Donnerstag, 31. Januar 2008

The Woodentops, Paris, 30.01.08

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Konzert: The Woodentops

Ort: New Morning, Paris
Datum: 30.01.2008
Zuschauer: mittlere Füllung



Mein Plan war ambitioniert und stellte sich letztendlich als nicht machbar heraus: Ich wollte mir zunächst die alten Rough Trade- Legenden The Woodentops im Jazzcafé New Morning ansehen, um dann anschließend zu meinen Lieblingen Kim Novak in die Flèche D'or zu eilen, die dort als dritte Band angesetzt waren. Dieses Clubhopping schien mir durchaus realisierbar, weil das Ticket für die Woodentops als Anfangszeit 19 Uhr 30 auswies. Nun gucke ich normalerweise auf die Entrittskarten ja noch nicht einmal mehr drauf,
weil ich weiß, daß die Hauptgruppe eh immer erst gegen 21 Uhr beginnt, ganz egal was da auf den Ticks geschrieben steht. Gestern aber hoffte ich, daß die Vorgruppe Jake Ziah wirklich um 19 Uhr 30 starten würde und die Woodentops dann gegen 20 Uhr 30. Pustekuchen! Die Bluesmusiker von Jake Ziah ließen sich viel Zeit und legten erst gegen 21 Uhr 30 los, Kim Novak konnte ich somit abschreiben! Die Enttäuschung darüber legte sich aber, als die Engländer The Woodentops ihre ersten Songs schmetterten. Es war inzwischen fast 23 Uhr und es sollte ein langer Abend werden. Allerdings ein sehr gelungener...

Wer sie nicht kennt: The Woodentops sind eine britische Band, die ihre Glanzzeiten in den 1980er Jahren hatten und bei den Musikkritikern hochangesehen waren. Unter Vertrag standen sie bei dem renomierten Label Rough Trade und waren somit Kollegen von The Smith und vielen anderen glänzenden Bands. Allerdings habe ich damals persönlich so gut wie nichts von der Formierung um Sänger, Gitarrist und Songwriter Rolo Mc Ginty mitbekommen. Stattdessen hörten ich und Christoph (allerdings erst Ende der 80er, Anfang der 90er) ähnliche Bands wie The Fall, The Smith, Pixies, Violent Femmes und die B 52s und zwar meistens in unserem Lieblingsclub Logo in Koblenz. An diesen Laden und die tolle Zeit, die wir dort als Heranwachsende verbrachten, mußte ich gestern oft denken. Damals habe ich zum ersten Mal Pogo getanzt und fand das alles sehr spannend und aufregend. Die Hochphase des Post-Punk Ende der 70er hatten wir ja verpasst, aber wir bekamen zumindest mit Verspätung in der Provinz eine Idee davon, wie geil das wohl gewesen sein mag, wenn Bands wie Joy Division, oder die Gang Of Four in London auftraten. Mein Bekannter Etienne, ein Franzose jenseits der vierzig, mit dem ich gestern im New Morning war, konnte mir von diesen glorreichen Zeiten auch so einiges erzählen. Er hatte etliche Kultbands der New Wave und Post Punk Ära noch live in Paris miterlebt. Insofern war das wirklich eine Art Zeitreise gestern, äußerst kultig und irgendwie auch grotesk. Umringt von alten Säcken (ich nehme mich da nicht aus!) der Pariser Bohemien- Szene tanzte ich zu den oft aggressiven und ungemein zackigen Klängen der Woodentops kräftig ab. Es war ein Heidenspaß dem "Giftzwerg" Rolo McGinty zuzusehen, wie er mit seiner Gitarre in meiner unmittelbaren Nähe am Bühnenrand einheizte und etliche Punk Posen brachte. Erschienen war er zunächst mit einer dunklen Sonnenbrille, bevor diese und seine Jacke fielen und er den aufgeheizten Fans so manche irre Blicke zuwarf. Seine Gestik hatte etwas gemein Sadistisches und allein wie er seine Gitarre hielt (wie ein Gewehr) war völlig abgefahren und sehenswert. Sehenswert war auch die schüchterne, aber mit einem bezaubernden Lächeln ausgestattete neue Keyboarderin Aine o'Keeffe und die anderen Bandmitglieder, als da wären Simon Mawby, ein alterslos wirkender Typ an der Gitarre, Frank de Freitas am Bass und der dynamische Benny Staples am Schlagzeug. Letzgenannter hieb auch desöfteren auf eine Kuhglocke ein und gab so dem Sound eine groovig- funkige (und manchmal auch regelrecht tropikalische) Note. Sein Spiel war extrem trocken, schnell und zackig. Tanzen war Pflicht und man konnte sich regelrecht in einen Rausch steigern, weil den Klängen auch etwas Tribalisches anhaftete. Kurzum es war saucool! Seit der Gang Of Four hat mich keine alte Band, die auf die Bühne zurückgekehrt ist, mehr in ihren Bann gezogen. Ein wahres Feuerwerk treibender, packender Songs wurde abgefackelt, darunter frühere Singleauskoppelungen wie "It Will Come", "Good Thing" (Top 30 in England) und "You Make Me Feel". Publikum und Band amüsierten sich glänzend und die Oldies auf der Bühne hatten gar keine Lust, ihr Set schnell und lustlos runterzunudeln. Stattdessen spielten sie ein äußerst ausgedehntes, aber nie langweiliges Programm, das sich über satte 100 (!) Minuten erstreckte. Und als Zugabe gab es tatsächlich noch das während des Konzertes ständig von Fans geforderte Stück "Love Train" und auch zwei weitere Titel, "Shout" und "Travelling Man".

Setlist The Woodentops, New Morning, Paris:

01: It Will Come
02: Plenty
03: Hear Me James
04: Everything Brakes
05: Conversations
06: Spotlight
07: Give It Time
08: Good Thing
09: Get It On
10: A Pact
11: Stay Out Of The Light
12: You Make Me Feel
13: Last Time
14: Why
15: Move Me
16: Stop This Car

17: Love Train (Z)
18: Shout (Z)
19: Travelling Man (Z)

Konzertdauer (Woodentops) : gut 100 (!) Minuten





Mittwoch, 30. Januar 2008

Cocoon, Paris, 29.01.08

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Konzert: Cocoon
Ort: La Maroquinerie, Paris
Datum: 29.01.2008
Zuschauer: seit langem ausverkauft!



