Freitag, 12. Juni 2009

Rum Tum Tiddles, Sorry Gilberto, u.a., Paris, 11.06.09


Konzert: Rum Tum Tiddles & Sorry Gilberto & Prem Sé & Noel

Ort: Belushi's Club
Datum: 11.06.2009
Konzertdauer: insgesamt mindestens 2 1/2 Stunden



In der Belushi's Bar war ich schon lange nicht mehr. Genauer gesagt seit dem 21 Mai 2008, als dort Erica Buettner, Sharon Krauss und Meg Baird spielten. Dabei ist das Programm in dem amerikanischen Laden wirklich nicht übel, selbst Banjogroßmeister Matt Bauer ist hier schon aufgetreten. Aber der Weg dorthin ist weit für mich und da der Schuppen nicht besonders viel Promo für seine Events macht, kriege ich oft gar nichts davon mit, was mir durch die Lappen geht.

Diesmal war das anders, Labelboss Erwan, der Waterhouse Records leitet, hatte mich während des Open Air Festivals in La Villette auf das feine Line-Up des heutigen Abends aufmerksam gemacht. Und nicht nur das, Erwan fragte sogar an, ob die auftretenden Künstler nicht am 14. Juni in meinem Wohnzimmer eine Session abhalten könnten, da die ursprünglich dafür vorgesehene Location, die Boutique Lalala Barcelona, inzwischen ihre Pforten geschlossen hatte. Schweren Herzens musste ich absagen, weil ich zufälligerweise schon den Briten Thos Henley für eine Homesession bei uns am Start hatte. Schade, schade!

Aber die Musiker wollte ich mir auf jeden Fall einmal live ansehen, zumal mit Noel und Sorrry Gilberto gleich zwei Acts aus der alten Heimat Berlin antraten.

In freudiger Erwartung machte ich mich auf den Weg zum Belushi's, das mit einer herrlichen Lage aufwarten kann. Es befindet sich gleich an den Ufern der Seine und wenn man auf die alte Brücke neben dem Eingang tritt, hat man das Gefühl in Hamburg zu sein (ich kenne Hamburg nicht besonders gut, ist jetzt auch nur so ein Spruch, um die Sache anschaulich darzustellen!). Das Wetter war herrlich und da es unten im Konzertclub noch nicht losging, bummelte ich noch eine Runde an der Uferpromenade entlang. Fasziniert schaute ich mir die alten Hausboote an (peniche auf französisch), die mich schon allein deshalb begeistern, weil Nick Drake auf solch einem Teil ein paar Jahre seines kurzen Lebens in Paris verbracht haben soll. Heutzutage werden die Peniches nach wie vor auch privat genutzt, in dieser Gegend aber dienen sie größtenteils als Restaurant oder Bar. Ich träumte ein wenig vor mich hin und stellte mir vor, wie ich so einen Kutter für mich nützen würde. Würde ich mir bei gutem Wetter die Sonne auf die Plautze brennen lassen, ganz lässig einen Cocktail in der Hand und gute Musik auf meinen Ohren? Oder würde ich Freunde einladen und jeden Abend rauschende Partys feiern, mit freakigem Indievölkchen und Musikern, die uns bei Mondschein etwas auf der Klampfe gratzen? Romantische Fantasien durchstreiften mein Hirn, aber dann kam mir plötzlich der Gedanke, daß es vermutlich scheiße ist auf so einem Hausboot. Ich dachte an allgegenwärtige Ratten, streunende Hunde, besoffene Touris, die das Boot kentern wollen und Stechmücken , die mein Gesicht zerfressen würden.

