Montag, 20. Oktober 2008

The Last Shadow Puppets, Brüssel, 19.10.08


Konzert: The Last Shadow Puppets (& Ipso Facto)
Ort: Cirque Royal /Koninklijk Circus, Brüssel
Datum: 19.10.2008
Zuschauer: ausverkauft
Dauer: Ipso Facto 30 min, The Last Shadow Puppets 70 min


Als die ersten Nachrichten über die neue "Supergroup" The Last Shadow Puppets irgendwann Anfang des Jahres gehört habe, war ich sicher, daß niemand diese Band brauche und Alex Turner sich lieber weiter seinen Arctic Monkeys widmen solle. Schreiend komisch fand ich allerdings, wie ehrfürchtig jeder Journalist und Nachrichtenverbreiter mit Alex' Partner Miles Kane, "dem Sänger der Rascals!" umging. Die meisten von denen hatten (mangels Veröffentlichungen) niemals ein Lied der Rascals gehört, der Titel Rascals-Sänger wurde aber benutzt, als handele es sich um Morrissey oder John Lennon. Hui, der Rascals Sänger!

Im April hörte ich dann die Debütplatte der Last Shadow Puppets (von den Rascals gab es noch keine) erstmals und war ganz kleinlaut und demütig, denn The age of the understatement ist schlichtweg grandios. Und was die Brillanz von Miles Kane angeht, hatten alle Musikjournalisten recht, zwar aus Versehen, aber das ist ja egal.

Recht schnell wurde dann ein Konzert im Königlichen Zirkus in Brüssel angekündigt. Es kostete kein langes Nachdenken, Karten dafür zu bestellen, das Konzert sollte einer der Höhepunkte des Jahres sein.

Der Cirque Royal ist ein runder Theater- oder Zirkus-Bau mitten in Brüssel. Vom
Botanique, dem anderen hervorragenden Konzertort, ist das Gebäude nicht weit entfernt. Innen besteht der Raum aus zwei Ebenen, dem runden Stehplatzbereich mit Sitzplatztribünen außen und dem Oberrang, der sehr steile Stuhlreihen hat. Obwohl der Saal damit ein recht großes Fassungsvermögen hat, wirkt er sehr intim. So entschieden wir uns dann auch gegen Stehplätze und setzten uns in die oberste Reihe des Innenraums und hatten perfekte Sicht auf die nahe Bühne.

Und kaum saßen wir, kamen auf die Minute pünktlich vier junge Frauen, die drei im Bühnenvordergrund (Sängerin Rosalie, Bassistin Samantha und Keyboarderin
Cherish) mit strengem Pagenschnitt. Dahinter versetzt saß Schlagzeugerin Victoria. Die vier bilden Ipso Facto, eine Band, auf die ich seit langem neugierig bin. Ich hatte auch schon einmal die Chance in Berlin, stand am Club, erfuhr da aber von den Ordnern, daß die Band den Flieger verpasst hatte.

Ipso Facto haben meine Erwartungen sehr gut erfüllt. Die Londonerinnen sind zwar weniger elektronisch, als ich gedacht hatte, es war allerdings nicht schlimm, daß meine Vorstellung da nicht erfüllt wurde. Ich kannte keines der Lieder der Engländerinnen, war aber sofort hin und weg von der Stimme von Sängerin Rosalie Cunningham. Natürlich
liegt da der Vergleich mit Siouxsie Sioux auf der Hand, weil Rosalie schon wie die Wave Ikone in der Hongkong Garden Phase klingt. Die Musik allgemein hat aber eine sehr eigene Note. Mir gefielen vor allem die Gitarrenriffs, die Tempo- und Rhythmuswechsel. Da ich die Titel der Lieder nicht kannte und Rosalies Ansagen köstlich genuschelt und vollkommen unverständlich waren, kann ich leider nichts zu einzelnen Stücken sagen. Bzw. wenig, denn das Startlied Introducing gefiel mir sehr, die neue Single Six & three quarters mit ihrem schmissigen Rhythmus auch. Das letzte Stück klang fast ein wenig nach Country, es war ganz hervorragend!

