Konzert: The Weakerthans, DeVotchKa u.a. (Traumzeit Festival)
Ort: Landschaftspark Nord, Duisburg
Datum: 02.07.2011
Gastbeitrag von Nelle
Das Traumzeit-Festival findet jährlich im Duisburger Landschaftspark Nord statt auf dem Gelände eines ehemaligen Hüttenwerks. Die Bühnen sind dort zwischen ehemaligen Hochöfen und in leergeräumten Maschinenhallen, ein wundervolles Ambiente. Abends wird dann noch das Gelände illuminiert. Seit Jahren hatte ich immer mal überlegt für die ein oder andere Gruppe hinzugehen, habe es dann aber nie gemacht.
Mein Grund jetzt endlich einmal hinzugehen waren die Weakerthans, die ich schon seit dreieinhalb Jahren nicht mehr gesehen habe und deren letzter Auftritt im Ruhrgebiet sogar mehr als sieben Jahre zurückliegt – da habe ich noch gar nicht hier gewohnt. Tags zuvor wäre zwar auch ein Konzert in Köln gewesen, aber Duisburg ist halt näher. Das Traumzeitticket war mit knapp unter 30 Euro teurer als eine Eintrittkarte für Köln, aber das hätte sich durch die Anfahrt ja nicht mehr groß unterschieden. Jedenfalls hatte ich also eine Tageskarte für den zweiten von drei Festivaltagen. Ein bisschen schade um die anderen Bands (Freitag z. B. Caribou, Mogwai und Ólafur Arnalds, Sonntag u. a. Dirk Darmstaedter, Hundreds und ein gemeinsamer [!] Auftritt von Alec Empire und Patrick Wolf), aber man kann nicht alles haben.
Direkt vor dem Duisburger Hauptbahnhof fuhr ein Shuttlebus zum Landschaftspark, besser geht es also verkehrstechnisch kaum. Etwa eine halbe Stunde vor Beginn war ich vor Ort, bekam ohne jegliche Warteschlangen mein Bändchen und schon konnte ich rein. Zwei Dinge fielen schnell auf: a) Nur ein Teil des Landschaftsparks wurde für das Festival genutzt, der Rest war abgesperrt. Schade zwar, aber auch sicherer und nachvollziehbar – man hätte sonst sicher zwanzigmal so viele Sicherheitsmenschen gebraucht. b) Der Altersschnitt war deutlich höher als bei den meisten anderen Festivals. Und die Essensauswahl! Gegrilltes (sogar Lamm!), Crepes, Thailändisch, Pommes, Döner und und und... prima. Fehlte nur noch der Afghane vom Phono Pop.
Pünktlich um 16 Uhr begann auf der Bühne neben dem Gasometer (in dem man heute tauchen kann!) mit DeVotchKa die neben den Weakerthans einzige Band des Tages, von der ich auch Musik habe. Ihre Rockmusik mit osteuropäisch angehauchter Folklore wurde mit einen gewohnt breiten Instrumentarium gespielt, u. a. dem wundervollen Theremin. Die Kontrabassistin spielte darüber hinaus zeitweise auf einer sehr großen Tuba – laut Wikipedia ein Sousaphon – die zudem auch noch bunt verziert war. Mit diesem Ding um Schultern oder Hals tanzte sie dann noch sonnenbebrillt über ihren Bühnenteil, sicherlich das meistfotografierte Fotomotiv des Auftritts. Da ich die Songtitel nicht kenne, kann ich nichts zu den Stücken sagen. Außer dass es mir gut gefallen hat und auch sehr gut ankam. Zu diesem Zeitpunkt schien auch die Sonne und es war fast warm. Zum letzten mal an diesem Tag...