Schnell zurück ins Belushi's, diesen für Folkmusik eigentlich etwas zu modernen, zu cleanen Club! Viel war auch um 21 Uhr 30 noch nicht los, aber Erwan schickte nun trotzdem Noel als ersten Musiker in den Ring. Ganz alleine mit seiner E-Gitarre trug der schöne Mann ebenso schöne Songs von seinem Debüt-Album Wrong Places , aber auch etliche Neuheiten von dem in der Mache befindlichen Zweitling vor. Noel, der auch bei der tollen Berliner Indieband Jersey aktiv ist (Christoph berichtete euphorisch von einem ihrer Konzerte, hier!), wunderte sich auch zunächst über das dürftige Zuschauerinteresse, denn mehr als 20 Leutchen dürften wir am Anfang nicht gewesen sein. Dann aber konzentrierte er sich auf sein Set und im Laufe der Zeit tröpfelten auch immer mehr Besucher ein. Besonders interssant fand ich die Lyrics zu dem Titeltrack des ersten Albums Wrong Places: "I've been to the wrong places at the perfect time, I've followed the wrong traces until I made them mine." Noel schaffte es, mich relativ schnell zu fesseln, obwohl er selbst kurzfristig abgelenkt schien: "Hmm, einige von euch essen da gerade so lecker aussehende Büger mit Pommes Frites, das macht mich richtig hungrig!", grummelte er neidisch auf die üppig belegten Teller starrend. Der Berliner hatte den Nagel auf den Kopf getroffen! In der Tat stürzten sich ein paar Besucher mit Heißhunger auf den Amimampf, den sie sich vom oben gelegenen Retaurant mitgebracht hatten. Von nun an dachte ich auch permanent an einen Chesseburger mit Pommes, denn ich hatte vor dem Konzert nichts gegessen. Aber ich war schließlich für die Musik gekommen und da wollte ich mich voll auf die Sache konzentrieren und nicht nur mit einem Auge auf die Bühne schielen. Noel selbst bewahrte ebenfalls Fassung: "Ok, dann drinke ich halt eben mein Bier weiter, auch nicht schlecht!"...

Neben Wrong Places hatte er mit wunderbarer Stimme
(die ein wenig an Badly Drawn Boy erinnert) Marvin Greselda Reads vorgetragen, den Rest des Sets bildeten aber bis dato noch unveröffentlichte Lieder, die musikalisch den Genres Folk, Indie und Pop zuzuordnen waren. Auf dem Album, das ich mir anschließend zugelegt habe, klingt das Ganze aber ein wenig anders, da dort etliche Studiomusiker zum Einsatz kamen, die einen äußerst harmonischen und ausgewogenen Sound hinbekommen haben, den man ganz alleine nicht reproduzieren kann. Kein Wunder im Übrigen, daß das Album prima geworden ist, handelt es sich doch bei den Kollegen von Noel um erfahrene und talentierte Berliner Indiekünstler wie Max Punktezahl (Contriva, Jersey, Saroos), oder Masha Qrella (Solokünstlerin, Contriva).

Den letzten Songs des Sets trug Noel schließlich an der Ukulele zusammen mit Jakob von Sorry Gilberto vor und die beiden zauberten uns mit ihrem charmanten Stück , bei dem Jakob Gitarre spielte, ein Lächeln aufs Gesicht. Dufte!

Im Anschluß war mit Prem Sé aus Frankreich ein gemischtes Duo an der Reihe. Mary singt und Nico spielt Gitarre. Witzigerweise hatte ich die beiden schon vor ein paar Tagen als Zuschauer im Pop In beim Konzert von This Is The Kit gesehen. Ich muß gestehen, daß mir die hübsche Blondine Mary sofort aufgefallen ist, aber ich bin halt eben auch nur ein Mann. Ich war gespannt, wie sie singen würde...

Ich wurde nicht entäuscht, Mary trällerte wirklich herzallerliebst,
sah aus wie Anke Engelke in hübsch und der dreitagbärtige Nico zupfte dazu gefühlvoll an den Saiten seiner Klampfe. Stimmlich hatte Mary eine jazzig/soulig angehauchte Stimme zu bieten, die mich nicht gleichgültig ließ. Und ihr französischer Akzent war wie oft sehr süß und charmant. Etliche der heute performten Lieder kann man sich auf der MySpace Seite von Prem Sé anhören. Sie sind eigentlich alle schön, aber Pluck Roses scheint der Hit zu sein, denn das Stück wurde nicht nur fast 4000 mal angehört, sondern es gibt davon auch eine Akustikversion auf Video. Wenn Mary dort singt: "I wanna give you all my love", ist man geneigt "tu dir keinen Zwang an!" zu entgegnen.

