Dienstag, 5. Juli 2011

Fleet Foxes, Paris, 04.07.11


Konzert: Fleet Foxes (Villagers)

Ort: Salle Pleyel, Paris
Datum: 04.07.2011
Zuschauer: ausverkauft, etwa 2000
Konzertdauer: Villagers etwa eine Stunde, Fleet Foxes 2 Stunden


"C'est trop fort". Wenn Franzosen das sagen, kann das zwei verschiedene Dinge bedeuten. Zum einen, daß eine Sache einfach unglaublich toll, ist, sprich zu stark (trop fort), um wahr zu sein. Zum anderen, daß der Ton zu laut ist. "Parle moins fort" ermahnen Pariser Mütter oft ihre Kinder, um ihnen zu sagen, daß sie leiser sprechen und nicht so schreien sollen.

Heute im Salle Pleyel beim Konzert der Fleet Foxes traf leider die zweite Alternative zu. "C'est trop fort", es ist viel zu laut, riefen mindestens 30 Leute nach dem dritten Lied der Amerikaner herein. Und sie hatten so verdammt recht damit. Der Lärm war ohrenbetäubend, die Gitarren wild und brachial und das Schlagzeug von Josh Tillman bollerte plump und schwer aus dem Hintergund. Wie schon beim enttäuschenden Konzert im Bataclan klangen die Fleet Foxes wie eine vulgäre Stadionrockband, die das Publikum mit Wucht, aber ohne Feingefühl und Finesse, beindrucken will. Im Gegensatz zum Bataclan wehrten sich aber heute die Pariser und machten ihrem Unmut über den saturierten Bombastsound Luft. Auch ich beteiligte mich an den Protesten, den ich war bitter enttäuscht darüber, daß eine frühere Lieblingsband so derbe und wenig subtil klang. Zum zweiten Mal in Folge, das konnte kein Zufall sein.

Dabei war ich so optimistisch und frohgemut in dieses Konzert gegangen und überzeugt davon, daß in dem klassischen Konzertsaal Pleyel mit viel Zärtlichkeit und Innigkeit zu Werke gegangen würde. Das neue Album ist doch gut, das Altmaterial eh super, warum sollten dann die Fleet Foxes nicht einen wunderbaren Auftritt aufs Parkett legen können? Den Flop vom Bataclan redete ich mir als einmaligen Fehltritt schön. Heute sollte alles besser werden.

Aber Pustekuchen! Es war noch schlimmer als im Bataclan! Noch plumper, noch feister, noch herzloser. Echte Gefühle kann man nicht mit Lautstärke übertünchen, soviel sollte klar sein. Das Publikum protestierte also. Und wie reagierte die Band? Robin schien zunächst überrascht, nicht richtig zu verstehen, was los war. "What? The sound ist too loud? Too much noise?" "Can you turn it down a bit", gab er nicht wirklich von seiner Schuld überzeugt alibihaft Anweisungen an die Leute vom Ton. Wer aber glaubte, es würde in der Folge dezenter weitergehen, wurde enttäuscht. Es donnerte und krachte genauso wie vorher, jeder gute Song wurde durch den Wummersound nach spätestens 30 Sekunden ruiniert, die Stimme von Pecknold zugekleistert und dies obwohl er rumschrie wie ein Besessener. Ein Trauerspiel, eine Katastrophe. Mehr noch: eine Frechheit. Robin versuchte ein paar Lieder später zu beschwichtigten, erklärte, daß sie kürzlich bei einem Festival neben Iron Maiden angetreten sind und sich durch massive Lautstärke Gehör verschaffen mussten. Nur er schmunzelte darüber...

In der Folge wurde es dann immer weniger komisch, denn nun schaltete sich plötzlich Josh Tillman von hinten ein. Ob es an seinem Schlagzeugspiel liege? Ob das auch zu laut sei? Ein paar Leute trauten sich die Wahrheit zu sagen und die Frage zu bejahen. Das schmeckte Tillman überhaupt nicht. Er reagierte wie ein beleidigter Rotzbengel, wie ein ungezogenes Kind, schmollte rum und spielte beim nächsten Lied bewußt leise und viel zu langsam. Witzig fand ich das nicht, eher provozierend und deplatziert. Wäre ich Schiedsrichter gewesen, hätte ich ihm mindestens die gelbe Karte für unsportliches Verhalten gezeigt. Der Kerl verweigerte allen Ernstes in der zweiten Hälfte des Konzertes die Arbeit, spielte manchmal in den ersten Minuten gar nicht richtig mit und wirkte ansonsten extrem lustlos und angepisst. Er ließ das auch die Leute merken, denn nachdem der Bassist Christian Wargo irgendwann frustiert sagte: "it feels like playing a diet version of Fleet Foxes", reagierte er mit: "I don't feel like being on a diet, I feel fater than ever." War klar, was er damit sagen wollte, er war tierisch genervt.

