Konzert: Daughter
Ort: Live Music Hall, Köln
Datum: 31.01.2016
Dauer: Daughter gut 90 min, John Joseph Brill 25 min
Zuschauer: ausverkauft (1.500)*
Ob auch englische Kinder von irgendwelchen alten Tanten bei Treffen immer mit "was bist du groß geworden" begrüßt werden? Dann kennte Sängerin Elena Tonra das, was sie vermutlich jetzt häufig hört. Denn was sind Daughter in den letzten zweieinhalb Jahren groß geworden!
Ab August 2012 hatte ich die Londoner Band in 12 Monaten siebenmal gesehen. Danach verschwand sie ins Studio, um ihr zweites Album zu erarbeiten. Die Platte erschien vor zwei Wochen und trägt den passenden Titel Not to disappear. Wer die Band erst damit kennenlernte, hatte keine Chance mehr, eines der Konzerte einer kurzen Europa-Tour zu besuchen, alle Abende waren schnell ausverkauft, in Köln sogar doppelt. Tickets für die Kantine waren ruckzuck weg, nach der Hochverlegung in die Live Music Hall dauerte es kaum länger, bis auch da alles vergriffen war. Leider ging eine erneute Verlegung ins (voll) viel angenehmere E-Werk nicht, weil Karneval ist und Karneval größer als die größten Indiebands ist.
Als um acht der Support begann, war die Halle noch nicht richtig voll. Nicht voll ist die LMH kein so schlechter Ort für Konzerte, weil sie oft gut klingen, so auch beim Vorprogramm. John Joseph Brill ist ein Singer / Songwriter aus London, der wie eine schlankere und etwas kleinere Version von Hagrid aussieht und in 25 min sechs Lieder spielte, die mir recht gut gefielen. Aber - und das ist ein wenig das Problem - hängen blieben sie nicht.
In der vierzigminütigen Umbaupause füllte sich die Halle bis auf den letzten Platz. Zuletzt war es zwar auch schon das Stollwerck, in den vergangenen drei Jahren sind Daughter aber noch einmal kraftig gewachsen. Ich könnte mir durchaus vorstellen, daß die Konzerte einen nächsten Tour das Londoner Trio auch noch ins Palladium bringen. Warum, weiß ich nicht so recht. Ich verstehe schon lange nicht mehr, warum eine Band die zu gut dafür ist, plötzlich die Massen anspricht, obwohl die sie doch eigentlich nicht kennen könnten. Daughter-Songs liefen dieses Jahr mindestens viermal im Dschungelcamp. Da war die Tour aber lange schon ausverkauft. Ich habe diesen "ich hasse es, wenn meine Freunde berühmt werden" - Reflex nicht. Ich gönne Bands, die ich mag, jeden Erfolg! Das wird man ja wohl man sagen dörfen! Manchmal verstehe ich aber eben nicht, wie wer wann groß wird.
Wie schon 2012 hatten Daughter einen zusätzlichen Musiker für Bass und Keyboard dabei. Damals war es ein Bassist, heute eine Musikerin, deren Namen ich nicht kenne.
Die drei wirklichen Bandmitglieder sind fast unverändert. Elena wirkte eine Spur weniger verhutschelt als vor drei Jahren, Gitarrist Igor Haefeli hat einen Musketier Bart. Schlagzeuger Remi Aguilella und der Charme der drei sind wie damals.
Daughter begannen das Konzert mit How vom neuen Album, Tomorrow vom ersten und Numbers wieder vom aktuellen - und sie klangen wie immer! Elenas eindrucksvolle, zarte Stimme, die wahnsinnigen Gitarren und Remis tolles Trommeln.