Zunächst einmal dieses hier:


"Happy Birthday to you, Happy Birthday to you, Happy Birthday lieber Christoph, Happy Birthday to you!"

Hast Dich gut gehalten alter Blogger-Partner! Deine 37 Jahre sind man Dir gar nicht an, man könnte Dich glatt auf,...ähem, nun sagen wir...35 1/2 schätzen! Ehrlich! Nun gut, kann ja nicht jeder so jung aussehen wie ich, mit meinem vollen Haar und dem flachen Bauch (die zweite Aussage ist gelogen!). Ich setze Dir hiermit die Blooger-Geburtstagskrone auf! Und wenn wir nicht von einem wütenden Musiker erschlagen werden, der uns seine Gitarre über die Rübe zieht, oder uns nicht ein Künstler hinterrücks erschießt, über den wir schlecht berichtet haben, dann sehen wir auch noch die 4 vorne bei der Altersangabe. Sei Dir darüber im Klaren, daß Du vor mir 40 wirst. So!

"My Friends All Died In A Plane Crash"

Nein, nein, ich rede nicht von mir, meine Freunde sind ja keinesfalls alle bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Der Beweis: Christoph ist quitschfidel, wenn auch inzwischen ziemlich alt. Ich zitiere vielmehr einen der desillusioniertesten Albumtitel des Jahres 2007, der sich mit "We Were Dead Before The Ship Even Sank" von Modest Mouse einen harten Zweifampf in dieser zynischen Kategorie lieferte. Dieser Albumveröffentlichung vorausgegangen war allerdings die erste EP von Cocoon, "From Panda Mountains". Und Panda ist auch schon das richtige Stichwort. Irgendwie dreht sich bei dem französischen Duo Mark und Morgane (schrecklicher Name für ein hübsches Mädchen!) nämlich alles um dieses Tierchen. Beispiele gefällig? - Die Rubrik "Influences" auf ihrer MySpace Seite ziert...natürlich...ein Panda Bär! - Die Tournee 2008, die sie durch ganz Frankreich und halb Belgien (allerdings vorerst nicht Deutschland) führen wird, heißt...klar: Panda Tour! Und auf dem Album - Cover, das heute mittels eines Projektors an die Wand gestrahlt wurde, sieht man...? Na? - Falsch! Keinen Panda, sondern eine Katze! "Wir mögen halt eben Tiere", sagten sie im Laufe des Konzertes irgendwann ganz lapidar. Anscheinend auch in Plüschform. Was tummelte sich nicht alles da vorne auf der Bühne. Eine Ratte, ein Äffchen, ein Igel, (aber natürlich auch ein Panda!)) allesamt vor Morgane's Piano, bzw. an ihrem Mikrofonständer und ein...hmm, Eichhörnchen (war das eins?) auf Mark's Gitarre und ...klar auch ein kleiner Panda auf seiner Ukulele. Anscheinend kriegen sie jetzt auch von Fans die Viecher geschenkt, so daß sie wohl am Ende der Tour nicht mehr wissen, wohin das flauschige Zeug soll. Stolz, aber auch belustigt, zeigte Mark gegen Mitte des Konzertes auch einmal hoch, was sie wieder Schönes bekommen hatten. Aber jetzt Schluß mit den Tierchen! Kommen wir zur Musik!

Logischerweise begann alles mit dem Titel "Take Off". Klar, bevor das Flugzeug abstürzt, muß es ja erst einmal starten! Aber was sang Mark denn da mit herzerweichender Stimme? : "Well I wish that I could land" und: "The Take Off is sometimes hard, I dream Of A Bodyguard". - Das stimmte nachdenklich, aber ganz so todernst ist das bei Cocoon nicht, manchmal sogar ganz im Gegenteil. Hier darf gelacht, gesummt, geklatscht und gleich von dem zweiten Lied "On My Way" auch mitgesungen werden. Und sogar auf den Boden durfte (sollte) man sich setzen, das sei "sehr hippie" (O-Ton Mark) und außerdem sei dieser sauber. So leisteten dann auch alle dieser Aufforderung Folge und machten es sich bequem , um andächtig dem berührenden Stück "Cliffhanger" zu lauschen. Dieses hatte definitiv nichts mit Silvester Stallone zu tun, sondern mit einem Bergsteiger, der wohl beim Aufstieg seine Zehen verloren hatte. Tragisch, aber das Lied war wirklich wunderschön mit seinen hineingesampelten Streicherpassagen. Danach wurde es vulgär, zumindest dem Titel nach zu urteilen. "I don't Give A Shit" von ihrer eingangs erwähnten EP war an der Reihe. Die beiden Musiker wirkten allerdings so nett und wohlerzogen, daß es ihnen fast peinlich schien, diese Wörter auszusprechen, genau wie Mark später förmlich errötete als er den Ausdruck "Bitch" in einem anderen Song ("Seesaw") benutzte. Aber es muß ja nicht jeder Künstler aggressiv und versaut sein. Die beiden sind nun einmal so wie sie sind. Liebenswürdig, aufmerksam, höflich. Mark würde den perfekten Schwiegersohn abgeben, aber stille Wasser sind ja oft tief...

Und das Publikum? Na, das war schwer angetan, schließlich waren ja auch nur nette und liebenswürdige Leute da, von der alten Ziege, die sich von meiner Knipserei gestört fühlte mal abgesehen. Die Stimmung hätte feierlicher nicht sein können. Der Franzose würde sagen, daß sie "Bon enfant" (gutes Kind) war. Wunderschön auch, daß alle bei "Hey Ya" dem OutKast Cover mitsangen. Ja, ja, richtig gelesen, OutKast! Eine Folk-Band wie Cocoon covert Hip Hop Lieder, wäre ja auch zu einfach gewesen, Klassiker des eigenen Genres zu verwursten! Später mußte auch ein moderner Soul-Klassiker dran glauben: "Rehab". Erstaunlich wie viele Bands sich schon an der Amy Winehouse Nummer versucht haben. Art Brut und die 1990s haben das schon eingebunden, jetzt also auch die Franzosen. Allerdings glaube ich nicht, daß sie irgendwann im Leben mal eine "Rehab" brauchen werden...

