Konzert: Jochen Distelmeyer
Ort: Düsseldorf - ZAKK-Club
Datum: 18.04.2016
Dauer: 90min
Zuschauer: 350(ausverkauft)
Meine erste Begegnung mit Jochen Distelmeyer war eine SPEX-Ausgabe aus dem Jahr 1992, in der ein Interview zur Debüt-Platte "Ich-Maschine" erschienen war. Für mich war der Text damals nur außerhalb der Substantive als deutsche Sprache erkennbar, verhandelt wurden die hohe Kultur und Politik, sowie philosophische Kniffe in Blumfelds Texten.
Ich legte das Interview und das Album zur Seite und wurde erst mit "L`etat et moi" Fan der Band. Entscheidende 2 Jahre älter Verstand ich immer noch wenig von dem, was Distelmeyer der Welt mit seinen Songs sagen wollte, aber die Musik packte mich durchgängig. So dringlich und intensiv hatte ich deutsche Musik bis dahin nicht wahrgenommen.
Blumfelds weiterer Weg war konsequent und mutig. Jede Platte die folgte, war eine Schritt hin zum Ende des Tunnels, so als wäre alles von langer Hand über die fast 14 Jahre geplant worden. Es wurde poppiger, dann unpolitischer, liebevoller und am Ende stand der "Apfelmann". Sinnbild des in sich ruhenden Künstlers, der von seinem Ego "Ich" zur Natur und zur Fabel gefunden hatte.
Ein weiter Weg. Immer wieder wurde versucht, auch in den späteren Texten politische oder kulturelle Sinnbilder und versteckte Deutungen zu finden, ob es sie wirklich gab kann nur der Künstler beantworten. Dabei wurde die Musik nie belanglos. Komponieren und seine warme, markante Stimme blieben immer sein Trumpf.
Nachdem das Kapitel Blumfeld sinnvoll beendet war, gab es erstmals einen Bruch in Distelmeyers Werk. Ein Soloalbum folgte, schön zwar, aber ohne greifbaren, neuen Ansatz. Danach folgte, was vielen Künstlern in einer solchen Situation einfällt: Ein Buch, eine kurze Reunion und dann als zweites Soloalbum, eine CD mit Coverversionen.
Auch wenn Distelmeyer mit Sicherheit Monate mit der Zusammenstellung verbracht hat, rund klang es nicht wenn auf Britney Spears, Radiohead folgt und die Platte nur spärlich instrumentiert ist. Um so erstaunter war ich als die jetzt laufende Akustik-Tournee angekündigt wurde. Würde das Konzept tragen ?
In Düsseldorf brauchte sich der Künstler darüber wenig Gedanken machen. Auf fast jeder Tour ist er hier zu Gast, das Kulturzentrum ZAKK (diesmal wurde der kleinere Saal gebucht) ist eine feste Größe aus Blumfelds Zeiten, auch auf seiner Lesereise machte er hier Station. Das Konzert beginnt auf die Minute pünklich, ohne Vorband um 20:30 Uhr.
Zum Glück hat Distelmeyer einen Keyboarder mitgebracht, dies sollte dem Sound des Abends sehr gut tun. Der Künstler ist bester Laune, scherzt von Beginn an mit den Zuschauern und startet mit dem Aztec Camera Song "On the Avenue". Danach sofort das erste Highlight: "Tragedy" von den Bee Gees, leider nicht auf dem Album, entfaltet eine ganz eigene Stimmung.
Die ruhige Version ist äußerst gelungen, die Stimme Distelmeyers und das Keyboard schmeicheln dem Song und es passiert das, was bei einer guten Coverversion passieren muss: Es wird zu seinem Song.
Supertramps "Take the long way home" ist dagegen eine zu einfache Wahl, den Song kann nun wirklich keiner mehr hören, doch danach wird es direkt wieder besser. Mit "Toxic" von Britney Spears gelingt die zweite Kunst des guten Covers.
Er skelettiert den Song, bis nur noch die Stimme (der Text) und der Rhythmus übrig sind. Laut Distelmeyer steht dieses Stück für ihn im Kontext zu dem folgenden, Radioheads "Pyramid Song", der textlich das Motto der "giftigen" Sirene aufgreift und weiterführt: "I jumped into the river, black eyed angels swam with me".
Hier will der Funke nicht überspringen. Die Version von Radiohead wirkt bedrohlicher, und so singen wie Thom Yorke kann nicht mal Jochen Distelmeyer. Das ganze Set bis zur Zugabe besteht nur aus Coverversionen, das ist mutig aber auch konsequent. Neben einigen weiteren, schwächeren Songs ist Lana del Rey`s "Video Games" das vielleicht schönste Stück des Abends.
Hier passt alles: Stimme, Text und Instrumentierung machen den Song intensiver und stärker. Als Zugaben folgen vier Blumfeld Songs ("Murmel" stand auf der Setlist, wurde aber nicht gespielt). Das lange nicht gehörte "Wir sind frei" und "Ich, wie es wirklich war" erinnern daran, dringend nochmal alte Blumfeld CD`s zu hören.
Als zweite Zugabe dann noch "April" und der Beatles-Song "Free as a bird". Als Lied zwar keine Heldentat, für Distelmeyer (lt. Ansage) aber ein Song der zeigt, das Freundschaft über den Tod (von Lennon) hinaus für ihn ein besonderes Gut ist. Die Beatles stehen für ihn beispielhaft dafür.
Am Ende dieser Tour (die noch das ganze Jahr läuft) wird sich endgültig die Frage stellen, ob der so talentierte Künstler noch die Kraft und die Songs hat, ein weiteres, relevantes Album zu veröffentlichen. Ohne das ich den gestrigen Abend missen möchte: Es ist lange her.
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