Samstag, 16. Juli 2011

Pitchfork Festival Chicago, 1. Tag, 15.07.11


Konzert: Pitchfork Festival, Chicago, 1. Tag, mit Guided By Voices, Animal Collective, Neko Case, Thurston Moore u.v.a.
Ort: Union Park, Chicago
Datum: 15.07.11
Zuschauer: ausverkauftes Festival


"Sagen sie mal, war es schwer einen Pressepass zu bekommen?"

Die junge Frau, die mich das heute fragte, schien ziemlich neidisch zu sein, als sie meinen Umhänger mit der Plastikkarte sah, die mich als akkreditierten Journalisten auswies. Sie arbeite für Bloomberg in New York und sei selbst leer ausgegangen. Wie ich das denn geschafft hätte? Gerne hätte ich ihr geantwortet: "weil ich eben Oliver Peel bin", aber ich entgegnete lediglich, dass ich gute Kontakte hätte. Dann wendete ich mich ab und konzentrierte mich auf das beste Konzert des ersten Festivaltages, das von Guided By Voices. Die alten Haudegen um Robert Pollard lieferten einen fulminanten Auftritt ab und schüttelten einen Hit nach dem anderen aus dem Ärmel. Der Sound war roh, schrammelig und kantig, die Melodien packend und auf punkige Weise hymnisch.

Um sich so richtig aufzupeitschen, soff Pollard bei brütender Hitze Whiskey aus der Flasche und gut geölt kam seine Stimme noch bissiger und angriffslustiger zur Geltung.

"Are you ready for some good quality rock music?" hatte Robert zu Beginn des Konzertes gefragt und nicht zu viel versprochen. Das kurze, auf den Punkt gespielte Lo-fi Material klang zeitlos und war eine wohltuende Abwechslung zu den teilweise recht anstrengenden Experimental Bands des ersten Festivaltages. Besonders tune-yards mit ihrem afrikanisch geprägten Jodelgesang und ihren Buschtrommeln war eine Belastprobe für die Nerven. Relativ schnell bin ich deshalb auf die rote Bühne zu Battles geflüchtet. Die boten zwar auch keine leichte Kost, aber ihr hypnotischer Math-Rock sagte mir doch deutlich mehr zu. John Stanier trommelte in gewohnter Weise mit nacktem Oberkörper wie ein Besessener und Ian Williams und Dave Konopka flankierten ihn hoppelnderweise. Nicht mehr dabei ist Sänger Tyondai Braxton und auch die Gastsänger auf dem aktuellen Album Gloss Drop, wie z. B. Gary Numan oder Kazu Makino liessen sich nicht blicken. Dennoch, Battles haben mich wieder neugierig gemacht, ich denke mit ihrem neuen Output sollte man sich einmal beschäftigen.

Postiv fielen heute auch Thurston Moore und Neko Case auf. Beide mit mehrköpfiger Band angetreten, spielten sie trotzdem die akustischsten und folkigsten Sets des heutigen Tages. Thurston Moore hatte nicht nur die fabelhafte Geigerin Samara Lubelski, sondern auch einen Harfespielerin dabei und bei Neko Case brillierte gewohnterweise Kelly Hogan mit ihren guten Backgroundvocals und ein bärtiger Pedal Steel Player.

In den Tag eingeleitet hatte die blonde Erika M. Anderson alias EMA, die ich in Paris bereits einmal im Vorprogramm von Scout Niblett erlebt hatte. Damals wie heute sah ich ein ansprechendes, aber nicht überragendes Set, so dass ich doch gewisse Zweifel am Hype um die Newcomerin mit dem Namens-Halskettchen (bei Thomas Anders stand damals auf so was Nora drauf) anmelden muss. Grosse Namen wie Courtney Love, Cat Power, PJ Harvey oder Patti Smith fallen im Zusammenhang mit EMA am laufenden Meter, aber die Referenzen scheinen doch noch etwas zu ambitioniert zu sein. Vielleicht ist ihr Album ja besser als die Live-Performance? Live gab es allerdings immerhin bis zu zwei Geigen gleichzeitig und auch die Strumpfhose der Sängerin war ein Hingucker...

Den Tag abgeschlossen haben schliesslich die omnipräsenten Animal Collective. Gern gesehene Gäste des Melt Festivals in den letzten Jahren, waren sie heute Headliner des ersten Tages beim Pitchfork. Die jungen Leute standen auf die psychedelische Musik, die flimmernden Bilder und die schrägen Gesange, ich persönlich hatte eigentlich schon nach drei Liedern meine Schmerzgrenze erreicht und hätte ich meine Frau früher gefunden, wäre ich sicherlich eher im Hotel gelandet.

Meine Süsse war allerdings im VIP Bereich abgetaucht und in diesen durfte ich mit meinem Pressepass nicht hinein!

Ob es schwer war, für meine Frau einen VIP Pass zu bekommen? Nein. Zu dumm bloss, dass ich selbst keinen habe! Aber ich bin ja nicht zum Glotzen und Gratis-Biersaufen gekommen, sondern um über dieses tolle Festival zu berichten!

Morgen geht es weiter, stay tuned!

Randbemerkungen: selten so viele krass tätowierte Frauen gesehen. Scharf! Und Robin "Fleet Foxes" Pecknold hing auch schon auf der Wiese ab, obwohl er und seine Band erst morgen dran sind. Er unterhielt sich von Fans völlig unbehelligt mit der zuckersüssen Angel Derodoorian von den Dirty Projectors, die allerdings nicht auf dem Pitchfork vertreten sind.

Und Neko Case ist mit mir im Aufzug auf ihr Zimmer gefahren. Sie wohnt im gleichen Hotel wie ich, genau wie Robert Pollard, den ich in der Lobby traf. How cool is that?




2 Kommentare :

Christoph hat gesagt…

Mehr, mehr, mehr!

Besonders den Gossip-Teil auch morgen wieder so ausführlich erwähnen!

Viel Spaß!

frank hat gesagt…

Oh ja, mehr!
Ich wünsche euch viel Spass da drüben!

 

Konzerttagebuch © 2010

Blogger Templates by Splashy Templates