Wem die Instrumente von DeVotchKa schon zu exotisch waren, ging nun ganz sicher nicht in die Gießhalle. Die Gießhalle ist übrigens keine richtige Halle, da sie zu zwei Seiten offen ist und das ganze ordentlich Durchzug ergibt. Zudem gibt es eine Art Tribüne aus Stein, so dass Stühle theaterähnlich höherwerdend aufgestellt werden können (siehe Bild oben). Dort war nun die Gruppe Myanmar Hmu Gitameit angesetzt, die ihre Herkunft ja schon im Namen trägt. Im Rahmen des kulturellen Austauschs versucht man seitens des Traumzeit-Festivals die hier völlig unbekannte Musik aus dem politisch, wirtschaftlich und auch sonst in jeglicher Art abgeschotteten Myanmar (Birma/Burma) zu Gehör zu bringen und hat daher eine Reihe von Ensembles aus dem südostasiatischen Land eingeladen. Die Band bestand aus einem über 80-jährigen Mann, der eine Art Gitarre auf dem Schoss spielte sowie einem Musiker, der zwischen einem Klavier und dem Patala wechselte. Letzteres ist eine Art Xylophon, bei dem die Holzstäbe an zwei Bändern über einem Holzblock hängen. Dazu gab es noch eine Sängerin mit zwei kleinen Instrumenten in ihren Händen. Das eine machte "Pling" (wie eine neuere Fahrradklingel), das andere "Klack". Diese beiden spielte sie während dem Singen immer abwechselnd, meist das ganze Stück lang. Gesungen wurde in Landessprache. Ich habe ja einen leichten Hang zu südostasiatischem Gesang und finde z. B. die kalifornisch-kambodschanische Gruppe Dengue Fever großartig. Der Auftritt bekam zwar gegen Ende seine Längen, war aber dennoch sehr spannend – solche Musik kriegt man ja sonst in Europa nie zu hören und hat im Hinterkopf, asiatische Musik besteht nur aus der Klimbim-Hintergrundbeschallung im Chinarestaurant.
Weiter ging es mit dem größtmöglichen Kontrast, da wird man wirklich herausgefordert bei der Traumzeit. In der neben der Gießhalle befindlichen Pumpenhalle spielten ZU aus Italien. Spätestens als ich las, dass sie zuletzt mit Mike Patton zusammengearbeitet haben, hätte klar sein müssen, dass das nicht unanstrengend wird... Das Trio spielte in einer ohrenbetäubenden Lautstärke auf Kontrabass, Schlagzeug und Saxophone ... ja was eigentlich? ... ich nenne es mal Dröhnen. Es war eine Mischung aus Doom Metal und Jazz und das erste Lied, das ich hörte, war wirklich ein zehnminütiges, sich immer weiter steigerndes, Dröhnen. Die anderen Stücke waren zwar etwas angenehmer, aber insgesamt war es wirklich anstrengend und ohrenzerberstend. Aber es hatte seine Faszination, war schon wieder spannend (so viele spannende Bands!) und irgendwie auch verrückt, was man mit so normalen Instrumente machen kann. Mehr als 20 Minuten ging aber nicht.
Auf der Außenbühne am Gasometer war nun gleichzeitig ein Norweger namens Bernhoft, der mit seiner Akustikgitarre und einem Stop-Repeat-Sampler-Schalter eine ganze Soul-/Funk-Band zusammensetzte. Fand ich jetzt eher so lala.
Weiter ging es stattdessen ins Hüttenmagazin zum Instrumentenworkshop Myanmar mit dem Hsaing Waing Ensemble Hein Tint, das am Vortag bereits einen regulären Auftritt absolviert hat, und der oben genannten myanmarischen Gruppe. Nach einer kurzen Musikdarbietung wurden die Instrumente des HWEHT vorgestellt und erklärt. Darunter das Pat Waing (s. Foto), bei dem 21 einzelne Trommeln in einem kreisförmigen, goldenen Ring hängen, in dessen Mitte der Musiker sitzt, und das chromatische Gongspiel Maung Zaing. Lauter Instrumente, die ich noch nie gesehen habe... Laut Programmheft hätten diese es teils sogar beinahe nicht zum Festival geschafft, da diverse mit Tierhaut bespannte Trommeln (u. a. im Pat Waing) aus seuchenschutzrechtlichen Gründen tagelang nicht ins Land gelassen wurden. Nach der Erklärung der Instrumente durch eine Musikethnologin konnte man diese auch ausprobieren, was aufgrund der Sprachbarrieren (die Musiker sprachen weder Deutsch noch Englisch) anfangs schwierig war, aber dann immer besser klappte. Falls sich jemand dafür interessiert oder das einfach mal hören möchte: WDR 3 sendet am Di. 05.07. um 23 Uhr einen einstündigen Mitschnitt der beiden Gruppen aus Myanmar vom Traumzeit-Festival.
Während dort noch ausprobiert wurde, ging ich aber schon zurück zur Gießhalle, wo nun die Weakerthans spielen sollten. War es anfangs noch sehr leer, wurde es nun schnell voll. Glücklicherweise war ich nicht der einzige, der auf einen Sitzplatz verzichtete und sich in den Raum zwischen Bühne und Tribüne stellte. Im Publikum schnell das gewohnte Weakerthans-Publikum-Bild: Alle freuen sich und strahlen selig lächelnd John K. Samson (und manchmal auch seine Mitmusiker) an.