Dummerweise gehören in der Live Music Hall Fotografieren und Schreiben nicht zusammen. Fotografen werden nach den drei Liedern über den Hof rausgeführt und enden wieder ganz hinten im Saal. Konzerte fünzig Meter von der Band entfernt zu erleben, ist so wie Wimbledon-Endspiele auf der Wiese neben dem Stadion. Zu einem Konzert gehört eben nicht nur die Qualität von Band, deren Musik und Sound, die anderen Umstände, die Nachbarn, das spielt alles eine große Rolle. Hinten in der LMH kann man keine herausragenden Auftritte erleben. Daughter klangen wundervoll, die Songauswahl der Tour ist top, die Band rechtfertig die neue Größe in jeder Sekunde. Aber dummerweise habe ich bisher schon so manches magische Daughter-Konzert erlebt. So weit weg von der Bühne, mit schon deutlich gedämmter Lautstärke, wird auch das beste Konzert nicht zu einem umwerfenden.
Daughter spielten 50% alte und 50% neue Songs; erstaunlich eigentlich. Vor drei Jahren hatte ich Elena, Igor und Remi darauf angesprochen, wie sehr mich bei ihnen beeindruckte, daß sie als junge Band mit wenig Material 80-minütige Konzerte spielten. Die drei lachten und antworteten, daß sich das ändere, wenn sie erst einmal ihre Instrumente schneller stimmen könnten. Dafür haben sie heute jemanden, die Konzerte dauern zehn Minuten (oder zwei Lieder länger). Ganz so schlimm kann das mit dem Stimmen also nicht gewesen sein.
Daughter leben von Elenas zarter, manchmal entrückt klingender Stimme, die perfekt zu den beiden Gitarren passt. Viele Lieder haben diesen Touch Gelangweilheit (nicht mit Langeweile verwechseln!), die The xx als Stilmittel geprägt hat, ich liebe das!
Am Ende des Konzerts stand das lange Fossa, das mit seinen zig Brüchen, Gesangsechos (wohl von der Bassistin und Keyboarderin live übernommen. So recht erkennen konnte ich das vom Neumarkt aus nicht), sich wohl am deutlichsten von den frühen Stücken weiterentwickelt hat.
Wie auf Not to disappear folgte - hier als Zugabe - noch Made of stone. Im Gegensatz zu den treibenden Gitarren am Fossa-Ende ist Made of stone ruhig, langsam und verträumt. Im regulären Set wäre das Stück vermutlich untergegangen. Ich hatte zwar auf eines der abwegigen aber wundervollen Cover, die Daughter spielen, gehofft. Das an den Schluß zu setzten, macht aber ganz offensichtlich großen Sinn.
Die alte Tante kann auch bei der Tour zur nächsten Platte wieder nerven, Daughter werden noch kräftig weiterwachsen. Sie in kleineren Clubs wie dem Gebäude 9 zu sehen, bleibt vermutlich ein Traum.
Setlist Daughter, Live Music Hall, Köln:
01: How
02: Tomorrow
03: Numbers
04: Alone / With you
05: Amsterdam
06: Human
07: Doing the right thing
08: Shallows
09: Home
10: No care
11: Winter
12: Smother
13: New ways
14: Youth
15: Fossa
16: Made of stone (Z)
Links:
- aus unserem Archiv:
- Daughter, Larmer Tree Gardens, 31.08.13
- Daughter, Mannheim, 31.05.13
- Daughter, Frankfurt, 16.04.13
- Daughter, Köln, 08.04.13
- Daughter, Brüssel, 04.04.13
- Daughter, Luxemburg, 10.11.12
- Daughter, Paris, 07.11.12
- Daughter, Haldern, 11.08.12
- Daughter, Haldern, 11.08.12
* die Angaben, wie hoch die Kapazität der LMH ist, schwanken zwischen 1.300 und 1.800. Es fühlte sich aber definitiv nicht nach einem 1.300-Ausverkauft an.
2 Kommentare :
Das zusätzliche Bandmitglied ist Lucy Parnell!
https://www.instagram.com/lucy_parnell/
Danke!
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