso begeistert aufgenommen worden wie die erste in Sydney und so waren meine Erwartungen hoch geschraubt. Die Usher Hall war fast auf den letzten Platz gefüllt und summte vor Vorfreude. Beste Bedingungen dafür, dass meine Abenteuerlust wieder einmal belohnt werden würde!
Der Abend wurde vom Streichquartett mit dem Dr Who theme eröffnet und das Publikum damit binnen der ersten zehn Sekunden um den kleinen Finger gewickelt. Sehr gute Taktik in Großbritannien würde ich sagen... Es gab ein bisschen verbale Verwicklungen um den Fakt, dass sie Musik von dem Album This Machine vorstellten, dass demnächst erscheinen soll also forthcoming ist, während aber ihr 2009 zuletzt veröffentlichtes Album Fourthcoming heißt (von dem wiederum auch ein Titel zu Gehör gebracht wurde). So wurde ganz schön viel gelacht. Aber auch ehrlich begeistert applaudiert, denn die Musik war vielgestaltig, meisterlich und herrlich anzusehen.
Setlist:
Doctor Who (Album 1)
Anti-Occident (Album This Machine)
Butter Girl (Album Fourthcoming)
Now to the Future (Album Now to the Future)
Anschließend betrat Neil Gaiman die Bühne. Wer das schon einmal erleben durfte weiß, dass es ihm leicht fällt, 2000 Personen in seinen Bann zu ziehen. Seine besondere Verbindung zu Schottland und die Möglichkeit, hier einfach etwas zu machen, wozu er gerade aufgelegt war, taten ihr übriges. Die Lesung der Geschichte The man who forgot Ray Bradbury ließ jedenfalls niemanden ungerührt. Sie war schauerlich und tragisch und traurig. Aufgelöst wurde die Traurigkeit durch die Oktobergeschichte seines Calendar of Tales - eine Liebesgeschichte, die die allseits bestens bekannte Story vom Geist aus der Wunderlampe herrlich umstülpt. Den Abschluss dieses spielerischen Auftaktes bildete schließlich I google you mit Begleitung durch das Quartett. Was für ein treffender und schwarzhumoriger Text!
Richtig interessant wurde es freilich nach der Pause. In etwa 90 Minuten wurde in Musik und Worten eine atemberaubende Geschichte durchlebt, in der die Wahrheit sich Stück für Stück in immer neuen Wendungen fand. Im Weg durch Nebel, Wasserfälle, über Wasser und auf die Berge wurden die inneren Welten der beiden Protagonisten vorgezeigt und Kräfte aller Art gemessen. Die Rolle von Gier, Treue, Verlässlichkeit und Fahrlässigkeit in unserem Leben wurden in verschiedenem Licht gezeigt und schließlich... Aber das sollte man vielleicht doch lieber selbst lesen.
(c) @_Nevermore_ (Melbourne Jan 24 2015 - Thanks!) |
Dabei waren die Bilder des Schotten Eddi Campbell an der Rückwand der Bühne eine weitere kunstvolle Ebene und gaben der Geschichte einen Kick für die eigenen inneren Vorstellungen. Zum Glück sind diese Bilder, die ursprünglich als ein halbes Dutzend für die erste Vorstellung in Sydney entstanden waren inzwischen in einem Buch zusammen mit der Geschichte erschienen (The Truth Is a Cave in the Black Mountains: A Tale of Travel and Darkness with Pictures of All Kinds).
Wir in der Usher Hall waren am Schluss ganz schön aufgewühlt, mussten uns vom Zauber erst lösen und waren etwas aus der Puste. Aber eine Zugabe musste schließlich sein. Auch damit sie uns auf etwas andere Gedanken brächte! Neil Gaiman sagte sinngemäß, nach der schauerlichen Geschichte würde er uns gern mit etwas fröhlichem heim schicken und seine Version von Psycho (ein Leon Payn cover) mit dem noch einmal bravourös aufspielenden Streichquartett war sicher genau das... Es wurde viel gelacht, aber irgendwie gaaaaanz schwarzer Humor. Sehr schottisch würde ich sagen.
Interview mit Neil Gaiman vor dem Konzert
(*) Das gleiche Festival, auf dem man ausfallende Slots spontan damit füllen kann, ein Album der Violent Femmes aufzugeführen - so geschehen am 20.01.2012
Interview mit Neil Gaiman vor dem Konzert
(*) Das gleiche Festival, auf dem man ausfallende Slots spontan damit füllen kann, ein Album der Violent Femmes aufzugeführen - so geschehen am 20.01.2012
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