So ging es noch eine ganze Weile munter weiter, das Publikum durfte mal einen sterbenden Dinosaurier nachmachen ("Paperboat"), über Weichnachten mitlästern ("Christmas Song"), oder zu "Tell Me" (I Hate Birds) mitschluchzen. Hach, es war herrlich! Kein Wunder, daß die beiden am Schluß zweimal wieder rausgeklatscht wurden, um vielumjubelte Zugaben zu geben. Und am Ende stand dann...klar das an die Wand geworfene Bild eines... Pandas...


Setlist Cocoon, La Maroquinerie, Paris:

01: Take Off
02: On My Way
03: Cliffhanger
04: I Don't Give A Shit
05: Hummingbird
06: Microwave
07: Hey Ya (Outcast Cover)
08: Paper Boat
09: Christmas Song
10: Seesaw
11: Vultures
12: Superheroe
13: Rehab (Amy Winehouse Cover)
14: Tell Me
15: Chupee

16: Baby Seal (Z)
17: Oklahoma (Z)

18: Owls (Z)

Konzertdauer: 75 Minuten.





Freitag, 25. Januar 2008

The Courteeners, Paris, 24.01.08

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Konzert: The Courteeners

Ort: La Maroquinerie, Paris
Datum: 24.01.2008
Zuschauer: leider nicht sehr viele


Ein liegengelasser Schal führte dazu, daß ich heute pünktlich in der Maroquinerie aufkreuzte und somit noch das komplette Set der französischen Vorgruppe Pony Pony Run Run mitbekam. Am vergangenen Montag war ich von Cat Power so angetan, daß ich vor lauter Aufregung meinen Halzwärmer im Bataclan verlor. Ohne große Hoffnungen machte ich mich deshalb heute frühzeitig auf, um an der Kasse des Konzertsaales nachzufragen, ob denn vielleicht etwas abgegeben worden sei. "Ist es vielleicht dieser hier?" fragte mich der bullige Ordner leicht genervt und zeigte auf einen schwarzen Schal, der auf einer Ablage rumflog. - "Ja, das ist er!", jubilierte ich und band mir das verlorengeglaubte Teil hocherfreut um den Hals. Gut gewärmt bestieg ich in der Folge den Bus 96 und ließ mich in die Nähe der Rue Boyer karren, in der die Maroquinerie liegt.

Unten im Keller, wo die Konzerte stattfinden, war noch fast nichts los, nur Stéphane, der unermüdliche Filmer hatte Stellung bezogen, um den Abend aufzuzeichnen. Seltsamerweise blieb er aber nur bis zum Ende der Vorgruppe auf Sendung und verpasste somit den besten Teil des Abends, den Auftritt der britischen Courteeners. Die Franzosen von Pony Pony Run Run hätte er meines Erachtens hingegen gut und gerne weglassen können, denn die Burschen boten stark Eighties beinflußten Elektropop, der mich nicht wirklich überzeugte. Witzig sollte das sein, das sah man schon am Outfit der Typen (diese Sonnenbrille des Sängers!) und die Sprüche zwischen den Stücken ("das ist jetzt aber wirklich das letzte Lied was wir spielen, versprochen!") waren auch ganz humorig, aber eine Glanzvorstellung wurde es dadurch trotzdem nicht. Aber sei's drum, nett waren sie ja und ein paar Teenager haben auch ordentlich abgetanzt.

Danach ließen sich die neuen englischen Shootingstars Courteeners (sie supporteten bereits die Babyshambles und The Coral und werden im NME als große Hoffnung für 2008 bezeichnet) ziemlich viel Zeit bevor es los ging. Anfangs ziemlich skeptisch, weil ich fürchtete, eine der zahlreichen Libertines-Klone zu erleben, gefiel mir das schwungvolle und schmissige Set von Lied zu Lied besser. Das hatte was, keine Frage! In ziemlich beeindruckender Weise bekam es das Quartett aus Manchester hin, eine Mischung aus rumpeligen Brit-Rock im Stile der Babyshambles oder The Enemy und der gitarrenlastigen Melodieverliebtheit der Strokes zu bieten. Das ganze noch gewürzt mit einem Hauch coldplayscher Melancholie und heraus kam ein mitreißender Sound, der trotz der zitierten Referenzen etwas Eigenständiges hatte. Die Kerle schienen mir zu bodenständig zu sein, um lediglich frech von anderen Bands zu klauen und zu uneitel, um das perfekte Abziehbild für das nächste NME-Cover zu sein. Besonders der großgewachsene Sänger Liam Fray war auf natürliche Weise symphatisch und machte nicht auf dicke Hose, wie so einige andere Kollegen aus dem Vereinigten Königreich. Dabei haben die Jungs durchaus das Recht, ein wenig Stolz auf sich zu sein, schließlich haben sie letztes Jahr schon in Glastonbury gespielt und sämtliche Konzerte im UK im Dezember 2007 ausverkauft. Von Glasto ist ihnen aber insbesondere der Schlamm und der Regen in Erinnerung geblieben. Insofern auch eine schöne Sache, daß sie sich trotz der aufkommenden Berühmtheit im eigenen Lande vor herzlich wenig Zuschauern in Paris ordentlich ins Zeug legten und Spaß verbreiteten. Einem Grüppchen junger Italienerinnen gefiel es sogar so gut, daß sie verzückt "magnifico, bellissimo" und ähnliche Sprüche reinriefen. Die Mädels hatten nicht Unrecht, gerade die letzten Titel, die mal an die Smiths, mal an die Pogues erinnerten, luden zum Tanzen geradezu ein. Auch ich selbst flippte ein wenig mit und konnte somit auf einen gelungenen Tag zurückblicken. Ein wiedergefundener Schal und eine neuentdeckte Band, das ist doch was, oder nicht?

Setlist Courteeners, La Maroquinerie, Paris:

01: Aftershow
02: Kimberley
03: Kings Of The New
04: Slowdown
05: Please Don't
06: Bide Your Time
07: Fallowfield Hillbilly
08: No You Didn't
09: Not 19 Forever
10: Acrylic
11: If It Wasn't For Me
12: Cavorting
13: What Took You So Long



Mittwoch, 23. Januar 2008

Cat Power, Paris, 22.01.08

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Konzert: Cat Power

Ort: Studios des Senders Canal +, Paris ("Album de la semaine")
Datum: 22.01.2008
Zuschauer: kein Plätzchen mehr frei


"Je suis un peu resté sur ma faim" hatte ich einer Freundin hinsichtlich der Beurteilung des Cat Power Konzertes im Bataclan geschrieben. Ich mag diesen Ausdruck, "Rester sur sa faim" bedeutet soviel wie "Ich hab' den Hals noch nicht voll genug bekommen", oder aber "Ich hätte gerne noch einen Nachschlag". Da traf es sich bestens, daß mein Freund Philippe nachfragte, ob ich Intereresse daran hätte, mit ihm nach St.Denis rauszufahren, um Cat Power in den Sudios des Privatsenders Canal + wiederzusehen. Natürlich hatte ich Bock darauf! Seiner Einladung (er hatte mal wieder zwei Sitzplätze gewonnen) folgte ich deshalb nur zu gerne, obwohl ich von den Vortagen ein beträchtliches Schlafdefizit mitbrachte.

