Konzert: Sam Amidon
Ort: Le Baron, Paris
Datum: 03.02.2009
Zuschauer: hmm, vielleicht 150?
Konzertdauer: ca. 45 Minuten
Ein geerdet wirkender junger Amerikaner, der mit seinem schwarz-rot karierten Hemd aussieht, als würde er im Winter in den dichten Wäldern von Wisconsin Holz hacken gehen, damit es die Familie in der Hütte schön warm haben, in einem noblen, recht versnobten Pariser Privatclub, wo ein Fläschen Bier 10 Euro kostet - größer können die Gegensätze wohl kaum sein, oder ?!
Auch Sam Amidon, der amerikanische Singer/Songwriter, um den es hier geht, findet die Location wohl reichlich seltsam. Aber irgendwie auch spannend und ungewöhnlich, die Tatsache, daß der Künstler mit seiner kleinen Digitalkamera vor seinem Konzert den - mit seinen roten Lämpchen und Sitzecken - ziemlich puffig wirkenden Club aus allen möglichen Perspektiven abknipst, spricht zumindest dafür. Die so enstandenen Erinnerungsfotos kann er dann bei seiner Rückkehr in den USA Mum und Dad zeigen und die werden dann womöglich ausrufen: "Mein Junge, wo bist Du denn da in Paris hingeraten? Bist Du sicher, daß Du da nicht in einem Bordell gelandet bist? Lügst Du auch nicht, wenn Du sagst, daß Du da ein Konzert gegeben hast?"
Falls es Erklärungsschwierigkeiten geben sollte: Ich bin in der Lage Sam ein Alibi vor seinen Eltern zu verschaffen, denn ich habe sein Konzert im Baron als einziger abgeknipst! Bevor es losging, konnte aber auch ich es mir nicht verkneifen, die Location, die ich eigentlich von früheren Konzerten schon recht gut kenne, ebenfalls abzulichten. Irgendwie ist der Schuppen mit seinem 70 er Jahre Nobelclub-Charme ja doch ganz cool. Zumindest sagt man sich das, wenn man es überhaupt geschafft hat, reinzukommen und den Türsteher überzeugen konnte, daß man hier dazugehört. Bei Konzerten im Baron kursiert regelmäßig eine wichtige Liste, damit keine dahergelaufenen Touristen hier aufkreuzen. Auf diese Liste kann man sich setzen lassen, wenn man den Künstlern vorher eine entsprechende e-mail geschickt hat. Das Mädel, das sich darum kümmert, habe ich gestern ihm Pop In kennengelernt. Allerdings habe ich meine mail erst um 21 Uhr abgeschickt, eigentlich viel zu spät, um noch registriert zu werden. Ist aber eh schnuppe, da ich bereits um 23 Uhr antanze, zu einer Zeit also, da vor der Tür noch überhaupt nichts los ist! Zu früher Stunde (alles relativ natürlich) sind sie hier kulanter.
Als ich vor Kälte bibbernd vor der silbernen Türe stehe, sehe ich lediglich zwei junge Frauen, die ebenfalls Einlass begehren. Eine von den beiden erkenne ich wieder. Ich hatte sie schon gestern im Pop In bei Sam Amidon gesehen. Sie ist Amerikanerin, das hatte ich sofort getippt. Dabei ist sie eigentlich wie ein typische Pariserin angezogen, mit ihrer stilvollen, nicht zu aufgemotzten Kleidung und dem süßen Zipfelmützchen.So sehen Amerikanerinnen aus, die in Paris leben. Die passen sich an, donnern sich nicht mehr auf wie in Miami, schminken sich nur noch dezent und behängen sich nicht mit Glitzerschmuck. Ich vermute zumindest stark, daß sie in Paris lebt. Nach dem Konzert bestätigt sich meine Vermutung: Ja, sie lebt hier und spricht natürlich toll französisch! Meine Menschenkenntnis lässt mich eben selten im Stich...
Was ist Sam Amidon eigentlich für ein Mensch? Die Frage hatte ich mir schon gestern gestellt, als er zur Belustigung des Publikums während eines Songs Liegestützen gemacht hatte. Warum tut er so etwas? War er schon in der Schule der Klassenclown? - Dann dürfte er es bei denMädchen schwer gehabt haben. Die schmunzeln nämlich über solche Kerle, wollen aber nicht mit ihnen ins Bett. Ich weiß wovon ich rede...
Also gut, Sam hatte in meiner Fantasiewelt nicht den allergrößten Schlag bei jungen Frauen, aber um sich darüber hinwegzutrösten hat er ja seine Gitarre und sein Banjo. Diese beiden Instrumente stehen auch schon einsam auf der winzigen Tanzfläche rum, als ich tiefer in den Raum vorstoße und mir ein gutes Plätzchen sichere. Sam selbst sitzt auf einer Bank, guckt vergeistigt in ein Apple Notebook, das auf dem kleinen Tischen vor ihm steht und checkt vermutlich seine Fanmails bei MySpace. Das wird ihm aber schnell langweilig und deshalb schießt er eben, wie vorhin erzählt, ein paar Fotos von der Location. Irgendwann hat er lange genug auf seinen Auftritt gewartet. Das Mädchen, das mit dieser unglaublich grotesken Eisbärkappe den DJ gespielt hat, zieht sich nun, da sich der Ami auf sein Stühlchen gesetzt hat, zurück.
