Mittwoch, 18. April 2007

The Silver Mt. Zion Memorial Orchestra, Paris, 17.04.07

Konzert: The Silver Mt. Zion Memorial Orchestra & Tra-La-La Band
Datum: 17.04.2007
Ort: Cabaret Sauvage, Paris
Zuschauer: gut gefuelltes Spiegelzelt

Heute zog es mich bei sommerlichen Temperaturen hinaus auf das futuristisch anmutende Gelaende des Parc de la Vilette, wo u.a. die Géode und das Technikmuseum hervorstechen, aber - fuer Musikfans viel wichtiger- mehrere Konzertsaele, darunter das Trabendo, der riesige Zénith und das Spiegelzelt Cabaret Sauvage angesiedelt sind.

Bevor ich mich ueber die Kanalbruecke Richtung Spiegelzelt begab, stattete ich aber aus Neugierde dem Gelaende vor dem Zénith einen Besuch ab. Zahlreiche auf dem Park rumschwirrende Schwarzhaendler hatten mich stutzig gemacht. Ich fragte mich, wer denn wohl heute, den nach Bercy zweitgroessten Musiksaal zum Kochen brachte. Auf dem Boden ausgerollte, mit Sicherheit nicht autorisierte Poster, verrieten dann schnell den Namen der Band: Tokio Hotel rockten heute abend Paris! Unfassbar!

Reporter interviewten franzoesische Teenager und fragten die meist mit schwarzem Kajalstift geschminkten Maedchen, wie sie denn auf die Band aus "Allemagne" aufmerksam geworden seien. Die Begeisterung, ja der Hype um die Senkrechtstarter schien mir auch in Frankreich riesig zu sein. Gerne haette ich mir aus sozialstudlichen Gruenden ein Bild im Inneren des Zénith gemacht. Dazu haette ich aber eine Eintrittskarte haben muessen, was nicht der Fall war. Selbstredend war das Konzert ausverkauft und selbst die Schwarzhaendler suchten noch haenderingend nach Karten zwecks anschliessendem Weiterverkauf, obwohl der Gig zu diesem Zeitpunkt schon in vollem Gange war. Aus dem Saal drang deutlich vernehmbar Musik nach aussen. "Schrei, schrei", ertoente es und tausende Kehlen leisteten der Aufforderung Folge. Auweia! Ich hatte genug gehoert und machte mich auf die Soeckchen Richtung Cabaret Sauvage, allerdings nicht ohne ein Photo von einem Plakat mit einer Liebesbekundung eines Fans an Tokio Hotel genommen zu haben...

In dem schoenen Spiegelzelt finden leider selten Konzerte statt; das letzte Mal hatte ich hier vor gut einem Jahr die Belgier von Deus rocken hoeren. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich die Kanadier The Silver Mt. Zion Orchestra nur vom Namen her kannte. Ich wusste, dass sie in Quebec eine Art Kultstatus geniessen, dort auch mal mit ihren Kollegen von Godspeed! You Black Emperor musizieren und auch einen gewissen Draht zu Arcade Fire haben. Klar war, dass das hier heute etwas fuer Kenner sein wuerde und dass sich hier ausser mir keiner zufaellig hin verlaufen haben wuerde. Aber ich bilde mich ja gerne weiter und so deckte ich mich erst einmal mit zwei ihrer insgesamt fuenf Alben ein, die mir die nette Dame am Merchandising Stand besonders ans Herz gelegt hatte und zwar "Born into the trouble as the sparks fly upward" (2001) und "Horses in the sky" (2003).

Von letztgenanntem Longplayer stammte dann auch gleich der Opener "God bless our dead marines" und spaeter auch "Mountains made of steam". Der Titel des ersten Liedes macht deutlich, dass die Kanadier auch eine politische Message haben, frueher spielten sie wohl auch in besetzten Kulturzentren von Montréal. Ein politisches Statement gaben sie dann auch in der Mitte des Sets ab und zwar meinten sie schmunzelnd, dass sie auf den Ausgang der franzoesischen Praesidentschaftswahlen gespannt - und darueber erfreut seien, dass Frankreich endlich in Richtung politische Mitte ruecken wuerde, was immer sie damit auch zum Ausdruck bringen wollten.

Politische Themen interessierten mich aber am heutigen Abend nicht, sondern vielmehr die wunderbaren Soundlandschaften und die epischen Soundboegen, die die Nordamerikaner kreierten. Kaum ein Titel war weniger als zehn Minuten lang, teilweise sogar deutlich laenger, so dass das Kunststueck vollbracht wurde, nur sechs Lieder bei 90 Minuten Spielzeit unterzubringen (Zugabe "Blind, Blind, Blind"). Langweilig war es aber nie, was die siebenkoepfige Band um Songwriter und Saenger Efrim kredenzte. Im Gegenteil, man konnte herrlich abtauchen bei den langen und oft dramatisch zugespitzten Instrumentalpassagen. So war dann auch die am haeufigsten im Publikum beobachtete Koerpersprache ein sanftes Wiegen des Kopfes bei geschlossenen Augen. Hatte man die Aeuglein geoeffnet, so konnte man sich am grazilen Geigespiel, der beiden Violinistinnen erfreuen, oder einen der Musiker beim Kontrabassspielen beobachten. Es war also fuer Augen und Ohren etwas geboten und ich war froh, eine hochinteressante Band fuer mich neuentdeckt zu haben.

Schaut Sie Euch doch auch in Eurer Naehe an, es lohnt sich!

20.04.2007 Lausanne
21.04.2007 Bern
22.04.2007 Colmar
30.04.2007 London
05.05.2007 Hasselt

Auszug aus der Setlist The Silver Mt. Zion Orchestra:

- God bless our dead marines
- Mountains made of steam
- Blind, blind, blind (Z)

von Oliver



1 Kommentare :

Anonym hat gesagt…

Irgendwo habe ich gelesen, dass die ganzen kleinen Französinnen jetzt die deutschen Sprachkurse stürmen, damit sie die Texte ihrer Helden verstehen. Tokio Hotel mehr für die deutsch-französische Freundschaft tun als alle Politiker. Soweit ist es also schon gekommen ;)

 

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