Dabei war es zu 100 % die Schuld der Band. Einer Band, die mit aller Gewalt ins Stadion, auf die großen Bühnen dieser Welt drängt und ihren einst so feinen Sound entsprechend fett gemacht hat. Da darf man sich nicht wundern, wenn die Altfans murren.

Es war einzig und allein der Souveränität von Robin Pecknold zu verdanken, daß dieser Auftritt nicht ausuferte und zum Eklat führte. Er blieb besonnen und sportlich fair, schaffte es die Leute zu besänftigen und beruhigte die erhitzten Gemüter. Dadurch mobilisierte er sogar einen Teil der Fans, die nun verstärkt: "we love you" und "merci" riefen, was ihm sichtlich gut tat.

Und prompt wurde das Konzert gegen Ende besser. Bei Montezuma hatte Pecknold endlich mal freie Bahn und konnte seinen Gesang richtig schön entfalten. Keine Band, die ihm nach einer Minute die Luft abschnitt und alles zudröhnte. Ein tolles Lied, ein Highlight, keine Frage. Aber die Herrlichkeit hielt zunächst nicht allzulange, denn bei He Doesnt Know Why wurde nach gutem Beginn schon wieder zu stark auf die Tube gedrückt. Dennoch war das Konzert nun in einer stärkeren Phase, mit The Shrine/An Agument und Blue Spotted Tail konnten die Füchse noch einmal punkten, bevor Blue Ridge Mountains erneut zu pompös geschmettert wurde.

Bei den Zugaben sah man dann zu Oliver James Robin solo und merkte noch einmal deutlich, daß hier und heute die Regler einfach zu laut aufgedreht waren.Wenn der Sänger auf das Holz seiner Gitarre klopfte, klang das fast als würde er massive Steine dagegen werfen. Alles andere als harmonisch.

Aber zumindest ganz zum Schluß wurde dann noch einmal auf Harmonie gemacht, Pecknold bedankte sich beim Publikum "for being sweet and respectful" (ein paar Leute hielten das für einen ironischen Kommentar) und "for the constructive criticism."

So etwas hatte ich auch noch nie zum Abschluß gehört. "Danke für die konstruktive Kritik." Hoffentlich nehmen sie sich diese zu Herzen, vor allem Josh Tilmann.

Gerne möchte ich nämlich zukünftig wieder einmal nach einem Fleet Foxes sagen können: "C'était trop fort", das war einfach zu stark.

Setlist Fleet Foxes, Salle Pleyel, Paris:*

01: The Cascades
02: Grown Ocean
03: Drops In The River
04: Battery Kinzie
05: Bedouin Dress
06: Sim Sla Bim
07: Mykonos
08: Your Protector
09: Tiger Mountain Peasant Song
10: White Winter Hymnal
11: Ragged Wood
12: Lorelai
13: Montezuma
14: He Doesn't Know Why
15: The Shrine/An Argument
16: Bue Spotted Tail
17: Blue Ridge Mountains

18: Oliver James (Pecknold solo)
19: Helplessness Blues


* exakt die gleiche Setlist wie im Bataclan. Enttäuschend, daß da nicht zumindest ein wenig variiert wird.

Aus unserem Archiv:

Fleet Foxes, Paris, 30.05.11
Fleet Foxes, Paris, 16.09.09
Fleet Foxes, Luxemburg, 15.09.09
Fleet Foxes, Paris, 25.02.09
Fleet Foxes, Essen, 22.11.08
Fleet Foxes, Paris, 12.11.08
Fleet Foxes, Haldern, 07.08.08
Fleet Foxes, Paris, 02.06.08


Morgen dann übrigens auch noch ein paar Sätze zur Vorgruppe Villagers.



9 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

Oh, dann war der Platz am Bildschirm eindeutig der bessere (oder ich habe eine leisere Phase erwischt...)!

Habe eine halbe Stunde reingeschaut via Arte.tv im heimischen Garten bis die Internetverbindung anfing zu spinnen. Dort war der Sound richtig gut.

Im Konzert ist das aber wirklich eine Zumutung. Ich gehe aus solchen Konzerten jetzt immer raus, aber ärgere mich trotzdem ganz furchtbar.