Ich denke von den beiden wird man noch hören und lesen, Talent und Leidenschaft sind vorhanden....

Setlist Prem Sé, Belushi's Bar, Paris
01: Miss Windscreen Wiper
02: World
03: By My Side
04: Real Thing
05: Pluck Roses
06: Beer Drinker
07: Damned Dam
08: A Soul Mouvement

Als dritte Band des Abends gingen nun Sorry Gilberto an den Start. Ebenfalls ein gemischtes Duo, bestehend aus dem bärtigen Jakob (Gesang, Ukulele, Gitarre) und der grazilen Anne (Gesang, Bass, Keyboard, Flöte, Kinder Xylophon)). Ich hatte sie schon beim Soundcheck kurz gesehen und sie waren mir auf Anhieb sehr sympathisch. Jakob scheint der ruhende Pol dieses Zweierteams zu sein, er wirkte völlig ruhig, gelassen und unaufgedreht. Anne wiederum hatte die wohl niedlichste Stupsnase der Welt, ein entwaffnendes Lächeln und die schönste Basszupftechnik, die ich seit langem gesehen habe.

Die beiden starteten mit August Stains und auf Anhieb war ich angetan von dem wunderbaren Zusammenspiel der Stimmen. Er mit einem sonoren, dunklen Gesangesorgan ausgestattet, die sie mit einer lieblichen aber festen Mädchenstimme konterte. Wow! Charmfaktor 100! Zu dem nostalgisch angehauchten Horse Travelling Years setzte sich Anne hinter ihr Keyboard und überließ ihm zunächst das Wort. Er erzählte singenderweise und mit verklärtem Blick von Lederjacken, Kindheitstagen und alten Freuden ,die er seit 1000 Jahren nicht mehr gesehen hatte, seiner Armbanduhr, die er am See verloren hatte, etc. Die beste Stelle ist aber :"What I have is an old guitar, a voice and some melodies, so I have to be true instead of new my friend, when I'm bored I change the keys", weil sie ziemlich gut den Stil von Sorry Gilberto beschreibt. Er ist simpel ohne banal zu sein, es gibt schöne Stimmen und Melodien und alles wirkt herzlich, aufrichtig und ungekünstelt. Songs, die ans Herz gehen, ohne kitschig zu sein und Charaktere mit denen man sich sofort identifizieren kann. Hach, es war herrlich und ein charmantes Lied reihte sich an das nächste . Ich hätte noch stundenlang zuhören können! Besonders das Ende des recht kurzen Sets wartete dann noch mit köstlichen Schmankerln auf. Das melancholische Last Book ist ein richtiger kleiner Indiehit ("how can art be so cruel, you should change the water in your pool, it's not blue anymore and it smells") und der Titeltack des Albums Memory Oh, überwiegend von Anne gesungen, so ohrwurmig (dieser unwiderstehliche Refrain "I lost my memory,memory memory oh") und berührend, daß ich ihn schon jetzt nicht mehr aus den Gehörgängen kriege. Der Schlußpunkt wurde mit dem Oslo Song gesetzt, zu dem Anne in eine Blockflöte bließ und Erinnerungen an meine Schulzeit wachwerden ließ.

Toll, toll, toll und auch die Franzosen in der Belushi's Bar schienen sehr angetan.
Schade, daß Anne Jakob nicht ausreden ließ, als er ein paar Takte auf französisch sagen wollte. "Please don't speak french" rief sie ihm kichernd zu, als er gerade angesetzt hatte und der Gute war so perplex, daß er sich anschließend verhaspelte und die Stadt Paris Parish ausprach. Aber er war unglaublich schlagfertig. Parish? Hmm, like John Parish!...

