Mittwoch, 27. September 2023

Reeperbahn Festival 2023, Hamburg










 


Konzert: Reeperbahn Festival
Ort: Hamburg
Datum: 20.09.-23.09.2023
Dauer: 4 Tage
Zuschauer: diverse


Vier Tage Reeperbahn Festival sind vorüber. Das Festival hat zu alter Kraft und Stärke gefunden. Wetter und Line-Up passten perfekt zusammen und auch die Organisation war in diesem Jahr gut aufgestellt. 

Trotzdem kann es selbst den erfahrenen Festivalgänger abschrecken, wenn man bis zum Festivalbeginn nicht einmal schafft, die offizielle Playlist komplett durchzuhören. Aber das ist aber halt auch der Charme eines großen Newcomer- und Showcase Festivals.


Immer mehr zeigt sich aber, dass hier eigentlich verschiedene Festivals parallel stattfinden. Wer Post-Punk und Gitarren liebt, brauchte eigentlich das Molotov mit seinen vier Bühnen gar nicht verlassen. Ab Mittag und bis spät in die Nacht gaben sich hier alle Indie Hoffnungen die Gitarre in die Hand. Besonders der Open-Air Back Yard war in diesem Jahr bei durchweg warmen Temperaturen ein Highlight. 

Hier begeisterten am Mittwoch direkt die aus Nottingham stammenden Cucamaras mit einer energetischen Show, die im nächsten Jahr bei vielen Festivals bestimmt auch für Begeisterung sorgen wird. 

Zuvor erlebte man im kuscheligen Moondoo die herrlich unkomplizierte und humorvolle Katie Gregson-MacLeod. In Schottland schon mehr als ein Geheimtipp. 

Zurück im Molotov, diesmal in der Skybar unter dem Dach, dann endlich auch mal schon bekannte Töne. Deathcrash sind mit ihrem Slowcore schon seit circa zwei Jahren in aller Munde und liefern hier einen staubtrockenen, aber leider nicht so elegischen Auftritt hin, wie bereits gesehen. In den nur 45 Minuten erlaubter Spielzeit konnten sie ihre komplette Bandbreite aber auch nicht beweisen. 

Den einsamer Sieger des Tages gab es dann bei Nacht in der wunderschönen Kirche von St. Pauli zu bewundern. Puma Blue steht völlig zurecht ganz kurz vor seinem großen Durchbruch. Wie er hier virtuos mit seiner Band die Genres von Jazz, Pop, Indie und Soul zelebriert, lässt viele mit offenem Mund zurück. Ein wahnsinnig talentierter Songschreiber noch dazu. Unbedingt anhören. 

Auf der tollen, offenen Bühne am Spielbudenplatz gibt es am nächsten Tag nach dem ersten Kaffee einen koreanischen Showcase mit vier Bands, von denen Cotoba besonders herausragen. Überschwängliche Spielfreude, mal als Indiepop, dann wieder etwas vertrackter und mit mehr Ecken und Kanten. 


Iedereen aus Köln lassen es zunächst im Irish Pub und am Tag darauf nochmal im Fanshop von St. Pauli richtig krachen. Punk in seiner reinsten Form, aber mit der spielerischen Klasse und Härte eines klassischen Duos a la White Stripes. 

Wer die Schweizer von Black Sea Dahu mag, kann danach bei Soft Loft, ebenfalls aus der Schweiz, etwas Luft holen. Genauso wie bei AVEC, wurde gefälliger Indiepop geboten. 

Zurück zum Molotov. Hier startet der australische Nachmittag mit einem extra eingeflogenen Ansager, der fast mehr Raum einnimmt als die auftretenden Bands. Doch sobald die Flying Colours das Mikro übernehmen, ist das schnell vergessen. In nur 30 Minuten fegen sie alle Bedenken beiseite, der Auftritt könnte im Hellen vielleicht deplatziert sein. Kein Spur. Toller Shoegaze, tolle Songs. 

Zum Runterkommen dann ab in Angie's Nightclub. ARTE zeichnet zwei Folgen Plattenkiste mit “Promis” auf. Der Talk gerät launig bis peinlich, die Gäste wenig erfahren im Umgang mit Plattenspielern “ach, es gibt ja zwei Seiten”. Abhaken, weiter geht’s. Und zwar direkt ins andere Extrem. 


Im Rockschuppen Headcrash warten bereits Chalk und knallen ihren Elektropunk durch den Raum. Einzelne Songs sind kaum auszumachen. Der Sänger wirkt charismatisch und ganz schön wütend. Behalten wir mal im Auge. 


Kids Return aus Frankreich bieten den nächsten Kontrast. Interessante Pop Songs a la MGMT (1. Album 😊) mit Harmoniegesang. 


Und damit hier nicht der Verdacht aufkommt, es würde nur die erwartete Indie-Bubbel bedient, steht der Besuch von EBOW ganz oben auf der Liste des Wochenendes. Ebro Düzgün bricht mit den normalen Stereotypen des Hip-Hop und kann gleichzeitig aber auch nicht darauf verzichten. So entsteht ein Spannungsfeld aus queeren und politischen Songs, sowie der üblichen Klischees von Handtaschen und dicken Autos. 
Ebru wirkt aber gerade durch diesen offenen Zwiespalt absolut natürlich und sympathisch. Ein lohnender Abstecher. 

Als Rausschmeißer (mit Ansage) dann noch die neue Punk Sensation aus Dublin. Sprints nehmen das Molotov im Sturm und werden ebenfalls nächstes Jahr viele Festivals glücklich machen. 


Am Samstag spielen dann mein Folk-Lieblinge von William the Conqueror gleich zwei Konzerte. Erst akustisch auf dem für alle freien Festivalgelände am Heiligengeistfeld und später dann noch ein richtiges Set im Indra. Lohnte sich beides. 

Im Molotow Biergarten wird auch heute natürlich wieder gerockt. Die Damen von Hotwax sind am Start. Am vierten Tag fällt ihr Set aber leider etwas ab. Kann aber auch an der Anzahl der bereits gesehenen Post-Punk Bands gelegen haben. 


Ein Live-Podcast will natürlich auch noch besucht werden. “Too many Tabs” sorgen für viele Lacher. Carolin Worbs und Miguel Robitzky (ZDF-Magazine Royal) harmonieren sehr gut und berichten von ihren "Rabbit Holes" im Internet. Lyschko performen dazu live ein paar Songs und natürlich die Titelmelodie.

AUGN spielen das für mich spannendste Set des gesamten Festivals, (siehe eigener Bericht) bevor Team Scheisse dann, mittlerweile schon sehr routiniert, im Hochbunker zwischen Fußballrandalen und Reeperbahn-Touristen den Deckel draufmachen. 


Die Anzahl an Bands kann über vier Tage hinweg ermüdend wirken. Es lohnt sich daher immer, auch bewusst Konzerte zu besuchen, deren Musikrichtung einem vielleicht fremd vorkommt. Alles in allem war es ein rundes und entspanntes Festival. 

Als zusätzliches Lob sollte gelten, das die sonst so begehrten Konzerte in der Elbphilharmonie dieses Jahr so gar nicht im Mittelpunkt standen. 

Tickets für 2024 sind als Early-Bird Version bereits erhältlich. 


 

Konzerttagebuch © 2010

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