Wo Licht ist, da ist auch Schatten. Unter unzähligen hervorragenden Konzerten sind mir auch ein paar Nieten untergekommen. Ein ganz normales Phänomen, schließlich ist nicht jede Band, die von der Fachpresse gelobt wird, auch wirklich herausragend, schon gar nicht jeden Tag. Formschwankungen, ein schlechter Sound, ein doofes Publikum, eigene schlechte Laune, all diese Faktoren können dazu führen, daß die Freude getrübt wird. Problematisch wird es, wenn wie im Falle von Glas Vegas, einfach alles mies ist, aber dazu unten mehr.
Viel Spaß beim Gruseln!
05: Editors (Bataclan), Kings Of Leon (Olympia), Franz Ferdinand (Olympia)
Auf Platz fünf fasse ich gleich drei Bands auf einmal zusammen, weil es gewisse Parallelen gab, die dazu führten, daß die Genannten in einer Negativliste auftauchen. Zunächst einmal sei vorrausgeschickt: Kein einziges dieser drei Pariser Konzerte war bei Licht betrachtet schlecht. Die jeweiligen Sänger trafen die Töne, der Sound war ok, die Bands spielten ihre Hits und die überwiegende Mehrheit des Publikums war hochzufrieden, ja teilweise euphorisch.
Ich persönlich hatte aber in allen drei Fällen gemischte Gefühle. Der Sound der Editors schien mir zu bombastisch, zu glattgeschmirgelt und seelenlos, das Gepose und Gehopse von Alex "Franz Ferdinand" Kapranos und seinen Kollegen einstudiert und wenig authentisch und die neuen Lieder der Kings Of Leon (allen voran Use Sombody) klangen nach Stadion und U2, sprich ziemlich scheußlich. Ägerlich, wenn man bedenkt, daß ich alle drei Bands schon zigmal live gesehen und bisher eigentlich immer ein positives Fazit gezogen hatte. Wo ist sie hin, diese unbändige und wilde Spielfreude der Kings Of Leon? Dieser herrliche bluesige Schrammelsound, der mich 2004 im Berliner Huxley's neue Welt begeistert hatte? Stattdessen lassen die Followills nun die angepassten Schönlinge raushängen, spielen nicht mehr ihren alten Garagenhit California Waiting sondern sphärische Nummer wie Crawl und Schnulzen wie Notion. Das gefiel tussigen Engländerinnen, die in Scharen angereist waren, richtig gut, machte mich aber fast wütend. Und wer bewegt eigentlich die Marionette Alex Kapranos? Ich schaute öfter einmal nach oben, ob er nicht an Fäden gezogen wurde, so unnatürlich waren seine Bewegungen! Ein Roboter in Lederjacke, der mit seiner Band alte Ideen der ersten Alben recycelt und in einen 70 er Jahre Diskosound gepresst hat. Die Leute fandens trotzdem toll, warum auch immer.
Und Tom Smith, was ist eigentlich mit dem los? Mehr schwülstiges Pathos als bei The Boxer geht ja wohl kaum! Und das Rumgehampele und der leidende Dackelblick (vor allem wenn er sich ans Piano setzt) nerven so langsam. Die eigentlich sehr sympathischen Briten haben möglicherweise alte CDs von ihren Eltern aus den 80er Jahren rausgekramt, als sie für das neue Album ins Studio gingen. The Boxer klingt nach einer Kreuzung aus Hold Me Now von den Thompson Twins und Smalltown Boy von Bronki Beat, You Don't Know Love nach einer Produktion von Michael Cretu ( der Mann hinter der Heulboje Sandra) und Abbas Lay All Your Love On Me (kotz!) und Papillon ist ein Plagiat von alten Depeche Mode Songs.
04: The Irrespressibles: Haldern Pop Festival
Eine alberne Band! Optisch eine Mischung aus Rondo Veneziano und Pierrot der Clown und musikalisch ein schwacher Abklatsch von Antony und den Johnsons. Diese schwüle, barock anmutende Kacke war nur schwer erträglich, aber zum Glück auch relativ schnell vorbei. Das Haldern Pop Festival begeistert jedes Jahr aufs Neue mit sensationell guten Acts, so daß es völlig normal ist, wenn auch mal ein Rohrkrepierer wie The Irrepressibles dabei ist. Macht die Programmgestalter nur menschlich.
03: Delpic, La Flèche d'or, Paris:
Vorsicht, Mogelpackung! Von der englischen Band Delphic wird dieses Jahr noch viel zu lesen sein, da werden die Plattenfirma und die Konzertveranstalter schon für sorgen. Lasst Euch nichts ins Boxhorn jagen, diese selbsternannten Postdancer kopieren die ohnehin nicht guten Klaxons und White Lies und sollten deshalb mit der Kneifzange angefasst werden. Ihr Konzert in Paris hatte den besten Moment als die in schwarz gekleideten Jungspunde aus Manchester von der Bühne gingen und sich verdrückten...