Aber wenn Chan Marshall in der Stadt der Liebe weilt, bleibt einfach keine Zeit rumzudösen, da gilt es am Ball, bzw. den Fersen der hübschen Dame, zu bleiben. Ich also ohne Abendessen raus nach St Denis und rein in das mir bereits bekannte Studio. Wie immer gab es zunächst die Guignols, dieses politische Kasperletheater, in dem hochaktuell das Börsenbeben aufs Korn genommen wurde und auch die aktuelle Justizministerin Rachida Dati ihr Fett wegbekam. Besonders ihr im Wahlkampf ständig gebrachter Spruch "mir wurde nie etwas geschenkt" wurde durch den Kakao gezogen und sorgte für so einige Schmunzler im Publikum.

Danach ging es rüber, auf die Stühlchen vor der improvisierten Konzertbühne. Der auf tapsige Weise nette, aber dennoch wahnsinnig nervige Moderator, übte mit den Besuchern wie gewohnt das richtige Klatschverhalten. Nicht nur dadurch (wir mußten den Vorgang als Trockenübung 10 mal wiederholen), sondern vor allem durch seine Ignoranz hinsichtlich Cat Power ("Cat Power? Wer is'n das? Kann mir das mal jemand erklären?) brachte er mich regelrecht auf die Palme. Zudem war es unerträglich heiß mit all den Kameras und Scheinwerferlichtern und meine Zunge klebte fest. Ich hatte seit langem nichts mehr getrunken und hechelte wie ein Hund. All dies war aber vergessen, als endlich Chan Marshall und ihre mir inzwischen bekannte Dirty Delta Blue Band einmarschierte und loslegte. Der Pianist war wieder der Allercoolste, mit seiner Fluppe im Mundwinkel, der schwarzen Sonnenbrille und der Vokuhila - Frisur. Aber die Band interessierte mich zumindest in optischer Hinsicht reichlich wenig, weil ich erneut wie gebannt auf Chan Marshall starrte. Sie war noch hübscher als schon am Vortag im Bataclan! Heute trug sie eine schwarze Skinny Jeans, weiße Schuhe im Stile von Serge Gainsbourg, ein schwarzes Hemd und darüber eine graue Anzugsweste. Selbstredend hatte sie natürlich auch heute ihre schwarzen Halbhandschuhe an. Ich war hin und weg und zugegebenermaßen ein wenig verknallt, was neben ihrer Attraktivität aber auch mit ihrer rauchigen Stimme zu tun hatte. Heute war ihr Gesangesorgan allerdings besonders kratzig, was nicht weiter verwunderte, da sie am Vortag ihren 35. Geburtstag gefeiert hatte. Um ihr Kehlchen zu ölen, hatte sie deshalb gleich zwei große Tassen Tee mitgebracht, an denen sie in den Pausen zwischen den Liedern immer wieder nippte. Das Gesöff hatte es ihr wirklich angetan, einmal hielt sie sogar völlig begeistert die Tasse hoch und sagte: "Mensch dieser Tee ist sowas von köstlich, zeigt den Mal im Bild!" - Dies war allerdings keine Schleichwerbung, es wurde kein Name genannt und das Schildchen des Teebeutels war auch nicht zu entziffern. Chan Marshall ist schließlich nicht Andrea Kiewel!

Musikalisch gefielen mir wie schon am Vortag "Don't Explain" und "Metal Heart" besonders gut, aber schon der Auftakt mit "New York, New York" war nicht von schlechten Eltern. Im Gegensatz zu dem "regulären" Konzert gab es aber keine Kostproben von "The Greatest", sondern ausschließlich Stücke von der "Jukebox". Schließlich war Thema des Abends ja auch das Album der Woche. Erfreulicherweise wurde aber diesmal "Song To Bobby" (Bob Dylan) gespielt. Wenn ich nicht völlig gepennt habe, fehlte diese Ballade im Bataclan. Insofern eine gute Ergänzung, wie überhaupt dieses Fernsehkonzert seinen Zweck erfüllte, am Vortag Gehörtes noch einmal tiefer aufzusagen und mit dem neuen Album vertrauter zu werden. So konnte ich dann auch noch einmal "Lost Someone", "Ramblin' Woman" und "Aretha, Sing One For Me" genießen. Letzgenanntes Stück sogar gleich zweimal, da es bei der Zugabe wiederholt wurde. Chan war der Meinung, sie hätten es im regulären Teil etwas verpatzt. Dies war mir nicht aufgefallen. Ich persönlich hatte ein sehr hörenswertes Konzert mitbekommen, daß netto sogar fast 50 Minuten dauerte. Es hatte sich gelohnt, raus nach St.Denis zu fahren. Der Hunger auf Cat Power war nun befriedigender gestillt.

Setlist Cat Power, Canal +, Album de la Semaine, Paris:

01: New York, New York
02: Silver Stallion
03: Metal Heart
04: Don't Explain
05: Song To Bobby
06: Aretha, Sing One For Me
07: Lost Someone
08: Rumblin' (Wo) Man

09: She's Got You
10: Aretha, Sing One For Me
11: She's Got You



Babyshambles & Kilians, Köln, 22.01.08

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Konzert: Babyshambles & Kilians
Ort: Live Music Hall Köln
Datum: 22.01.2008
Zuschauer: ausverkauft (plus 20 Fotografen)


Mindestens siebenmal hatte ich versucht, die Babyshambles einmal live zu sehen, immer ohne Erfolg. Daher war ich auch heute alles andere als sicher, daß Pete Doherty und seine Band nach Köln kommen würden. Immerhin gab es mit den Kilians eine prima deutsche Band als Vorguppe, sodaß es auch ohne die Babyshambles ein ganz guter Konzertabend werden konnte.