Setlist Sorry Gilberto, Belushi's Club, Paris:

01: August Stains
02: Horse Travelling Years
03: This Roof
04: Sweet Song
05: Love But Zero
06: Man In The Snow
07: Last Book
08: Memory Oh
09: Oslo Song

In der Pause hatte ich die Gelegenheit zu einem kurzen Plausch mit Noel draußen vor der Türe. Seitdem das Rauchen in geschlossenen Räumen verboten ist, tummeln sich viele Leute auf Terrassen und vor Eingängen. Wir redeten uns ein wenig fest und als wir wieder nach unten gingen, hatten die Rum Tum Tiddles aus Nantes schon mit ihrem Konzert angefangen. Inzwischen war es relativ voll in dem Keller, aber nicht alle waren für die Musik gekommen. Ich sprach nämlich einen Typen an und fragte ihn auf französisch, wieviele Lieder schon gespielt worden seien und der Heini lallte mir benebelt auf englisch ins Ohr: "I hope this will be the last one!" So ein Idiot! Soll er doch zum Saufen nach oben gehen und unten den Platz für interessierte Zuhörer lassen! Die Rum Tum Tiddles hatten Aufmerksamkeit definitiv verdient! Schließlich handelt es sich um ein entzückendes Trio, mit der niedlichen Engländerin Madeleine Mosse an der Spitze. Musikalisch könnte man die drei unter Folk-Pop zusammenfassen und man liegt wohl auch nicht ganz falsch, wenn man Parallelen zu Soko zieht. Bloß daß Soko trotz unglaublicher 4 Millionen Profilaufrufen hingeschmissen hat und kein Album produzieren wird, während die Rum Tum Tiddles damit sicherlich noch in diesem Jahr um die Ecke kommen werden. Gutes Songmaterial scheinen sie jedenfalls reichlich zu haben, unter den 10 gespielten Stücken war kein Ausfall zu verzeichnen. Man muß sich einfach nur die Titel auf ihrer MySpace Seite anhören, um zu verstehen, was ich meine. Dezentes Banjospiel trifft dort auf die traumhafte Unschuldsstimme von Madeleine und wenn die Ukulele durch die Songs hüpft, macht auch mein Herz Luftsprünge. Man muß schon hartgesotten sein, um sich dieser zarten und infantilen Melancholie zu entziehen. Am Ende hatten mich die drei regelrecht weichgeklopft und mit It's Too Late wurde perfekt abgeschlossen. It's too late war leider das richtige Stichwort, denn ich musste nun bald aufbrechen, da ich die letzte U-Bahn kriegen wollte. Zwei Lieder von der letzten Band Flowers From The Band Who Shot Your Cousin bekam ich noch mit, dann machte ich die Fliege.

Ein wunderbarer Konzertabend war zu Ende gegangen!

Setlist Rum Tum Tiddles, Belushi's Bar, Paris:

01: Don't Waste It
02: Carpet
03: Oh, The Polar Bears
04: Lonely Hunter
05: When The Gorse Is In Flower
06: Back To Back
07: Are We Part
08: I'm Famous In Dallas
09: We Could Be Pirates
10: It's Too Late

Links:

mehr Fotos von den Rum Tum Tiddles hier
- von Prem Sé hier
- von Sorry Gilberto hier
- von Noel hier



Hier schwärmt Eike vom Klienicum von den Rum Tum Tiddles und dem Kleinod
We Could Be Pirates.
Und hier informiert Eike gewohnt fachkundig über Flowers From The Band Who Shot Your Cousin





2 Kommentare :

E. hat gesagt…

verdammte axt! wenn ich das gewusst hätte! (haben die tiddles mittlerweile eine scheibe am start?)

E. hat gesagt…

so, endlich habe ich den ebricht lesen können. schöne neue entdeckungen. toll! und die rum rums haben überzeugt, gell? dass du dir aber flowers... hast entgehen lassen!!! sünde, mein lieber. hatte ich auch schon drüber berichtet.

 

Konzerttagebuch © 2010

Blogger Templates by Splashy Templates