Konzert: Marianne Faithfull
Ort: Capitol Theater Düsseldorf
Datum: 31.10.2015
Dauer: 90min
Zuschauer: 700 ausverkauft
Als neuer Spielort für Konzerte wurde das New Fall Festival in diesem Jahr unter anderem um das Capitol Theater in Düsseldorf erweitert. Als typisch umfunktionierter Backsteinbau, mit leider etwas zu engen Sitzreihen und flacher Sicht zur Bühne, dient er normalerweise als Spielstätte für seichte Musical-Unterhaltung.
Diese war heute nun gar nicht zu erwarten. Marianne Faithfull könnte man so einiges vorwerfen aber bestimmt nicht, dass sie immer den leichtesten Weg eingeschlagen hätte. Der Begriff Muse wird wohl in den nächsten Generationen immer weiter in Vergessenheit geraten, das Gendertum ist ja auf dem Vormarsch. Dabei steht die klassische Muse ja in keinster Weise im Schatten, sondern beflügelt ja den Künstler mit ihrer Sicht auf die Dinge. So war Marianne Faithfull in ihrem Leben zwar oft zur rechten Zeit am rechten Ort, hat sich aber durch das eigene Talent immerhin ein nun schon ein 50-jähriges Bühnenjubiläum erspielt.
Wer aber vermehrt ältere Männer in Stones T-Shirts erwartet hatte sah sich getäuscht. Sehr viele jüngere Zuschauer sammelten sich im ausverkauften Saal. Die Erwartungen waren sicher gemischt. Wer M. Faithfull schon vor Jahren gesehen hat, durfte wissen das es um ihre Gesundheit heute nicht mehr gut bestellt ist. Nach mehreren, schweren Hüftoperationen fällt das Gehen schwer, und so betritt sie langsam und vorsichtig mit einem roten Stock die Bühne. Als Band sind drei Mitmusiker angereist, bei einigen Stücken wird man sich Streicher dazu wünschen, aber so bleibt der Set durchgängig etwas rockiger. Besonders die Gitarrenparts dehnen die Songs gefühlvoll in längere Versionen, auch damit die Künstlerin zwischenzeitlich kurze Sitzpausen einlegen kann.
Das klingt jetzt alles erstmal nicht nach einem begeisternden Abend, sondern eher nach einer bemitleidenswerten Sängerin die nicht den rechtzeitigen Abschied vollzogen hat. Aber hier liegt der Fall zum Glück anders. Marianne Faithfull startet mit dem starken „Give my love to London“ um danach direkt mit einer Dulli/Lenegan (Gutter Twins/Afghan Whigs) Komposition von „The Stations“ nachzulegen. Wer also pure Nostalgie erwartet hatte, war jetzt schon überfordert. Dazu die launigen, selbstironischen Ansagen „I have an new drugsong“ und ehrliche Freude über die Chance, immer noch auftreten zu können. Warum sollte sie es nicht machen, wenn die Säle immer noch voll sind ?
Im weiteren folgen fantastische Kompositionen, die unter anderem Nick Cave "Late Victorian Holocaust" und Roger Waters "Sparrows will sing" für sie geschrieben haben, die Texte stammen meistens von ihr. Live klingt das alles noch viel düsterer als auf Platte, Showelemente gibt es keine, und das Licht ändert sich den ganzen Abend auch nicht. Aber die Songs stehen wie ein Fels, die letzte CD war ein Meilenstein, ihre vielleicht beste überhaupt und das im klassischen Rentenalter.
Immer wieder kokettiert sie mit der Band, verbeugt sich statthaft und macht dann einfach weiter. Die Klassiker gibt es natürlich auch noch, hier wird jeden Abend die Setlist verändert. Heute sind statt "Sister Morphine", Dylans „Baby Blue“ und "As tears go by" an der Reihe. Mit einer langen und rührenden Version von „ The Ballad of Lucy Jordan“ geht der Abend zu Ende, bevor sie alleine mit einer A capella Version von „She moved through the Fair“ die Zugabe bestreitet.
Und so verläßt man den Saal, bewegt von der Aura und Demut einer Muse, die zur echten Künstlerin wurde. Genau wie es in einem der hier sonst gespielten Musicals als Handlung dienen könnte. Aber das Leben schreibt eben oft die besseren Geschichten.
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