Leider endete das Vorprogramm nach einer halben Stunde. Die hat mir aber sehr gefallen, eine CD der jungen Frauen werde ich auf jeden Fall kaufen!

Der Soundmann der Band, Marco, nannte mir nachher die Lieder, die Ipso Facto gespielt haben, die Reihenfolge passt aber wohl nicht zu meinen Notizen. Auf seine Frage "Did you like it?" habe ich ihm erzählt, daß ich die Gruppe schon einmal in Berlin sehen wollte ("Ohhhh, we missed the plane!" ), und daß Oliver sie vor den Long Blondes verpasst hatte ("Ohhhh, we were too late!").

Setlist Ipso Facto, Cirque Royal /Koninklijk Circus, Brüssel:

01: Introducing
02: Circle of fiths
03: Six & three quarters
04: Balderdash
05: Harmonise
06: Ears and eyes
07: Queen Sophia The Last
08: (Eyes of theblind) ?
(Reihenfolge stimmt nicht!)

Wäre es nur um Miles, Alex und ihe drei Begleiter gegangen, hätte die Umbaupause wohl auch nur ein paar Minuten dauern können. Allerdings reisen die Last Shadow Puppets nicht alleine, sie werden von einem 15-köpfigen Orchester begleitet. Kaum waren Ipso Facto verschwunden (um dann an der Theke unter den Tribünen Bier zu kaufen!), bauten sich hinter einem Vorhang auf der Bühne Musiker auf, vor allem Geigerinnen, unzählige Geigerinnen! Vor dem Vorhang passierte nicht viel. Zwei Mikros und ein paar Monitorboxen wurden aufgebaut, Schlagzeug und Keyboard standen schon vorher auf ihren Plätzen.

Um fünf nach neun wurde es dann stockdunkel im Saal und die ersten Orchestertöne erklangen. Schon das kurze Introstück hatte den typischen kino-theatralischen Klang der Last Shadow Puppets, dir kurz danach auf die Bühne liefen, so wie Kumpels, die von einem Fußballspiel kommen. Ich hatte bisher erst einmal erlebt, daß eine Band
das Betreten des Saals in dieser Weise gemacht hat, sich unterhaltend und lachend - bei The Verve in Glasgow. Die fünf, vor allem Miles und Alex schienen sehr viel Spaß zu haben.

"We're The Last Shadow Puppets", mit langgezogenem U, begrüßte uns Alex. Ansonsten hielt sich der Arctic Monkey aber unglaublich sympathisch zurück. Er machte klar, daß Miles der Frontmann der Last Shadow Puppets ist. Eine Zurückhaltung eines Stars, die sicher nicht alltäglich ist, und ihm meine größte Hochachtung einbringt.

Beide hatten enorm viel Spaß! Man merkte aber auch Miles an, daß die Band schon
das ein und andere belgische Bier getrunken hatte, denn der Rascal hatte ordentlich einen im Tee - aber auch das auf eine sympathische Art.

Musikalisch war von den Bierchen nichts zu merken - jedes Lied ein Volltreffer! Ich hatte die Diskussion über den neuen Bond-Song nie verstanden, über Amy Winehouse und Mark Ronson, dann über Alicia Keys und Jack White. Das Album der Last Shadow Puppets ist schließlich eine Bewerbungs-CD für künftige Bonds. Live schaffen es Miles und Alex dank ihres überragenden Spiels
und des aufregenden Orchesters, diesen großen Klang perfekt wiederzugeben. Die beiden Stimmen harmonieren bestens, da ist kein schlampiges Genie zu entdecken, es wurde echte Kunst geboten.

Und das Publikum honorierte das! Gab es zwar am Anfang noch ab und zu die immer gleiche lustige Szene, daß bei Lieder, die Miles singt, an den Stellen, bei denen Alex Backgroundparts hat, großer Jubel ausbrach, erkannten die begeisterten Zuschauer doch an, daß die Last Shadow Puppets nicht Alex Turners Zweitband sind.