02: Neon Indian, Espace B, Paris:
Noch so eine junge Band (obwohl genau genommen eigentlich nur das Projekt eines Mannes, Alan Palomo), die 2010 von einigen Blogs gehypt werden wird. Auch die enorm einflussreiche amerikanische Seite Pitchfork.com hat sie schon einmal mit Lob überhäuft, aber ihr kitschiger 80 er Jahre Elektrosound mit psychedelischer Duftnote versucht krampfhaft, noch ein Stück von dem Kuchen abzubekommen, den die albernen MGMT 2008 angeschnitten hatten. Finger weg!
01: GlasVegas, Melt! Festival:
Jetzt wird's heftig! Die Festivalbesucher, die sich vor dem Auftritt der Schotten GlasVegas noch einen Döner oder eine fette Pizza reingezogen hatten, waren nicht zu beneiden! Wahrscheinlich hatten sie bei dem unbeschreiblich schwülstigen und bombastischen Konzert gleich mehrfach dieses süße Gefühl auf der Zunge, das einen überkommt, wenn man gleich kotzen muss. Ein eklig kitschiger Song reihte sich an den nächsten und der feiste Sänger James Allan, ein billiger Elvis Presley Verschnitt, überbot sich mit peinlichen Ansagen. Beim ersten Mal war es ja noch ganz witzig, als er mit breitestem schottischen Akzent in die Menge rief: "alle hübschen Mädchen können nach dem Gig in meine Kabine kommen", aber als er dies nach jedem Lied wiederholte, wurde es zäh und nervig. Er toppte das Ganze aber noch als er bekundete, daß sich die unfassbar schlechte Drummerin Caroline MacKay (was machte die da eigentlich? Topfschlagen?) Männer mit großen Geschlechtsteilen in die Kabine wünsche, die anderen sollten sich fernhalten. Die Szene war mir für die Schlagzeugerin regelrecht peinlich, denn sie schien darauf gar nicht vorbereitet zu sein und guckte dementsprechend ziemlich verdutzt drein. Hinterher bekannte James dann auch noch, daß er einzig und allein deshalb mit der Musik angefangen habe, um Weiber abzukriegen. Bisher sei ihm aber dennoch kein Erfolg beschieden. Bitte, bitte, erbarme sich doch eine Frau und liiere sich mit Hern Allan, vielleicht hören Glas Vegas dann ganz mit der Musik auf! Das wäre doch einmal eine gute Nachricht! Und Muse, The Killers und Placebo, die mir zum Glück 2009 nicht über den Weg gelaufen sind, dürfen gleich mit abtreten!
10 Kommentare :
Großes Lob zum Glasvegas verriss. "(was machte die da eigentlich? Topfschlagen?)" allein für diesen Satz spendiere ich dir beim nächsten Haldern ein Eis.
Liebe Grüße, Franzi
Topfschlagen trifft es super, hihi :)
Ein Eis fürs Lästern, das lasse ich mir gefallen! Aber ich hoffe wir sehen uns schon vor dem Haldern, Franzi!
Das traurige daran ist ja eigentlich, dass Glasvegas auf dem Album absolut überzeugend sind und für meinen Geschmack mit das Beste 2009 abgeliefert haben. Aber live waren sie eine einzige Qual, unabhängig von den Ansagen zwischen den Songs.
Also Glasvegas waren auf Platte aber doch auch Mist?!?
:P
@Oliver:
Hier mal wieder ein klarer Fall von sich unterscheidenden Meinungen: Ich fand die Irrepressibles großartig. Und dieses ewigen Antony-Vergleich kann ich auch immer noch nicht so recht nachvollziehen, aber der taucht ja in jedem Satz über die Irrepressibles auf.
Das mit der Platte von GlasVegas sehe ich wie Nelle :)
Aber die Irrepressibles? Die gefielen Dir, Nelle? Der Sänger war doch wirklich ein komischer Kauz.
ich muss glasvegas (wieder) retten ;op ich fand sie sowohl live (bis auf den fliesbandarbeiter hinter den drums) und auch auf platte grossartig ... ich stehe dazu 100% meins ich liebe das so kitschig, phatos, powerchords, effekte ohne ende usw.
ich muss revidierne, album grossartig, live gut. schlecht ist fuer mich was anderes ...
ich muss revidierne, album grossartig, live gut. schlecht ist fuer mich was anderes ...
auf die meisten der hier aufgeführten konzerte wäre ich nie freiwillig gegangen. dass du es tust, oliver, ist unser großes glück. denn du bestätigst das, was wir schon wissen. die stiftung warentest also für die abteilung 'konzerte'. schließlich hat man ja bei waschmittel auch selbst meist den richtigen riecher. vor überraschungen ist man dennoch nie gefeit, siehe glasvegas...
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