Montag, 12. Januar 2009

My Year in Lists: die 10 besten Konzerte des Jahres (Frank)


Das Angebot, am „battle-of-the-jahreskonzertlisten“ mitzumachen, nehme ich natürlich gerne an. Denn einiges hat sich getan in 2008, meine persönliche Konzertdichte gerade im Herbst des Jahres war extrem wie nie zuvor, und die Verknüpfung zwischen Urlaub und Konzertbesuch wurde nahezu perfektioniert. Kein Auslandsaufenthalt ohne Konzertbesuch, oder frei nach Andi Möller „Egal ob Mailand oder Madrid, Hauptsache mit Konzertbesuch.“

Die Enttäuschungen des Jahres, und damit auf Platz 51 und 50, sind zwei Konzertbesuche, von denen einer überhaupt nicht stattgefunden hat. Das größte Ärgernis und somit Enttäuschung No. 1 war das verpasste Bettie Serveert Konzert in Hengelo. Das Wetter in dieser Novemberwoche ließ es einfach nicht zu, die 250 km Fahrt stressfrei zu bewältigen. Und so musste ich dummerweise das Konzert sausen lassen. Sehr, sehr ärgerlich, denn die niederl. Bettie Serveert zählen zu meinen absoluten Lieblingsmusikern.

Enttäuschung No. 2, und damit einzig real existierende Liveenttäuschung 2008, war das Kettcar Konzert in Köln. Ähnlich wie bei Tomte scheint die Kettcar-relevante Zeit für mich vorbei zu sein. Fand‘ ich Kettcartexte vor Jahren noch bedeutsam und wichtig, so sprechen sie mich jetzt nicht mehr an. Das die Band für mich bedeutungslos geworden ist, wurde mir während ihres Auftritts sehr deutlich. So wurden die gut zwei Stunden Konzert langweilig und inhaltsleer. Kettcar schafften es überdies nicht, mich wenigstens für den Moment zu begeistern, was unter diesen Umständen zugegebenermaßen nicht ganz einfach ist. Und da Kettcar in Köln das beinah unmögliche nicht möglich machten, setze ich ihr Konzert auf den letzten Listenplatz.

Besser gemacht haben es die folgenden Künstler:

Paul Weller zum Beispiel, der gleich zweimal unter den Top 10 vertreten ist. Der Kölner Auftritt (und somit Platz 10) kam nicht ganz an das Washingtoner- Wahnsinnskonzert heran, bot aber dennoch eine ganze Menge. Zum einen mit Moke die beste Vorband des Jahre 2008, zum anderen eine wiederum bestens aufgelegte und spielfreudige Paul Weller Band. Ein sehr stilsicherer Abend und wiederum eine Glanzleistung des Drummers Steve Pilgrim. Oder wie es zwei Briten neben mir bemerkten: „Really an old-school gig.“

Ebenso wie Paul Weller verzauberten mich auch die Eels zweimal im letzten Jahr. Ihr Auftritt in der „Sixth and I Synagogue“ war der emotional bessere Auftritt, und belegt Platz 9. Vorteil Konzertort, ganz klar. In einer Synagoge sieht man nicht alle Tage Konzerte. Ein sehr schöner, sakraler Ort. An diesem Abend konnte ich mein -beim Kölner Konzert- erworbenes Physikwissen überprüfen und vertiefen. Der BBC -Biopic über Mark Everetts Vater Hugh Everett III, den berühmten Physiker und Wissenschaftler, eröffnete wiederum den Abend. Also nochmal Quantenphysik.
Das
Schrödingers Katze Experiment, meine Vorband des Frühjahrs 2008.
Kleiner Wermutstropfen: Obwohl es angenehme 16 Grad Außentemperatur hatte, sahen sich die Veranstalter genötigt, die Klimaanlage auf höchsten Wirkungsgrad einzustellen. Oder war es der eisige Atem Jahwes? Egal, es war schattig in der ausverkauften Synagoge und ich wünschte mir Mütze und Schal herbei. Mein bisher frostigstes Konzert.

Platz 8: The Charlatans - Brüssel.
Die Charlatans können per Definition nicht enttäuschen. Sie gehören zu meinen Lieblingen und begleiten mich schon seit ihrem Debütalbum „Some friendly“ durch mein Leben. Das Brüsseler Konzert war nach 1992 das langersehnte Wiedersehen. Tim Burgess mit seiner Prinz Eisenherz Frisur sah zwar noch genauso aus wie zur Rave-o-lution, ansonsten war es aber kein Nostalgie-Gig. Sie verzichten auf allzu viel alte Hits und spielten fast das komplette neue Album „You cross my path“. Die Charlatans sind in Würde gealtert. Ein kleinen Haken hatte das Konzert: Der Sound war laut, sehr laut sogar.

Platz 7: Mogwai – Köln
Auch ein bisschen stellvertretend für all die guten, klassischen Indiekonzerte des Jahres. Egal, ob die Bands Ra Ra Riot, Built to spill oder Portugal.the man heißen. Mogwai waren die besten der guten, daher landen sie auf Platz 7. Ziel- und Altersgruppenübergreifendes Abdriften zu überirdischen Gitarrenklängen und gekonnten Laut-Leise Kombinationen. Ein ruhiger, entspannter Abend in einer erschreckend leeren Live Music Hall.

Platz 6: Stars – Köln
Der Konzertbesuch lebte noch von der 2007er Euphorie. Ich hatte die band gerade erst für mich entdeckt und war überaus froh, als sie im Februar nochmals in Köln halt machten. Diesmal hatten sie sich das Gloria für ihren Konzertabend ausgesucht. Eine gute Wahl, denn die Stars gehören in dieses ehemalige Pornokino wie die rotgetünchten Wände und die nettesten Garderobieren Kölns. Discokugel an und Glamour ab. Ageless beauty.