Gudrun aus Karlsruhe (google-ID klappt mal wieder nicht...)

alex hat gesagt…

ach neeee... was habt ihr bloss an euren ohren & in euren herzen, dass ihr ein solches konzert nicht zu würdigen wisst... tut mir leid, ich persönlich fands überhaupt nicht zu laut... ich fand's wunderbar! & an den schreiber des berichtes, geh doch bitte nächstes mal nicht mehr hin... denn auch nächstes mal wird's zu laut & brachial sein! für dich...

Christoph hat gesagt…

Ich habe die Fleet Foxes zweimal überragend und einmal ganz gut gesehen. Die überragenden Konzerte lebten von der Intimität der Musik, von den zurückhaltend arrangierten Melodien, bei denen sich die Stimmen voll entfalten konnten. Wenn das verloren gegangen ist bzw. der Schwerpunkt jetzt auf wuchtigeren Versionen der Stücke liegt, wird das auch nichts mehr für mich sein, ohne sie gestern gesehen zu haben.

Oliver Peel hat gesagt…

Habe gerade eben noch einmal erfahren, daß etliche Leute nach ein paar Liedern den Konzertsaal verlassen haben, weil sie die monströse Lautstärke nicht ertragen konnten.

So etwas habe ich in dieser Form auch noch nicht erlebt. Noch nie sind so viele Leute vorzeitig gegangen.

Ich persönlich habe Konzerte von Metallica und Sonic Youth ohne Ohrenstöpsel weit vorne in der Nähe der Boxen bestritten und hatte keine Probleme.

Wenn ich also die Fleet Foxes als viel zu laut empfunden habe, dann müssen sie viel zu laut gewesen sein.

Christina hat gesagt…

Interessant, der Ton in der Liveübertragung war wirklich okay.

Daher konnte ich auch nicht richtig verstehen, dass sich das Publikum beschwert hat, aber das liegt natürlich auch immer an der Akustik des Raumes. Eigentlich sollte eine Band wie die Fleet Foxes aber so erfahren sein, dass sie dies berücksichtigt. Allerdings habe ich auch schon gemäßigt begeisterte Berichte von den Fleet Foxes Konzerten dieses Jahr in London gehört.

Naja, ich bin mal gespannt auf den Auftritt auf dem Haldern Pop Festival.

alex hat gesagt…

ich kann mich nur wiederholen... von meinem platz in der reihe L (mitten drin) war's definitiv nicht zu laut & schon gar nicht montrös! hab mich dauernd gefragt, was da seitens des publikums abgeht... & ja, auch ich hab schon ne menge konzerte in meinem leben gesehen bzw. gehört, aber so was (& da mein ich das publikum) hab ich dann doch noch nie erlebt!

Oliver Peel hat gesagt…

@ Alex: ich will dir und den anderen Leuten, denen es gefallen hat, die empfundene Freude am Konzert doch nicht madig machen. Wenn du einen prima Abend hattest, ist das wunderbar.

Aber die Fleet Foxes würden gut daran tun, sich die Kritik zu Herzen zu nehmen, denn Zuschauer bzw. Fans sind Kunden, die Geld dafür bezahlt haben, ihre Lieblingsband zu sehen. Das waren keine miesmacherischen Nörgler, sondern Leute, die enttäuscht waren. Ihre Unzufriedenheit zu äußern, ist ihr gutes Recht.

alex hat gesagt…

@oliver peel bin absolut deiner meinung, dass jedermann/frau das recht hat, seine empfindungen & eindrücke zu äussern, seien sie nun negativ oder positiv. genau von diesem recht habe ja auch ich gebrauch gemacht. es tut mir leid, wenn für einige konzertbesucher der gestrige gig eine pleite war. die fleet foxes werden sich diese doch sehr vehement geäusserte kritik sicherlich zu herzen nehmen, selbst wenn sie, wie auch ich, ein fragezeichen hinter diese kritik setzen sollten. na ja, wie auch immer, wünsche allen fans, dass das nächste besuchte ff-konzert zu aller zufriedenheit ausfällt!

Oliver Peel hat gesagt…

Wünsche ich mir auch, daß die Fleet Foxes beim nächsten Mal wieder alle ihre Fans begeistern, denn ich mag sie ja eigentlich sehr. Habe heute auch noch ein paar Mal das neue Album laufen lassen, es gefällt mir ausgezeichnet.

Warst du eigentlich nur zu Besuch in Paris, oder wohnst du hier, Alex?

 

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