Aber, siehe da, Kilians Sänger Simon den Hartog verkündete ziemlich schnell, daß die Engländer in der Live Music Hall seien. Das klang vielversprechend.

Der Saal war proppenvoll. Schon um halb acht sammelte sich vor der Halle eine lange Schlange, das Interesse an Pete war gigantisch und die Live Music Hall zu klein. Ich
vermute aber, daß das hohe Ausfallrisiko und Schadensbegrenzungs-
überlegungen einen Umzug in einen größeren Saal verhindert haben.

Kurz nach acht begannen die Kilians aus Dinslaken (das haben sie zigmal betont) ihr Vorprogramm. Daß eine so namhafte Band Support spielte, war schon einmal ein großer Pluspunkt. Und die fünf von Thees Uhlmann geförderten Musiker bestätigten, daß diese Wahl eine gute Entscheidung war. Ich behaupte jetzt auch nicht wieder, daß die Band nun mal leider wie die Strokes klingt,
sie hat mir nämlich jetzt zum zweiten Mal sehr viel Spaß gemacht und gehört definitiv zu dem besten, was die deutsche Indie-Szene zu bieten hat, ohne irgendwelche Abstriche!

Daß es trotz der großen Erfolge im vergangenen Jahr etwas Besonderes für die junge Band war, in der ausverkauften Live Music Hall aufzutreten, merkte man an allen Ecken
und Enden. Sie schienen es zu genießen, haben aber auch die Chance genutzt, vor vielen Leuten ein großartiges Konzert zu spielen. Ich freue mich schon auf Haldern und die Kilians da!

Setlist Kilians folgt (ich muß die Titel noch zusammenpuzzeln, "Heart in a cage" haben sie aber leider nicht gespielt).

Nach sehr kurzer Umbaupause passierte dann das Unfassbare: die Babyshambles traten auf. Zu Wagners Ritt der Walküren (nein, das war nicht Star Wars) kamen
Pete, Drew McConnell, Adam Ficek und Mick Whitnall Köln-Fahnen schwenkend auf die Bühne. Sehr ordentlich! Pete trug anfangs einen schwarzen Mantel und den obligatorischen Hut.

Ohne viele Verzögerungen, aber auch ohne Begrüßungen oder Ansagen eröffneten die Babyshambles mit dem Anfangsstück ihrer großartigen CD "Shotter's Nation" und entgegen aller Befürchtungen war es brillant. Natürlich ist die Band genauso
schnodderig, wie das die Libertines waren. Das meiste klingt auch auf Platte roher. Allerdings war das, was die Band live ablieferte klar, Petes Gesang war perfekt zu verstehen und nichts störte dabei. Überhaupt wirkte der Poison Prince (Amy MacDonald) aufgeräumt und fit. Er spielte mit wahnsinnig viel Energie, nicht unbedingt nüchtern aber eben auch nicht zugedröhnt. Im Vergleich zu Amy Winehouse im Palladium (und das war musikalisch wohl eines der besten Konzerte ihrer Tour), wirkte Pete wie ein vollkommen gesunder Mensch.

Spätestens mit dem zweiten Stück "Delivery" flippte der Saal aus. Das war vergleichbar mit den Auftritten der Arctic Monkeys oder von Gogol Bordello, es flog
ununterbrochen Zeug nach vorne, Becher, Jacken, eine englische Fahne.

Nach "Delivery" folgte mit "Beg, steal or borrow" das erste Lied von der grandiosen Blinding EP. Glaubt man der (Klatsch-)presse, entstand die in einer von Pete Dohertys Phasen ganz schlimmen physischen Zustands. Wer in einer solchen Situation ein solches Meisterwerk fabriziert, ist offensichtlich mit großem musikalischen Talent gesegnet. In Paris hatten die
Babyshambles, wie ich bei Oliver gelesen habe, von dieser EP neben "Beg, steal or borrow" nur "I wish" gespielt. Weil die Setlist in Köln am Anfang exakt die vom Olympia vor anderthalb Wochen war, war ich enttäuscht, daß damit wohl "The blinding" und vor allem mein großer Liebling der Band, das fantastische "Sedative" nicht kommen würden.

Neu war für mich dann das vierte Lied, Olivers Bericht und einigen Textzeilen, die ich aufgeschnappt habe, zufolge "Pretty Sue", dem vier Lieder von "Shotter's Nation" folgten. Geredet wurde dazwischen nicht viel, ein kurzes Gitarrestimmen zwischen
den Liedern war meist die einzige Unterbrechung. Einmal trank Pete irgendwas und erklärte sehr akzentfrei "This is Apfelsaft, sehr lecker."

Die Setlist wurde dann anders als Paris - juchuuu! Es folgten nämlich die beiden riesigen Hits "The blinding" und vor allem eben "Sedative", traumhaft! Dabei lief Pete durch den Fotografengraben, legte sich dann auf der Bühne hin und sang da weiter. Danach trank er einen Schluck Wasser, hielt sich den Bauch
und hatte ein schmerzverzerrtes Gesicht. Und verschwand von der Bühne.

Seine Kollegen folgten, und ich war sicher, daß es das war. Zwei, drei Minuten später erschien dann aber nicht der Veranstalter, um zu sagen, daß es jetzt für uns Zeit sei, Gitarrist Mick kam zurück und spielte "I wish" solo. Kurz danach waren die anderen Shambles wieder da, Pete sprach kurz mit Nick, und man spielte ein Instrumentalstück (wohl mit dem
aufregenden Namen "Babyshambles instrumental"), das in "Fuck forever" überging. Da ging das Publikum noch einmal richtig ab. Allerdings war es so wie wohl immer: "Fuck forever" ist der Schlußsong der Band. Also war nach einer Stunde Bruttospielzeit Ende, Petes Bauchprobleme ließen ihn wohl nicht weitermachen.

Hinterher konnte ich einen Blick auf eine der zusammengeknüllten Setlisten werfen. Es hätte noch eine ganze Menge folgen sollen (sieben Stücke!), vor allem viele Lieder von "Down in Albion" - aber wohl nichts von den Libertines.