Da ich die Songtitel immer durcheinander bringe, kann ich nicht genau beschwören, was gespielt wurde. Folgende Stücke waren in jedem Falle dabei: Aside, Benediction, Civil twilight, Left and leaving <3, Manifest, Reconstruction site, The reasons, This is a fire door, Tournament of hearts, Watermark. Zudem natürlich das solo vorgetragene "One great city!" über die Heimatstadt der Band, Winnipeg.
Nach etwa 70 Minuten und einer kurzem Zugabe war das Konzert vorbei, der Applaus wallte aber noch minutenlang zwischen den stählernen Wänden. Die hatten den Sound zuvor während den lauteren Stücken etwas demontiert, aber das ging in Ordnung. Das traf weniger auf zwei Damen vor mir zu, die durch ständiges Kreischen Stahlwände zum Schwingen und Trommelfelle zum reißen brachten. Eigentlich hatte ich mir Hoffnung gemacht, dass WDR 3 das wohl aufgezeichnete Konzert Ende des Sommers noch ausstrahlt, aber da werden schon allein aus der Mikrofontonspur so viele schrille Höhen rauszufiltern sein, dass sich sicher keiner die Arbeit machen wird...
Folkrock, burmesische Folklore, Lärm, Soul, Indiepop... was fehlt noch? Genau: Elektronische Ambientmusik. Also schnell zurück in die Pumpenhalle und einen netten Sitzplatz neben der Bühne sichern für Kreidler. Die beiden Damen vom Weakerthans-Auftritt setzten sich direkt hinter mich, blieben aber dieses mal ruhig. Die Bühnenansager bemühten sich um eine bewusst möglichst doofe Ansage ("Wir wollten eine Band aus Düsseldorf. Ein Kraftwerk haben wir selber hier, daher jetzt Kreidler.") und dann ging es los. Mir gefällt die Gruppe gut, aber ich habe da auch keinen sonderlichen Wiedererkennungswert bei den einzelnen Stücken. Wenigstens weiß ich jetzt, was ich meinem Vater zu Weihnachten schenke – eine Kreidler-CD.
Nach einer für Festivalverhältnisse sowohl in Sachen Größe als auch Geschmack überdurchschnittlichen Mahlzeit und Hintergrundmusik von einer Dame, die Doris Day-Lieder spielte, ging es zurück in die Gießhalle, wo es nun endgültig kaaaalt war. Mein Schnupfen quälte mich schon den ganzen Tag (Dauergedanke: "Wann ist das Lied endlich zu Ende, ich muss mir die Nase putzen!"), nun wurd es aber endgültig zu viel. Frierend und dauerschniefend saß ich da und wartete auf die Band Amiina aus Island. Die wurden im Programmheft als vier Damen mit Streichinstrumenten angekündigt, die früher bei Sigur Rós mitgespielt haben, plus zwei Herren. Es waren aber nur drei statt vier Damen und Streichinstrumente hatten sie auch nur in geringer Menge... zudem sahen sie so jung aus, dass sie diese Band unmöglich vor 13 Jahren an einer Musikhochschule gegründet haben können. Laut Wikipedia sind sie alle über 30, das hätte ich nicht gedacht. Erkältungsbedingt habe ich von dem Konzert gar nicht so viel mitbekommen, schade eigentlich. Inzwischen hatten aber ohnehin fast alle Besucher eine Erkältung und die Taschentücher machten die Runde... Gegen Ende ging es etwas besser und ich glaub es war ziemlich gut. Viele Instrumentenwechseln untereinander, jeder konnte alles.
Zum Ausklang des Abends gab es noch eine Jamsession mit den burmesischen Musikern vom Nachmittag und einer Reihe europäischer Musiker, primär aus dem Jazzbereich (z. B. die Schlagzeugerin Anne Paceo aus Frankreich, die zuvor in der großen Kraftzentrale aufgetreten war). Durch die komplett andere Rhythmik der Asiaten und die für uns teils nicht unbedingt nachvollziehbaren Melodien gab es da anfangs ziemliche Probleme, da wurde mitunter in verschiedene Richtungen gespielt. Kommunizieren konnten sie ja nur durch Zeichen und Musik. Klappte mit der dann Zeit besser und wurd richtig prima. Crossover in gut, quasi.
Um kurz vor 2 Uhr wollte ich dann eigentlich gehen, verpasste aber den Bus und blieb noch eine weitere halbe Stunde. Inzwischen war dann auch auf der Bühne Ruhe eingekehrt und mir war nur noch kaaalt. ;-)
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