Der Blondschopf mit den blauen Augen fängt einfach an zu spielen, obwohl noch laut im Raume gequatscht wird. Das Geplapper wird sich auf im Laufe des Konzertes nicht legen, im Gegenteil es scheint von Minute zu Minuten immer schlimmer zu werden! Eine Beleidigung für den auftretenden Musiker, der aber ganz cool bleibt und in aller Ruhe seine sanften und melancholischen Lieder vorträgt. Ich könnte ihn mir auch als Angler vorstellen, bei der Gemütsruhe, die er an den Tag legt! Aber er kann auch anders! Manchmal wird er ganz laut beim Singen und dann wird seine ansonsten samtweiche Stimme rauh und krächzig, ein wenig wie bei Ray LaMontagne. Ich glaube er macht das heute auch ein wenig extra, um die Leute vom Schwätzen abzuhalten. Er singt wirklich viel lauter als gestern. Natürlich macht er auch wieder die Liegestützen und er kräht auch wieder wie ein Hahn (und verhunzt damit eigentlich den wunderschönen Song Wild Bill Jones), aber er hat auch noch neue Gags auf Lager. In einer Szene versucht er eine möglichst dämlich aussehende Grimasse zu ziehen, was ihm auch zweifelsohne fabelhaft gelingt. Schon ein verrückter Vogel, dieser Sam Amidon, bzw. samamadion wie auf seinen CDs steht. Von denen gibt es bisher zwei an der Zahl und auch heute spielt er Songs von beiden Alben. Am schönsten ist natürlich wieder das wundervolle Saro, bei dem er stimmlich manchmal sogar an Chris "Coldpay" Martin erinnert, ohne daß ich ihn mir je in einem Stadion vorstellen könnte. Auch Sugar Baby und O' Death ("a song about death, death is a terrible thing" wie er anmerkt) sind wieder dabei, nicht aber das gestern noch gespielte Wedding Dress und auch nicht das Tears For Fears Cover Head Over Heels. Dafür erfreue ich mich aber besonders an dem auf der Gitarre vorgetragenen Little Satchel. Ich erinnere mich nicht genau, ob er dieses Stück auch gestern im Pop In zum Besten gegeben hat, heute aber fällt es mir sehr positiv auf. Ein Liesbeslied, soviel scheint klar zu sein. Aber was genau singt er da am Anfang? "Under my bed you can search...und jetzt verstehe ich den Rest nicht richtig, heißt es weiter: "a little sad joke?" Wenn Sam doch bl0ß seinen beiden hübschen Alben Texte beigelegt hätte, das würde die Sache deutlich vereinfachen! Schließlich sind die Texte bei einem Singer/Songwriter sehr wichtig. Nun ja, vielleicht findet man sie bald zumindest im Netz, ich habe diesbezüglich vergeblich gesucht...
Vergeblich gesucht habe ich auf den beiden Alben auch ein recht makabres Lied, das Sam am heutigen abend gespielt hat. Es geht um Folgendes: Zwei Schwestern können sich auf den Tod nicht leiden und so beschließt eine der beiden, die andere umzubringen. Sie wirft sie von einer Brücke in den Fluß. Die Leiche wird von einem Müller gefunden und auch ein Geigenmacher ist an ihren Überresten interessiert. Er fertigt aus den Knochen ihrer Finger eine Fiedel. Abgefahren, oder? Keine Ahnung, wie dieses Lied heißt, wer es weiß, melde sich bitte bei mir! Auch andere gebotene Stücke konnte ich nicht ausfindig machen, aber vielleicht hilft mir der Künstler selbst weiter? Auf jeden Fall hat er vor einem viel zu laut plapperndem Publikum 10 Lieder, abwechselnd auf Banjo und Gitarre, vorgetragen, die mich mit ihrer Schlichtheit, Reduziertheit und Schönheit beeindruckt haben. Kurzum: Ich kann von dem jungen Amerikaner gar nicht genug bekommen und habe deshalb beschlossen, ihn mir am 10. Februar erneut anzusehen. Dann spielt er zusammen mit Crystal Stilts im Mains D'Ouevres bei Paris. Die Pariser sind wirklich verwöhnt!
Auszug aus der Setlist Sam Amidon, Le Baron, Paris:
- Little Satchel
- O'Death
- Wild Bill Jones
- Fall On My Knees
- Saro
Konzerttermine Sam Amidon:
04.02.09: Cafe & Diskaire - Lille
05.02.09: CultuurHuis Maison, Maldegem
06.02.09: Kris Place, Gent
07.02.09: Emile Vache, Metz
10.02.09: Mains D'oeuvres, Saint Ouen bei Paris
11.02.09: Botanique (Witloof Bar), Brüssel
04.02.09: Cafe & Diskaire - Lille
05.02.09: CultuurHuis Maison, Maldegem
06.02.09: Kris Place, Gent
07.02.09: Emile Vache, Metz
10.02.09: Mains D'oeuvres, Saint Ouen bei Paris
11.02.09: Botanique (Witloof Bar), Brüssel
2 Kommentare :
Die Eisbärmütze!!!! Ich will so eine haben!!
Ja, die ist stark, was? :))
Obwohl ich gar nicht ganz sicher bin, ob das ein Eisbär sein soll...
Kommentar veröffentlichen