The age of the Understatement war natürlich ein frühes Highlight, die Single ist schließlich ein Überlied. Trotzdem stach es nicht zu sehr hervor, weil der Rest eben auch brillant ist. Calm like you zum Beispiel! Welch ein Knaller! Oder der sicherlich extrem schwierige Start bei Only the truth, bei dem das Timing extrem wichtig ist. Es paßte punktgenau!

Das außergewöhnlichste Stück des Abends war aber sicher das Lee Hazlewood / Nancy Sinatra Cover Paris Summer. Anders als in der besungenen Stadt war nicht die Sängerin der Kills Miles' Duett-Partnerin, sondern Rosalie von Ipso Facto (die Live-Version aus Paris ist auf der aktuellen
Single B-Seite). Ich hatte das Lied vorher noch nie gehört und war sofort ergriffen und tief beeindruckt. Rosalies Stimme fügte sich ausgezeichnet in den Sound der Last Shadow Puppets ein. Ein wahnsinniger Hit!

Neben Liedern von der CD spielten die Last Shadow Puppets ein paar B-Seiten, darunter das Bowie-Cover In the heat of the morning. Cover mögen die beide ohnehin. Auch
She's so heavy von den Beatles spielten sie, zum ersten Mal überhaupt. Die B-Seiten fallen gegenüber den Albumtracks in keiner Weise ab. Hang the cyst zum Beispiel mit seinen treibenden Gitarren und der wechselnden Melodie (und dem Glockenspiel!) ist ein Glanzpunkt, der eigentlich nicht auf einer Single-Rückseite versauern dürfte.

Und dann immer wieder diese köstlichen Ansagen von Miles. Dessen Ansagestimme ist deutlich dreckiger als seine Singstimme. Das war einfach großartig! Als sie vor den Zugaben (oder währenddessen) wieder einmal grinsend und kumpelhaft auf der Bühne standen und die Begeisterung genossen, schrie Miles nur noch "Brussels! Brusssssels!" und riss die Faust dabei hoch. Meine Lieblingskonzertszene des Jahres, glaube ich! Köstlich aber auch die Schwierigkeiten, die der Sänger hatte, gegen
Ende seine Gitarre umzuschnallen, der Gurt hatte sich verheddert. Irgendwer half, und weiter ging es.

Zugaben waren ein Leonard Cohen Cover (Memories) und die zweite Single
Standing next to me. Grandios! Ganz sicher ein Konzert des Jahres! Wer die Chance hat, eines der kommenden Konzerte zu sehen, hin! Amsterdam und Glasgow sind nicht weit...

Aber für uns galt BRUSSELS!

Setlist The Last Shadow Puppets, Cirque Royal /Koninklijk Circus, Brüssel:

01: In my room
02: The age of the Understatement
03: Calm like you
04: Black plant
05: Gas dance
06: Only the truth
07: Paris summer (mit Rosalie Cunningham) (
Lee Hazlewood / Nancy Sinatra Cover)
08: Separate and ever deadly
09: Hang the cyst
10: I want you (She's so heavy) (Beatles Cover)
11: My mistakes were made for you
12: I don't like you any more
13: In the heat of the morning (David Bowie Cover)
14: The chamber
15: The time has come again
16: Meeting place

17: Memories (Leonard Cohen Cover) (Z)
18: Standing next to me (Z)

Links:

- Die Last Shadow Puppets in Paris
- Die Long Blondes ohne Ipso Facto in Paris
- mehr Fotos



3 Kommentare :

Oliver Peel hat gesagt…

"Die Londonerinnen sind zwar weniger elektronisch, als ich gedacht hatte, das war allerdings nicht schlimm."

Wie meinst Du das denn jetzt? Ist elektronisch gleichbedeutend mit gut, oder wie?

Bei mir wird im umgekehrten Fall ein Schuh draus...

Christoph hat gesagt…

Daß sie anders waren, als ich erwartet hatte, war nicht schlimm.

Da steckt nicht mehr Philosophie und auch keine Schuhe hinter.

Oliver Peel hat gesagt…

So wie Du es formulierst, klingt es als kleine Enttäuschung, daß sie weniger elektronisch waren, als von Dir erwartet.

 

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