Schade, schade, daß (wie es aussah konventionelle) Gesundheitsprobleme, ein perfektes Babyshambles Konzert verhindert haben. Pete wirkte gut, nach all dem, was man von anderen Konzerten gesehen hat und nach den vielen Schlagzeilen im letzten Jahr in der englischen Presse (die Katze!). Und eben im Vergleich zu der torkelnden Amy Winehouse sah er gesund aus. Mich hat der Auftritt begeistert, auch wenn es eben zu kurz war. So habe ich das absolut nicht erwartet. Gerade nach den vielen abgesagten Konzerten vorher, dachte ich eigentlich, mir ihn einmal anzusehen, damit nicht die Absagen gewonnen haben. Nach der Live Music Hall will ich die Babyshambles aber gerne noch einmal sehen, auch auf die Gefahr hin, daß es wieder so kompliziert wird.

Setlist Babyshambles Live Music Hall Köln:

01: Carry on up the morning
02: Delivery
03: Beg, steal or borrow
04: Pretty Sue (neu)
05: Baddies Boogie
06: Unstookie titled
07: Side of the road
08: Unbilo titled
09: The blinding
10: Sedative

[Pause]

11: I wish (Mick Whitnall solo)
12: Babyshambles instrumental (nein! Das war dann wohl der Anfang von Albion)
13: Fuck forever

Nicht gespielte Lieder, die auf der Setlist standen:


- You talk
- Albion
- Pipedown
- Killimangiro
- Back from dead
- La belle et la bête
- Arcady

Links:

- Fotos von den Babyshambles und den Kilians aus der Live Music Hall
- Babyshambles im Januar 08 in Paris
- Radiokonzert Paris 2007
- mit Kate Moss in Paris
- Kilians im Underground in Köln
- The Strokes im Palladium ('tschuldigung...)



Cat Power, Paris, 21.01.08

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Konzert: Cat Power
Ort: Le Bataclan, Paris
Datum: 21.01.2008
Zuschauer: ausverkauft


"Nimm Deine behandschuhten Grapschfinger von meiner Chan, Karl!"

Dieser gehässige Satz schwirrte mir im Kopfe rum, als ich zur Einstimmung auf das Konzert die neue CD von Cat Power ("Jukebox") hörte. Kurz zuvor hatte ich nämlich gelesen, daß Karl Lagerfeld Chan Marshall aka Cat Power zu seiner neuen Muse für Chanel auserkoren hatte und daß die Sängerin mit ihrer Band auch bei einer Haute Couture Show für das Modehaus live aufgetreten war. Bildlich stellte ich mir vor , wie der "Modezar" (im Gegensatz zu dem armen Moshammer auch wirklich einer, der diesen Namen verdient) die hübsche Sängerin mit seinen Halbhandschuhen betatscht und sie durch seine dunkle Chrome Heart - Sonnenbrille begafft. Ein widerlicher Gedanke! Verflixt! Hätte Karl nicht bei Kylie Minogue bleiben können? Mußte er sich ausgerechnet an die Indie-Ikone ranmachen? Und immer wieder dieses Bild des weißhaarigen Alten mit den Motorradhandschuhen vor meinem geistigen Auge. Schrecklich!

Ein paar Stunden später stehe ich im seit Wochen ausverkauften (aber seltsamerweise nicht proppevollen) Bataclan und starre auf die Bühne, auf der sich gegen 21 Uhr 15 etwas regt. Es ertönt ein Intro, das sich über 1 1/2 Minuten erstreckt, bevor Chan zum ersten Mal ihre rauchige Stimme erklingen läßt. "Bonsoir Paris!" Und: "Merci Paris!" "J'adore, Paris!" Solche Sätze gab es natürlich auch schon beim letzten Pariser Cat Power Konzert vor ca. 1 1/2 Jahren im Grand Rex, als Fräulein Marshall und ihre Memphis Rythm Band am Ende stürmisch gefeiert wurde und Tränen flossen. Aber was sehe ich denn da, als ich zum ersten Mal Chan in voller Pracht erkennen kann? - Das gibt's doch nicht! Sie trägt sie also auch! Diese Handschuhe! Die Dinger von Karl! Bloß: ihr stehen sie. Wie überhaupt alles was sie sonst trägt, das heißt das legere Hemd, die Skinny Jeans und vor allem der niedliche Pferdeschwanz. Mädchen mit Pferdeschwanz fand' ich immer schon toll, schon in der Grundschule. Was das Optische betrifft hatte sie also auf Anhieb bei mir gewonnen, die Süße. Die Frage war folglich nur noch, wie gut mir ihre neuen Titel live gefallen würden...

Der Einstieg mit "Don't Explain" (Billie Holiday - Cover) gelang ihr und ihrer Dirty Delta Blue Band schon eimal vortrefflich. Wunderbar allein schon das gefühlvolle Piano-Spiel von Gregg Foreman, einem Mann mit unfaßbarer 80er Jahre Vokuhilafrisur, der später von Chan scherzhaft als Leonhard Cohen vorgestellt wird (während jener die Sängerin dem verblüfften Publikum als Martin Luther King präsentiert!). Von seiner beknackten Frisur mal abgesehen, hat es der Bursche aber wirklich drauf, er trifft jeden Ton und spielt im Laufe des Abends eine wichtige Rolle, denn sein Instrument kommt immer wieder zum Einsatz und er macht sich auch am Tambourin verdient.

Kurze Zeit später mit "New York, New York" schon ein früher Höhepunkt des Abends. Der Sinatra Klassiker wird auf gekonnte Weise äußerst bluesig dargebieten und die Amerikanerin geht hierzu mit ihrer Stimme noch ein paar Oktaven tiefer runter. Wie eine Raubkatze tänzelt sie auf der Bühne von links nach rechts und wieder zurück, oft gebückt und auf Augenhöhe zu ihren verzückten Fans. Schlank ist sie, wendig, grazil und auf natürliche Weise wunderschön und charmant. Man könnte sie für eine Pariserin halten, vielleicht wird sie deswegen von den Franzosen so geliebt.

Nach einem sehr guten und vom Publikum früh erkannten "Ramblin' (Wo)man" wird das Tempo plötzlich phasenweise stark angezogen. "Silver Stallion" wird nämlich wesentlich schneller als auf dem Album "Jukebox" gespielt und das tut dem Stück live nur gut. Gesanglich unterstützt wird sie hierbei von einem ihrer Bandmitglieder. Die Tatsache, daß ich hinterher nicht mehr weiß, wer denn den männlichen Gesangespart beigesteuert hat, macht deutlich, wie stark meine Augen auf Chan kleben. Aber sie ist nun einmal die Hauptperson! Außerdem hat sie heute Geburtstag! Ja, 35 ist sie geworden, man mag es kaum glauben, so unverbraucht sieht sie aus. Dabei hat sie in der Vergangenheit nicht immer gesund gelebt, auch mal ein Gläschen zuviel getrunken. Diese Zeiten scheinen hinter ihr zu liegen. Heute genießt sie auf der Bühne lieber...Kaffee!