Platz 5: Elbow – Köln
Auch bei Elbow passte alles zusammen. Dream-Pop, den ich bereitwillig willkommen hieß und der mich mitzog. Da, aber doch nicht da. Ein im wahrsten Sinne des Wortes verträumter Konzertabend. Ich fühlte mich unheimlich wohl und hatte von Beginn an größte Sympathie für die Band. Elbow sind die guten, und an diesem Novemberabend hat es einfach klick gemacht. „This is an important day for world politics“, sagte Guy Garvey im Laufe des Abends. “Das war ein bedeutsamer Abend für mich”, sage ich. Seit diesem Konzert sehe ich die „etwas-andere-Manchester-Band“ mit neuen Augen.

Platz 4: Paul Weller – Washington
Was an diesem Abend auf der Bühne des 9:30 Clubs passierte, ist mit Worten kaum zu beschreiben. Die Band spielte ihr vorletztes Konzert einer langen Nordamerikatour. Alle freuten sich, endlich nach Hause zu kommen und waren total aufgedreht. So entwickelte sich im Laufe des Konzerts eine Eigendynamik, die ich so noch nicht gesehen habe. Je länger der Abend dauerte, desto lustiger und ausgelassener wurde die Paul Weller band. Der Chef selbst schmiss mehrmals die definierte Setlist über den Haufen, alle Musiker überraschten mit ungeplanten Soli während der Songs. Traditionell kann der amerikanische Kontinent ja eher wenig mit britischen Bands anfangen, doch Paul Weller ließ alles hinter sich und die Begeisterung im Publikum erreichte locker Beatlemania Niveau. Nach zwei Zugaben kam die Band Arm in Arm mit den Rifles, die an diesem Abend grandios eröffneten, nochmal zurück: „All you need is love….“

Platz 3: Portishead – Köln
37 Gänsehautschauer und noch mehr! Portishead ließen mich sprachlos zurück. Ein perfekter Abend, der im „battle-of-the-Jahreskonzertlisten“ schon gewürdigt wurde. Es war überragend, es war ergreifend.

Platz 2: Notwist – Melt!
Eigentlich war des Melt! ein Festival des Chaos. Massenpanik heraufbeschwörende Zustände beim Einlass, schnell hergestellte, stark improvisierte Parkmöglichkeiten am Samstag und Sonntag, ein überlaufenes Festivalgelände, kurz: hier hatte jemand zu viele Karten an den Mann gebracht und die Organisatoren kamen gehörig ins Trudeln. Ist dies noch nicht Stress genug für Festivalbesucher, so gesellte sich noch schlechtes Wetter hinzu. Andersrum, das Melt!, und speziell der Notwist Gig waren zum Jahresende das meistbesprochene Event 2008.
Der Melt! Samstag ging in Wettereskapaden förmlich unter. Nach 10 Minuten sind wir trotz Gore Tex Softshell Jacken bis auf die Knochen nass. Der Regen kommt nicht von oben, sondern peitscht seitlich auf die Welt. Irgendwann hört der Starkregen auf. Es bleibt normaler Regen. Die Foto-Kamera ist zerstört, ihre Aussenhülle hat der Feuchtigkeit nicht trotzen können. Wir wissen nicht, was wir machen sollen. The Notwist spielen noch immer nicht. Die ganze Bühne steht unter Wasser. Wir wandern umher, werden aber nicht mehr so recht warm. The Notwist betreten irgendwann die Bühne. Wir sehen die Band aus der Ferne und beschließen, das Festivalgelände zu verlassen. Platz 2 für den – im Nachhinein doch amüsanten – Festivalaugenblick des Jahres.

Platz 1: Zoot Woman – Melt!
Der erste Gewitterschauer des Festivals klingt ab, es regnet nur noch mittelstark, doch wir möchten uns aufwärmen. Kate Nash lässt uns vor der Hauptbühne wortwörtlich im Regen stehen.
Wir beschließen, einen weniger nassen Ort aufzusuchen und was zu essen. Der einzig trockene Ort ist in diesem Moment das Zeltdach der Zweitbühne.
Wurst in der linken, Getränk in der rechten Hand, und das Zeltdach vor Augen. Als wir an der Gemini Stage ankommen, betreten Zoot Woman die Bühne. Ich habe nur wage Vorstellungen von ihrer Musik, kenne eigentlich nur bewusst ein Lied. Nach 10 Sekunden bebt das Zelt. Der Holzboden gibt jede Schwingung direkt zurück und so wird man – ob gewollt oder nicht – zum mit hüpfen gezwungen. Nach drei Songs weiß ich, dass ich viel mehr von Zoot Woman kenne als ich dachte. Nach einer knappen Stunde ist ihr Auftritt vorbei. Draußen regnet es nicht mehr.
Das Überraschungskonzert des Jahres und daher das Konzert des Jahres.


von Frank von Pretty Paracetamol




3 Kommentare :

Oliver Peel hat gesagt…

Hmm...

Dann hab' ich beim Melt! wohl die besten Konzerte verpasst! :-(

Mir hat es trotzdem gefallen, tolle Location und gutes Line-Up. 2009 wird bestimmt auch der Wettergott wieder gnädiger sein.

Vielen Dank für die feine Liste, Frank!

E. hat gesagt…

sehr unterhaltsam. prima!

Oliver Peel hat gesagt…

Ein ruhiger, entspannter Abend bei Mogwai, so was liest man im Zusammenhang mit den höllisch lauten Schotten selten :-)

 

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