Alles andere als kalter Kaffee sind jedoch ihre aufgemotzten, bluesigen Versionen alter Klassiker. An denen hat sie sich schon seit einigen Jahren versucht. Im Jahre 2000 gab es nämlich schon ein mal ein Cat Power Album, das sich um das Thema drehte, "The Covers Record". Eine Kostprobe davon gibt es nach circa zwanzig Minuten Spielzeit: "Naked If I Want To" nach Moby Grape ist an der Reihe. Vorher mußten jedoch erst einmal Probleme mit der richtigen Beleuchtung geregelt werden, Chan wollte kein weißes Licht, sondern blaues, außerdem einen Spot, der auf sie gerichtet ist. Ihre Versuche, den Wunsch auf Französisch verständlich zu machen, scheitern aber zumindest teilweise, so daß einer ihrer Musiker ein Machtwort sprechen muß. "Turn the fucking frontlights on" raunzt der Rüpel die Techniker an und schon klappt alles wie gewünscht. Mit der richtigen Beleuchtung kann in der Folge nichts schiefgehen. Aber wie auch? Schließlich ist "Metal Heart" (eine neue Version ihres eigenen Liedes vom Album "Moon Pix") einfach traumhaft schön. Zum Niederknien, wirklich! Als die letzten Takte des Schmachtfetzens verklungen sind, wird sie von einem Mädchen im Publikum erneut an ihren Geburtstag erinnert. Chan reagiert darauf ganz cool. "I made it this far, I'm so happy, I'm o.k." Der Satz des Abends, keine Frage!

Die Vorstellung der Musiker erfolgt schließlich bei einer im Vergleich zum letzten Album völlig veränderten Version von "Could We". Ich erkannte den Song in dieser treibenden, polternden Form ehrlich gesagt kaum wieder. Kaum wiederzuerkennen waren auch die von Chan vorgestellten Bandmitglieder. Robert de Niro, Leonhard Cohen und Richard Burton suchte man vergeblich. War allerdings auch nur ein Spaß, denn die Jungs auf der Bühne heißen in Wirklichkeit Erik Paparazzi, Judah Bauer und Gregg Foreman (Und der vierte Typ im Bunde?- Ich weiß es nicht). Wie auch immer ihre Spitznamen sein mögen, gut eingespielt waren sie auf alle Fälle. Sie gefielen mir deutlich besser als die ziemlich käsige (aber dennoch mit Sicherheit sehr versierte) Memphis Rhythm Band, die noch bei The Greatest- Tour dabei war. Folgerichtig hörte sich auch "Willie" dann ganz anders an.

Ja und dann...war der Spaß auch schon fast zu Ende. Nach ziemlich genau einer Stunde verschwand Fräulein Marshall von der Bühne, die Band spielte weiter und intonierte schon einmal das Intro zu "Where Is My Love", bevor das Geburtstagskind mit einem weißen T-Shirt bekleidet zurückkam und auf herzzerreißende Weise "Where Is My Love" ins Mikro hauchte. Hach, da hätte man schon ein Tränchen verdrücken können!

Krönender Abschluß war dann noch eine Neuinterpretation von Otis Reddings "I've Been Loving You Too Long", bevor ein minutenlanger Applaus einsetzte. Cat Power wurde wie eine Prinzessin gefeiert und um auch etwas zurückzugeben, warf sie sichtlich gerührt weiße Blumen und am Ende auch die Setlist ins Publikum. Ein letzter soldatischer Gruß und der Vorhang fiel. Diese Katze hatte wirklich jede Menge Power zu bieten. Und Liebe, so viel Liebe...


Setlist Cat Power, Paris, Le Bataclan:

01: Don't Explain (Billie Holiday)
02: New York, New York (Frank Sinatra)
03: Ramblin' (Wo)man (Hank Williams)
04: Silver Stallion (The Highwaymen)
05: Lost Someone (James Brown)
06: Aretha, Sing One For Me (George Jackson)
07: Naked If I Want To (Moby Grape)
08: Metal Heart
09: She's Got You
10: Woman Left Lonely (Janis Joplin)
11: The Tracks Of My Tears
12: Could We
13: (I Can't Get No) Satisfaction (Rolling Stones)
14: Willie

15: Where Is My Love? (Z)
16: I've Been Loving You Too Long (Otis Redding) (Z)

Spieldauer: circa. 75 Minuten (leider etwas kurz!)

Mehr Pics von Cat Power (Chan Marshall) hier



Sonntag, 20. Januar 2008

Morrissey, Lille, 19.01.08

2 Kommentare

Konzert: Morrissey

Ort: Aeronef in Lille
Datum: 19.01.2008
Zuschauer: etwa 800 (ausverkauft)


Einer der schönsten Momente des Abends war, als wieder einer von zahlreichen Fans die Bühne besteigen konnte, Morrissey ihn noch fragte "where are you going?", bevor der Besucher ihn umarmte und der Sänger dies kommentierte: "Everybody deserves a hug." Pause. "Once a year." Köstlich!

Morrissey schien gut gelaunt zu sein an diesem Abend in Lille, der vorletzten Station seiner kurzen Frankreich Tour. Vorher war er in Clermont-Ferrand und Straßburg aufgetreten, es folgt ein Konzert in Paris, bevor sechs Gigs in Folge in London stattfinden, alle natürlich ausverkauft. Das war Lille auch, der Saal im Aeronef war allerdings nicht furchtbar groß, nicht größer als das Stollwerck in Köln. Vollkommen anders als ich das erwartet hatte, liegt der Club mitten in der Stadt, gleich über einem Schopping-Center. Der Saal ist sehr schön, luftig, mit einer Galerie und vielen offenen Ein- bzw. Ausgängen. Der erste Eingang, den ich sah, mündete direkt vor der
Bühne, es war also einfach, nach vorne zu kommen, obwohl der Saal da schon ganz gut gefüllt war. Mich hat es nicht gestört.

Kurz nach acht (Oliver hatte mich vorgewarnt) begann bereits die Vorgruppe, Girl in a Coma aus San Antonio in Texas, die Morrissey ausgesucht hatte (so die Legende). Die Band gefiel mir besser als Kristeen Young bei Mozzas Konzerten in Deutschland vor gut einem Jahr. Das ist aber vermutlich auch schon alles, was von den drei Musikerinnen in meinem Gedächtnis bleiben wird, berühmt
war es nämlich nicht. Die Sängerin hatte eine aufregende Stimme, der Rest war nicht originell, klang nach irgendetwas zwischen Siouxsie und den Yeah Yeah Yeahs. Ziemlich langweilig. Vielleicht bezieht sich der Name also nicht bloß auf das Lied sondern auch auf Zuschauerreaktionen...?

45 Minuten später bedankten sich die drei, sicherten sich mit "enjoy Morrissey" Applaus und überließen dem schon bekannten Pausenfilm die Bühne, der auf den Vorhang projeziert wurde. Diese zusammengeschnippelten Film- und Musikausschnitte hatte Steven Smith schon bei seiner Deutschland-Tour dabei. Es waren allerdings einige neue Schnippsel enthalten, ein paar schwarz-weiße Filmausschnitte. Ich kannte schon den Auftritt von den New York Dolls im Musikladen mit Manfred Sexauer, der die Zuschauer vorwarnte, daß das keine Frauen seien und daß man besser die Lautstärke des Fernsehers runterdrehen sollte. Auch wieder herrlich die Kostümprobe von "Jenseits von Eden" mit einem herrlich albernen James Dean. Der
Pausenfilm endete mit einem kiffenden New York Dolls Sänger, der Vorhang fiel und Morrisseys Band erschien. Die Musiker waren wieder (recht) einheitlich gekleidet: Sie trugen schwarze Hosen, weiße Kurzarmhemden und unterschiedlich farbene Krawatten.

Morrisseys Krawatte war wohl mit James Dean Bildern bedruckt, wenn ich es richtig gesehen habe (ich habe, merke ich gerade). Er trug ansonsten wieder eines seiner zu optimistischen Hemden, anfangs ein hellblaues. Der Anfang ließ vermuten, daß das Konzert wieder hauptsächlich aus den bekanntesten
Smiths- und Solo-Liedern der letzten beiden Platten bestehen würde. Lied vier war dann bereits die neue Single "That's how people grow up", die gut ist, aber nach dem ersten Hören nicht an die großen Hits seiner letzten Alben rankommt.

Dann wurde es ganz anders. Viele Lieder aus seiner frühen Solo-Phase folgten, "The Loop", "Sister I'm a poet" oder "Billy Budd". Wäre es mein erstes Morrissey-Konzert gewesen, wäre ich vielleicht enttäuscht gewesen. Nach drei anderen Gigs konnte ich
aber richtig genießen, daß z.B. mit "Stretch out and wait" auch ein Dritte-Reihe Smiths-Lied gespielt wurde - großartig!

Das Publikum war aber auch entweder Mozza-erfahren oder vollkommen euphorisch, denn enttäuscht wirkte niemand, die Stimmung war prächtig. Absolut zu recht natürlich! Die Begeisterung zeigte sich zum Beispiel in rhythmischen "Morrissey - Morrissey - Morrissey" - Schlachtrufen, die der Sänger lächelnd mit "You're from Belgium! I know!" kommentierte. Das bringt mich jetzt noch zum Lachen!

Der Teil des Publikums, der nicht mit rhythmischem Singen beschäftigt war, schien entweder Morrisseys Hand zu schütteln (das machte er immer wieder, bis zum Ende
des Konzerts) oder die Bühne zu stürmen, um den Großmeister der britischen Musik zu umarmen. Everyone deserves a hug eben.

Zu "S
omething is squeezing my skull", einem der neuen Songs, sagte der Sänger "It's on our new - as we say in England - album. In France they say 'CD', in America they say record." Jemand aus dem Publikum rief, wie das Album denn heiße. "I'm way too hip to tell the title." Wohl wahr!

Gottseidank war "Life's a pigsty" Teil des Sets. Das sehr lange Lied ist einer meiner Lieblinge der letzten Platte und wohl gesetzt bei seinen Konzerten. Allerdings war mir
das Ende neu, zumindest erinnere ich mich nicht daran, daß es bisher in "Auld Lang Syne" ("Should old acquaintance be forgot") überging.

Und auch neu war für mich, daß Julia sprach! Die Frau, Muse oder Begleitering des Engländers, wurde von ihm gefragt, wie es ihr ergangen sei. Sie antwortete, sie sei beeindruckt von all der Kunst, die sie auf dem Weg von Straßburg gesehen hätten. Frankreich sei solch ein künstlerisches Land (und vermutlich waren sie noch nicht einmal in einem Supermarkt und in seiner gigantischen Joghurtabteilung...). Morrissey sagte: "I feel... The F word... 'fat'."

Nach knapp anderthalb Stunden sagte der Frontmann das Ende an: "For your patience you'll be rewarded: or final song." Es folgten aber mit "
Stretch out and wait" und "Irish blood, English heart" noch zwei Stücke, dann aber nur eine Zugabe, der live für mich neue Klassiker "The last of the famous international playboys". Ein grandioser Abend, daran gibt es keinen Zweifel. Morrissey kann es immer noch. Hoffentlich bringen ihn Schlagzeilen und Spekulationen um angebliche Gesinnungen nicht um die Lust daran, Konzerte zu geben. Das wäre eine Schande!

Die neuen Lieder sind gut, brillante Stücke wie "Irish blood" habe ich aber nicht gehört. Aber ich bin gespannt.

Setlist Morrissey Aeronef Lille:

01: How soon is now? (The Smiths)
02: First of the gang to die
03: I just want to see this boy happy
04: That's how people grow up
05: Stop me if you think you've heard this one before (The Smiths)
06: All you need is me
07: The National Front disco
08: Something is squeezing my skull (neu)
09: Billy Budd
10: The loop
11: Death of a disco dancer (The Smiths)
12: Life's a pigsty
13: I'm throwing my arms around Paris
14: Why don't you find out for yourself?
15: Mama lay softly on the riverbed (neu)
16: Sister I'm a poet
17: One day goodbye will be farewell
18: Stretch out and wait (The Smiths)
19: Irish blood, English heart

20: The last of the famous international playboys (Z)

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